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Kapitel 4 Tanken mal anders

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Allmählich wurde es herbstlich. Trotz der vergangenen Ereignisse und der bevorstehenden depressiven Jahreszeit, wollte ich mich nicht hinsetzen und Trübsal blasen. Zwar wäre es schön gewesen, hätte es eine Art Resetknopf in meinem Kopf gegeben, doch das war nun mal nicht der Fall. Buddha sagt: “Akzeptiere was du nicht ändern kannst”, habe ich mal irgendwo gelesen. “Gut, tun wir dies und weiter geht's, geht es ja schließlich im­mer irgendwie, auch ohne langjährige, gute Freun­de, verdammt”, dachte ich schon leicht wehleidig.

Jetzt stand mir erst einmal eine kleine Überraschung ins Haus. Man soll es kaum glauben, aber da war ich doch glatt auf Boris Geburtstag eingeladen, wo ich absolut nicht mehr mit gerechnet hatte. Er feierte diesen wie jedes Jahr bei sich im Garten inklusive Lagerfeuer und allem Pi Pa Po. Mit gemischten Gefühlen und Sunny im Schlepptau ging ich brav dort hin. Hätte ich damals gewusst, dass ich diesen Garten zum letzten Mal betrete, dann hätte ich seine volle Schönheit wohl mehr be­achtet.

Boris wurde so einiges in die Wiege gelegt. Seine Mutter besaß ein großes, schönes Haus mit ei­nem Garten so groß, dass genügend Platz für mein Pferd gewesen wäre. Er selbst wohnte dort in seiner eigenen, separaten Wohnung.

Der Abend war, trotz des großen Vergnü­gungsangebotes recht trocken, anders als sonst. Es wurde zwar wie üblich getrunken, Tischtennis ge­spielt, gekickert, Musik gehört und gegrillt, doch von Boris sah man nichts. Gerade eben war es mög­lich ihm alles Gute zu wünschen und zu fragen wie es ihm geht und zack war er wieder verschwunden. Sogar mit seiner neuen Freundin sprach ich, wenn auch nicht viel, aber immerhin mehr, als mit ihm. Eigentlich machte sie einen ganz netten Eindruck, obwohl ich mich mit ihr sicherlich nicht groß unter­halten hätte, wenn sie nicht mit Boris zusammen ge­wesen wäre. Sie war einfach nicht mein Typ. Hat man ja schon mal. So wirklich auf einer Welle schwammen wir nicht, aber ich denke wir wären si­cher irgendwie miteinander ausgekommen.

Mehr oder weniger saßen Sunny und ich hinterher nur dumm da rum. “Alle mal her hören bitte, ich habe eine Rede, die ich gerne halten wür­de”, ertönte eine Stimme aus der Menge, welche zu Boris Freundin gehörte. “Na das kann ja was werden”, dachte ich, verdrehte die Augen und beobachtete die Reaktio­nen der anderen Gäste. “Ey, irre ich mich oder kennen die zwei sich erst seit ein paar Wochen”, ging mir durch den Kopf und was Boris von solchen Reden hielt, wusste ich auch, nämlich nix. Zumindest war dies bisher so.

Leider kann ich heute den genauen Inhalt des Vortrags nicht mehr wieder geben, doch eines weiß ich noch mit Sicherheit, es war das absolut Schnulzigste, was ich bis dato in meinem Leben gehört hatte. Jede Milch wäre, wenn dort vorhanden gewesen, auf Anhieb sauer geworden und hätten wir nicht unter freiem Himmel gesessen, wären sicherlich alle von der heruntergestürzten Decke erschlagen worden.

Ich dachte, ich brech ins Essen, als ich das hörte. Oh… mein… Gott. Mein Grinsen verbarg ich hinter meiner Hand, besser war es. Das Boris sich ein wenig schämte sah man ihm an, doch er trug es mit Fassung, versuchte es zu verbergen und bedankte sich bei seinem herzallerliebsten Schnuckelmäuschen. Also Romantik ist ja schön und gut. Verliebt sein und es zeigen, auch schön und gut. Sich nette Worte sagen, sicherlich auch gerne, aber bitte doch unbedingt alles in Maßen und nicht so übelst, dermaßen übertrieben wie in dieser Rede. Na ja, jedem das seine, dachte ich und konnte mein Lachen kaum zurückhalten, umdrehen half dagegen.

