Читать книгу Rücksturz nach Tyros - Johannes Anders - Страница 7

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1 Vorgeplänkel

In der Tiefe des Weltraums spielen sich manchmal dramatische Szenen ab, von denen das Licht der Sterne erst Milliarden Jahre später kündet, wenn sich ein Beobachter weit davon entfernt befindet.

Die Gesichter der Brückenbesatzung waren angespannt, ihre Blicke klebten am Hauptbildschirm, der sich wie ein großer Tisch in ihrer Mitte befand und ein Schreckensszenario vor ihnen entfaltete. Keiner wagte, ein Wort zu sagen. Selbst Ordonnanzleutnant Dankowitsch, der sonst immer für einen abseitigen Spruch gut war, schwieg. Im Hintergrund hörte man den Funkspruch, der in Endlosschleife wiederholt wurde: „MAGELLAN Basis an Erkundungskreuzer Mag-1 bis 6! Sie werden zum sofortigen Rücksturz zur Basis aufgefordert. Dies ist eine Alpha-Order der Expeditionsleitung. Sofortiger Rücksturz zur Basis. Erkundungskreuzer, hören Sie! Die Expedi- tionsleitung gibt Alpha-Order: Sofortiger Rücksturz …“

Auf der Planetenoberfläche bewegte sich noch immer nichts. Auch bei maximaler Vergrößerung sah man unter den dahintreibenden bläulichen Wolken keinerlei Bewegung. Admiralin Charlene Armstrong krallte ihre Finger in die Polster des Kommandosessels. Hoffentlich war es noch nicht zu spät! Die Vlock hatten sie erst überfreundlich empfangen, aber dann verschwanden immer mehr Ausrüstungsgegenstände und Aggregate aus den Erkundungskreuzern. Es blieb keine Wahl, als die Mission umgehend abzubrechen, bevor die Schiffe fluguntauglich wurden. Den Vlock war das nicht recht, sie wollten weiter plündern. Deshalb bedrohten sie die Besatzungen und versuchten, die Kreuzer gewaltsam an Boden zu halten.

Endlich geschah etwas, aber leider nichts Gutes: Die Instrumente zeigten Energieentladungen an. Am Boden wurde geschossen. Einige Funksprüche trafen ein:

„Mag-4 an Mutterschiff. Hören Sie, MAGELLAN, wir sind auf der Flucht. Ich wiederhole: Erkundungsgruppe führt Notevakuierung durch.“

„Notstart! Notstart! Mag-6 unter Beschuss! Sofortiger Notstart!“

Wenige Minuten später stiegen kurz nacheinander fünf Erkundungskreuzer in die Atmosphäre auf, man sah, wie die bläulichen Wolken um die Schiffe herum verwirbelt wurden.

Charlene Armstrong sprach aus, was jeder dachte: „Warum nur fünf? Was ist mit dem sechsten Kreuzer? - Statusmeldung!“

Die Kommandanten der Kreuzer wurden aufgefordert, ihren Status durchzugeben, aber sie hatten offensichtlich ganz andere Probleme, als Statusmeldungen zu verfassen. Bevor eine Antwort empfangen werden konnte, wurde einer der Kreuzer langsamer und geriet ins Trudeln. Entsetzt sahen alle, wie er an Höhe verlor.

„Mag-3 an Basis, Bordingenieur meldet gestohlene Kühlaggregate! Die Wandler überhitzen und das Ding fliegt uns um die Ohren, Leute! Feuer im Maschinenraum! Mag-3 an Basis, wir stürzen ab! Mag-3 an Basis ...“

Man sah den Kreuzer auf dem Hauptbildschirm kleiner werden. Etwas später gab es eine Explosion auf der Planetenoberfläche. Charlene schlug entsetzt die Hände vor das Gesicht. Ein Aufstöhnen ging durch die Brückenbesatzung.

Die verbliebenen vier Erkundungskreuzer näherten sich mit größtmöglicher Beschleunigung der Stratosphäre des Planeten und gaben ihre Meldungen ab:

„Mag-5: Voll funktionsfähig!“

„Mag-1: Alles in Ordnung.“

„Mag-6: Nur leichte Schäden!“

„Mag-2: Alles okay!“

Von der Mag-4, kam keine Meldung, dafür meldete sich die Mag-2 noch einmal: „Mag-2 an Basis: Die Mag-4 konnte nicht abheben. Teile des Antriebs wurden gestohlen. Die Besatzung konnte sich aber zu uns durchschlagen. Ich wiederhole: Wir haben die Besatzung der Mag-4 an Bord, keiner wurde zurückgelassen.

„Gut gemacht!“, atmete die Admiralin auf. Das ersparte ihnen einen gefährlichen Rettungseinsatz mit unsicherem Ausgang. Wer weiß, ob sie es geschafft hätten, die Leute herauszuhauen?

Plötzlich sah man eine größere Zahl kleiner Punkte vom Planeten aufsteigen.

