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Vorwort des Herausgebers

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„Biographien haben Konjunktur“ so liest man immer wieder. Es könnte auch heißen: Biographien hatten und haben immer Konjunktur; dies gilt seit der griechisch-römischen Antike bis heute.

Herausragende Gestalten interessieren den Menschen seit über zwei Jahrtausenden. Viele Autoren sind schon damals als Biographen berühmt geworden wie der römische Schriftsteller Sueton, der in der ersten Hälfte des 2. nachchristlichen Jahrhunderts lebte. Sueton stellte ein großes Werk „Über bedeutende Persönlichkeiten“ zusammen, das in fünf Abteilungen Dichter, Redner, Historiker, Philosophen und Grammatiker umfasste – und berühmte Hetären. Sueton trug zusammen, was er in den unterschiedlichsten Quellen fand: Literarische und inschriftliche Belege, Archivmaterial – er war zeitweise Sekretär des Kaisers Hadrian (117–138 n. Chr.) –, offizielle Verlautbarungen mit amtlichen Nachrichten und Memoirenliteratur. Und er interessierte sich für Klatsch und Gerüchte und hatte geradezu eine Vorliebe für Wundergeschichten aller Art. Dem antiken Autor ist später immer wieder vorgeworfen worden, er erfasse nicht das Innere des Menschen – wie sollte dies überhaupt möglich sein? – und interessiere sich nicht für die großen Zusammenhänge, ja es war sogar von einem Verfall der antiken Geschichtsschreibung die Rede, die sich bei ihm drastisch bemerkbar mache. Ob dies alles so zutrifft, sei dahingestellt. Was auf jeden Fall nicht zu bestreiten ist: Suetons Darstellungsweise wurde zu einer bedeutenden Form der Geschichtsschreibung.

In seiner Wirkung auf die Nachwelt steht der griechische Philosoph und Biograph Plutarch aus Chaironea diesem Sueton nicht nach. Aus seinem gewaltigen Werk, das er um die Wende vom 1. zum 2. nachchristlichen Jahrhundert verfasste, ragen seine historischen Biographien heraus. Als Grundkonzeption ging Plutarch davon aus, dass Griechen und Römer ebenbürtig seien. Daher stellte er die Lebensläufe je eines Griechen und eines Römers zu Parallel-Biographien zusammen, insgesamt 23 Paare. Damit wollte er auch der Verständigung der beiden, jeweils von zahlreichen Vorurteilen belasteten Bevölkerungsgruppen beitragen.

Das Schema, dass die antiken Biographen ihren Darstellungen zugrunde legten, war einfach, denn es entsprach dem Ablauf des menschlichen Lebens: von der Herkunft und Geburt, über Kindheit mit Erziehung und Bildung, der öffentlichen Karriere und den damit verbundenen historischen Taten, bis zum Tod. Im Zentrum standen die politischen – in christlicher Zeit die kirchen-politischen –, militärischen und gegebenenfalls intellektuellen Leistungen.

Das menschliche Leben, jedes menschliche Leben, ist ein Roman, an dem der Betroffene selbst ‘schreibt’ und den sein Biograph fortsetzt. Biographien müssen also, dies gilt für die Antike mehr als für neuere Zeiten, wie ein Roman geschrieben werden, denn die heutigen Biographen antiker Persönlichkeiten stoßen bei ihren Arbeiten immer wieder auf Leerstellen.

Während die antiken Autoren die Zeit- und Lebensumstände ihrer Helden bei ihren Lesern weitgehend voraussetzen konnten, ist dies für die Gestalten der Antike längst anders. Der heutige Historiker muss gegenüber dem antiken Geschichtsschreiber seine Personen stärker in ihre Zeit und deren Gesellschaft einbinden. Auf diese Weise werden spannende Lebensgeschichten vorgestellt, und zugleich entsteht ein Panorama der damaligen Zeit.

Für vieles, vielleicht sogar für das meiste, was uns heutige interessiert, besitzen wir keine Quellen; diese bieten oftmals kaum mehr als Splitter des vor langer Zeit verflossenen Lebens. Hier ist der Historiker gefordert, hier sind dann seine Erfahrung und Phantasie gefragt, geht es doch oft, wie Pierre Bourdieu es formulierte, um eine „biographische Illusion“. Und da die so geforderte Phantasie, auch wenn sie auf systematischer Kenntnis der antiken Zeugnisse beruht, nicht end- und allgemeingültig umgesetzt werden kann, gibt es immer wieder neue Lebensbeschreibungen ein und derselben Persönlichkeit. Jede Biographie einer bestimmten Person ist anders, weil die schreibenden Historiker unterschiedliche Schwerpunkte setzen und unterschiedliche methodische Zugänge wählen. Historische Erkenntnis hängt wesentlich von den Zeitumständen ab, in denen die Fragen gestellt werden, und von den Personen, welche die Fragen stellen. So erklärt sich auch, dass immer wieder neue Biographien verfasst werden, ja verfasst werden müssen. Jeder schreibt seinen eigenen Alexander, Caesar, Augustus, Konstantin oder seinen eigenen Cicero.

Bonn 2014 Manfred Clauss
Cicero

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