Damals habe ich wirklich gedacht: “Ach du heilige Scheiße, was sind die zwei bekloppt.” Heute aller­dings sehe ich das alles etwas anders. Zwar finde ich dieses Liebesgeschnulze immer noch zu über­trieben, jedoch nicht ihr gemeinsames Miteinander. Sicherlich war es nicht unbedingt richtig alles andere und vor allem jeden anderen um sich herum zu vergessen, doch das was die beiden gefunden hatten, danach suchen täglich Millionen von Menschen, mich eingeschlossen. Wenn es offensichtlich so passt zwischen Männchen und Weibchen, dass sie noch nicht einmal eine große Kennenlernphase benötigen und wenn ihr Verlangen nacheinander so groß ist, dass sie sich jeden Tag und jede Sekunde sehen wollen und nicht mehr ohne den anderen sein möchten, dann ist das etwas ganz besonders Seltenes. Jahrelang hatte Boris nichts Vergleichbares und war offensichtlich unglücklich. Es sei ihm sein Glück von Herzen gegönnt.

Auch ich hatte gedacht, so etwas Besonderes gefunden zu haben, seitdem sich meine Gedanken nur noch um Kai drehten. Ich hatte völlig neue Gefühle kennengelernt und so langsam wurde mir klar, dass sich die Liebe in meinem Leben noch im Reifeprozess befand. Wenn man was nicht kennt, kann man nicht wissen wie es sich anfühlt und muss es erst erfahren. Nun stand für mich fest: Mirko hatte ich damals lieb gehabt und nicht geliebt, denn schon für Kai empfand ich mehr. Er war der beste Whisky für mich, Mirko dagegen nur billiger Fusel. Tja, nun gab es aber schließlich seine Madame und wenn nicht, wäre trotzdem ein großes Fragezeichen in meinem Kopf, ob dieses Empfinden nur auf Einseitigkeit beruhte.

Dann kam die Sache mit meinem Radio. Er bot sich an mir zu helfen und reparierte es an der Tankstelle. Im November war es schon kalt und dunkel, also saßen wir im geschlossenen Auto. Allein! Nie zuvor habe ich so auf Gestik und Mimik im kleinsten Detail geachtet, wie bei ihm. Er sprach ganz anders, wenn wir unter uns waren, erzählte mir Dinge, die kaum einer wusste und ja er flirtete, er flirtete mit mir. Irgendwie bekloppt, aber ich war stolz wie Oskar in dem Moment und freute mich innerlich wie ein kleines Kind. Jede noch so kleinste Berührung fiel mir auf, teilweise löste sie Gänsehaut aus. Gott sei Dank unbemerkt, wie peinlich wäre das sonst gewesen, hätte er gemerkt, wie ich innerlich zitterte. Wenn ich sonst so redegewandt und selbstsicher war und immer das passende Argument parat hatte, in seiner Gegenwart wurde ich immer nervös und unsicher. Meistens schaffte ich dies irgendwie zu überspielen und wenn ich eben nur alberne, sinnlose Dinge von mir gab. Machte nichts, so kannte man mich auch.

Egal wie sehr ich mich auch zusammenriss, so langsam fiel ich auf. Bettina und Maria sahen die Sternchen in meinen Augen deutlich, wenn ich mich mit ihm unterhielt. Ob es für ihn oder die anderen genauso offensichtlich war, weiß ich nicht, befürchtete es aber. Allerdings bemerkten Bettina und Maria auch seine Sternchen. Ich war unsicher, konnte es nicht beschwören. “Guck mal, wie der dich anguckt. Der kann seine Augen nicht von dir lassen.” Flüstereien am Kaffeeautomaten an der Tagesordnung. War der Tresen voll mit Freunden und kam es vor, dass er und ich zu weit auseinander standen, konnte ich mich kaum mit anderen unterhalten, ohne ihn dabei ständig zu beobachten. Meine Blicke sagten dabei alles. Folgte dann ein Lächeln von ihm oder ein Augenzwinkern, war Laralein wieder glücklich.

