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Amateur

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Also kein Profi. Ein normaler Mann. Ein Amateur sozusagen. Aber woher? Und wie?

Pat hatte sich noch nie einen Mann gesucht. Sie war der Meinung: Es ergab sich – oder eben nicht. In letzter Zeit war es bei oder eben nicht geblieben.

Wo sollte sie nun einen aufgeschlossenen Kerl finden, der bereit war, ab und zu über Sex zu reden?

Dann tat sie, was man heute so tut, wenn man etwas sucht.

Sie schaute im Internet.

Dumm nur, dass sie es blödsinnig fand, jemanden in der digitalen Welt zu suchen. Einfach so. Aus Prinzip. Pat war eher der analoge Typ. Sie las immer noch Bücher. Mit richtigen Seiten. Aus Papier. Sie brauchte etwas zum Anfassen. Ja, dafür starben Bäume, andererseits hielten Bücher ewig, hinterließen keine Berge von Elektronikschrott und es wurden ihretwegen keine seltenen Erden in China abgebaut.

Jetzt bloß keine ökologischen oder politischen Grundsatzdiskussionen. Kein Abschweifen, keine Ausreden. ‚Konzentrier dich auf die Aufgabe: Ein Mann! Ein Amateur‛, wies sie sich selbst zurecht.

‚Amateur. Heißt das nicht Liebhaber? Das passt ja.‛ Sie musste lächeln. Ihre Gedanken wanderten zu einem Traumstrand, ein halbnackter Traummann lächelte sie verführerisch an.

‚Reiß dich endlich zusammen! So schwierig kann das ja nicht sein.‛

Angeblich gab es jede Menge Singles, und alle wollten Sex. Die meisten zumindest.

Sie war mittelalt, sah ganz gut aus, konnte sich finanziell über die Runden bringen und wohnte in einer großen Stadt. Da sollte ja wohl jemand zu finden sein auf dem freien Markt.

Ihrerseits wollte sie ein unkompliziertes, intelligentes und nett anzusehendes Exemplar. Hatte sie noch etwas vergessen? Nicht, dass er perfekt sein musste. Sie war ja realistisch. Er könnte ein bisschen Speck zum Beispiel durch Humor wettmachen.

Und das sollte dann schließlich auch für sie selbst gelten.

Sie sah auf ihren Bauch. ‚Wusste gar nicht, dass ich so viel Humor habe.‛ Sie musste grinsen, dann musterte sie sich etwas skeptischer. Männer mochten ein paar Gramm zu viel wahrscheinlich gerne – an genau zwei Stellen. Am linken Busen und am rechten. Aber wohin mit den übrigen Pfunden?

Andererseits hielt sie Männer gar nicht für sooo oberflächlich. Jedenfalls nicht mehr als Frauen. Also los!

Uff!

Sie saß vor ihrem Laptop. Starrte den Browser an.

Vielleicht war eine Dating-App einfacher? Allerdings war sie alles andere als der Partytyp und in ihrem ganzen Leben ungefähr fünf Mal in einer Disco gewesen.

Sie dachte an laute Bars, an K.o.-Tropfen.

Und verwarf die Idee.

‚Erst mal die Angebote checken.‛ Kleinanzeigen. Er sucht Sie.

‚Wieso kann ich die nicht nach Alter sortieren? Mal sehen, was passiert, wenn ich auf niedrigster Preis zuerst klicke. Nix. Hmhm. Also gehe ich halt alle durch.

Hier gibt’s gar keine Supertollen wie in meiner Wochenzeitung. Hört sich alles eher normal an, das ist ja schon mal was.‛

So – jetzt die, die Schlanke oder Blonde suchen, raus. Die zu alten, die zu jungen, alle, die Nichtraucher suchen.

Nicht, dass sie rauchte, aber was war das denn für ein Kriterium, genau wie tier- oder kinderlieb. Ts.

Sie sortierte außerdem alle mit Sprüchen wie zum Pferdestehlen aus. Jetzt noch die zu kleinen. Tolerant und nicht oberflächlich hin oder her, aber genauso groß wie sie sollte er schon sein, wenigstens fast.

Hmpf. Da blieb nicht viel übrig. Eher gar nichts. Also Ansprüche runter und noch mal von vorne.

18 ‒ 28 sucht Frau fürs Leben. Hallo? Fürs ganze Leben? So bis 88 oder was, und das mit 18? Was soll das denn?

Treu und ehrlich. Die haben bestimmt schlechte Erfahrungen gemacht, das gibt nur Probleme.

‚Sex, du suchst einen für Sex, nicht für eine Beziehung‛, fiel ihr ein. Das sollte doch helfen.

Vielleicht war die Rubrik Er sucht Sie nicht die Richtige. Puh. Erst mal einen Tee.

Hier: Diskrete Treffen. Als Erstes ein nackter Frauenbusen. Als Zweites Bilder von sich darbietenden Frauen. Och nö. Das war eindeutig nicht die richtige Seite und alles schwieriger als gedacht.

