Читать книгу Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand: Ein Schauspiel - Johann Wolfgang von Goethe - Страница 2

Erster Akt
I. Akt, Szene 2

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Jagsthausen. Gцtzens Burg Elisabeth. Maria. Karl, sein Sцhnchen.

Karl. Ich bitte dich, liebe Tante, erzдhl mir das noch einmal vom frommen Kind, 's is gar zu schцn.

Maria. Erzдhl du mir's, kleiner Schelm, da will ich hцren, ob du achtgibst.

Karl. Wart e bis, ich will mich bedenken. – Es war einmal – ja – es war einmal ein Kind, und sein Mutter war krank, da ging das Kind hin-Maria. Nicht doch. Da sagte die Mutter: "Liebes Kind" – Karl. "Ich bin krank" – Maria. "Und kann nicht ausgehn" – Karl. Und gab ihm Geld und sagte. "Geh hin, und hol dir ein Frьhstьck." Da kam ein armer Mann-Maria. Das Kind ging, da begegnet' ihm ein alter Mann, der war – nun Karl!

Karl. Der war – alt-Maria. Freilich! der kaum mehr gehen konnte, und sagte. "Liebes Kind" – Karl. "Schenk mir was, ich habe kein Brot gessen gestern und heut." Da gab ihm 's Kind das Geld-Maria. Das fьr sein Frьhstьck sein sollte.

Karl. Da sagte der alte Mann-Maria. Da nahm der alte Mann das Kind-Karl. Bei der Hand, und sagte – und ward ein schцner glдnzender Heiliger, und sagte: – "Liebes Kind" – Maria. "Fьr deine Wohltдtigkeit belohnt dich die Mutter Gottes durch mich: welchen Kranken du an rьhrst" – Karl. "Mit der Hand" – es war die rechte, glaub ich.

Maria. Ja.

Karl. "Der wird gleich gesund."

Maria. Da lief das Kind nach Haus und konnt fьr Freuden nichts reden.

Karl. Und fiel seiner Mutter um den Hals und weinte fьr Freuden-Maria.

Da rief die Mutter: "Wie ist mir!" und war – nun Karl!

Karl. Und war – und war-Maria. Du gibst schon nicht acht! – und war gesund. Und das Kind kurierte Kцnig und Kaiser, und wurde so reich, daя es ein groяes Kloster bauete.

Elisabeth. Ich kann nicht begreifen, wo mein Herr bleibt. Schon fьnf Tag und Nдchte, daя er weg ist, und er hoffte so bald seinen Streich auszufьhren.

Maria. Mich дngstigt's lang. Wenn ich so einen Mann haben sollte, der sich immer Gefahren aussetzte, ich stьrbe im ersten Jahr.

Elisabeth. Dafьr dank ich Gott, daя er mich hдrter zusammengesetzt hat.

Karl. Aber muя dann der Vater ausreiten, wenn's so gefдhrlich ist?

Maria. Es ist sein guter Wille so.

Elisabeth. Wohl muя er, lieber Karl.

Karl. Warum?

Elisabeth. Weiяt du noch, wie er das letztemal ausritt, da er dir Weck mitbrachte?

Karl. Bringt er mir wieder mit?

Elisabeth. Ich glaub wohl. Siehst du, da war ein Schneider von Stuttgart, der war ein trefflicher Bogenschьtz, und hatte zu Kцln auf'm Schieяen das Beste gewonnen.

Karl. War's viel?

Elisabeth. Hundert Taler. Und darnach wollten sie's ihm nicht geben.

Maria. Gelt, das ist garstig, Karl?

Karl. Garstige Leut!

Elisabeth. Da kam der Schneider zu deinem Vater und bat ihn, er mцchte ihm zu seinem Geld verhelfen. Und da ritt er aus und nahm den Kцlnern ein paar Kaufleute weg, und plagte sie so lang, bis sie das Geld herausgaben. Wдrst du nicht auch ausgeritten?

Karl. Nein! da muя man durch einen dicken, dicken Wald, sind Zigeuner und Hexen drin.

Elisabeth. Ist ein rechter Bursch, fьrcht sich vor Hexen!

Maria. Du tust besser, Karl! leb du einmal auf deinem Schloя als ein frommer christlicher Ritter. Auf seinen eigenen Gьtern findet man zum Wohltun Gelegenheit genug. Die rechtschaffensten Ritter begehen mehr Ungerechtigkeit als Gerechtigkeit auf ihren Zьgen.

Elisabeth. Schwester, du weiяt nicht, was du redst. Gebe nur Gott, daя unser Junge mit der Zeit braver wird, und dem Weislingen nicht nachschlдgt, der so treulos an meinem Mann handelt.

