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Astronomen und Kartographen

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Astronomen und Kartographen

Cassini, Picard und La Hire. –

Das Mittelmeer und die Karte von Frankreich. –

G. Delisle und D'Anville. – Die Gestalt der Erde. –

Maupertuis in Lappland. – La Condamine am Äquator.

Vor der Schilderung der großen, erfolgreichen Reisen im Laufe des 18. Jahrhunderts müssen wir erst der ungeheuren Fortschritte der Wissenschaften gedenken, welche diese in derselben und der kurz vorausgegangenen Periode machten. Sie berichtigten eine Menge tief eingewurzelter Irrtümer und gaben den astronomischen und geographischen Arbeiten überhaupt erst eine sichere Grundlage. Ohne den uns hier beschäftigenden Gegenstand besonders hervorzuheben, veränderten sie die Kartographie von Grund aus und gewährten der Schifffahrt eine bis dahin ungekannte Sicherheit.

Wohl hatte Galilei schon 1620 die Verfinsterungen der Jupitermonde beobachtet, doch blieb diese wichtige Entdeckung in Folge der Gleichgültigkeit der Regierungen, des Mangels an hinreichend mächtigen Instrumenten und der durch die Schüler des großen italienischen Astronomen begangenen Irrtümer zunächst ohne Resultat.

Giovanni Domenico Cassini veröffentlichte im Jahre 1668 seine verbesserten „Tafeln der Bewegungen der Jupiter-Trabanten“, auf welche ihn Colbert im nächstfolgenden Jahre zur Direktion der Pariser Sternwarte berief.

Im Juli 1671 stellte Philipp de la Hire auf Uranienborg auf der Insel Hveen (im Øresund), und zwar an derselben Stelle wie Tycho de Brahe, seine berühmt gewordenen Beobachtungen an, und bestimmte u. A. mit Hilfe der Cassini'schen Tafeln durch Rechnung die Längen-Differenz zwischen Paris und Uranienborg mit früher nie erreichter Genauigkeit.

Im nämlichen Jahre sandte die Akademie der Wissenschaften den Astronomen Johann Richer nach Cayenne, um daselbst die Parallaxen der Sonne und des Mondes zu studieren und dabei die Entfernungen des Mars und der Venus von der Erde zu messen. Diese allseitig gelungene Reise hatte übrigens ganz unerwartete Folgen und wurde Veranlassung zu einer Menge Arbeiten über die genauere Gestalt der Erde. Richer machte nämlich die Beobachtung, dass ein Sekundenpendel aus Paris in Cayenne binnen vierundzwanzig Stunden um zwei Minuten achtundzwanzig Sekunden zurückblieb, ein Beweis, dass die Schwerkraft an letzterem Orte offenbar kleiner sein musste als am erstgenannten. Newton und Huyghens schlossen aus dieser Tatsache weiter, dass die Erde an den Polen abgeplattet sein müsse. Bald darauf aber führten die von Abbé Picard vorgenommenen Messungen eines Erdengrades und die von den Cassini's, Vater und Sohn, betriebenen Arbeiten über die Mittagslinie die genannten Gelehrten zu einer ganz entgegengesetzten Anschauung, nach der sie die Erde vielmehr als ein an den Polen verlängertes Ellipsoïd betrachteten. Es wurde das zum Anlass der leidenschaftlichsten Erörterungen und vieler umfangreicher Arbeiten, aus welchen die astronomische und mathematische Geographie ganz unerwarteten Gewinn zogen.

Picard hatte es unternommen, den Raum zwischen den Breitegraden von Amiens und Malvoisine, eine Strecke von etwa einundeindrittel Grad, direkt zu messen. Da die Akademie jedoch der Meinung war, dass man durch Vermessung einer längeren Linie noch exaktere Resultate erzielen müsse, beschloss sie, eine Messung der ganzen Länge Frankreichs von Nord nach Süd ausführen zu lassen. Als Meridian wählte man hierzu den der Sternwarte von Paris. Diese riesenhafte Triangulierungsarbeit wurde zwanzig Jahre vor Ausgang des 17. Jahrhunderts begonnen, später unterbrochen, wieder aufgenommen und endlich gegen 1720 zu Ende geführt.

Gleichzeitig erließ Ludwig XIV., auf Anregung Colbert's, den Befehl, eine neue Karte von Frankreich herzustellen. Verschiedene Gelehrte begaben sich hierzu zwischen 1679 und 1682 auf Reisen und bestimmten mittelst astronomischer Beobachtungen die Linie der Küsten am Atlantischen Ozean und am Mittelmeere.

