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IIII

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»Dieses verdammte Miststück«, fluche ich.

Kid nimmt sich mäßig interessiert einen Kopfhörer aus dem Ohr. »Was, hat sie nicht zurückgerufen?«

Ich blase Luft durch die Nase aus und kontrolliere noch mal alle vier Hosentaschen und die der Jacke, falls ich vergessen habe, dass ich umgepackt habe. Jesse beobachtet mich dabei, grinst und schmiert sich Lippenstift an die Zigarette.

»Die hat mir mein Zeug geklaut«, rufe ich dann, als ich mir sicher bin.

Jesse lacht. Kurz und auf diese schrille RTL II-Weise, die ich nicht leiden kann. Ob Kit lacht, weiß ich nicht, weil sich der Feigling zwei Schritte aus dem Tunnel verzieht, um seine Kippe auszudrücken. Ich fange Simons Blick. Simon sagt nie viel, aber denkt umso mehr. Das sieht man in seinen kleinen, dunklen Raubfischaugen, die unaufhörlich zucken, auch, wenn er sich nur auf einen Punkt konzentriert. Würfelblick, kann auch sein. Als Kit zurückkommt, sehe ich ihn breit grinsen.

»Das ist nicht witzig, das war teuer«, knurre ich.

»Wer austeilt, muss auch einstecken können, Taylor«, zitiert Kit altklug.

»Auf welchem Shirt hast du das denn gelesen?«, gifte ich und suche noch mal, hauptsächlich, um meine Hände zu beschäftigen.

Jesse macht sich nicht die gleiche Mühe wie Kit und wirft ihre Zigarette einfach vor sich auf den Boden. Feiner Rauch steigt zwischen unseren Gesichtern auf und vermengt sich mit der Wolke unter der Tunneldecke.

»War nur eine Frage der Zeit, bis dir auch mal einer ans Bein pisst.«

»Tut mir fast weh, dir das sagen zu müssen, aber das kannst du nicht bezahlen«, legt Kit drauf und irgendwie habe ich das Bedürfnis, ihm was zu brechen. »Ach, warte mal!« Er schlägt sich gegen die Stirn. Jetzt sitzt seine Cap schief. »Unsere Meisterdiebin hat dem Bullen ja eine verdammte Markenjacke abgezogen. Piss dich nicht ein, davon kannst du dir zwei Tüten leisten.«

Er greift nach dem Kragen und ich ziehe mich mitsamt Jacke zurück. »Fick dich. Ich hab‘ dir schon mal gesagt, dass ich die nicht verkaufe.«

»Und warum nicht?«, fragt Jesse.

Warum nicht. Ich weiß ganz genau, warum nicht. Sie hält warm, aber ist mir noch immer zu groß. Außerdem geht Zigarettengeruch nicht gut aus Leder raus und ich hasse den. Ich trage sie noch immer über meiner eigenen Jacke, so, wie ich Gwens Wohnung verlassen habe und jetzt stinkt sie nicht mehr und nicht weniger als vorher auch schon. Trotzdem sträubt sich in mir alles, wenn ich daran denke, sie zu verscherbeln. Ich brauche sie, aber einen Teufel werde ich tun und versuchen, es Kit zu erklären.

»Weil ich darin verdammt heiß aussehe?«, improvisiere ich also und grinse.

Allgemeines Seufzen. Ich schiele zu Simon, der bassig brummt und rede mir ein, dass wenigstens er mir glaubt. Unauffällig schiebe ich mir die langen Ärmel über die Handgelenke. Sie rutschen sofort wieder runter.

Jesse lehnt sich mit verschränkten Armen an die Wand, genau an meinen Lieblingsplatz zwischen dem Brandfleck und dem Penisgraffiti.

»Wenn du Zeug schnorren kommst, schiebe ich dir das Teil wohin.«

»Mach das nicht, das ist die nicht gewohnt«, ergänzt Kit prustend.

Simon hält sich wie üblich raus und ich hebe eine Augenbraue. Wenn man als Frau auf Frauen steht, muss man für das flache Niveau der Comebacks regelmäßig die Füße heben. Mein wöchentliches Bingo ist damit fast voll, fehlt nur noch die obligatorische Frage nach einem Dreier, gefolgt von einem liebevollen Angebot, mir doch mal zu zeigen, was ein richtiger Mann ist, aber das wird Kit auch noch schaffen. Ich sehe meine Sowas-Wie-Freunde gebildet über den Brillenrand an und habe diesen Look, den sie »sexy Streberin« nennen.