Maria. Wir wollen nicht richten, Elisabeth. Mein Bruder ist sehr erbittert, du auch. Ich bin bei der ganzen Sache mehr Zuschauer, und kann billiger sein.

Elisabeth. Er ist nicht zu entschuldigen.

Maria. Was ich von ihm gehцrt, hat mich eingenommen. Erzдhlte nicht selbst dein Mann so viel Liebes und Gutes von ihm! Wie glьcklich war ihre Jugend, als sie zusammen Edelknaben des Markgrafen waren!

Elisabeth. Das mag sein. Nur sag, was kann der Mensch je Gutes gehabt haben, der seinem besten treusten Freunde nachstellt, seine Dienste den Feinden meines Mannes verkauft, und unsern trefflichen Kaiser der uns so gnдdig ist, mit falschen widrigen Vorstellungen einzunehmen sucht.

Karl. Der Vater! der Vater! Der Tьrner blдst 's Liedel: "Heisa, mach 's Tor auf."

Elisabeth. Da kommt er mit Beute.

(Ein Reiter kommt.)

Reiter. Wir haben, gejagt! wir haben gefangen! Gott grья Euch, edle Frauen.

Elisabeth. Habt ihr den Weislingen?

Reiter. Ihn und drei Reiter.

Elisabeth. Wie ging's zu, daя ihr so lang ausbleibt?

Reiter. Wir lauerten auf ihn zwischen Nьrnberg und Bamberg, er wollte nicht kommen, und wir wuяten doch, er war auf dem Wege. Endlich kundschaften wir ihn aus: er war seitwдrts gezogen, und saя geruhig beim Grafen auf dem Schwarzenberg.

Elisabeth. Den mцchten sie auch gern meinem Mann feind haben.

Reiter. Ich sagt's gleich dem Herrn. Auf! und wir ritten in Haslacher Wald. Und da war's kurios: wie wir so in die Nacht reiten, hьt just ein Schдfer da, und fallen fьnf Wцlf in die Herd und packten weidlich an. Da lachte unser Herr und sagte: "Glьck zu, liebe Gesellen! Glьck ьberall und uns auch!" Und es freuet' uns all das gute Zeichen. Indem so kommt der Weislingen hergeritten mit vier Knechten.

Maria. Das Herz zittert mir im Leibe.

Reiter. Ich und mein Kamerad, wie's der Herr befohlen hatte, nistelten uns an ihn, als wдren wir zusammengewachsen, daя er sich nicht regen noch rьhren konnte, und der Herr und der Hans fielen ьber die Knechte her und nahmen sie in Pflicht. Einer ist entwischt.

Elisabeth. Ich bin neugierig, ihn zu sehn. Kommen sie bald?

Reiter. Sie reiten das Tal herauf, in einer Viertelstund sind sie hier.

Maria. Er wird niedergeschlagen sein.

Reiter. Finster genug sieht er aus.

Maria. Sein Anblick wird mir im Herzen weh tun.

Elisabeth. Ah! – Ich will gleich das Essen zurecht machen. Hungrig werdet ihr doch alle sein.

Reiter. Rechtschaffen.

Elisabeth. Nimm den Kellerschlьssel und hol vom besten Wein! Sie haben ihn verdient. (Ab.)

Karl. Ich will mit, Tante.

Maria. Komm, Bursch. (Ab.)

Reiter. Der wird nicht sein Vater, sonst ging' er mit in Stall!

(Gцtz. Weislingen. Reitersknechte.)

Gцtz (Helm und Schwert auf den Tisch legend). Schnallt mir den Harnisch auf, und gebt mir mein Wams. Die Bequemlichkeit wird mir wohl tun. Bruder Martin, du sagtest recht – Ihr habt uns in Atem erhalten, Weislingen.

Weislingen (antwortet nichts, auf und ab gehend).

Gцtz. Seid gutes Muts. Kommt, entwaffnet Euch. Wo sind Eure Kleider? Ich hoffe, es soll nichts verlorengegangen sein. (Zum Knecht.) Frag seine Knechte, und цffnet das Gepдcke, und seht zu, daя nichts abhanden komme. Ich kцnnt Euch auch von den meinigen borgen.

Weislingen. Laяt mich so, es ist all eins.

