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MOONLIGHT DRIVE

Do you know how pale and wanton thrillful comes death

on a strange hour, unannounced, unplanned for

Like a scaring overfriendly guest you’ve

Brought to bed

Death makes angels of us all and gives us wings

Where we had shoulders smooth as ravens’ claws

No more money, no more fancy dress

This other kingdom seems by far the best

Until its other jaw reveals incest and

Loose obedience to a vegetable law

I will not go

Prefer a Feast of Friends

To the Giant Family.

(Weißt Du, wie bleich und lüstern schauervoll der Tod

Zu seltsamer Stunde kommt, unangekündigt, ungeplant

Wie ein beängstigender überfreundlicher Gast, den du

Zu Bett gebracht hast

Der Tod macht Engel aus uns allen und gibt uns Flügel

Wo wir Schultern hatten, geschmeidig wie Rabenklauen

Kein Geld mehr, keine feine Kleidung mehr

Dieses andere Königreich scheint bei weitem das beste zu sein

Bis sein anderer Rachen Inzest und

Lockeren Gehorsam gegenüber einem Naturgesetz enthüllt

Ich werde nicht fortgehen

Ein Fest von Freunden

Der Großen Familie vorziehen.)

Lieber Jim,

diese letzten Zeilen von „An American Prayer“ erinnern mich an die ewigen Diskussionen zwischen Dir und Ray über die Weiterentwicklung der Menschheit. Ray wollte eine „Goldene Rasse“ als Folge von Vermischung haben und Du warst gegen den Verlust von individuellen Charakteren. Zurückblickend meine ich, dass Deine frühen Texte großartige Poesie waren. Damals verstand ich Deine Worte nicht so ganz. Aber ich wusste, dass in ihnen ein flüssiger Stil und Rhythmus steckte.

Let’s swim to the moon, let’s climb through the tide

Penetrate the evening tbat the city sleeps to hide

Let’s swim out tonight, love, it’s our turn to try

Parked beside tbe ocean our moonlight drive.

(Lass uns zum Mond schwimmen, lass uns die Gezeiten durchklimmen

Den Abend erforschen, den die Stadt schlafend verbirgt

Lass uns heute nacht rausschwimmen, nun müssen wir es wagen

Und halten am Ozean auf unserer Mondlichtfahrt.)

Mir kamen sofort Ideen, wie ich Deine Texte mit meinem Schlagzeugspiel ergänzen könnte. Die Worte klangen wie ein einziger Acid-Trip. Ich war hypnotisiert.

Let’s swim to the moon, let’s climb through the tide

Surrender to the waiting worlds that lap against our side

Nothing left open and no time to decide

We’ve stepped into a river on our moonlight drive.

(Lass uns zum Mond schwimmen, lass uns die Gezeiten durchklimmen

Ergeben wir uns den wartenden Welten, die an unsere Seite plätschern

Nichts bleibt mehr offen und keine Zeit mehr, uns zu entscheiden

Wir schritten in einen Fluss auf unserer Mondlichtfahrt.)

Als wir die ersten Male zusammen spielten, war Deine Stimme schwach und Du warst so peinlich introvertiert. Das soll der nächste Mick Jagger werden?, dachte ich. Aber es gab etwas Faszinierendes an Dir: Deine Liebe zu Worten. Deine grimmige Überzeugung, ein Poet zu sein. Ich kannte vorher niemanden, der versucht hatte, Poesie der Rockmusik zuzuordnen. Für mich war „Moonlight Drive“ revolutionär. Ein pychedelisches Liebeslied.

Let’s swim to the moon, let’s climb through the tide

You reach a hand to hold me but I can’t be your guide

Easy to love you as I watch you glide

Falling through wet forests on our moonlight drive.

(Lass uns zum Mond schwimmen, lass uns die Gezeiten durchklimmen

Du reichst Deine Hand, um mich zu halten, aber ich kann Dein Führer nicht sein

Es ist leicht, Dich zu lieben, wie ich Dich dahingleiten sehe

Wir fallen durch feuchte Wälder bei unserer Mondlichtfahrt.)

