Читать книгу Jürgens Mordfälle 5 - Lutz LEOPOLD - Страница 7

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2 Dienstag

Schulz fährt pünktlich um sieben Uhr beim Hotel vor. Max wartet mit seinem kleinen Köfferchen auf ihn. Während der Fahrt schmunzelt Schulz, „ich habe noch eine Überraschung für Sie. Nach dem Gespräch mit Schmalzer haben wir noch einen Termin in der technischen Klinik.“

Max ahnt es, doch stellt er trotzdem die Frage: „War Severin dort in Behandlung?“

„Richtig, unsere Frau Polizeioberrätin hat meinem Chef den Auftrag gegeben nachzuforschen. Wir überlassen doch nicht alles euch Wienern.“

Sie verspäten sich um ein paar Minuten. Schmalzer wartet bereits unruhig in der Polizeiinspektion.

„Guten Tag Herr Schmalzer. Ich habe eine traurige Mitteilung für Sie.“

„Ist Severin etwas passiert? Sie sind doch von der Wiener Polizei?“

„Nein, ich bin Polizeikommissar Schulz. Mein Begleiter ist Hauptmann Schubert aus Wien.“

„Ja“, ängstlich wartet Rüdiger auf das, was ihm mitgeteilt wird.

„Severin Dokubil wurde tot in Wien aufgefunden.“

Rüdiger schluckt und stammelt schließlich, „wie… ist… es passiert? Ist die Operation schiefgelaufen?“

Max sollte zwar schweigen, wirft aber ungeduldig ein, „wollte er sich in Wien operieren lassen?“

„Ich weiß es nicht. Er hatte Termine hier in der technischen Klinik.“

„Was hat er in Wien gemacht?“ Schulz übernimmt wieder die Befragung.

„Er hatte mit unseren Freunden dort einen Auftritt. Die vier waren wahnsinnig aufgeregt. Der Klub soll sehr exklusiv sein.“

Max grinst. Er kennt von Karlheinz´ Erzählungen den Wellnessklub in der Hinterbrühl. Als ihn Schulz fragend anblickt, nickt er deshalb zustimmend.

„Gibt es Freunde, die er in Wien aufsuchte?“

„Wir kennen niemanden in Wien. Fragen Sie Bertram, der hat die Reise organisiert.“

Schulz übergibt die Befragung offiziell an Max. „Haben Sie noch Fragen? Kollege.“

„Severin hatte für seine Operation Geld. Wissen Sie, wo sich das Geld befindet?“

„Er hat das Geld immer in seinem Büstenhalter gebunkert. Er wollte es keiner Bank anvertrauen.“

„Wie stehen Sie zu seiner Geschlechtsumwandlung?“

„Ich bin dagegen. Er ist ein so schöner Bursche und ich bin schwul. Was mache ich mit einer Frau?“ Rüdiger wird erst jetzt die ganze Tragödie bewusst. Die Tränen rinnen ihm über die Wangen runter.

„Gibt es einen anderen Mann?“

„Nein ich habe nur ihn, hatte nur ihn. Ich war ihm immer treu.“

„Ich meinte, hatte Severin einen anderen Mann?“

„Das ist es ja, was ich nicht verstehe. Er wollte keinen anderen Mann.“

„Kann ich die Wohnung und Severins Zimmer sehen?“

„Ja fahren wir zu mir.“

Es ist ein kleines Reihenhaus nahe einer Schnellbahnstation. Ein gepflegter Wohnbereich mit Küche im Erdgeschoss und das Schlafzimmer mit Bad in der Mansarde.

Rüdiger führt die Polizisten in eine kleine Kammer. „Hier ist unser Schreibtisch mit der PC-Anlage. Ich gebe Ihnen das Passwort.“

„Danke, benützen Sie mit Severin die Datenbank und Mails gemeinsam?“

„Ja, wir hab…, hatten keine Geheimnisse voreinander.“

Schulz schaut als erster die Mails durch und schüttelt den Kopf. Nichts weist auf Wien oder einen Wiener Bekannten hin.