Freilich stellte sich bald heraus, dass diese Arbeiten, sowie die durch Picard vollendete Meridian-Messung, die Bestimmung der Längen- und Breitenlage mehrerer größerer Städte Frankreichs und eine Spezialkarte der geometrisch aufgenommenen Umgebungen von Paris noch lange nicht hinreichten, eine vollständige Karte von Frankreich zu entwerfen. Man musste zu dem Ende ebenso zu Werke gehen wie bei der vorausgegangenen Meridian-Messung, musste nämlich das ganze Land mit einem System einander berührender Dreiecke bedecken. Hierdurch erst wurden die Unterlagen zu der großen Karte von Frankreich gewonnen, welche mit Recht den Namen der Cassinischen trägt.

Schon die ersten Beobachtungen Cassini's und de la Hire's führten die beiden Astronomen dahin, die Grenzen Frankreichs als weit beschränkter zu bestimmen, als man jene bisher angenommen hatte.

„Sie raubten dem Lande“, sagt Desbourugh Cooley in seiner „Geschichte der Reisen“, „mehrere Längengrade von der Küste der Bretagne bis zur Bay von Biskaya und rückten ebenso die Küste von Languedoc und der Provence um etwa einen halben Grad herein.“ Diese Veränderungen gaben Ludwig XIV. Gelegenheit zu einem hübschen Scherze, indem er bei der Begrüßung der heimgekehrten Akademiker wörtlich äußerte: „Ich sehe mit Bedauern, meine Herren, dass Ihre Reise mir ein gutes Stück von meinem Reiche gekostet hat!“

Die Kartenzeichner hatten bisher übrigens auf die Berichtigungen der Astronomen kaum Rücksicht genommen. Schon in der Mitte des 17. Jahrhunderts verbesserten Peirese und Gassendi einen „500 Meilen“ betragenden Fehler der gewöhnlichen Karte des Mittelmeeres, welche die Entfernung zwischen Marseille und Alexandrien um ebenso viel zu hoch angab. Diese doch wahrlich nicht geringfügige Berichtigung wurde vollständig außer Acht gelassen, bis zu der Zeit, da der Hydrograph Jean Matieu de Chazelles nach der Levante gesendet wurde, um das Gradbuch (Hafenbuch) des Mittelländischen Meeres herzustellen.

„Man hatte allgemein bemerkt“, heißt es in den Sitzungsberichten der Akademie der Wissenschaften, „dass die Karten alle die Ausdehnung der Landgebiete Europas, Afrikas und Amerikas zu groß angaben und den Pazifischen Ozean zwischen Asien und Amerika um ebenso viel zu klein darstellten. Diese Fehler veranlassten denn auch mannigfache Irrtümer. Im Vertrauen auf ihre Karten täuschten sich z. B. die Lotsen bei der Reise de Chaumont's, des Gesandten Ludwig's XIV., nach Siam, sowohl bei der Hin- wie bei der Rückfahrt und legten eine weit größere Strecke zurück, als sie glaubten. Auf der Fahrt vom Cap der Guten Hoffnung nach der Insel Java meinten sie, von der Sundastraße noch weit entfernt zu sein, während sie sich schon sechzig Meilen jenseits derselben befanden und bei günstigem Winde zwei Tage lang zurückfahren mussten, um in dieselbe einzulaufen; bei der Rückreise vom Cap der Guten Hoffnung nach Frankreich aber trafen sie auf die Insel Flores, das westlichste Eiland der Azoren, während sie fünfhundert Meilen östlich desselben zu segeln glaubten, und mussten dann noch zwölf Tage einen östlichen Kurs ein halten, um die Gestade Frankreichs zu erreichen.“

Die Verbesserungen der Karte von Frankreich waren, wie eben erwähnt, ziemlich umfängliche. Man überzeugte sich, dass Perpignan und vorzüglich Collioures weit östlicher lagen, als man bisher annahm. Um eine deutliche Vorstellung hiervon zu gewinnen, genügt es, die dem ersten Teile des 7. Bandes der Memoiren der Akademie der Wissenschaften beigegebene Karte von Frankreich zu betrachten. Diese trägt den astronomischen Beobachtungen, von welchen wir oben sprachen, Rechnung, während das alte, im Jahre 1679 von Sanson veröffentlichte und untergedruckte Kartenbild die hinzugekommenen Veränderungen vor Augen führt.