Gцtz. Kцnnt Euch ein hьbsches saubres Kleid geben, ist zwar nur leinen. Mir ist's zu eng worden. Ich hatt's auf der Hochzeit meines gnдdigen Herrn des Pfalzgrafen an, eben damals, als Euer Bischof so giftig ьber mich wurde. Ich hatt' ihm, vierzehn Tag vorher, zwei Schiff auf dem Main niedergeworfen. Und ich geh mit Franzen von Sickingen im Wirtshaus zum Hirsch in Heidelberg die Trepp hinauf. Eh man noch ganz droben ist, ist ein Absatz und ein eisen Gelдnderlein, da stund der Bischof und gab Franzen die Hand, wie er vorbeiging, und gab sie mir auch, wie ich hintendrein kam. Ich lacht in meinem Herzen, und ging zum Landgrafen von Hanau, der mir gar ein lieber Herr war, und sagte: "Der Bischof hat mir die Hand geben, ich wett, er hat mich nicht gekannt." Das hцrt' der Bischof, denn ich red't laut mit Fleiя, und kam zu uns trotzig – und sagte: "Wohl, weil ich Euch nicht kannt hab, gab ich Euch die Hand." Da sagt ich: "Herre, ich merkt's wohl, daя Ihr mich nicht kanntet, und hiermit habt Ihr Eure Hand wieder." Da ward das Mдnnlein so rot am Hals wie ein Krebs vor Zorn und lief in die Stube zu Pfalzgraf Ludwig und dem Fьrsten von Nassau und klagt's ihnen. Wir haben nachher uns oft was drьber zugute getan.

Weislingen. Ich wollt, Ihr lieяt mich allein.

Gцtz. Warum das? Ich bitt Euch, seid aufgerдumt. Ihr seid in meiner Gewalt, und ich werd sie nicht miяbrauchen.

Weislingen. Dafьr war mir's noch nicht bange. Das ist Eure Ritterpflicht.

Gцtz. Und Ihr wiяt, daя die mir heilig ist.

Weislingen. Ich bin gefangen; das ьbrige ist eins.

Gцtz. Ihr solltet nicht so reden. Wenn Ihr's mit Fьrsten zu tun hдttet, und sie Euch in tiefen Turn an Ketten aufhingen, und der Wдchter Euch den Schlaf wegpfeifen mьяte!

(Die Knechte mit den Kleidern.)

Weislingen (zieht sich aus und an).

(Karl kommt.)

Karl. Guten Morgen, Vater!

Gцtz (kьяt ihn). Guten Morgen, Junge. Wie habt ihr die Zeit gelebt?

Karl. Recht geschickt, Vater! Die Tante sagt: ich sei recht geschickt.

Gцtz. So!

Karl. Hast du mir was mitgebracht?

Gцtz. Diesmal nicht.

Karl. Ich hab viel gelernt.

Gцtz. Ei!

Karl. Soll ich dir vom frommen Kind erzдhlen?

Gцtz. Nach Tische.

Karl. Ich weiя noch was.

Gцtz. Was wird das sein?

Karl. Jagsthausen ist ein Dorf und Schloя an der Jagst, gehцrt seit zweihundert Jahren den Herrn von Berlichingen erb- und eigentьmlich zu.

Gцtz. Kennst du den Herrn von Berlichingen?

Karl (sieht ihn starr an).

Gцtz (vor sich). Er kennt wohl vor lauter Gelehrsamkeit seinen Vater nicht. – Wem gehцrt Jagsthausen?

Karl. Jagsthausen ist ein Dorf und Schloя an der Jagst.

Gцtz. Das frag ich nicht. – Ich kannte alle Pfade, Weg und Furten, eh ich wuяte, wie Fluя, Dorf und Burg hieя. – Die Mutter ist in der Kьche?

Karl. Ja, Vater! Sie kocht weiяe Rьben und ein Lammsbraten.

Gцtz. Weiяt du's auch, Hans Kьchenmeister?

Karl. Und fьr mich zum Nachtisch hat die Tante einen Apfel gebraten.

Gцtz. Kannst du sie nicht roh essen?

Karl. Schmeckt so besser.

Gцtz. Du muяt immer was Apartes haben. – Weislingen! ich bin gleich wieder bei Euch. Ich muя meine Frau doch sehn. Komm mit, Karl.

Karl. Wer ist der Mann?

Gцtz. Grья ihn. Bitt ihn, er soll lustig sein.

Karl. Da, Mann! hast du eine Hand, sei lustig, das Essen ist bald fertig.

Weislingen (hebt ihn in die Hцh und kьяt ihn). Glьckliches Kind! das kein ьbel kennt, als wenn die Suppe lang ausbleibt. Gott laя Euch viel Freud am Knaben erleben, Berlichingen.

Gцtz. Wo viel Licht ist, ist starker Schatten – doch wдr mir's willkommen. Wollen sehn, was es gibt.

(Sie gehn.)

Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand: Ein Schauspiel

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