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Bestellt und nicht abgeholt

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Annikas dummes Gesicht daraufhin war wirklich sehenswert gewesen. Ich musste lachen und erzählte ihr die Geschichte.

Ich merkte, wie sie an meinen Worten zweifelte, aber am Ende musste sie es mir doch glauben. Warum sonst sollte ich plötzlich unbedingt neue Kleidung kaufen wollen?

Wir zogen gemeinsam durch die verschiedenen Geschäfte des Einkaufszentrums, bis wir endlich etwas aufstöberten, das uns zufriedenstellte.

Annika hatte sich für ein blutrotes, eng anliegendes Kleid entschieden, wo, wie sie fand, ihre langen schwarzen Haare gut zur Geltung kamen.

Für mich war das nichts. Kleider standen mir nicht. Ich wäre am liebsten in Jeans gegangen, aber das war unmöglich. Nicht auf dem Fest. Nicht als Mädchen.

Deshalb hatte ich mir einen Wildlederrock gekauft, der mir bis zu den Knien ging. Dazu würde ich ein T-Shirt tragen, das ich bereits zu Hause hatte.

Annika war von dieser Idee nicht begeistert. Sie fand es stillos, zum Fest etwas anzuziehen, das man nicht neu gekauft hatte.

Ich erklärte ihr, dass Finn das sicherlich nicht auffallen würde, da er mich - und demzufolge auch den Inhalt meines Kleiderschrankes - nicht kannte. Das akzeptierte sie schließlich, beharrte jedoch darauf, dass ich auf jeden Fall meine lockig-braune Wuschelmähne zusammenbinden sollte. Damit war ich einverstanden. Ich war meistens zu faul, um sie in eine passable Frisur zu bringen, doch ehrlich gesagt störten sie mich manchmal schon, wenn ich sie offen trug. Oft wünschte ich, ich hätte so tolle glatte Haare wie Annika. Meine Freundin war da natürlich ganz anderer Meinung, versprach mir aber, mir bei den Vorbereitungen zu helfen.

Als ich vom Einkaufsbummel heimkehrte, berichtete ich mein unglaubliches Erlebnis auch meinen Eltern. Sie waren ziemlich baff und meine Mutter stand ernsthaft kurz davor mir zu verbieten auf die Veranstaltung zu gehen. Sie brachte lauter fadenscheinige Begründungen hervor. „Du kennst ihn doch gar nicht. Vielleicht meint er es nicht ernst, vielleicht ist das nur ein Trick. Wer weiß, was er mit dir macht“, gab sie zu bedenken. Außerdem sei ich noch zu jung und hätte noch genügend Gelegenheit später mit jemand Vernünftigen auf das Fest zu gehen.

Ich konnte es nicht fassen. Ich wartete schon seit Jahren darauf, endlich das jährliche Sommerfest zu besuchen. Ich wollte nicht noch länger warten. Finn war mir vertrauenswürdig erschienen. Er war ein netter Kerl. Ich würde dort hingehen, egal was meine Eltern sagten.

Ich verteidigte Finn, als würde ich ihn bereits mein Leben lang kennen und beschrieb ihn in den blumigsten Worten. Meine Eltern runzelten zwar die Stirn, gaben jedoch schließlich nach.

Lächelnd warf ich mich auf mein Bett. Ich würde tatsächlich auf das Fest gehen. Auf das Highlight überhaupt. Die Sommerveranstaltung, auf die sich alle Jugendliche das ganze Jahr über freuen.

Und ich würde dabei sein!

Innerlich jubilierte ich. Ich war so aufgeregt. Ich würde tatsächlich den Freitagabend dort verbringen, wo alle in meinem Alter waren!

Wow! Ich konnte es noch gar nicht richtig glauben.

Ich lief zusammen mit Annika und Dominik zu der Veranstaltung. Trotzdem hätte ich mich kaum einsamer fühlen können. Die beiden hielten die ganze Zeit über Händchen und schienen mich vollkommen vergessen zu haben. Ich trottete schweigend neben ihnen her, in Gedanken längst auf dem Fest. Würde Finn bereits auf mich warten? Würde ich ihn überhaupt wiedererkennen? Ich hoffte inständig, dass alles glatt laufen würde. Gleichzeitig machte sich eine nagende Unruhe in mir breit.

Je näher wir dem Platz kamen, auf dem das Event stattfand, desto nervöser wurde ich. Überall hingen Banner und die Anzahl von Menschen nahm stetig zu. Nach einiger Zeit hörte ich sogar leise Musik dudeln. Sie wurde mit jedem Schritt lauter. Man merkte ganz deutlich, dass dort etwas los war.

Als wir vor dem Eingang standen, verabschiedeten sich die beiden von mir und gingen hinein. Ich musste draußen bleiben und warten. Auf Finn. Auf meine unbekannte Verabredung.

Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und hielt Ausschau nach einem hochgewachsenen Jungen mit blonden Haaren und sonnengebräunter Haut. War er vielleicht schon reingegangen?

Ich erhaschte einen Blick auf etliche Zelte und Verkaufsstände. Außerdem gab es ein großes Hauptgebäude mit genügend Platz für alle, falls es regnen sollte. Und weiter hinten konnte ich den kleinen See erahnen, auf dem die Bootsfahrten stattfanden.

Je mehr ich sah, desto dringender wollte ich dort rein. Aber meine verdammte Verabredung kam einfach nicht.

Wir hatten doch abgemacht, uns vor dem Eingang zu treffen, oder? Auf einmal war ich mir unsicher. Es war alles so schnell gegangen.