Cassini sprach mit vollem Rechte öffentlich das Urteil aus, dass die Kartographie nicht mehr auf der Höhe der Wissenschaft stehe. Sanson z. B. hatte noch blindlings die Längenbestimmungen des Ptolemäus beibehalten, ohne die Fortschritte der Astronomie irgendwie zu berücksichtigen. Seine Söhne und Enkel veranstalteten nur vervollständigte Ausgaben der alten Karten, und die übrigen Geographen folgten demselben Geleise. Erst Wilhelm Delisle entwarf neue Karten unter Benützung der modernen Errungenschaften und verwarf kurz entschlossen alles, was vor ihm geleistet worden war. Sein Eifer trieb ihn so sehr, dass er die ganze Arbeit binnen fünfundzwanzig Jahren vollendete. Joseph Nikolaus, ein Bruder des Vorigen, lehrte inzwischen Astronomie in Russland und lieferte Wilhelm zu dessen Karten sehr wertvolles Material. Gleichzeitig besuchte Delisle de la Coyère, der jüngste der drei Brüder, die Küsten des Eismeeres, bestimmte astronomisch die Lage der wichtigsten Punkte und ging dann mit auf Behrings Schiff an Bord, kam aber bei Kamtschatka ums Leben.

Wenn sich alle drei Delisle verdient machten, so kommt Wilhelm unbestreitbar der Ruhm zu, die Kartographie gründlich umgewandelt zu haben.

„Es gelang ihm“, sagt Cooley, „die alten und neuen Messungen in Übereinstimmung zu bringen und aus sehr vielen Unterlagen glücklich zu kombinieren; statt seine Verbesserungen ferner nur auf einen Teil der Erde zu beschränken, umfasste er damit die ganze Erdkugel, weshalb er mit Recht als der Schöpfer der neueren Geographie angesehen wird. Bei einer Reise durch Paris erwies ihm auch Peter der Große dadurch seine Hochachtung, dass er jenem einen Besuch abstattete und über Russland allen Aufschluss gab, den er nur selbst gewähren konnte.“

Ist dieses Zeugnis eines Ausländers nicht triftig? Und wenn die französischen Geographen heute durch die Deutschlands und Englands überflügelt sind, liegt nicht ein Trost und eine Ermutigung darin, zu wissen, dass wir uns auch früher schon in einem Fache ausgezeichnet haben, indem wir eben darnach streben, die einstige Überlegenheit wieder zu erobern?


Guillaume Delisle 1675 – 1726

Delisle lebte lange genug, um Zeuge der Erfolge seines Schülers J. B. d'Anville zu sein.


Jean Baptiste Bourguigbib d'Anville 1697 – 1782

Wenn der Letztere im Hinblick auf historische Wissenschaften unter Adrien Valois stand, so verdiente er doch seine weite Berühmtheit durch die Korrektheit seiner Zeichnung, durch die Deutlichkeit und die künstlerische Erscheinung seiner Karten.


„Nur schwer ist die geringe Anerkennung zu begreifen“, äußert sich E. Desjardins in seiner „Geschichte des römischen Galliens“, „die man seinen Werken als Geograph, Mathematiker und Zeichner gezollt hat. Vorzüglich die letzteren sichern ihm ein ganz unvergleichliches Verdienst. D'Anville konstruierte zuerst eine Karte auf streng wissenschaftlicher Methode; das genügt allein zu seinem Ruhme ... Im Gebiete der historischen Geographie hat d'Anville ebenso bei Streitfragen einen seltenen gesunden Menschenverstand, wie einen merkwürdigen topographischen Instinkt bei der Bestimmung unklarer Punkte bewiesen; dazu ist noch zu bemerken, dass er weder Gelehrter, noch hinreichend vertraut war mit der klassischen Literatur.“

Die schönste Arbeit d'Anville's ist seine Karte von Italien, dessen nebenbei übertriebener Längendurchmesser nach Anschauung der Alten von Osten nach Westen verlief.

Im Jahre 1735 führte Philipp Luache, dessen Name als Geograph ein wohlverdientes Ansehen genießt, eine neue Methode ein, indem er bei der Karte der Tiefen des Canals (la Manche) krumme Linien zur Andeutung der Hebungen und Senkungen des Bodens benützte. Zehn Jahre später veröffentlichte d'Après de Mannevillette seinen Neptune oriental, indem er verbesserte Karten der Küsten von Afrika, China und Indien lieferte. Damit verband er auch eine Art nautischen Leitfadens, der für jene Zeit umso wertvoller war, als man noch kein derartiges Hilfsmittel besaß. Bis an sein Lebensende verbesserte er diese Sammlung von Vorschriften, deren sich bis zum Ende des 18. Jahrhunderts alle französischen Seeoffiziere als Führer bedienten.