Und Du sahst so wahnsinnig gut aus. Ich verglich Dich mit Michelangelos David. Ich ahnte, dass Du einzigartig warst, aber Du hast Dich nicht so wie die anderen typisch höchnäsigen Sänger benommen, mit denen ich gewöhnlicherweise bei den Feten, Hochzeiten und Bars anfangs auftrat. Als ich Dich bei unseren frühen Sessions mit dem Mikrofonkabel herumhantieren sah, grübelte ich: „Wie will dieser Typ das Publikum antörnen, wenn ihn das dämliche Kabel so in Anspruch nimmt?“ Ich hatte nur noch nicht erkannt, dass Du Deinen total eigenen Weg gesucht hattest und dass sich schließlich vor dem Publikum das Kabel in eine Schlange verwandeln würde. Sie waren von jeder Deiner Bewegungen fasziniert und wir mittlerweile auch.

*

Los Angeles, 1965

Einige Wochen nach dem „elektrischen Kool-Aid Acidtest“ mit Grant kam ich mal wieder mit Robby Krieger zusammen, einem kraushaarigen Gitarristen.

Bei einem unserer ersten Treffen damals an der Highschool fuhr er unbekümmert den schicken Plymouth seiner Eltern und zahlte das Benzin mit Kreditkarte. Es bedeutete einiges für mich, dass er südlich der Eisenbahnschienen lebte, die entlang des Olympic Boulevard verliefen. Er erzählte mir, dass er aus Menlow, einer nordkalifornischen Privatschule, herausgeflogen sei und nun zur Universität gehe. Ich hielt ihn für einen reichen Knaben mit Anstand. Außerdem war er sehr still. Schon bald merkte ich, dass sein scheues Verhalten auf Sensibilität und Sanftheit, aber nicht Snobismus beruhte. Später erkannte ich, dass er in seinem Kopf pausenlos Ideen spann. Zu der Zeit, als jeder Top 40-Musik hörte, hatte Robby bereits Paul Butterfield, Robert Johnson und Jimmy Reed entdeckt. Zudem spielte er auch noch Flamencogitarre.

Während der nächsten sechs Monate brachte mich Robby dann auf Bob Dylan, die Jim Kweskin Jug Band und Robert Johnson. Deswegen revanchierte ich mich mit meinem neuen Geheimnis: Acid.

Ich erzählte ihm, dass Grant und ich es geschluckt hatten. Er konnte kaum erwarten, es selbst zu probieren, nachdem ich ihm die Intensität unseres Experiments geschildert hatte.

Bald schon war es Robby, der unseren Freunden das Acid brachte.

Im April 1965 tauchte Robby wie gewöhnlich auf einer Party mit seinem Zeug auf. Zwei weitere Freunde namens Bill und Tommy waren bei ihm. Ich kriegte heraus, dass Robby schon mal wegen Grass verhaftet worden war (mich buchtete man nie ein – was in der anderen Doors-Biografie fälschlicherweise behauptet wurde). Er fuhr mit seinem Auto in der Gegend herum und rauchte dabei eine Marihuanazigarette, als ihn die Bullen anhielten. Ich fragte mich damals, ob Robby nicht ein wenig zu ausgefallen war, um zu meinem Freundeskreis zu gehören. Wir schluckten LSD auf dieser Party. Für Tommy hatte Robby etwas Speed (Methedrin) dabei, damit er besser in seinen Trip kam. Ich hielt es für unnötig, denn Tommy war ein ziemlich introvertierter Typ, aber Robby schwatzte ihm diesen „Appetitmacher“ förmlich auf. Robby war nur ein Jahr jünger als ich, aber auch er hatte manchmal seine spitzen Seiten. Hartnäckigkeit war Robbys Achillesferse.

Wir gingen nach draußen und redeten mit den Blumen; jeder wollte gerne Grants Freundin besteigen, blieb aber erfolglos. Dann drehte Tommy durch. Abwechselnd zeigte sein Gesicht Freude und Terror, während er pausenlos sagte: „Ich bin erleuchtet … oh nein, ich sterbe!“ Als die Wirkung nachließ, wurde sein Gemüt wieder normaler, schien sich aber nie wieder vollständig zu stabilisieren.

