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Bio von der Tanke gegen Prügel

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So langsam gewöhne ich mich an meine neue Umgebung. Nur das Purzelbaum schlagen im Wasser fehlt mir sehr. Sonst habe ich alles, was ich brauche. Ich werde mich also nicht beschweren.

Es ist warm in meiner Zelle und wenn ich Durchfall habe, kann ich sogar problemlos weiteratmen. Meist kommt schon kurze Zeit darauf eine von den Tanten im weißen Kittel und putzt mir den Po. Das ist wirklich sehr praktisch.

Ebenso der Futterservice. Der läuft hier reibungslos und ist große klasse. Die Fruchtwasser-Plörre ist ab jetzt Geschichte. Ich trinke nur noch hundertprozentige Bio-Milch. Alle vier Stunden wird frische Ware angeliefert. Weder pasteurisiert noch homogenisiert. Und vor allem ist sie ohne Zusätze. Das ist aber noch nicht alles. Das Ganze gibt es nämlich in der Vollfettvariante. Ich kann es mir leisten.

Wie jeder echte Kerl trinke ich nur aus der Flasche. Ich kann kaum genug davon bekommen und verlange immer mehr. Das Zeug ist aber auch ’ne Wucht.

Ich sehe, wie eine Tante im weißen Kittel den Raum betritt und bin sofort aufgeregt. Gleich gibt’s Nachschub. Die vier Stunden sind vorbei und es ist Zeit für meine nächste Ration.

»Nee, das kann jetzt nicht dein Ernst sein.«

Ich bin enttäuscht. Als sie näherkommt, sehe ich, ihre Hände sind leer.

»Wo ist mein Futter!«, brülle ich sie energisch an.

Das scheint sie selbst nicht zu wissen, denn mehr als ein Lächeln hat sie dazu nicht zu sagen. Dann öffnet sie den Deckel von Zelle 1B. Was hat sie vor? Schon fliegen ihre riesigen Pranken auf mich zu. Sie packt mich und holt mich nach draußen. Zum ersten Mal. Ich bin verblüfft, wie groß die Welt doch ist, so außerhalb meiner Zelle.

Wie ein Geschenk wickelt sie mich in eine Decke und in unzählige Tücher. Aber schließlich ist fast Weihnachten. Und ich denke mir, wahrscheinlich waren das soeben meine letzten Sekunden in Zelle 1B. Schätze mal, ich werde verschenkt oder verkauft. Und obwohl ich vermute, hier in einen Menschenhändlerring geraten zu sein, bin ich dennoch froh, aus der 1B herauszukommen.

Teddy und Birne bleiben allein zurück. Sie haben Abschiedstränen in den Augen.

»Macht’s gut, meine treuen Freunde«, rufe ich. »Ich werde euch vermissen.«

Die Tür fällt ins Schloss. Leider kann ich nicht mehr hören, was Teddy darauf antwortet. Und Birne, die singt sicherlich noch immer ihr Schlaflied. Das hat sie vorhin schon getan. Danke, liebe Freundin.

Ich werde in einen anderen Raum gebracht. Der ist riesig groß. Hier sehe und höre ich weder blinkende noch piepsende Apparate. Auch die Wände sind nicht weiß und kahl, sondern bunt. Wo bin ich?

Weiter hinten an der Wand steht ein Bett. Die Tante im weißen Kittel bringt mich dorthin. Darin liegt jemand. Eine Frau. Ich sehe sie an und weiß sofort, wer das ist. Meine Mama. Sie ist also diejenige, die mich als Geschenk zu Weihnachten bekommt.

Ich bin gerührt. Zehn ganze Monate haben wir zusammen verbracht und sie ist mir nicht ein einziges Mal von der Seite gewichen. Dann kamen die Maskierten und haben uns gewaltsam voneinander getrennt. Ach, wie sehr ich sie doch vermisst habe, meine liebe Mama. Ab jetzt bleiben wir für immer vereint.