Auffällig war allerdings sein dortiger, langer Aufenthalt. Häufig stand er in dieser Zeit noch abends spät, auch oft allein in der Tanke oder kam am Wochenende drei, vier Mal an einem Tag. Suchte er Abstand zu seiner Freundin? Früher war er doch nie so lange hier? Ging es ihm nicht gut? Oder wollte er mich sehen? Wohl absolutes Wunschdenken. Tausend Fragen ohne Antworten wurden zu Alltagsgedanken. Ich genoss erst einmal weiterhin seine Gegenwart in vollen Zügen. Tankte jeden Tag Kaffee mit ihm gemeinsam und suchte Zuflucht in dieser mir heimischen Umgebung.

Ich weiß noch, als ich zum ersten Mal mit 14 Jahren diesen für mich beson­deren Berg mit dieser besagten Tankstelle betrat, kannte ich niemanden. Ich suchte die Straße eines damaligen Freundes, stieg aus dem Bus aus, ging in die falsche Richtung und kam zu diesem Ort. Niemals hätte ich damals gedacht, dass ich dort mal so gerne hinfahren würde. Ich schaute mich um, “Eine schöne Gegend”, dachte ich und ging wieder zurück. Erst zwei Jahre später kam ich zu dem Stall, welcher sich genau hinter die­ser Tanke befand und das auch nur wegen einem richtigen Moment.

Mit 16 kam ich in die Oberstu­fe, viele meiner Freunde waren abgegangen. Ich stand an der Ampel kurz vor unserer Schule, als Bettina neben mir auftauchte. Sie ging in die Paral­lelklasse und war mir aus einigen Kursen bekannt. Auf gut deutsch gesagt war sie ein kleiner Punk mit knatschbunten Haaren. Eher eine von den Außensei­tern, ich fand sie bis dato mehr komisch als inter­essant. Ihr Geschmack für Kleidung war das Gegen­teil von meinem. Sie, in breit gestreifter Strumpfho­se und Doc's. Ich, in Nadelstreifen und hochhacki­gen Schuhen. “Du bist jetzt auch in der Oberstufe?”, fragte sie nett. Ich antwortete mit “Ja”, wir ka­men ins Gespräch und wurden, innerhalb weni­ger Wochen, die besten Freunde. In ihrer Welt wurde ich angestarrt und sie in meiner. Doch das war uns scheißegal. Die eine tolerierte die andere. Dann erzählte sie mir von ihrem Pflegepferd und fragte, ob ich Lust hätte mal mit zum Stall zu kommen. Ich könne dort auch Eines pflegen, wenn ich wollte, meinte sie zu mir.

Tja nun, und wenn ich damals an der Ampel nicht so offen ihr gegenüber gewesen wäre, würde ich heute ein komplett anderes Leben führen. Ich hätte keinen einzigen meiner Freunde kennengelernt. Mirko nicht, keine Maria, keinen Friedhof und dadurch keine Anita. Keine Sunny und auch keinen Kai. Alles wäre anders, als heute und alles, absolut alles von da an Erlebte, war nur von diesem einen, kleinen Moment abhängig. Gut für mich, dass ich nett zu ihr war.

Es dauerte nicht lange, da war nicht nur das Pferd für mich ein cooles Hobby, sondern auch die Tank­stelle wurde zu einem interessanten Ort. Mit all ih­ren verrückten Mitbesuchern. Nie war ich allerdings in einer Regelmäßigkeit da. Anfangs schon und ei­nige Jahre dazwischen wieder nicht. So wie ich halt gerade lustig war. In erster Linie trafen sich dort die Jungs aus dem Dorf vom Berg. Man kannte sich un­tereinander nach einiger Zeit. Den einen mehr, den anderen eher flüchtig. Doch ich versuchte immer recht geschlossen zu bleiben. Egal wem gegenüber war ich vorsichtig, denn die Tratscherei war doch schon ziemlich groß, Dorfleben eben.