Bill Wolf war ein Gitarrist aus der Gegend mit einem gesunden Sinn für Humor und wir beide kamen ausgezeichnet miteinander aus. Wir diskutierten über Gott und über Nichtigkeiten und lachten viel. Er berichtete mir von einem wilden Tier – er hielt es für einen Tiger –, das ihm im Nacken säße und dass er sich schwer konzentrieren müsse, nicht gefressen zu werden. Nach diesem Abend beschlossen Robby, Grant, Bill und ich, eine Band mit dem Namen „The Psychedelic Rangers“ zu gründen. Im Frühjahr 1965 beherrschten die Beach Boys mit ihren Surfliedern die Hitparaden und es gab Gemurmel über unsere Jungs, die in einem weit entfernten Land namens Vietnam kämpften, scheinbar Lichtjahre entfernt vom sonnigen Südkalifornien.

Unsere erste Übungssession fand im Wohnzimmer von Robbys Elternhaus statt. In einer Art Folkrock-Stil schrieben wir einen Song mit dem Titel „Paranoia“. Grant verfasste einen absurden Text mit den Zeilen „… das schwarz-weiße Fieber macht dich nervös …“, was sich auf die Bullen bezog. Abgesehen davon, dass die Proben immer viel Spaß machten, dachten wir weniger daran, Karriere zu machen, obwohl „Paranoia“ es sicherlich geschafft hätte, wenn sogar Barry McGuire mit „Eve of Destruction“ einen Hit landen konnte.

Ein Freund von Grant besaß eine 8-mm Filmkamera und wir beschlossen, zu unserem potenziellen Hit einen kleinen Film zu drehen. Es war auch Grants Idee, nach Chinatown zu fahren und grellfarbene Kimonos als Kostüme zu besorgen. In der ersten Szene des Films war ich zu sehen, wie ich mit hinter mir herflatterndem Kimono von einer Mauer auf meinen Schlagzeugschemel sprang und die ersten Trommelschläge des Songs hämmerte. Am Ende des Streifens hatte Grant sein elektrisches Klavier über den Haufen geworfen und wir saßen alle hysterisch lachend zwischen unserer zerstörten Anlage (und das, bevor wir überhaupt jemals die Who gesehen hatten!).

Die Band fiel schließlich auseinander, weil wir keine Auftritte bekamen, aber wir hingen immer noch zusammen herum. Wir waren überzeugt, dass wir nicht nur einfach Drogen nahmen, sondern eine andere Realität erforschen. „The Rangers“ gingen in Liquor Stores, Plattenläden und Coffee Shops wie Uncle John’s Pancake House und staunten, wie ernst alle anderen Leute waren. Wahrscheinlich dachten die Außenstehenden, dass wir nur ein Haufen kichernder Teenager seien, aber wir praktizierten unseren eigenen Kult. In diesem Frühjahr machte Robby Bill Wolf, Tommy und mich auf einen Meditationskurs aufmerksam. Mir gefiel die erweiterte Wahrnehmung, die mir das Acid gab, aber ich konnte es natürlich nicht pausenlos schlucken. Zweifellos war ich auf einem Weg, aber ich wusste auch, dass die Droge wegen ihrer Macht nicht missbraucht werden sollte. Meine Intuition riet mir, auch meine Umgebung miteinzuplanen, bevor ich einen Trip einschmiss (in die Berge zu gehen oder an den Strand), was wesentlich dazu beitrug, einen Horrortrip zu vermeiden. Diese Überlegungen wurden mir später durch Carlos Castaneda in seinem Buch „Die Lehren des Don Juan“ bestätigt, in dem der Yaquiindianer als Experte halluzinogener Pflanzen rät: „Du musst dich vorbereiten. Das ist kein Scherz. Mescalito benötigt eine sichere Grundlage.“

Meditation schien ein weniger zermürbender Weg zu sein. Wir begaben uns zu einigen Vorbereitungsseminaren im Wilshire Distrikt und hörten uns einen sanften Mann in einem Anzug an. Sein Name war Jerry Jarvis und seine Augen strahlten eine bemerkenswerte innere Zufriedenheit aus.