In England nahm Halley unter den Astronomen und Physikern den ersten Rang ein. Er publizierte eine Theorie der „magnetischen Variationen“ und eine „Geschichte der Monsuns“ (Jahreszeiten-Winde), die ihm den Befehl über ein Schiff einbrachten, um seine Theorie durch die Praxis erproben zu können.

Was d'Après bei den Franzosen getan, das leistete Alexander Dalrymple in England. Nur konnte er sich niemals von einer Neigung zur Hypothese befreien, und glaubte z. B. stets an das Vorhandensein eines östlichen Kontinents. Sein Nachfolger war Horsburgh, dessen Name den Seefahrern immer wert und teuer sein wird.

Doch wenden wir uns nun zur Schilderung der zwei hochwichtigen Expeditionen, welche dem leidenschaftlich geführten Streite wegen der Gestalt der Erde ein Ende machen sollten. Die Akademie der Wissenschaften entsendete nämlich eine aus Godin, Bouguer und La Condamine bestehende Kommission nach Amerika, um den Meridianbogen eines Grades am Äquator zu messen, während sie Maupertuis, mit einem gleichen Auftrag betraut, nach dem hohen Norden schickte.

„Ist die Abplattung der Erde“, sagt dieser Gelehrte, „nicht größer als Huyghens sie annimmt, so wird der Unterschied der in Frankreich schon gemessenen Meridiangrade und der ersten Grade in der Nähe des Äquators nicht groß genug sein, um nicht auf mögliche Irrtümer der Beobachter und die Unvollkommenheit der Instrumente zurückgeführt werden zu können. Beobachtet man aber am Pole, so muss die Differenz zwischen dem ersten, der Äquatoriallinie benachbarten Grade und z. B. dem 66. Grade, der den Polarkreis schneidet, selbst entsprechend der Hypothese Huyghens auffallend genug sein, um, trotz der zulässig größten Fehler, zweifellos erkannt zu werden, weil sich diese Differenz ebenso viele Male vervielfältigt, als Meridiangrade zwischen jenen Gegenden liegen.“

Das zu lösende Problem lag also klar vor Augen und sollte am Pole wie am Äquator in Angriff genommen werden, um einen Streit zu beenden, in dem Newton und Huyghens zuletzt Recht behielten.

Die Expedition ging auf einem in Dünkirchen ausgerüsteten Schiffe unter Segel. Es beteiligten sich bei derselben außer Maupertuis noch die Akademiker de Clairaut, Camus und Lemonnier, der Abbé Outier, Kanonikus von Bayeux, der Sekretär Sommereux, der Zeichner Herbelot und der gelehrte schwedische Astronom Celsius.

Als der König von Schweden die Mitglieder der Kommission in Stockholm empfing, sagte er zu ihnen: „Ich habe den blutigsten Schlachten beigewohnt, würde aber lieber in die mörderischste derselben zurückkehren, als die Reise unternehmen, welche Sie eben vorhaben!“

Natürlich durfte man hier nicht an eine Vergnügungsfahrt denken, wo Schwierigkeiten aller Art, fortwährende Entbehrungen und eine entsetzliche Kälte die gelehrten Naturforscher bedrohen mussten. Doch was sind ihre Leiden im Vergleich zu dem Elend, den Gefahren und schweren Prüfungen, welche die späteren Nordpolarfahrer, wie Roß, Parry, Hall, Payer u. A. zu erdulden hatten?

„In Torneå, im Grunde des Bottnischen Meerbusens und in der Nähe des Polarkreises, fand man die Häuser unter dem Schnee begraben“, sagt Damiron in seiner „Lobrede auf Maupertuis“. „Wagte man sich ins Freie, so schien die Kälte die Brust zerreißen zu wollen, und es verrieten sich die immer noch zunehmenden Kältegrade durch das Geräusch vom Bersten des Holzes, aus dem hier alle Gebäude errichtet sind. Bei der auf den Straßen herrschenden Einsamkeit kam man auf den Gedanken, dass die Bewohner dieser Stadt ausgestorben sein möchten. Wo man aber Menschen traf, fand man auch Verstümmelte, welche bei so überaus harter Temperatur Arme oder Beine eingebüßt hatten. Und hier in Torneå sollten die Reisenden noch nicht einmal bleiben!“

Heutzutage, wo man diese Örtlichkeiten und die Strenge des arktischen Klimas besser kennt, ist man ja im Stande, sich eine Vorstellung zu machen von den Schwierigkeiten, denen die kühnen Reisenden begegnen mussten.

