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Kapitel 3

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Dunkelheit und ein Lichtball,

im Osten

Es blieb auch die nächsten Tage und Monate dunkel. In Borelien, Wüstmeer, Oasia und den Tropischen Inseln hörte man von einer unüberwindbaren Mauer auf Eisland. Von Steppenland und Vulkanien hörte man hingegen nichts. Es gab keine Kommunikation zu den beiden Kontinenten, die nun auf der anderen Seite der Mauer zu liegen schienen.

Die normale Bevölkerung der verdunkelten Seite mied den Kontakt zur Mauer. Komische, gar grausame Dinge passierten, wenn man dem Bauwerk zu nahe kam – hörte man die Leute tuscheln und munkeln. Tollkühne Personen, die den Versuch gewagt hatten, die Mauer zu übersteigen, hat man entweder nie wieder gesehen oder nur noch die Hülle ihres irdischen Daseins gefunden. Auch die wenigen Flugzeuge, die es probierten die Mauer zu überfliegen, fand man ausschließlich in Schutt und Asche wieder.

Lediglich wagemutige Reporter der Nachrichtensender trauten sich immer mal wieder zur Mauer um schwarzweiße Fernsehbilder und neuste Berichterstattungen zu liefern. Die meisten Aufzeichnungen gab es allerdings nur aus der Ferne. Dort sah man eine friedlich wirkende Mauer, vom Dämmerlicht der anderen, nicht zu erreichenden, Seite umhüllt.

Wagte sich ein Reporter näher heran, dann fiel mit einem Mal das Bild seiner Kamera aus. Zudem berichteten sie von ungeheuren Schmerzen, die durch Tritte aus dem Nichts verursacht wurden. Manche Berichterstatter kamen auch mit offenen Fleischwunden wieder zurück oder Verletzungen, die einem Pfeilschuss ähnelten. Doch einen Pfeil fand man nie.

Es wurde unter den Leuten in der Dunkelheit auch gemunkelt, dass sich die Mauer durch und über den Ozean hinweg, einmal rund um den Erdball, ziehen sollte. Menschen, die man mit Booten hinausfahren sah, sah man meist nie wieder zurückkommen. Kam doch einer lebend heim, war er fast immer verängstigt und verstört. Sie berichteten von Sturm, meterhohen Wellen und Feuer, dass aus dem Nichts spie, sobald man der Mauer zu nahe kam. Sie machten kehrt und kämpften ums nackte Überleben um wieder zurück, durch die Dunkelheit, ans Land zu kommen.

Auf den Tropischen Inseln und in Oasia wurden die einst fruchtbaren, grünen Flächen zu Sand und Geröll. Die Menschen dort lebten von nun an in dunklen trockenen Wüsten. Auch in Borelien und Eisland gingen die Pflanzen ein. Das Getreide der Felder verkam am fehlenden Sonnenlicht. Äpfel verschrumpelten noch am Baum. Bäume warfen ihre Blätter ab. Saftige Grasflächen verwandelten sich zu Moos, das von dem Licht des Mondes und der Sterne lebte.

Viele Tiere starben, die meisten Arten gab es nicht mehr. Nur die wenigen Pflanzenfresser, die sich vom Moos ernährten, überlebten. Da es nur noch wenige Pflanzenfresser gab, gab es folglich auch nur noch wenige Raubtiere.

Die Menschen in der Dunkelheit begannen zu hungern, weil es ihnen an Getreide für Brot sowie Obst und Gemüse mangelte. Nutztiere wie Kühe hielten sich nur noch schlecht und siechten aufgrund der fehlenden Nahrung dahin. Lediglich wenige Schafe und Ziegen passten sich den neuen Verhältnissen an. Doch reichte ihr Fleisch nicht aus um alle Menschen der Dunkelheit zu versorgen.