Max lädt sich die Mails auf einen Stick runter. „Vielleicht können mir seine Freunde, die noch in Wien sind, dazu etwas mehr sagen“, meint Max zu seiner Entschuldigung, da Schulz missbilligend schaut.

„Na ja, wenn Herr Schmalzer nichts dagegen hat. Korrekt ist es nicht.“

„Es geht schon in Ordnung. Bitte finden Sie Severins Mörder.“

„Nur der Ordnung halber. Wo waren Sie in der Nacht von Sonntag auf Montag?“ Schulz fragt pro forma, da er nicht annimmt dass Rüdiger nach Wien fuhr.

Rüdiger schluckt und schaut Schulz verlegen an. Der und Max recken den Kopf. Was jetzt?

„Ich war nicht alleine. Ein Freund war in der Nacht bei mir“, raunt Rüdiger leise.

„Das ist doch jetzt egal. Namen und Adresse des Freundes und wir sind schon weg.“

Rüdiger schreibt es Schulz auf. Max denkt noch: Dass zur gegenseitigen Treue.

Sie suchen die technische Klinik auf. Von Professor Heinrich Berner werden die Polizisten schmunzelnd erwartet. „Welcher der Herren will sich umwandeln lassen?“

„Wir nicht. Es geht um einen Ihrer Patienten Severin Dokubil. Er wurde in Wien ermordet.“ Schulz dachte, der Professor wurde bereits über ihr Anliegen verständigt.

„Ich weiß, ich weiß. Der junge Mann war sehr verzweifelt und hat mich das erste Mal vor zwei Jahren wegen einer Operation kontaktiert.“

„Wann hatte Severin mit seiner Geschlechtsumwandlung begonnen?“

„Überhaupt nicht. Erst war es Rüdiger sein Lebensgefährte, der dagegen war und dann fehlte ihm das Geld. Wir sprechen übrigens von einer Geschlechtsangleichung.“

„Wie viel braucht es dazu?“

„Ungefähr zehn bis maximal zwanzigtausend. Natürlich ist es gut, wenn für die anschließende Erholung noch einiges Geld vorhanden ist.“

Max rührt sich, „könnte es in Wien billiger sein?“

„Das kann ich mir nicht vorstellen. Wenn es wo billiger ist dann weiter im Osten. Das finde ich allerdings auch nicht empfehlenswert.“

„Wann wäre bei Ihnen Severins nächster Termin?“

„Es gibt keinen Termin. Er wollte sich rühren, sobald er genug Geld beisammen hat.“

Schulz übernimmt die Verabschiedung. „Ich danke Ihnen Herr Professor. Auf Wiedersehen.“

„Wiederschauen“, brummt Max.

„Ich fahre Sie zum Bahnhof. Oder haben Sie in München noch weitere Termine?“

„Danke ich fahre zurück.“

Im Landeskriminalamt Wien sucht Gerlinde inzwischen die für Geschlechtsangleichungen zuständigen Institute heraus.

Sie telefoniert mit der Wiener Universitätsklinik und erreicht schließlich die plastische und rekonstruktive Chirurgie.

„Wir können Ihnen, besonders in einem solchen Fall keine telefonischen Auskünfte erteilen. Wenn Sie kommen, bringen Sie uns den Gerichtsbeschluss mit. Dann werde ich nachsehen, ob uns dieser Patient bekannt ist.“

Jürgen grinst, als ihn Gerlinde um Hilfe bittet. „Das ist doch verständlich. Noch dazu bei einem so heiklen Thema. Ich gehe selbst zu Moser und besorge das nötige Papier.“

Jürgen besorgt über Staatsanwalt Heinz Moser den Beschluss und macht sich mit Gerlinde auf ins Allgemeine Krankenhaus mit den zwei Hochhäusern.