Im Juli 1736 begannen sie ihre Tätigkeit. Jenseits Torneå fanden sie nur noch unbewohnte Gebiete. Sie waren nur allein auf ihre eigenen Hilfsmittel angewiesen, um die Bergspitzen zu erklimmen, auf denen Signalstangen als Verknüpfungspunkte der langen Dreieckkette errichtet wurden. In zwei unabhängigen Abteilungen vorgehend, um zwei Messungen statt einer zu erhalten und um unumgängliche Fehler möglichst zu verringern, gelang es den kühnen Naturforschern nach Überwindung zahlloser Hindernisse, welche in den Memoiren der Akademie der Wissenschaften vom Jahre 1737 geschildert sind, festzustellen, dass die Länge des Meridianbogenstückes zwischen den Parallelkreisen von Torneå und Kittis 55.023½ Toisen betrug. Unter dem Polarkreise maß der Meridiangrad demnach etwa 1.000 Toisen mehr als Cassini angenommen, und übertraf die Länge des von Picard zwischen Paris und Amiens vermessenen Gradbogens noch um 377 Toisen (1 Toise = 1,949 Meter). Die Erde war an den Polen also merklich abgeplattet, eine Tatsache, gegen deren Anerkennung sich die Cassini, Vater und Sohn, lange Zeit sträubten.

Vorkämpfer der Physik, Ihr, neue Argonauten,

die Berg' erkletterten, den Wogen sich vertrauten,

bringt aus den Ländern, die drei Kronen untertan,

Die Messwerkzeuge heim, zwei Lappinnen obendrein,

Ihr habt bestätigt, dort, wo keiner leben kann,

was Newton schon gewusst – ohn' aus dem Haus zu sein!

So äußerte sich Voltaire, nicht ohne malitiöse Pointe; dann spielt er auf die beiden Schwestern an, die Maupertuis mitbrachte, und deren eine ihn zu verführen wusste, mit den Worten:

Solch' Fehler ist zu häufig wohl!

Genug, dass es der einzige,

den man begangen auf dem Weg zum Pol!

„Übrigens“, sagt A. Maury in seiner „Geschichte der Akademie der Wissenschaften“, „gab die Leistungsfähigkeit der Instrumente und Metoden, deren sich die nach dem hohen Norden entsendeten Astronomen bedienten, den Verteidigern der polaren Abplattung der Erde mehr Recht, als sie tatsächlich verdienten; im folgenden Jahrhundert schon führte der schwedische Astronom Svenborg jene unfreiwilligen Überschätzungen in einer schönen, in französischer Sprache veröffentlichten Abhandlung auf ein bescheideneres Maß zurück.“

Inzwischen betrieb auch die, von der Akademie nach Peru gesendete Kommission ihre analogen Arbeiten.


Charles Marie de La Condamine – 1701 – 1774

Zu ihr gehörten La Condamine, Bouguer und Godin, alle drei Mitglieder der Akademie, Joseph von Jussieu, Dekan der medizinischen Fakultät, für die botanische Forschung, der Chirurg Seniersgues, der Uhrmacher Godin des Odonais und ein Zeichner. Am 16. Mai 1735 verließ dieselbe La Rochelle. Die Gelehrten kamen zunächst nach St. Domingo, wo einige astronomische Beobachtungen angestellt wurden, dann nach Cartagena, Puerto-Bello, überschritten den Isthmus von Panama und landeten endlich, am 9. März 1736 bei Manta auf peruanischem Boden.


Pierre Bouguer – 1698 – 1758

Bouguer und La Condamine trennten sich hier von den Übrigen, beschäftigten sich vorzugsweise mit der Bewegung des Pendels und erreichten auf verschiedenen Wegen Quito.

La Condamine folgte der Küste bis zum Rio de las Esmeraldas und entwarf die Karte des Gebietes, das er nur unter den größten Schwierigkeiten durchzog.