Nachdem wir die Seminare absolviert hatten, waren wir befähigt, in die Transzendentale Meditation des Maharishi Mahesh Yogi eingeführt zu werden. Auf der Fahrt zur Einweihung machten wir Witze darüber, dass wir nun für nur 35 Dollar in das sofortige Nirwana stolpern sollten. Tommy, bei dem sein Acidtrip immer noch Nachwirkungen zeigte, dachte anscheinend, dass Meditieren ihm die Antwort auf alle seine Probleme geben würde. Ich machte mir ständig Sorgen um ihn, war aber ebenfalls neugierig zu erfahren, was es mit dem Meditieren auf sich hatte. Man bat uns, Blumen, Früchte und ein weißes Taschentuch mitzubringen. Wir würden jeder ein eigenes Mantra bekommen, ein altindisches Wort, das wir im Geist immer und immer wieder aufsagen müssten. Unsere Lehrer bedeuteten uns, dieses Wort nicht laut auszusprechen oder es aufzuschreiben. weil es sonst an Kraft verlieren würde.

Ich fühlte mich während meiner ersten Meditationsübung ziemlich benommen und war gespannt auf das Folgetreffen nach unserer TM-Einweihungsstunde. Jeder berichtete von seinen Erlebnissen und dem Gefühl von Ruhe und Gelassenheit, während Jarvis erklärte, was bei der Meditation in einem vorgeht (damit es auch alle richtig machen).

Er erzählte, wie aufgrund der Natur unseres Geistes ein Gedanke dem anderen folgen würde. Stimmen des Verstandes. Er meinte, dass das Mantra einen Gedanken von der Oberfläche unseres Geistes zu seinem Ursprung zurückführen würde. Doch bei mir passierte während des Meditierens nicht allzu viel. Keine farbigen Lichter waren zu sehen und nichts explodierte in meinem Kopf. Ich hatte eigentlich dieselbe schnelle und überraschende Wirkung wie durch LSD erwartet, doch im Grunde wusste ich, dass in den meisten östlichen Religionen man erst nach Jahren ständigen Meditierens zur Erleuchtung gelangen würde, wenn überhaupt. Das einzige, was ich bemerkte, war die Tatsache, dass der Straßenlärm anscheinend während meiner 15- oder 20-minütigen Meditation unhörbar wurde.

Ich muss also irgendwo hingelangt sein – aber wohin?

Wenigstens war die ganze Sache interessanter als meine Kommunion in der Kirche.

Bei dem Treffen saß auch ein blonder Typ mit seiner japanischen Freundin dort, wedelte Jarvis pausenlos mit seiner Hand zu und rief: „Keine Erleuchtung, keine Erleuchtung!“

Es war ärgerlich. Er tat so, als wenn er sich betrogen fühlte. Scheinbar erwartete er, sich schon am ersten Tag in einen Buddha verwandeln zu können. Nun hatten wir alle gehofft, dass es nicht allzu lange dauern würde, aber er war besonders ungeduldig.

Nach der Stunde kam derselbe Typ auf mich zu und meinte: „Ich höre, du bist Schlagzeuger. Wollen wir eine Band gründen?“

„Klar, warum auch nicht?“ antwortete ich. Ich spielte schon in einer Reihe anderer Gruppen, ließ aber keine Gelegenheit zum Spielen aus. Jamming war fast immer eine tolle Sache und bedeutete mir viel.

„Meine Brüder und ich haben da so eine Kneipenband im Turkey Joint West in Santa Monica. Wir wollen da was Neues aufziehen. Der Zeitpunkt ist jetzt noch ungünstig, aber gib mir schon mal deine Telefonnummer und ich werde dich in einigen Monaten anrufen.“

Der Zeitpunkt ist noch ungünstig? Worauf steht dieser Typ – Astrologie oder so? Interessanter Kerl. Definitiv voll drauf. Sein Name war Ray Manczarek, so schrieb er sich jedenfalls damals.

*

In diesem Frühjahr wechselte ich mehrmals meine Fächer am Valley State College. Ich wusste, dass ich Betriebswirtschaftslehre hassen würde, war aber der Ansicht, dass ich es zum Verdienen meines Lebensunterhalts gut gebrauchen könnte. Ich hörte nicht auf meine wahren Gefühle. Ich ließ andere Leute Einfluss auf mich ausüben. Aus diesem Grund kam ich auf eine für mich absurde Idee.