Sie werden nach mehreren Gesprächen schließlich an Frau Professor Christine Horak verwiesen. Ihr Klinikbereich ist im achten Stock untergebracht. Professor Horak steht in einem hellen größeren Raum der wenig Klinisches an sich hat und weist mit der Hand auf eine bequeme Sitzgruppe.

„Einen schönen guten Tag, Herr Major. Um welchen Patienten geht es? Ermordet wurde mir berichtet.“ Doktor Horak ist sehr freundlich, drückt sich aber etwas geschwollen aus.

„Ja eine scheußliche Sache. Severin Dokubil, ein junger Mann in Damenkleidern wurde auf einer Wiese erwürgt aufgefunden. Wir benötigen mehr Informationen über seinen hier geplanten Aufenthalt.“

„Severin? Der Bursche ist tatsächlich verstört, um nicht gestört zu sagen. Er wurde mir von Professor Berner empfohlen. Ich habe mit dem Patienten lediglich telefoniert. Er hat mit mir einen Gesprächstermin für kommenden Donnerstag vereinbart. Ich bat ihn vorher noch mit einem Psychologen daüber zu sprechen.“

„Wenn Sie mit ihm nur telefonierten, wieso finden Sie ihn gestört?“ Gerlinde findet diese Ferndiagnose der Professorin etwas seltsam.

„Bei Berner war er bereits mehrmals und der Professor hatte mir seinen Bericht zugeschickt. Am Telefon hatte Severin viele widersprüchliche Fakten angegeben. Ich werde ganz sicher nicht, ohne dass sich ein Patient der vollen Tragweite seiner Handlung bewusst ist, operieren. Bisher wurde bei ihm noch nicht einmal mit der Brust begonnen. Ich kann Ihnen nur empfehlen, darüber mit Doktor Herbert Pfunds zu sprechen. Vielleicht war Severin bereits beim Psychologen.“

Jürgen verabschiedet sich. Auch Gerlinde weiß nicht was sie noch fragen kann.

Als sie sich bereits zum Gehen wenden fällt Gerlinde noch ein: „Ach ja Doktor Pfunds, wo finden wir ihn im Haus?“

„Er ist nicht hier im Allgemeinen Krankenhaus. Sie finden ihn im Sozialmedizinischen Zentrum Baumgartner Höhe. Ich glaube im Pavillon Wienerwald. Fragen Sie dort den Portier.“

Jürgen fährt mit Gerlinde in die von Otto Wagner errichtete Krankenhausanlage. Am Haupteingang schickt sie der Portier auf ihre Nachfrage zum Pavillon 20 weiter.

„Das sollten Sie aber zu Fuß gehen“, fordert der ältere Mann sie auf.

„Danke“, meint Jürgen zum Portier. Zu Gerlinde murmelt er, „das ist nicht allzu weit weg vom Fundort der Leiche.“

„Zeigst du mir anschließend die Stelle?“

„Ja gerne, wenn wir schon hier sind. Da kann ich auch gleich den Weg abgehen.“

„Guten Tag. Womit kann ich der Polizei helfen?“ Pfunds schaut die Polizisten neugierig an.

„Es geht um Severin Dokubil. Der Beschluss, ist zwar auf die Uniklinik ausgestellt, aber es geht um die gleiche Person“, meint Gerlinde entschuldigend und legt dem Arzt das Papier vor.

Pfunds schaut in seinen Kalender. „Ja mit dem Mann hatte ich gestern einen Termin. Aber er ist nicht gekommen. Hat das mit der Leiche zu tun, die gestern in der Früh hier in der Nähe aufgefunden wurde?“

„Richtig, das war Severin. Was können Sie uns über den Mann sagen?“ Jürgen vermutet, dass es mehr gibt. Pfunds hat doch sicher mit Doktor Horak gesprochen und wahrscheinlich auch einen Bericht des Münchner Arztes bekommen.

„Persönlich kenne ich ihn nicht. Ich weiß nur, was mir meine Kollegen mitteilten.“

„Für wieviel Uhr hatten Sie den gestrigen Termin vereinbart?“ Gerlinde spürt, es ist hier im Pavillon etwas geschehen.