Bouguer dagegen wendete sich südlich gegen Guayaquil, drang durch sumpfige Urwälder und gelangte nach Caracol, am Fuße der Cordillerenkette, zu deren Überschreitung er volle sieben Tage brauchte. Er folgte dabei demselben Wege, wie früher Pater d'Alvarado, auf dem siebzig von dessen Leuten umkamen, darunter die drei ersten Spanier, welche in das Land einzudringen versuchten. In Quito kam Bouguer am 10. Juni an. Diese Stadt zählte damals dreißig- bis vierzigtausend Einwohner, hatte einen Bischof als Gerichtsvorstand und besaß viele religiöse Körperschaften, nebst zwei Kollegien. Das Leben war daselbst sehr billig; nur für fremde Waren wurden ganz unerhörte Preise gefordert; so kostete ein einfacher Glasbecher beispielsweise achtzehn bis zwanzig Francs.

Die Gelehrten bestiegen den Pichincha, einen Berg in der Nachbarschaft Quitos, dessen Ausbrüche der Stadt wiederholt verderblich wurden; sie sahen aber bald ein, dass es untunlich war, die Dreiecke ihres Meridians in solcher erstaunlichen Höhe zu konstruieren, und mussten sich begnügen, die nötigen Signalstangen auf minder emporragenden Hügeln anzubringen.

„Fast tagtäglich beobachtet man auf den Gipfeln dieser Berge“, sagt Bouguer in seiner der Akademie der Wissenschaften vorgelesenen Denkschrift, „eine außergewöhnliche Erscheinung, welche gewiss ebenso alt ist wie die Erde, vor uns jedoch noch von niemand bemerkt worden zu sein scheint. Als wir sie zuerst wahrnahmen, befanden wir uns alle auf einem Berge Namens Pambamarca. Anfangs umhüllte uns eine dichte Wolke, welche bald vorüberzog, so dass wir die Sonne in vollem Glanze aufsteigen sahen. Die Wolke strich darauf an der anderen Seite des Berges hin. Sie war indes kaum dreißig Schritte von uns entfernt, als jeder sein Schattenbild über sich, aber auch nur das seinige erblickte, weil die Dunstmasse natürlich eine unebene Oberfläche hatte. Die geringe Entfernung ermöglichte es, alle Einzelheiten des zweiten Bildes genau zu erkennen; man sah z. B. Arme, Beine und den Kopf ganz deutlich. Am meisten verwunderte es uns aber, dass der letztere mit einer Art Heiligenschein, einer aus drei oder vier kleineren, konzentrischen und sehr lebhaft gefärbten Kreisen bestehenden Aureole umgeben erschien, von denen jeder in den Farben des Regenbogens, mit dem Rot nach außen, erglänzte. Die Abstände dieser Kreise voneinander waren gleich groß; der innerste leuchtete etwas schwächer. In weiter Entfernung zeigte sich dann noch ein großer weißer Ring, der das ganze Bild umrahmte. Das seltsame Phänomen erschien jedem Beobachter wie eine Art Apotheose.“ Da die Instrumente jener Zeit weit unvollkommener waren als die heutigen und vorzüglich der Einwirkung jeder Temperaturveränderung unterlagen, so mussten sie mit größter Sorgfalt und peinlichster Aufmerksamkeit auf alle Nebenumstände gebraucht werden, um nicht durch gehäufte kleine Irrtümer zuletzt ein Resultat mit großem Fehler zu ergeben. Bouguer und seine Begleiter vermieden es daher stets, den dritten Winkel eines Dreiecks aus seinen zwei schon bekannten Winkeln zu berechnen, sondern maßen alle drei Winkel.

Nachdem sie nun die Länge der durchmessenen Strecke in Toisen erhalten, galt es noch festzustellen, welchen Teil des äußeren Erdumfanges dieselbe darstellte? Diese Frage ließ sich aber nur mittelst astronomischer Beobachtungen lösen.

Nach Überwindung vielfacher Hindernisse, die wir hier nicht eingehend schildern können, und manchen merkwürdigen Beobachtungen, unter anderen der der Abweichungen, welche die Anziehung der Berge auf das Pendel veranlasst, gelangten die Gelehrten zu einem Endergebnisse, das die Beobachtungen der nach Lappland entsendeten Kommission allseitig bestätigte. Nicht alle kehrten gleichzeitig nach Frankreich zurück. Jussieu setzte seine naturgeschichtlichen Studien noch mehrere Jahre hindurch fort, und La Condamine wählte zur Rückkehr nach Europa den Weg längs des Amazonenstromes, eine bedeutungsvolle Reise, auf die wir später noch zurückkommen werden.

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Jules Verne: Die großen Seefahrer des 18. Jahrhunderts - Teil 1

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