Diese Dating-Apps müssten doch überall funktionieren, auch im Museum und auf dem Markt. Oder war die Kneipe ums Eck doch nicht so verkehrt? Nur ohne App. Ganz herkömmlich.

Und wie war das mit dem Supermarkt? Was sollte ein brauchbarer Single-Mann im Einkaufswagen haben?

Aber das – das hörte sich richtig gut an: Flirt und Abenteuer statt Er sucht Sie.

Es erschienen Links zu der Diskrete-Treffen-Seite und irgendwelchen Portalen, für die man sich erst einmal registrieren musste. Wozu? Jemanden zum Heiraten zu finden, schien einfacher zu sein. Offensichtlich war das Bedürfnis nach Nähe doch größer als das nach Sex. Schluss für heute. Davon bekam man ja Kopfschmerzen.

Pat brauchte einige Anläufe. Fand schließlich ein brauchbares Exemplar und feilte nun schon seit einer viertel Stunde an einer Antwort. Dann beschloss sie, selbst eine Anzeige aufzugeben.

War ja viel einfacher so. Sollten sich die Männer doch bemühen und aktiv werden. Ha! Genau! Warum war sie darauf nicht viel früher gekommen.

Aber so einfach war auch das nicht, jetzt musste sie sich den Kopf darüber zerbrechen, was sie suchte. So ging das nicht. Sie brauchte irgend etwas ganz anderes.

„Flotter Mittelklassewagen, unfallfrei, zweite Hand, sucht erfahrenen Fahrer für gelegentliche Spritztouren.“

Das sollte reichen. Oder? War hier weniger mehr? Vielleicht doch ein paar technische Daten? Wenigstens das Geschlecht?

Aber in der Hetero-Spalte sollte das Wort Fahrer wohl ausreichen. Und zweite Hand und erfahren sprachen auch für sich. Andererseits war ein w/±35/1,75 möglicherweise doch angebracht?

Sie seufzte.

‚Das ist zu betont witzig. Wer soll darauf antworten. Irgend so ein Oberspaßvogel?‛

Am Ende wurde ihre Anzeige noch für einen verspäteten Aprilscherz gehalten.

Also vielleicht doch lieber etwas Seriöses? Aber diese langweilige Anpreiserei lag ihr überhaupt nicht und mit ihren Maßen konnte sie nicht punkten. Blond war sie auch nicht.

Innere Werte? Aber welche? Sie suchte ja keine Begleitung für Museumsbesuche oder Teilnehmer für eine Diskussionsrunde.

Etwas Besseres fiel ihr einfach nicht ein.

Und wenn sie ihre wahren Beweggründe hineinschrieb? Das lockte wahrscheinlich nur Spinner oder, noch schlimmer, irgendwelche Perverse an.

‚So wird das nichts. Du drehst dich im Kreis. Entweder traust du dich jetzt – oder eben nicht.‛ Womit sie wieder beim ursprünglichen Problem angekommen war.

Pat drückte den Bestätigen-Button.

Schickte schnell ein Stoßgebet hinterher, holte sich etwas zu trinken und rief die Seite auf, um ihre Anzeige zu überprüfen …

Flotter Mittelklassewagen,

w / ±35 / 1,75,

unfallfrei, zweite Hand,

geparkt in Frankfurt,

sucht erfahrenen Fahrer für gelegentliche Spritztouren.

1. Kontakt gerne ohne Bild über

spritztour@ffm-mail.de

… da kam schon eine Antwort. ‒ Hoppla, das ging viel zu schnell.

Er: „Welche Farbe?“

Pat: „Rot.“

Sie drückte auf senden, ohne nachzudenken. ‚Mist, das war voreilig.‛ Aber jetzt ein „Also das Auto, ich eher dunkelblau“ hinterherzuschicken, war auch keine Lösung. Wie hätte das ausgesehen.

„Kein Ferrari-Rot“, schob sie wenigstens schnell nach.

Er: „Schon klar, Mittelklasse, Opel-Rot ist okay. Bin kein Rennfahrer.“

So leicht ließ er sich also nicht abschrecken. Oh je, was hatte sie sich da eingebrockt. Jetzt bloß nicht aufhören, bevor sie der Mut verließ. Es würde noch schwierig genug werden.

Pat: „Die Art der Spritztouren würde ich bestimmen.“

Er: „Okay? Haben Sie etwas Besonderes vor?“

Pat: „Eigentlich nicht.“

Er: „Eigentlich ist blödsinnig.“

Da hatte er recht. Inzwischen kam eine weitere Antwort. Wieso waren da so viele online? Sie versuchte sie zu ignorieren. Und wieso hatte sie sich eigentlich nicht vorbereitet? Eigentlich war wirklich ein blödes Wort.

Er: „Und überhaupt nicht rot.“

Pat: „Stimmt. – Ich meinte: jedes Mal eine andere Art Spritztour.“

Er: „Hört sich gut an. Ich mag Abwechslung.“

Ach je, nicht dass er jetzt etwas total Ausgefallenes erwartete.