Man unterscheidet zwischen Dörflern: Mich interes­siert alles, los erzähl! Und Städtern: Lass mich in Ruhe, interessiert mich einen Scheiß! Ich bin ein Städter, mit Mirko verheiratet, war ich ein Dörfler! Beides hat seine Vor- und Nachteile, wie ich finde.

Seit dem Zeitpunkt meiner Trennung, ließ ich mich also wieder regelmäßiger an der Tanke blicken. Oft auch mit Sunny, Bettina oder Maria dabei. Natürlich in erster Linie wegen Kai, aber auch weil es für mich immer so eine Art abschalten war, nach der Arbeit dort einen Kaffee zu trinken, bevor es rüber zum Pferd ging. Viele von den anderen kamen auch um halb fünf, die ganzen Bekloppten, jeder für sich ein Unikat. Am häufigsten anzutreffen waren dort Tristan, Ricky, Bernd und Kai. Allerdings auch Mirko und seine Cous­ins kamen des Öfteren vorbei.

Tristan beschrieb sich selbst als eitel, ehrlich und ordentlich. Ja und das kann ich auch voll und ganz be­stätigen. Nie zu vor habe ich einen Mann kennengelernt, der mich so oft fragte: “Hab ich einen dicken Hintern in der Jeans? Sieht das Hemd gut aus was ich an habe? Sitzen meine Haare?”

Im Grunde ist er ein lie­ber, hilfsbereiter Mensch, den ich mittlerweile gern als Freund bezeichne. Zu der Zeit jedoch, war das nicht der Fall. Da fand ich ihn mehr nervig, als freundlich. Mir kam es oft so vor, als wollte er jemand anderes sein. Irgendwie verstellte er sich ab und an, machte Dinge die er sonst nie tat. Einmal betrat Tristan die Tanke, kam schnurstracks zu mir und rülpste volle Wurst in mein Ohr hinein. Ich dachte ich spinne. Das war unter aller Sau und passte mal absolut gar nicht zu seinem Typ. Ich reagierte dementsprechend zickig und war sauer. Bei den anderen Mädels vom Berg war er allerdings immer schon sehr be­liebt. Sein gutes Aussehen spielte dabei sicher ebenfalls eine große Rolle.

Als nächstes hätten wir Ricky. Näher kennen lernte ich ihn erst, wie all die anderen, nach dem Auszug bei Mirko. Er ist sicherlich kein Fotomodel, so wie Tristan oder Kai, doch im Grunde auch ein lieber, hilfsbereiter und sehr wichtig: Ein gut gelaunter, witziger Mann. Ein typischer Bauernsohn halt. Zu mir war er bisher immer freundlich und den gewissen Schaden, der dort oben Grundvoraussetzung zum Kaffee trinken war, hatte er auch. Wie wir alle halt. Das war lustig. Normal sein, kann schließlich jeder und das ist viel zu langweilig.

Apropos Schaden, womit wir zu den letzten beiden Kandidaten kämen: Bernd und Kai! “Ey Alter, willste mir einen blas…*Piiiiiiiiip*…en? Oder vielleicht 'ne Runde mit mir fic…*Piiiiiip*…ken? Ich glaub ich muss erst mal ordentlich kacken”, waren des Öfteren ihre Worte. Nein, ganz sicher ist dies nicht unbedingt meine Art zu reden, außer ab und zu aus Jux und Dollerei. Eigentlich mied ich solche Gesellschaft bisher auch eher, doch merkwürdigerweise waren mir diese zwei Verrückten die sympathischsten von allen. Mal ganz davon abgesehen, dass ich sowieso scharf auf Mr. Matumbo-Kai war, gefielen mir einfach diese zwei Extreme an ihnen.

So asozial sprachen sie auch nur unter ihres Gleichen oder an der Tanke. Tatsächlich konnten sie es auch abstellen und sich gehoben und ordentlich verhalten. Im Niveau also ziemlich flexibel. Ähnlich wie es bei mir eben war.