„Ja, er wollte gleich um acht Uhr hier sein.“

Jürgen lauert, „machen Sie öfter psychologische Beratungen bei Geschlechtsumwandlungen?“

„Ja, die betroffenen Chirurgen wenden sich an uns. Es handelt sich schließlich um einen nicht lebenswichtigen, dafür aber nicht rückgängig zu machenden Eingriff.“

„Hm, raten Sie in der Regel ab?“

„Es kommt auf die Person an. Viele wollen selbstsicher die Geschlechtsangleichung vornehmen. Aber immer öfter berate ich junge Männer, die sich nicht sicher sind, was sie wirklich wollen.“

Gerlinde greift an. „Severin wollten Sie abraten. Was haben Sie ihm erzählt?“

„Oh, ich habe…, ich kenn ihn nicht… Nun…, am Telefon habe ich ihm geraten, es vorher mit seinem Freund abzuklären.“ Pfunds stottert aus unerklärlichen Gründen.

Gerlinde und Jürgen schauen sich deshalb auch verwundert an.

Auch Jürgen wird bewusst. Dieser Arzt weiß etwas mehr und verheimlicht es. „Es war also ein längeres Telefongespräch. Was hat Ihnen Severin erzählt?“

Pfunds fasst sich und spricht wieder klar. „Er meinte, sein Freund ist ihm egal. Er hat einen anderen Partner, hier in Wien gefunden.“

Jürgen grinst freundlich. „Wer? Das hat er doch sicher auch verraten?“

Pfunds steht abrupt auf. „Ich weiß nichts über seine privaten Beziehungen. Auf Wiedersehen.“

Jürgen und Gelinde bleibt nichts anderes übrig. Auch sie verabschieden sich.

Karlheinz besucht nochmals die drei „Damen“ im Wellnessklub. Es ist erst 10 Uhr. Gustav sitzt unausgeschlafen am Empfangspult. „Was suchst du hier schon wieder?“, knurrt er.

„Ich will deine Künstlerinnen nochmals sprechen. Wie war der gestrige Auftritt?“

„Gelungen. Von den Gästen weiß ja keiner, dass es vier Kerle sein sollten. Die Gesangsdarbietungen haben auch gepasst, obwohl angeblich Severin der beste Sänger sein soll.“

„Gut, wo finde ich Bertram? Ich brauche von ihm die genauen Personalien.“

„Ach mein Lieber, du bist lästig. Die Vorstellung hat bis zwei Uhr gedauert. Alle schlafen noch. Geh bitte inzwischen in die Sauna. Ich werde die Kerle wecken.“

„Ich bin im Dienst“, empört sich Karlheinz. „Ich kann nicht hier herum…“

„Klar, vor allem weil Marcus nicht mit ist. Ich erzähle ihm schon nichts“, meint verschwörerisch Gustav.

„Von mir aus.“ Karlheinz bekommt einen Kabinenschlüssel und zieht sich aus. Als er aus der Sauna raus kommt, erwartet ihn bereits Bertram mit einem Badetuch um die Hüfte und dunklen Ringen unter den Augen.

Ohne damenhafte schwindlige Bewegungen setzt sich Bertram auf den Barhocker. Karlheinz staunt über den Kontrast. Am Montag hat er ihn noch als elegante Dame kennengelernt und nun sitzt ihm ein etwas fülliger großer Mann gegenüber.

