Читать книгу Die Schule der Wunderdinge (2). Simsala Schirm - Kira Gembri - Страница 11

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4. Kapitel

Die sechs Wunderschüler sahen einander ratlos an. »Sollen wir jetzt vielleicht wieder gehen?«, fragte Nico.

»Sie schreibt doch, wir machen alles so wie besprochen!«, entgegnete Gabriel. »Das heißt, wir präsentieren ihr morgen unsere neuen Wunderdinge!«

Tilly schüttelte zögernd den Kopf. »Glaub ich nicht. Bestimmt wollte sie, dass wir mit dem Bauen warten, bis sie zurück ist.«

»Ihr könnt ja gern schwänzen, wenn ihr wollt«, sagte Gabriel. »Aber wir anderen werden Wilma nicht enttäuschen, stimmt’s?« Er schaute in die Runde, und Clarissa reckte ihre Nase noch etwas weiter nach oben. Vermutlich sollte das heißen: Ich bin Clarissa von Rosenberg. Ich enttäusche nie jemanden.

»Mal abgesehen davon, dass ich auch wirklich gern die Belohnung gewinnen würde«, fügte Gabriel grinsend hinzu und griff nach der Türklinke.

Tilly verdrehte die Augen. Unschlüssig blieb sie mit Nico und Pip auf der Veranda stehen, während die anderen die Villa betraten. Dann stieß Pip ein Schnauben aus. »Also, ich hab keine Lust, morgen nur dumm dabei zuzuschauen, wie die anderen Wilma überraschen«, sagte sie. »Ihr vielleicht? Wenn wir uns ein bisschen anstrengen, werden wir doch hoffentlich was Brauchbares hinkriegen!«

Nico zuckte mit den Schultern. »Versuchen können wir’s jedenfalls«, meinte er und schob sich in die dämmrige Diele. Tilly und Pip folgten ihm.

»Vierzehn Uhr fünfzehn!«, wurden sie von der wandelnden Uhr empfangen, die unter der Treppe wohnte und jede Viertelstunde hervorstolziert kam. Mit ihrem Ziffernblatt nickte sie in Richtung Küche. Als sie eintraten, sahen sie Gabriel, Bastian und Clarissa, die um den Küchentisch versammelt waren. Wilma hatte ihnen einen Teller Was-du-willst-Kekse vorbereitet – für Tilly dufteten sie diesmal ganz köstlich nach Lasagne –, und daneben lagen sechs winzige, schillernde Fläschchen. Jedes von ihnen hatte einen Ring am Verschluss, durch den eine dünne Kette gefädelt war.


»Reine Magie für jeden von uns!«, rief Gabriel begeistert. »Dann kann ich schon bald meinen LS zum Leben erwecken!«

»Deinen was?«, fragte Pip, griff sich einen Keks und leckte daran. Wahrscheinlich hatte sie gerade Appetit auf Eis am Stiel.

Gabriel öffnete seinen Schulrucksack und zog etwas hervor, das auf den ersten Blick wie ein Durcheinander aus Scharnieren und Brettern aussah. Nachdem Gabriel ein wenig daran herumgebastelt hatte, entpuppte es sich allerdings als Klappstuhl. »Darf ich vorstellen: der LS 2022 – ein Luxus-Sitz der Superklasse!«, sagte Gabriel stolz. »Er lässt sich nicht nur sehr klein zusammenfalten, sondern soll sich auch an jede Person anpassen, die auf ihm Platz nimmt. Das heißt, die Beine verlängern sich, die Sitzfläche wird breiter, und vielleicht kriege ich es hin, dass sogar mehrere Personen gleichzeitig auf ihm sitzen können … Yep, sollte eigentlich nicht allzu schwierig sein.« Selbstsicher warf er seinen Zauberwürfel in die Luft, dem er diese Idee wohl zu verdanken hatte.

»Das ist gut«, musste Tilly zugeben – als Erfinderin konnte sie nicht anders, als in diesem Moment ehrlich zu sein. »Und was hast du, Bastian?«

Bastian schien nur auf diese Frage gewartet zu haben. Blitzschnell holte er eine Bastelei aus seinem Rucksack, die mit jeder Menge Klebeband umwickelt war. Tilly erkannte ein Spielzeugauto, darüber ein Taschenradio und ganz oben etwas, das an ein Blasrohr erinnerte.

»Das ist ein … Mutmachding«, erklärte Bastian, nun doch ein bisschen verlegen. Mit gesenktem Blick zupfte er an einem losen Ende Klebeband herum. »Wenn man sich schlecht fühlt, soll es herkommen und, na ja, ein lustiges Lied spielen. Und Süßigkeiten aus dem Trichter zaubern. So lange, bis es einem wieder besser geht!«


»Ach«, sagte Clarissa und hob die Augenbrauen. »Wenn man so was nötig hat, ist das vielleicht nicht übel … Aber lass es doch einfach mal magisch werden, dann sehen wir ja, ob es was taugt.«


Bastian machte einen stockenden Atemzug. Man merkte ihm an, dass er damit lieber noch gewartet hätte, doch Clarissa konnte er keinen Wunsch abschlagen. Während er den Verschluss von seinem Magie-Fläschchen schraubte, waren alle Augen auf ihn gerichtet. Sogar Gabriel riss sich vom LS 2022 los, um Bastian zu beobachten.