„Raumjäger nehmen die Verfolgung auf“, meldete der Ortungsoffizier des Mutterschiffs. „Es sind genau zwanzig. Jetzt starten noch zehn Raumjäger. Und noch mehr. Raumjäger von überall!“

Die kleinen Abfangschiffe der Vlock hatten eine irrsinnige Beschleunigung. Kaum in Reichweite der Erkundungskreuzer, eröffneten sie das Feuer. Die Energie ihrer starken Laser wurde von den Schutzschirmen der Kreuzer abgefangen.

„Kreuzer, Feuererlaubnis!“, kommandierte die Admiralin.

Die Kreuzer schossen zurück, aber da jeder von ihnen nur über vier Lichtwerfer verfügte, war der Erfolg überschaubar. Die Mag-5 kam auf die Idee, alle vier Werfer auf einen Jäger zu konzentrieren, wodurch derselbe nach kurzer Zeit explodierte.

„Gut gemacht, Storm“, flüsterte die Admiralin.

Die anderen Kreuzer übernahmen das erfolgreiche Vorgehen und feuerten nun ebenfalls konzentriert. Ein Jäger nach dem anderen zerstob in einer Feuerwolke.

Aber auch die Vlock waren lernfähig und konzentrierten ebenfalls ihr Feuer: Eine große Anzahl Jäger nahm die Mag-6 in die Zange.

„Mag-6 an Basis“, ertönte es nervös aus den Lautsprechern. Im Hintergrund knisterte, zischte und puffte es. „Unsere Wandler überladen! Die Schirme halten nicht ...“

„Astrogator“, kommandierte die Admiralin. „Bugsieren Sie die MAGELLAN in die Kampfzone! So schnell es geht! Übergehen Sie das Protokoll!“

Das Mutterschiff der Erkundungskreuzer nahm Fahrt auf, brauchte aber eine gewisse Zeit, um seine Massenträgheit zu überwinden. Immerhin handelte es sich bei der FERDINAND MAGELLAN um einen diskusförmigen Raumgiganten von 700 m Durchmesser, auf dem 330 Personen Dienst taten. Vermutlich würden sie zu spät kommen, um die Mag-6 zu retten, deren Schutzschirm schon bedrohlich flackerte. Aber sie mussten es versuchen.

*

Commander Brent sah eine Handvoll Jäger auf dem Display und klammerte sich nervös an den Armlehnen seines Sessels fest. Nicht mehr lange und sie hatten die Mag-6 eingeholt. Die Wandler schrien förmlich ihre Überlastung hinaus, während sie die Schwerkraft des Planeten mit maximaler Beschleunigung überwanden. Kein Wunder, dachte Brent. Die diebische Bande hatte von zwei Wandlern so viele Teile geklaut, dass sie nutzlos waren.

Unablässig strömten Meldungen herein: Kühlaggregate defekt, Zuleitungen zu den Hilfstriebwerken ohne Energie. Zweites Ladeschott musste von Hand geschlossen werden, Hydraulik ohne Funktion, sie hatten das Öl geklaut.

Endlich gelang es, eine Verbindung aufzubauen. „Brent an MAGELLAN. Wir werden angegriffen. Ich wiederhole: liegen unter Beschuss", versuchte er der Admiralin mitzuteilen, aber ohne Erfolg. Offenbar wurde der Funkverkehr jetzt gestört. Die Funksprüche der anderen Schiffe kamen nur als Fragmente herein. Alle schienen unter denselben Problemen zu leiden.

Dann schlugen die ersten Treffer ein: energiestarke Laserstrahlen, die die Schirme gleich auf Höchstlast brachten.

„Kommandant an Armierungsoffizier. Mugab, Feuer frei! Hol das Pack vom Himmel!“

„Würde ich ja gerne, Commander. Benötige mehr Energiezuleitung zu den Werfern", kam prompt die Antwort. Brent legte zwei Schalter in der Holokonsole um, und sofort begannen die Werfer zu feuern.

Lichtblitze von mehreren Gigavolt schlugen in die Jäger der Vlock ein, ohne Wirkung zu erzielen.

Brent sah im Ortungsholo, dass die Mag-5 ihre Laser auf einen Gegner konzentrierte. Das war eine gute Idee. „Konzentriertes Feuer auf einen Gegner“, befahl er.

Der Jäger verdampfte, aber weitere Jäger näherten sich. Die gesamte Jägerflotte schien es plötzlich auf die Mag-6 abgesehen zu haben.

„Energieverlust. Die Schirme halten nicht!", schrie Bad Huren, der Bordingenieur.

Brent ließ den Antrieb abschalten. Ein Vlockjäger konnte gerade noch ausweichen und raste so dicht an einer Sichtluke vorbei, dass man den Piloten sehen konnte. Alle Energie lag nun auf den Schirmen, die zischten, knisterten und pufften.

„Mag-6 an Basis! Unsere Wandler überladen! Die Schirme halten nicht …“, schrie Brent in die Kommunikationsanlage.

