Читать книгу FUKUSHIMA - IM SCHATTEN - Juergen Oberbaeumer - Страница 6

2 Wurzeln

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Nach 27 Jahren gibt es Wurzeln, es gibt Verflechtungen, die nicht aus eigener Kraft zu kappen sind. Hatte Heike recht als sie meinte es sei vielleicht besser gewesen, wenn unser Haus vom Tsunami weggespuelt worden waere? Fuenfzig Meter vor uns lief sich die Welle aus. Hier im Ort war sie mit knapp fuenf Metern extrem niedrig... etwas hoeher, Normalhoehe, und wir waeren alle unsere Sorgen los. Der Strand von Yotsukura ist kaum 500 Meter von unserem Haus weit weg; man kann im Sommer in Badelatschen und Handtuch zum Baden gehen. Wenn Seegang ist und der Wind kraeftig von Osten kommt hoeren wir die Brandung maechtig rauschen. Vor Jahren einmal so extrem dass ich nachts rausgelaufen bin, weil es so laut war, dass ich dachte: „Das Meer kommt!“ aber es war nur ganz normale Brandung. Der Huegel hinter dem Haus, der, auf den ich jetzt fluechtete, warf das Rauschen verstaerkt punktgenau auf uns: wie ich dann mit einem flauen Gefuehl im Bauch in Richtung Strand ging wurde das Rauschen schwaecher und schwaecher und ich wunderte mich….

Wir wohnen etwa 33 Kilometer suedlich von Fukushima Dai-ichi. Acht Zeitzonen oestlich Deutschlands, auf der Hoehe von Almeria in Spanien oder Naxos in Griechenland, am Stillen Ozean.

Unser Haus. Gemietet, aber doch: unser Haus seit Herbst 1986; der erste Oktober war Einzugstag. Ich hatte zwei Wochen darauf verwandt die Staender und Balken mit Leinoelfirnis zu streichen und die Waende mit weisser Abdeckfarbe aufzuhellen: so zogen wir mit Kind und Kegel ein. ‘Kind’ meint die kleine May… wegen derer Liebe zum Treppensteigen wir eigentlich aus der alten Wohnung rausgewollt hatten; die Treppe da war allzu steil; fast eine Leiter! ‘Kegel’ – die Sachen die sich in jenem einem knappen Jahr schon angesammelt hatten. Nichts im Vergleich zu dem was uns heute umgibt… aber doch mehr als beim ersten Umzug: per Rucksack auf der kleinen Honda. Der beste Umzug den ich je gemacht habe.

Leon, der mich gestern so direkt und fast brutal auffordert: „Schreib ein Buch!“ war noch nicht geboren. „Schreib solange Fukushima noch nicht vergessen ist!“ forderte er und so sitze ich jetzt am PC.

Neujahrsabend 2012: das Jahr des Drachen ist nicht mehr weit weg, ist ganz nah wie ein rettendes Ufer… noch drei Wochen, noch einen Vollmond und dann vierzehn Tage bis der Hase zur Ruhe gehen kann, der verdammte Nager. Hat mich schon frueher gequaelt, durch meine eigene Schuld natuerlich; Charakter ist Schicksal, und ein schwacher Charakter selbstverschuldetes Leiden. Und dies Buch jetzt – auch May hatte das ja schon einen Tag vor Sylvester drauf: Schreib doch ein Buch darueber! – eine etwas andere Zielrichtung, mehr in Richtung „Beauty and the Beast“, aber das ist eine andere Geschichte.Wie auch die Frage die mir so oft gestellt wurde, warum ich nach Japan gekommen sei.

Eine ganz andere Geschichte; lassen wir die jetzt mal ruhen.

FUKUSHIMA - IM SCHATTEN

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