„Verzeih, aber ich brauche noch von euch allen die genauen Personalien und was jeder in jener Nacht von Sonntag auf Montag gemacht hat. Das Protokoll eben.“

„Du brauchst dich nicht entschuldigen“, lächelt Bertram verständnisvoll. „Gustav hat mir schon erzählt, dass du ein sehr korrekter Beamter bist.“

„Schön, also wie ist es?“

„Bertram Ferenz vierunddreißig Jahre alt. Aber Gustav hatt unsere Pässe kopiert, genügt dir das?“

„Sicher, wann seid ihr angekommen? Wo?“

„Wir sind mit der Bahn gekommen. Mit den großen Koffern ist fliegen nicht drin. Horst hat uns mit dem Wagen vom Bahnhof in Wien abgeholt und wir sind direkt hierher.“

„Um wieviel Uhr ward ihr hier?“

„So gegen acht. Wir haben hier im Klub zu viert zu Abend gegessen. Gustav hat sich über uns sehr gefreut.“

„Gustav veranstaltet gerne besondere Events. Was geschah nach dem Essen?“

„Wir haben uns ausgezogen und im Wellnessbereich erholt. Ich ging noch mit Gustav das Programm durch und war vor Mitternacht im Bett.“ Bertram beugt sich vor und legt Karlheinz seine Hand auf den Oberschenkel. „Alleine. Heute Abend habe ich bis acht Uhr Zeit, dann erst treten wir wieder auf.“

Karlheinz schmunzelt. „Gestern, bist du da vor dem Auftritt auch alleine gewesen?“

„Wieso, brauche ich da auch ein Alibi?“ Bertram schaut Karlheinz verstört an.

„Nein, ich will’s nur wissen. Wie entstand dein Kontakt zu Gustav?“

„Ein gemeinsamer Freund hat mich vermittelt.“

„Wer?“

„Was weiß ich? Ist das wichtig?“

„Ja, deshalb frage ich. Wir suchen noch immer nach dem Mordmotiv.“

„Vielleicht das Geld. Habe ich dir schon gesagt, das Puffy im Büstenhalter Geld bunkerte?“

„Nein, du sagst mir fast nichts. Wer aller wusste von dem Geld?“

„Alle. Puffy hat ständig gejammert. Wie viel ihm noch fehlt. Im Zug hat er gejubelt und uns verraten, dass er fast Zwanzigtausend beisammen hat.“

„Geld war keines bei der Leiche. Wer hat ihn also ausgeraubt? Warum wurde er mit seinem Halstuch erwürgt? Das schaut nach Mafia aus.“

„Ja? Der Schaffner der uns den Sekt ins Abteil brachte, war Italiener.“

„Du lenkst ab. Also wer hat dir Gustavs Adresse gegeben?“

„Du bist hartnäckig. So machst du dir keine Freunde“, schmollt Bertram.

„Ich habe einen Freund und der genügt mir. Alle anderen Menschen sind nur potenzielle Mörder, die ich jage.“

Bertram schaut mit offenem Mund Karlheinz verwirrt an. „Mich hältst du auch für einen Mörder?“

„Hast du die anderen zwei Damen gehört, als sie ins Zimmer gekommen sind?“

„Die sie sind später gekommen. Ich habe bereits geschlafen.“

„Gut das ist es fürs Erste. Schick mir Roberto.“

Bertram geht etwas geknickt. Er versteht nicht, was Karlheinz von ihm will.

Roberto kommt in einem dünnen Leinenkleid. Er faucht. „Hier vor der Sauna? Willst du nackt bleiben?“ Ihn stört es, dass er von einem nackten Polizisten verhört wird.

„Klar, ich wollte eigentlich mit dir hinein in die Saunakammer.“

„Vergiss es. Ich bin nicht schwul. Mir gefallen nur die Kleider. Zieh dir einen Bademantel an und lass uns raus ans Buffet gehen.“ Roberto rauscht mit einer eleganten Bewegung von der Bar im Saunabereich weg.

Karlheinz lässt sich von dem höhnisch grinsenden Jungen hinter der Bar einen weißen Bademantel geben.

Am Buffet beginnt Justus bereits die Brötchen herzurichten. „Unglaublich, dass nach der gestrichen Nacht schon wieder so ein Betrieb herrscht“, jammert Justus. „Wenn ich noch weitere Mitarbeiter einstellen muss, fressen mich die Löhne auf.“

„Lass dich klonen“, empfiehlt ihm Karlheinz.