Sie waren die besten Freunde. Eine Zeitlang hielten einige Bernd für dämlich und sicherlich hatte er auch seine gewissen Macken, allerdings noch harmlos in meinen Augen. Manchmal finde ich es sogar nervig, wenn man doch eigentlich zu 80% mit jemandem gut auskommt, dann aber nur die 20% sieht die einen an ihm stören und diese dann in den Vordergrund stellt. Vollkommen unwichtig, haben doch alle von uns in der Regel diese 20%. Ich fand Bernd sogar irgendwie recht charmant, allerdings möchte ich nicht wissen wie viele Frauen er schon unter sich hatte, der Schlawiner.

Noch weitere Besucher kamen regelmäßig an diese Tankstelle. Die meisten kannten sich untereinander. Hier wären zum Beispiel noch die Dachdecker, wovon es da oben wirklich reichlich gab oder die Angestellten und Freunde vom Bauern und dem Tankwart oder einfach nur die Nachbarn vom Berg. Es war dort schon irgendwie familiär und vertraut, fast wie in einem Stehcafé in einer Friede, Freude, Eierkuchen Welt. Reichlich Spaß vermischt mit Ironie und einer Prise Ernst. Doch wirklich Vertrauen hatte ich nur zu Wenigen dort. Sowieso war ich sehr misstrauisch geworden, nach den ganzen unangenehmen Erfahrungen der letzten Zeiten. Dies galt vor allem für Männer, obwohl ich früher auf sie als Freunde schwor, im Gegensatz zu Frauen. Ich versuchte allerdings, nicht alle über einen Kamm zu scheren und wollte mich voll und ganz auf mein Bauchgefühl verlassen. Gelang mir nicht immer, aber immer öfter. Wenn mir also irgendeiner von den Besuchern der Tanke nicht ganz koscher war und es vorkam, dass ich allein mit ihm an der Theke stand, las ich eben die Bildzeitung. Na ja, mehr oder weniger. Eigentlich konnte ich dieses Tratsch-Tragödienblatt früher nicht leiden. Also las ich manchmal darin und manchmal tat ich einfach nur so und dachte nach, jedoch immer mit einem kurzen, unauffälligen Blick in Richtung Eingang, es hätte ja Kai rein kommen können.

Es öffnete sich die Türe. Kai betrat den Raum mit gezieltem Blick in meine Richtung. Lächelnd schlenderte er auf mich zu…

Zzzzzt… Träum… stellte sich vor mich hin, nahm meinen Kopf in beide Hände, sagte leise: “Hi mein Schatz.” Dem folgte ein langer, intensiver Kuss und ein “Wie war dein Tag? Lust mit mir zu schlafen?”…

“Mist verdammte Träumereien, tschuldige lie­ber Gott die Flucherei”, sagte die Stimme in mei­nem Kopf jedes Mal, wenn ich in solche Gedanken, wie diese verfiel. So stimmte meist der erste Teil: Kai betrat den Raum, sagte “Tag”, blickte zu mir und lächelte. Immerhin etwas. Danach folgten Dinge zwischen uns wie: Ich schmeiß dir gefühlte 20 Süssli in den Kaffee oder Zucker in deine Unterhose, nur um dich zu ärgern, bähhh, Spaaaaaaaaaaß und etwaige Konversationen wie: “Verhütest du eigentlich mit deinem Gesicht?” “Na vielen Dank für die Blumen. Hast du heute 'nen Clown gefrühstückt?” “Ja, und weißt du wie der geschmeckt hat? Komisch!!!”

Nein, so ging es nicht nur ab. Auch wir waren in der Lage uns vernünftig zu unterhalten. Das war ja das Schöne an der Sache. Es ging beides. Mit Mirko ging das nie. Er war bei solch witzigen Sprücheduellen meist unbewaffnet oder wenn überhaupt hatte er nur einen stumpfen Bleistift, anstatt wie ich eine Kalaschnikow.