Zudem wurde es kalt. Die Menschen, die sonst in der warmen Sonne Wüstmeers, Oasias und der Tropischen Inseln lebten, traf es besonders hart. Ihre Häuser und ihre Kleider waren nicht für die Kälte ausgelegt. Ein Akt der Nächstenliebe durchzog herzerwärmend das erkaltete Land der Dunkelheit. Menschen aus dem Norden versandten gestrickte Pullover, Daunenjacken, Mützen und Handschuhe in den frierenden Süden. Es schien als rückten Menschen, die sich vorher nicht eins waren, in der Not ein Stück weit enger zusammen.

Keiner in der Dunkelheit konnte sich so recht erklären, wie es zu diesem Umbruch in der Millenniumsnacht kam. Keiner wusste wie es hinter der Mauer aussah, ob die Menschen in Steppenland und Vulkanien genauso leiden mussten wie sie. Der Kontakt zur anderen Seite war abgebrochen. Und keiner in der Dunkelheit wusste, wer dafür verantwortlich war. Waren es Außerirdische oder unerklärliche, magische Kräfte?

Nach drei Monaten der Dunkelheit passierte etwas, welches der dunklen Seite der Welt durch die sie auffressenden Schwärze nicht entsprach. Auf Eisland war ein helles, ziemlich großes Licht zwischen den Sternen und Polarlichtern am Himmel aufgetaucht. Es geschah unweit des Küstenstädtchens Skor direkt am gleichnamigen Wasserfall. Die Kunde über das Licht verbreitete sich auf dem östlichen Teil Eislands rasend schnell. Auch Emil Siegfriedsson hörte von den Neuigkeiten und entschloss, sich kurzerhand ins Auto zu setzen um nach Skor zu fahren.

Emil Siegfriedsson hatte in den letzten Monaten sein Ferienhaus zu einem Überlebensbunker umgerüstet, da er nicht mehr in seine Wohnung nach Rauchbucht zurückkehren konnte. Denn da stand ja die Mauer im Weg.

Die Hälfte der zwölf wildlebenden Schafe bei seinem Ferienhaus hatte er nach wenigen Wochen geschlachtet um daraus Fleisch einzulegen sowie Leber- und Blutwurst zu machen. Bevor die Tiere durch die Dunkelheit und fehlende Nahrung verendeten, wollte er sich lieber einen Vorrat für die kommenden Monde anlegen. Die Tiere waren auf Eisland zwar an die Dunkelheit gewöhnt, aber man konnte in diesen Zeiten ja nie so genau wissen, was noch alles passieren würde, dachte sich Emil Siegfriedsson. Sicher ist da sicher. Aus dem Schafsfell stopfte er sich dicke Decken. Den Rest, welchen er zunächst nicht gebrauchen konnte, schickte er ins erkaltete Wüstmeer.

Weil der Strom, aus Angst vor der ungewissen Zukunft, durch die regierenden Leute der Länder der Dunkelheit auch erstmal auf das Minimalste reduziert wurde, packte Emil Siegfriedsson sein Fahrrad, ein recht altes und schon rostiges, auf ein Gestell – wobei das Hinterrad in der Luft hing. Abends setzte er sich für ein bis zwei Stunden rauf und radelte seine Energie zu Strom, welcher unzählige Lampen in seinem Haus speiste, welche wiederum Tomatenpflanzen, die er feinsäuberlich heranzüchtete, speiste. Mit den Tomaten, die äußert gut bei ihm gediehen, betrieb er Tauschhandel. Geld begann auf Eisland seinen Wert zu verlieren. Die Leute schienen sich wieder auf die alten Tauschgeschäfte zu besinnen. Tomaten gegen Brennholz. Leberwurst gegen einen Schluck heißen Wein. Eine Umarmung für ein freundliches Lächeln.

Unzählige Leute tummelten sich am Wasserfall Skorfoss unter dem Lichtball, der noch immer am Himmel schwebte. Emil Siegfriedsson wühlte sich durch die Menschenmenge und fragte einige Personen was passiert sei und ob er schon etwas verpasst hatte. Nichts außer das, antworteten die anderen Eisländer.