Ich war gerne mit anderen Leuten zusammen, wollte ihnen helfen. Vielleicht war Soziologie etwas für mich.

Aber schon bald hasste ich auch dieses Fach.

Wegen zwei bestimmter Professoren schrieb ich mich danach in Anthropologie ein. Fred Katz war ethnologischer Musiklehrer und spielte beim Chico Hamilton Jazzquintett Cello. Professor Katz gab automatisch jedem Teilnehmer des Seminars die beste Note und man brauchte noch nicht einmal eine Seminararbeit anzufertigen oder ein Schlussexamen abzulegen. Aber nicht nur deswegen war der Kurs so beliebt, sondern Katz war auch ungeheuer interessant. Er war in der Welt herumgekommen und kannte sich mit dem Leben aus. Manchmal kamen seine Musikerkollegen in die Klasse und spielten mit ihm für uns. Jeder kriegte für einen Augenblick mit, was in der wahren Welt vor sich ging. Natürlich wurde er ein paar Jahre später „freiwillig gegangen“. Zu abgefahren!

Edmund Carpenter war schon eher ein Professor im herkömmlichen Sinn und darüber hinaus ein großer Geschichtenerzähler. Er berichtete öfter, wie er einst während seiner Studien über Eskimokulturen in einem Iglu lebte. Dann würzte er den Unterricht mit Anekdoten, wie zum Beispiel der Geschichte, dass es für einen verheirateten Eskimo eine Beleidigung sei, wenn ein Gast nicht mit seiner Ehefrau schläft. Ich war der einzige Langhaarige auf dem Campus und im Frühjahr ’65 waren lange Haare gleichgesetzt mit Rebellion. Carpenter war der einzige über dreißig, den ich kannte, der dies verstand. In der Abschlussklasse bedauerte Carpenter, dass das Semester vorbei war und meinte zu mir, dass er zu gerne gewusst hätte, wie lang ich mein Haar noch wachsen lassen würde. Er wusste, dass meine Haare eine Metapher für meine Rebellion waren. Wieviel weiter würde ich noch gehen?

Später hörte ich, dass auch Carpenter „freiwillig“ vom San Fernando Valley State College gehen musste, kurz bevor auf dem Campus die Studentenunruhen ausbrachen.

Meine anderen Seminare waren nicht so verlockend und ich wusste, dass ich auf das setzen sollte, was ich am besten konnte – Musik machen. Und genau zu dieser Zeit rief Ray Manczarek mich an. Er lud mich zum Spielen in sein Elternhaus unten in Manhattan Beach ein. Ich kam dort an und bekam ausgerechnet noch einige unfreundliche Bemerkungen seiner Eltern mit, die sich darüber beschwerten, dass ihr Sohn mit einer Japanerin zusammenlebte. Ich verdrückte mich schnell in Richtung Garage, die der Band als Übungsraum diente. Ray folgte mir aus dem Haus. Er trug Badeschlappen und ein Gänseblümchen im Knopfloch. Ich mochte seine randlose Brille, mit der er für mich ziemlich gut aussah. Wie ein Intellektueller. Er stellte mich seinen zwei Brüdern vor, Rick, dem Gitarristen, und Jim, der die Mundharmonika spielte. Sie nannten sich Rick and the Ravens.

Sie sahen wie typische Hippies aus. Jim trug eine alberne Omabrille. Nicht gerade originell. Sie spielten einige Akkorde, die sie von „Money“, „Louie, Louie“ und „Hootchie Cootchie Man“ abgekupfert hatten. Rick war ein passabler Rhythmusgitarrist, aber irgend etwas fehlte. Ich kam zu dem Schluss, dass sie einen guten Sologitarristen brauchten. Ray spielte ein paar nette Bluesläufe, die noch aus seiner Zeit in Chicago stammten. Dort war er aufgewachsen und hatte sich Tag und Nacht die Radiosender reingezogen, die ausschließlich Blues spielten.