Die anderen Kreuzerkommandanten kamen zu Hilfe und steuerten ihre Schiffe in die Schussbahnen der Jäger, um die Mag-6 zu entlasten.

*

Charlene Armstrong sah, dass die Mag-6 am Ende war und in einer großen Explosion auseinanderflog.

Für Entsetzten blieb keine Zeit, denn die Vlock knöpften sich als nächstes die Mag-2 vor. Zwar flog sie Ausweichmanöver, aber die Jäger hingen an ihr dran und hörten nicht auf, sie zu beschießen. Schon flackerten auch ihre Schirme, und eine Explosion sprengte Trümmerstücke aus ihrer Seite. Die Mag-1 wollte helfen und Entsatz fliegen, aber ihr Astrogator machte einen Fehler und rammte einen der angreifenden Jäger. Da die Schutzschirme nur Energie abhalten konnten und nicht Materie, traf der Jäger den Kreuzer mit voller Wucht. Beide Schiffe vergingen in grellen Feuerbällen.

Derweil wurde die Lage auf der Mag-2 hoffnungslos. „Besatzung in die Phönix!“, hörte man die Kommandantin befehlen. Das Schiff trieb steuerungslos im All. Die anderen Kreuzer umschwärmten sie, um sie notdürftig gegen den Beschuss abzuschirmen.

Charlene Armstrong beobachtete verzweifelt das Szenario. Es war wie beim Schachspiel: Wenn der König im Schach stand, blieben dem Verteidiger kaum Optionen. Hier stand nun die Mag-2 im Feuer, und alle anderen Kreuzer waren gebunden, um sie vor der Vernichtung zu bewahren. Dabei war der Einsatz doppelt hoch, denn die Mag-2 hatte ja auch noch die Crew der Mag-4 mit an Bord. Die Phönix würden sie nicht retten, denn die kleinen Beiboote würden leichte Beute für die Jäger sein.

Endlich war die MAGELLAN im Kampfgeschehen eingetroffen und brachte Erleichterung. Ihre zehn Werfer schossen Schneisen in die Reihen der angreifenden Jäger. Der Astrogator brachte sie in die Nähe der schwer angeschlagenen Mag-2. Überraschend nahm die Mag-2 langsam Fahrt auf und näherte sich dem Hangar des Mutterschiffs. Offenbar hatten sich doch noch nicht alle Besatzungsmitglieder in die Phönix geflüchtet. Wahrscheinlich hielt die Kommandantin noch Stellung auf der Brücke, wie man es von einer guten Kommandantin erwarten konnte.

Die Mag-2 erreichte den Hangar des Mutterschiffs. Sobald die künstliche Schwerkraft sie erfasste, krachte sie auf den Boden und schlitterte gegen eine Wand, wobei sie umherstehendes Gerät mit sich zog. Offenbar waren auch die Magnetkissen des Kreuzers beim Kampf beschädigt worden. Der Hangar schloss sich, und das Rettungsteam rückte an, um Feuer zu löschen und Verletzte zu bergen.

Währenddessen lieferten sich die Mag-5 und das Mutterschiff ein Duell mit den Jägern. Deren Reihen wurden zwar gelichtet, aber auch die MAGELLAN fing sich schwere Treffer ein. „Einschlag in Maschinenraum 7, brauchen Rettungsteam!", brüllte jemand durch das Kommunikationssystem.

„Noch mehr Jäger starten von der Planetenoberfläche!“, meldete der Ortungsoffizier. „Es sind hunderte! Tausende!“

„Abbrechen!“, befahlt die Admiralin. „Geben Sie Alphaorder an die Mag-5: Rücksturz zur MAGELLAN! Packen wir unsere Sachen und dann nichts wie weg hier!“

Die Mag-5 näherte sich mit irrer Geschwindigkeit ihrem Hangar und zog eine Reihe feindlicher Jäger hinter sich her. Statt mit diesem Tempo in den Hangar einzuschlagen und Verwüstungen anzurichten, zog sie im letzten Moment eine Schleife und präsentierte die verfolgenden Schiffe wie auf einer Perlenkette den Werfern des Mutterschiffs.

Nicht schlecht, dachte die Admiralin, während die Jäger der Reihe nach abgeschossen wurden. Es war zwar nur ein Standardmanöver, das man auf der Flottenakademie lernte, aber nicht allen Kommandanten fielen die Basics ein, wenn es drauf ankam. Dann war es wohl doch eine gute Entscheidung gewesen, die Mag-5 Commander Karan zu geben. Viele hielten Karan für zu jung, aber Charlene Armstrong hatte geahnt, dass die junge Frau etwas draufhatte.

Nachdem die Mag-5 unbeschädigt im Hangar gelandet war, gaben die Wandler der FERDINAND MAGELLAN die bereits angestaute Energie auf den Einstein-Rosen-Antrieb und katapultierten das Schiff in Sicherheit.

Rücksturz nach Tyros

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