»Also«, sagte der ein bisschen piepsig und näherte das Fläschchen seinem Mutmachding. »Ich stelle mir alles genau vor, und, äh …«

»Du glaubst wirklich, das könnte funktionieren?«, fragte Gabriel plötzlich. Sein Blick huschte zwischen dem perfekt ausgetüftelten Stuhl und Bastians zusammengeklebtem Chaos hin und her.

»Äh, ja. Denke ich. Hoffe ich. Schauen wir mal?«, stotterte Bastian und drehte die Öffnung des Fläschchens nach unten.

Tilly erschrak. Man musste doch fest entschlossen sein, während man Magie verwendete! »Bastian, warte –«, konnte sie gerade noch rufen, aber es war zu spät. Schillernde Tropfen fielen auf das Mutmachding, und augenblicklich erwachte der seltsame Apparat zum Leben.

Erst rollte er auf seinen vier Rädern ein paarmal vor und zurück. Tilly hoffte schon, dass er gar nichts anderes konnte – doch dann wurde ihr klar, dass er nur ordentlich Schwung holte. Im nächsten Moment raste er quer über die Tischplatte und geradewegs auf Clarissa zu, die kreischend nach hinten stolperte. Was genau sie schrie, konnte man nicht verstehen, weil nun ohrenbetäubende Musik aus dem Mutmachding schallte.

»Baby shark, doo doo – doo doo doo doo!«, dröhnte es, während das Blasrohr sich auf Clarissa richtete. Dann sauste ein Gummibärchen daraus hervor. Und noch eines. Und … es nahm überhaupt kein Ende. Wie kunterbunte Insekten flogen die Süßigkeiten Clarissa um die Ohren, bis sie stolpernd aus der Küche floh. In ihrer Eile warf sie einen Stapel Geschirr um, der neben der Spüle gestanden hatte. Teller, Schüsseln und Tassen zerbrachen in unzählige Stücke, doch davon ließ sich das Mutmachding nicht bremsen. Unter immer lauterem Gesang kurvte es an den Scherben vorbei und nahm Clarissas Verfolgung auf. Fast war es schon bei der Küchentür, da fiel Tilly etwas ein.

»Es darf niemanden mehr sehen!«, rief sie. »Niemanden, der Mut brauchen könnte!«

Ihre Freunde begriffen sofort. Pip riss den Teller voll Wunderkekse vom Tisch, und Nico packte die Tischdecke. Mit einem riesigen Satz sprang er hinter das Mutmachding, warf die Decke darüber und wickelte es fest ein. Bastian hatte inzwischen seinen Rucksack geöffnet. Er hielt ihn weit auf, damit Nico das Tischdecken-Knäuel hineinstopfen konnte, und zog schnell den Reißverschluss wieder zu. Kurz hörte man das Mutmachding noch »Mommy shark, doo doo – doo doo doo doo« singen, dann wurde es still.


»Tut mir schrecklich leid!«, wimmerte Bastian. »Ich hätte nie erwartet, dass es so viel Energie hat. Das war wirklich nicht geplant!«

Nico seufzte. »Ich sage dir das ja nur ungern, aber ich glaube, du hast ein Wirrwarrding erschaffen.«

»Du glaubst?!«, wiederholte Gabriel und verzog das Gesicht. »Was, um alles in der Welt, soll es denn sonst sein? Jedenfalls benimmt es sich genau so, wie ich mir ein Wirrwarrding vorstelle: nervtötend, gefährlich und vollkommen nutzlos.«

»Immerhin wissen wir jetzt, dass es sich beruhigt, wenn es keine Opfer mehr im Blick hat«, versuchte Pip, den kreidebleichen Bastian zu trösten. »Du dürftest es halt nie wieder auspacken. Aber … hast du nicht auch deine Schattenflasche dadrin?«

Bastian sah aus, als müsste er gleich anfangen zu weinen. »Ja genau! Ich hab mir extra einen größeren Rucksack besorgt, damit die Flasche genug Platz hat. Wie soll ich sie jemals wieder benutzen, ohne dabei das Wirrwarrding freizulassen?« Niedergeschlagen hockte er sich zwischen die verstreuten Gummibärchen und ließ den Kopf hängen. Er richtete sich erst ein bisschen auf, als Clarissa in der Küchentür erschien. Obwohl ihre Haare ungewöhnlich zerzaust waren, hatte sie wieder ihren typischen hoheitsvollen Ausdruck im Gesicht.

»Clarissa, das …«, setzte Bastian an, doch sie ließ ihn nicht weiterreden.

»Ich gehe jetzt nach Hause«, sagte sie, »und werde dort in Ruhe mein Wunderding fertigstellen. Dann bekommt Wilma morgen wenigstens etwas Ordentliches präsentiert, vielleicht mal abgesehen von Gabriels Klappstuhl. Ihr anderen werdet sie ganz sicher nur enttäuschen. Vielleicht hätte sie euch niemals in die Wunderschule aufnehmen sollen!« Mit diesen Worten griff sie nach ihrem Fläschchen Magie, schwang sich den schicken weißen Rucksack über die Schulter und marschierte davon.

Die Schule der Wunderdinge (2). Simsala Schirm

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