»Wieso müsst ihr eigentlich immer reden wie die letzten Assis? Gibt euch das was, eure Stereotype zu befriedigen?«

Kit verdreht die Augen und schiebt sich seine Cappi zurecht. »Oh nein, sie macht wieder den Streber.«

Ich senke weise den Blick und starre einen Moment auf Simons Chucks. »Der sexy Streber hat noch alle geschafft«, sage ich selbstsicher, obwohl es nicht stimmt. »Ich verrate euch was. Ich gehe mir mein Zeug zurückholen.«

Ich sage das, als sei das nicht sowieso mein Plan gewesen. Als sei das nicht unvermeidlich. Ich muss sie wiedersehen. Es ist ein Muss, das mir unerklärt und unverteidigt in der Kehle sitzt, und vor allem ein Muss, das ich nicht so schnell erwartet habe. Eine nette erste Nacht, drei Wochen Funkstille, dann ein zufälliges Wiedersehen. Aber nicht jetzt.

»Und wie möchtest du das machen?«, fragt Simon, und wir sehen ihn an. »Klingeln und höflich fragen?«

Ich schnaube übertrieben sarkastisch. »Mach dich nicht lächerlich.«


Eine halbe Stunde später stehe ich vor Gwens Tür und will klingeln. Leider habe ich keinen blassen Schimmer mehr, wie sie mit Nachnamen heißt. Mein Gedächtnis funktioniert nur bei ständiger Wiederholung, und ein einziges Mal Ausweis filzen reicht da nicht.

Mein Finger schwebt unschlüssig über ‚Biedermann‘, das klingt so nach ihr. Ich grinse. Gonzales, Lauch, Rivak, Lorenz, Brockmeier/Kasimir, Leiner und ein türkischer Name, den ich nicht aussprechen kann. Irgendeiner wird mich schon reinlassen und mir die tragische Nummer abkaufen, dass mich jemand über Ebay-Kleinanzeigen abgezogen hat und ich ihm jetzt die Leviten lesen gekommen bin oder so was. Ist nicht die authentischste Geschichte, aber die habe ich noch nie ausprobiert.

Und werde das auch jetzt nicht, denn mir schlägt die Tür fast ins Gesicht und wischt meinen Finger von „Rivak“.

»Oh, Entschuldigung«, sagt der Mann hastig und greift ins Leere bei dem Versuch, mich daran zu hindern, die zwei Stufen nach unten zu torkeln.

»Alles gut«, sage ich und wittere meine Chance. »Darf ich rein? Dann kann ich mir das Klingeln sparen.«

»Also eigentlich darf ich das nicht«, antwortet der Mann nachdenklich.

Ich nehme ihn unter die Lupe. Arbeitshose, Fleecejacke und ein Blick bereuter Lebensentscheidungen. Also vermutlich der Hausmeister.

»Ach, Gwen erwartet mich sowieso.« Ich setze alles auf eine Karte und habe Glück.

»Frau Lorenz? Aber die ist gar nicht hier. Ist wieder unterwegs.« Er schlägt diesen Smalltalk-Ton an, den Menschen über 40 oft haben, wenn sie nicht mehr zu reden aufhören wollen. »Sie ist nicht oft da um diese Zeit. Gott weiß, was für Berufe die jungen Leute haben.«

Ich runzle die Stirn, weil dieser Satz ihn so viel älter macht, als er es nötig hätte.

»Oh wirklich?«, frage ich und lächele interessiert.

»Soll ich ihr ausrichten, dass Sie hier waren?«, fragt der Mann.

Ich überlege einen Moment. Dann schaue ich auf das Klingelschild und grinse.

»Ja, bitte.«

»Und wer sind Sie?«

Ich schiebe meine Hände in die großen Jackentaschen und wende mich schon zum Gehen, damit er nicht auf die Idee kommt, noch etwas zu fragen.

»Eine ihrer Affären. Sagen Sie ihr, ich bin die Geschäftsreise nach Osnabrück, sie weiß Bescheid.«

Ich verschwinde.

14 Falken

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