Mama hat mich noch nie gesehen, das ist heute ihre Premiere. Hoffentlich findet sie mich nicht genauso hässlich wie Papa. Vorsichtshalber ziehe ich mir eins von den Tüchern vors Gesicht. Sie soll erst einmal nur meine Stimme hören. Sicher ist sicher. Damit sie mich aber auch wirklich wiedererkennt, trällere ich mal eben laut eines ihrer Lieder, die sie mir früher immer vorgesungen hat.

»Schön ist es auf der Welt zu sein …«

Prompt reißt sie mich in ihre Arme. Dabei verrate ich ihr, dass sie mich glücklich macht und wie sehr ich sie vermisst habe. Ich will ihr auch sagen, was in diesem Laden hier abgeht. Vor allem, dass die Neugeborenen gefoltert werden.

Nur dazu komme ich leider nicht. Schuld daran ist die Tante im weißen Kittel. Entweder ist sie auf Mama und mich eifersüchtig oder sie will mich eiskalt zum Schweigen bringen und den ganzen Schlamassel vertuschen. Denn so wie ich zum Sprechen ansetze, stopft sie mir plötzlich den Mund mit einem Zapfhahn.

»Davon lasse ich mich nicht beeindrucken«, würge ich undeutlich hervor.

Zumindest im ersten Moment ist das mein Gedanke. Im zweiten werde ich dann doch schwach und vergesse all meine Vorsätze. Ich spüre den ersten Tropfen und schmecke fette, gehaltvolle Bio-Milch. Meine Milch! Erfreut stelle ich fest, Mama ist meine ganz persönliche Tankstelle. Was bin ich nur für ein Glückspilz.

Es gibt etwas, woran ich mich wohl nie gewöhnen werde. Nach jeder Mahlzeit, wenn ich satt und zufrieden bin, brauche ich zunächst dringend ein kurzes Nickerchen. Aber das gönnt mir keiner von denen. Irgendeiner kommt nach dem Essen immer und verprügelt mich. Das eine Mal ist es eine von diesen Tanten im weißen Kittel, das andere Mal sogar Mama, manchmal auch Papa. Warum? Das weiß ich doch nicht. Sie können es einfach nicht lassen.

Ich habe noch einmal gründlich darüber nachgedacht. Deren Verhalten widerspricht sich vollkommen. Wenn ich also meine Bio-Mahlzeit komplett leertrinke, lächeln sie und loben mich. Aber unmittelbar danach werden die grundlos sauer und es hagelt Schläge auf meinen Rücken. Erinnert mich bissel an Dr. Jekyll und Mr. Hyde.

Mir wird jedes Mal schlecht davon. Sie lassen mir nicht einmal so viel Zeit, bis ich mein Essen verdaut habe. Deshalb übergebe ich mich manchmal auf ihr frisches, weißes Tuch, während sie mich verprügeln.

»Das ist nur eure Schuld«, schreie ich dann frustriert. »Schade um das schöne Essen.«

Meistens schaffe ich es aber, mich zu beherrschen. Bis auf einen Rülpser, der rutscht mir regelmäßig heraus. Anfangs war mir das sehr peinlich. Rülpsen zählt bei Herrn Knigge nämlich nicht gerade zu den guten Manieren bei Tisch. Doch genau das finden die Tanten im weißen Kittel, Mama und Papa großartig. Wenn ich aus meinem Bauch solch einen ordentlich lauten Ton heraufhole, hören die sofort auf, mich zu verdreschen. Die loben mich sogar dafür. Kaum zu glauben, aber wahr.

Der Knigge von denen stammt wohl aus dem Mittelalter? Total krass. Verstehe da einer die Erwachsenen.

Ich befürchte, die wissen einfach nicht, was sie wollen. Vielleicht ist das auch normal hier und ich bin bloß im falschen Jahrhundert gelandet. Ach herrje, dann gehört das womöglich zum guten Ton. Aber das werde ich noch herausbekommen.


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