Und dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Natürlich! So musste es sein! Warum war mir das nicht früher klar gewesen?

Finn hatte nie mit mir zu dem Fest gehen wollen. Er hatte nur so getan, damit ich mich lächerlich machte.

Noch während ich das dachte, merkte ich, wie albern das war. Es ergab schlichtweg keinen Sinn, jemand Fremden auflaufen zu lassen. Zumal er hier sein müsste, um sich an seinem schelmischen Plan erfreuen zu können.

Ich schielte auf meine Armbanduhr. Okay, die Eröffnungsfeier würde erst in zehn Minuten anfangen, aber normalerweise war man doch immer etwas eher da, oder?

Nervös knabberte ich an meiner Unterlippe. Die Ungewissheit brachte mich fast um. Ich wandte den Blick vom Eingang ab, da ich das Gefühl hatte, sogar von der Security misstrauisch beäugt zu werden.

Ein paar Schritte abseits des Gedränges lehnte ich mich an einen Baum und wartete, in der unsinnigen Hoffnung, Finn würde doch noch kommen. Ich vertrieb mir die Zeit damit, die Pärchen zu beobachten, die durch den Einlass marschierten. Einige von ihnen kannte ich von der Schule, doch niemand schien mich zu bemerken. Sie alle waren aufgeregt, schwatzten und lachten miteinander, freuten sich auf den Abend. Alle kamen bereits in Begleitung. Keiner war so dumm, hier alleine aufzukreuzen.

Während ich zum Eingang stierte und in düsteres Selbstmitleid verfiel, hörte ich plötzlich eine Stimme fragen: „Wartest du auf jemanden?“

Ich zuckte zusammen und drehte mich erschrocken um.

Ich war wirklich überrascht, als da dieser Typ mit den schulterlangen blonden Haaren stand und mich anlächelte. Unwillkürlich begann mein Herz schneller zu schlagen. Finn war doch noch gekommen. Im Gegensatz zu den meisten anderen war er mit seinem schwarzen T-Shirt von irgendeiner Band eher schlicht gekleidet. Die Hände hatte er lässig in die Taschen seiner Jeans gesteckt, während seine blauen Augen belustigt auf mich herab blitzten.

„Mit dir habe ich ja gar nicht mehr gerechnet“, teilte ich ihm geradeheraus mit. Er sollte ruhig ein schlechtes Gewissen kriegen.

„Es geht doch erst in zwei Minuten los“, stellte er mit einem Blick auf seine Armbanduhr fest. Er klang tatsächlich so, als wäre er über meinen Ärger überrascht.

„Ich steh hier aber schon seit acht Minuten!“, informierte ich ihn grollend.

Er zuckte mit den Schultern und sagte unschuldig: „Dazu kann ich nichts.“

Tolle Entschuldigung!

Doch ich wollte nicht mit ihm streiten. Damit würde ich die Zeit, die ich auf dem Fest verbringen konnte, nur sinnlos vergeuden. „Gehen wir gleich oder warten wir noch zwei Minuten?“, erkundigte ich mich rhetorisch.

Er grinste. „Wie du möchtest.“

Genervt verließ ich meinen Platz am Baum und marschierte auf den Eingang zu. Dort blieb ich stehen und ordnete mich in die Reihe der Wartenden ein. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, wie Finn mir folgte. Schweigend standen wir nebeneinander und warteten, bis sich die Schlange in nervtötender Langsamkeit vorwärts bewegte. Unvermittelt nahm jemand meine Hand. Sie fühlte sich warm an und ließ meine Fingerspitzen seltsam kribbeln.

Überrascht hob ich den Kopf und blinzelte meine Begleitung verstört an. „Was soll das?“

Er lächelte mich verschlagen an und flüsterte: „Wir dürfen doch nicht auffallen.“

Seine Logik irritierte mich noch mehr und ich entzog ihm vorsichtig meine Hand. Verlegen schob ich mir damit eine lose Haarsträhne hinter das Ohr zurück. Ohne ihn dabei anzusehen murmelte ich: „Ich denke nicht, dass uns jemand so genau beobachtet.“

Für einige Sekunden breitete sich ein peinliches Schweigen aus. Drei Reihen näher am Eingang erkundigte sich Finn schließlich behutsam: „Du warst doch nicht wirklich wütend auf mich, weil ich nicht schon seit einer halben Stunde hier auf dich gewartet habe, oder?“

Ich schlug die Augen nieder. „Ich dachte, du hättest mich versetzt. Du hättest ja so ein Typ sein können, dem es Spaß macht, Mädchen an einen bestimmten Ort zu locken und sie dort versauern zu lassen.“ Zögernd schielte ich zu Finn empor. Jetzt, wo ich ihn vor mir stehen sah, kam mir der Gedanke noch alberner vor.

Er lachte. „Oh ja, das ist der witzigste Zeitvertreib, den ich mir vorstellen kann.“

Ich merkte, wie ich rot anlief. Er machte sich lustig über mich.

Er stupste mich in die Seite, um mir zu signalisieren, dass er es nicht böse meinte. „Ich bin ja noch aufgetaucht. Wenn wir die Ansprache verpassen, tut es mir leid.“

„Schon okay. Wahrscheinlich hält sowieso niemand eine.“

In diesem Moment hatten wir den Eingang erreicht, bezahlten und schritten durch das Tor. Mein Herz hüpfte vor Aufregung etwas höher. Endlich war ich auf dem Festgelände angekommen. Der Abend konnte beginnen.

Flirt, Flucht & Fiasko

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