Als ich dann mal wieder mit Kai an der Tanke ausgelassen Blödsinn machte, gefror mein feuchtfröhliches Lächeln als mein Handy plötzlich ging. Roman, ein alter Schulkamerad von mir, rief an. Wir waren früher eine Zeitlang ziemlich gut befreundet. Seit der Trennung von Mirko meldete er sich wieder öfter bei mir. Allerdings war er mir im Moment mehr lästig, als willkommen. Ständig klingelte mein Telefon, ständig wollte Roman seine Sorgen los werden und irgendwie kam mir diese Situation so langsam aber sicher etwas merkwürdig vor. Ich würde sagen, er hatte die üblichen Probleme, wie viele Familien sie haben. Wenig Geld, zu viel Arbeit und wenig Zuneigung. Schon oft genug hatte ich ihm versucht mit Ratschlägen zu helfen. Mehr konnte ich sowieso nicht machen. Auch seine x Anspielungen von wegen wie lange er schon keinen Sex mehr hatte, gingen mir leicht auf den Keks. Ob per Sms bei der Arbeit oder abends spät. Ich wusste nicht was ich davon halten sollte. Mein Bauch meinte “Lass ihn links liegen”. Mein Kopf hingegen sagte mir: “Der Mann hat es nicht leicht und kaum Freunde, schläft ab und an im Auto, weil er vor seinem zu Hause flüchtet. Vielleicht will er einfach nur reden.” Schließlich gab ich ihm eine Chance.

Als er dann am Abend vor meiner Türe stand, weil er mal wieder verzweifelt war ließ ich ihn rein, obwohl wir schon 22.00 Uhr hatten. Mit ständigem Misstrauen im Hinterkopf, hörte ich ihm zu, versuchte ihm erneut Ratschläge zu geben. Nach zwei Stunden bat ich ihn dann zu gehen.

Bevor das ungute Gefühl in meinem Bauch ihm gegenüber entstanden war, hatte ich noch vor einigen Wochen zu ihm gesagt: “Wenn du beim nächsten Mal nicht weißt wohin, kannst du zur Not auch mal auf meiner Couch pennen.” Ich Idiot, reden ohne vorher zu denken. Ab und an passierte mir das auch mal. Seine Frau fände das sicherlich nicht so toll und außerdem hätte er auch ins Hotel gehen können, wurde mir dann später bewusst.

Jedenfalls stand er an dem Abend sicher glatte zehn Minuten in meinem Flur, als würde er irgendetwas erwarten, doch außer dem freundlichen Wink zu gehen, bekam er von mir nichts. Das war es dann wohl, dachte ich mir und beschloss besser auf meinen Bauch zu hören.

Die nächste Zeit versuchte ich ihn vorerst höflich zu meiden, ging kaum noch ans Handy und antwortete nur noch kurz und knapp auf seine Sms. Er merkte es. Ich bin mir ziemlich sicher. “So wird er wohl Ruhe geben”, nahm ich an, doch das Thema war noch nicht vom Tisch. Es entwickelte sich nur leise, über Wochen hinweg im Hintergrund, unbemerkt von mir und meinem durch Liebesgesäusel verklebten Gehirn.

Trotz der Mühe die sich Matumbo-Kai mit meinem Radio gemacht hatte, es war im Arsch, aber so was von. Und das absolut Schlimmste war für mich unter anderem zu der Zeit, keine Musik im Auto zu haben. Jammernd stand ich an der Tanke. Kai be­mühte sich eine Lösung zu finden. “Ich guck mal ob ich noch irgendwo ein altes Radio habe, dann kannst du das haben”, meinte er. Ach wie herzallerliebst - schmelz dahin. “Verdammt wie süß er doch ist und gut das keiner meine Gedanken lesen kann”, dachte ich in dem Moment. “Wenn du nur wüsstest, was ich mit dir alles anstellen würde, wenn deine Freundin nicht wäre. Sechs Wochen am Stück mindestens kämst du nicht mehr aus meinem Schlafzimmer. So lange bis du nicht mehr weißt, wo vorne und hinten ist und sich meine Nachbarn höchstwahrscheinlich beim Vermieter beschweren würden, aufgrund der dazugehörigen Geräuschkulisse. - Hatte ich das jetzt gesagt oder gedacht? Puhh gedacht! Auch nicht gegrinst, wie 'nen Honigkuchenpferd? Nee, glaub nicht, sagt zumindest keiner was. Glück gehabt”, sprach nervös meine innerliche Stimme. Schließlich musste ich unbedingt vermeiden, dass irgendwer merkte, dass Kai meine perfekte Droge war.

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