In einer Garagenecke drückte sich ein barfüßiger Typ mit braunen Collegecordhosen und braunem T-Shirt herum. Ray stellte ihn als „Jim, der Sänger“ vor. Die beiden hatten sich an der UCLA-Filmhochschule kennengelernt. Ray verdiente sich durch Nachtarbeit Geld, während er tagsüber für sein Filmdiplom studierte, nachdem er schon einen Abschluss in Wirtschaftswissenschaft gemacht hatte. Jim war in der Endphase eines vierjährigen Filmstudiums, das er zu der Zeit in einem zweieinhalbjährigen Kompaktkurs absolvierte. Ein heller Kopf. Ein einziges Mal hatte er vorher schon bei der Band mitgespielt, als Ray vertragsgemäß ein sechstes Bandmitglied haben musste. Er hatte dabei nichts anderes zu tun, als am Bühnenrand mit einer Gitarre um den Hals zu stehen, die nicht angeschlossen war. Sie bildeten die Backup-Band für Sonny & Cher. Es war der erste Auftritt, für den Jim bezahlt wurde und dabei spielte oder sang er nicht einen einzigen Ton.

Der einundzwanzigjährige Morrison war scheu. Er begrüßte mich und ging in die Ecke zurück. Ich vermutete, dass die anwesenden Musiker ihm ein unangenehmes Gefühl vermittelten, weil er kein Musikinstrument beherrschte. Während Morrison die Garage nach einem Bier absuchte, gab mir Ray einen zerknüllten Fetzen Papier und grinste dabei wie ein stolzer älterer Bruder. „Lies mal diese Kostprobe aus Jims Texten“, sagte er.

You know the day destroys the night

Night divides tbe day

Tried to run, tried to hide

Break on through to the otber side

Made the scene, week to week

Day to day, hour to hour

The gate is straigbt, deep and wide

Break on tbrougb to tbe otber side

(Du weißt, der Tag zerstört die Nacht

Die Nacht zerteilt den Tag

Wir versuchten zu fliehen, versuchten uns zu verbergen

Brich hindurch zur anderen Seite

Wir tauchten dort auf, Woche für Woche

Tag für Tag, Stunde für Stunde

Das Tor ist nah, groß und breit

Brich hindurch zur anderen Seite.)

„Das hört sich sehr rhythmisch an.“

„Ich habe einen Basslauf dazu, wollen wir’s probieren?“ fragte Ray.

„Ja, lass hören!“

Ray fing an und ich legte auf meiner Snare einen Klopfsound hin, indem ich die Stöcke seitlich anschlug. Jim Manczarek stieg mit einem funkigen Harmonikalauf ein. Morrison fing nach langem Zögern mit der ersten Gesangsstrophe an. Er sang sehr zauderhaft und schaute keinem in die Augen, aber es schwang eine Art Gefühl in seiner Stimme mit, als wenn er versuchte, surreal zu klingen. Ich konnte meinen Blick nicht von ihm abwenden. Seine Gehemmtheit faszinierte mich. Rick spielte eine recht sanfte Rhythmusgitarre, aber aus Rays Orgel drang ein satter, energischer Sound. Danach spielten wir einige Jimmy Reed-Stücke und Morrisons Energie ließ nach. Ich willigte ein, zu weiteren Übungssessions zu kommen, denn es hatte mir gefallen. Ich wusste, dass sie mich haben wollten und dachte, dass ich dieser Sache eine Weile lang nachgehen sollte.

Die nächsten Treffen liefen ähnlich ab, aber ich war mehr und mehr an unseren eigenen Songs interessiert. Wir heckten gemeinsam die Arrangements aus und ich fühlte eine Art Geistesverwandtschaft zwischen uns, besonders zwischen Ray und mir. Ray erinnert sich: „Wir hörten Jim zu, wie er den Text immer und immer wieder sang und der entsprechende Sound ergab sich währenddessen langsam von selbst. Wir fühlten uns geistesverwandt – Acidheads, die einen anderen Weg suchten, um high zu werden. Wir waren uns sicher, dass die Drogen uns nach und nach ausbrennen würden, darum war dieser andere Weg die Musik!“

Und Morrison war geheimnisvoll – er zog mich an.

Mein Leben mit Jim Morrison und den Doors

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