Es dauerte keine Stunde seit dem Erscheinen der Lichtkugel am Himmel bis ein Reporterteam vor Ort das Ereignis auf all die wenige Mattscheiben in die Ländern der Dunkelheit als Liveschalte gesendet hatte. Die Leute trafen sich in den paar Haushalten, die einen Fernseher besaßen, kauerten sich in großen Trauben in den viel zu kleinen Räumen zusammen und hofften etwas zu erfahren, dass ihrer Lage hoffentlich ein Ende bereitete.

Es dauerte noch weitere dreißig Minuten ehe eine Stimme vom Himmel, geradewegs aus dem Lichtball heraus, ertönte. Mit einem Mal war das Gemurmel und Getuschel der versammelten Eisländer am Boden erloschen. Es war mucksmäuschenstill. Ebenso vor den Flimmerkisten.

„Ich bin Miosanctus. Ich komme aus Steppenland zu euch.“

Die Intensität des Lichtballs nahm ein wenig ab und als Emil Siegfriedsson seine Augen ein bisschen zukniff, konnte er so etwas wie eine fliegende Untertasse, was man gemeinhin als Ufo bezeichnen würde, ausmachen.

„Wir haben in der Mauer ein Schlupfloch zu euch entdeckt.“ Sprach die Stimme weiter.

„Wo ist dieses Schlupfloch?“ Schrien nun einige Eisländer aufgewühlt zum Himmel hinauf.

Die Stimme ging auf die Fragen nicht ein, sondern sprach weiter. „Wir wissen nicht welche unheiligen Mächte hier am Werk sind, daher sind wir so vorsichtig wie möglich.“

„Ist es bei euch auf der anderen Seite auch dunkel?“ Rief nun jemand anderes hoch.

Auch das schien die Stimme zu überhören. „Wir versuchen euch zu helfen, soweit es uns möglich ist und wir so wenig Menschen wie möglich in Gefahr bringen. Wir bringen euch Nahrung, so viel der Stauraum unseres Flugzeugs zulässt.“ In jenem Moment öffnete sich an der Unterseite des Flugobjekts eine Klappe und entließ riesige Pakete, welche wie kleine Heißluftballons zu Boden schwebten. Die Stimme erlosch und das Licht wurde erneut greller, dann war die Kugel am Himmel wieder verschwunden.

Zunächst standen die Eisländer vor Verwunderung da und rührten sich nicht. Doch als das erste Paket den Boden berührte, liefen sie ungehalten darauf zu und rissen die Verpackung runter.

„STOOOPP!“ Rief Emil Siegfriedsson laut ins Getümmel und die Eisländer stoppten. „Mit Bedacht, meine Freunde.“ Sagte er und die Eisländer nickten. Mit Bedacht packten sie nun die Pakete aus und sortierten die ihnen geschenkte Nahrung. Mehrere Haufen Reis, mehrere Haufen Mehl, mehrere Säcke Obst und Gemüse und mehrere Säcke Fleisch. Eine Ration behielten sie für sich, den Rest verschickten sie mit Booten in die weiten Teile der Dunkelheit, obwohl es weder ganz für sie noch für die anderen reichte.

Der Lichtball, in dem sich scheinbar ein Flugobjekt befand, tauchte nun in regelmäßigen Abständen am Himmel beim Skorfoss auf – nirgendwo anders in den Landen der Dunkelheit – und brachte Lebensmittel zum Geschenk. Das Aufeinandertreffen fand immer so oder so ähnlich wie beim ersten Mal statt.

Robinia in Borelien hatte einen Entschluss gefasst. Sie würde zu dem Bruder ihrer Großmutter, Emil Siegfriedsson, nach Eisland aufbrechen. Da der Lichtball immer nur in Eisland am Skorfoss auftauchte, musste sich da in der Nähe wohl irgendwo dieses Schlupfloch befinden.


Sternenstaub

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