Pat: „Also, nichts Außergewöhnliches.“

Er: „Machen Sie einen Rückzieher?“

‚Wie erklär ich das jetzt bloß?‛

Pat: „Nein. Ich meinte nur: nette Spritztouren, keine Formel 1, keine Rallye Dakar. Einfach ab und zu Spaß.“

Er: „Spaß ist gut.“

Pat: „Schön unverbindlich.“

‚Ach was soll’s.‛

Pat: „Sex, keinen Beziehungsstress.“

Das war wohl deutlich genug. Hatte sie ihn verschreckt? Nein, da kam die Antwort.

Er: „Hört sich an, als suchten Sie einen Sparringpartner statt eines Liebhabers.“

Liebhaber. – Sie mochte das Wort, es war so schön weich, geradezu sinnlich. Sie ließ es sich auf der Zunge zergehen.

Liebhaber.

Sie wusste, sie müsste nur die Augen schließen, sich das Wort noch einmal vorsagen und schon würden seine Hände über ihren Körper gleiten. Dann seine Lippen.

Sie riss sich zusammen, er wartete.

Pat: „Stimmt“, machte sie es kurz.

Obwohl … Liebhaber klang sehr verlockend.

Er: „Der Traum eines jeden Mannes.“

War das so? Was sollte sie darauf schreiben?

Er: „Gibt es einen eifersüchtigen Ehemann?“

Pat: „Was? Nein, wieso?“

Er: „Wo ist der Haken?“

Pat: „Es gibt keinen.“

‚Aber bestimmt tausend gute Gründe, so etwas nicht zu tun.‛

Er: „Wann können wir uns sehen?“

Uff, er kam aber schnell zur Sache. Ihr wurde auf einmal mulmig. Jetzt bloß nicht zögern, sonst überlegte sie es sich doch noch anders. ‚Mach schon, du Memme, genau das hast du doch gewollt.‛

Pat: „Samstagnachmittag im Café Hauptwache?“

Er: „Wie erkenne ich Sie?“

Pat: „Ich melde mich vorher noch mal.“

Und ausgeloggt. Sie zog tief die Luft ein.

Sie hatte es getan.

Ach je. Oh je, oh je. Plötzlich kam ihr die Idee gar nicht mehr so toll vor. Warum hatte sie auch noch das mit dem Sex reinschreiben müssen?

Rot. Klar war er darauf abgefahren. Sie hätte auch rot gewollt. Leider fühlte sie sich gerade sehr dunkelblau. So dunkelblau wie schon lange nicht mehr.

‚Frag ihn doch nach einem polizeilichen Führungszeugnis und einer Schufa-Auskunft – oder einem Gesundheitspass.‛ Daran hatte sie noch gar nicht gedacht. Und Verhütung. Das musste sie bei nächster Gelegenheit angehen.

Wieso antwortete der Kerl auch sofort? Und wieso verabredete sie sich gleich für nächsten Samstag?

Sie lehnte sich zurück, um tief durchzuatmen. Bemerkte, wie schnell ihr Herz schlug und dass es sich nur langsam beruhigte.

‚Was ziehe ich an?‛, schoss es ihr durch den Kopf. Als ob sie sonst keine Probleme hätte.

‚Mach dich locker, er erwartet einen Mittelklassewagen. Wenn nicht, ist es sein Problem.‛

Er hatte gar nichts über sich geschrieben. Hatte sie die Anzeige nicht aufgegeben, damit er sich bemühen und für sich werben musste?

Immerhin: Opel-Rot. Das war gut, das sollte ihr genügen. Sie dachte an ihre erste Liebe und ging gedankenverloren in die Küche, um sich einen Kaffee zu kochen.

Entweder er war es oder eben nicht. Sie beschloss, es als gutes Zeichen zu deuten, dass er als Erster geantwortet hatte.

Und vor allem so schnell, dass sie keine Zeit gehabt hatte, es sich anders zu überlegen. Dass er gerade eben online gewesen war.

Und dass er auf Opel-Rot stand.

Am nächsten Tag sah sie die anderen Antworten an. Zu lang, zu albern, zu langweilig, zu arrogant. Na ja, war ja auch nicht einfach.

Sie schrieb allen dieselbe nette Absage.

Aber was sollte sie IHM schreiben? Ich bin die, die nervös auf dem Stuhl hin und her rutscht. Haha.

Ach was, er würde sie ja sowieso bald in natura sehen. Warum also schwierig, wenn es auch einfach ging.

Sie schickte ein aktuelles Foto und ein „15 Uhr“.

Eine diplomatische Absage war auf jeden Fall besser, als sich vor Ort entsetzt anzustarren. Als Antwort kamen ein „Freue mich“ und ebenfalls ein Foto.

‚Sieht ganz nett aus.‛

Ferrari-ROT

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