„Du mit deinem Beamtengehalt und einer anschließenden Pension, kannst es natürlich nicht verstehen. Ich muss Tag und Nacht schuften, um über die Runden zu kommen. Es reicht kaum zum Essen.“

„Oh, dann kann ich dir jetzt kein Brötchen abkaufen.“

„Wieso?“

„Dann hast du doch nichts mehr zu essen.“

„Ich bring dich noch um. Was machst du hier? Suchst du einen Mörder?“

„Du hast es erraten. Eines deiner Brötchen war vergiftet.“

„Fein, verhafte mich bitte, dann kann ich mich endlich in einer Zelle ausschlafen.“

Roberto, der an einem Tisch mit einem Glas Fruchtsaft sitzt, faucht ungehalten. „Kannst du endlich deine Fragen stellen. Ich bin extra aus dem Bett raus.“

„Gib mir auch einen Fruchtsaft und das Salamibrot mit Ei drauf“, bestellt Karlheinz bei Justus. „Tja, Roberto ich will nur wissen, was hast du in der Nacht von Sonntag auf Montag gemacht?“

„Nichts. Ich war müde. Um acht oder war’s schon neun, haben wir gegessen. Justus, deine Küche ist spitze!“, schreit Roberto zum Buffet. „Anschließend bin ich auf unser Zimmer, das ist verdammt eng, und habe die Kleider aufgehängt.“

„Bertram sagte, er war der Erste der aufs Zimmer ging. Also?“

„Als ich die Kleider durchschaute war ich alleine, dann bin ich im Restaurant an die Cocktailbar. Dort hat mich ein alter Kerl angebaggert und ich bin wieder aufs Zimmer.“

„Wie spät war es da?“

„Genau weiß ich es nicht. Der Bursche hinter der Bar machte Schluss.“

„Dann bist du nicht wegen des alten Kerls, sondern weil die Bar schloss gegangen“, stellt Karlheinz fest und wartet, was jetzt kommt.

„Ist das so wichtig?“

„Ja. Wie war dein Verhältnis zu Puffy? Es gab doch Streit?“ Karlheinz hat es von Max gelernt. Beschuldige sie und dann werden sie unsicher und weich.

„Blödsinn, das übliche wenn es um Kleider und vor allem dem Auftritt geht. Puffy glaubte die Schönste zu sein.“

„War er das nicht. Ich habe ihn nur Tod gesehen und fand ihn sehr schön“, provoziert Karlheinz bewusst.

„Diese dumme Gans. Ständig drängte er sich in den Vordergrund und krächzte altmodische Melodien.“

Karlheinz lehnt sich lächelnd zurück, doch die Lehnen der Stühle sind zu niedrig, so dass es ihm im Rücken schmerzt. „Au, ah, na gut. Als du aufs Zimmer bist, wen hast du noch gesehen?“

„Bertram, der hat geschnarcht, dass das Bett wackelte. Ich habe ihm kurz die Nase zugehalten, damit es aufhört, doch nach ein paar Minuten ging es wieder los.“

„Wann ist Heinrich gekommen?“

„Der kam nicht. Ich habe ihn erst zum Frühstück getroffen. Wo er geschlafen hat und mit wem, musst du ihn schon selbst fragen.“

„Das werde ich.“

Auf Heinrich muss Karlheinz etwas warten. Er, der Jüngste des Kleeblatts, kommt in einem schmuddeligen Jogginganzug. Sein perfektes Makeup steht dazu im Kontrast. Ihm kann Karlheinz die vergangene wilde Nacht nicht ansehen.

„Einen schönen guten Morgen, Herr Kommissar, oder muss ich Hauptkommissar sagen?“

„In Österreich gibt’s keine Kommissare, ich bin Bezirksinspektor, aber sag Karlheinz zu mir.“

„Was soll ich dir erzählen?“

„Alles. Was war mit dem Streit an dem Abend als ihr hier ankamt?“

„Oh, das war doch nichts Böses. Puffy gab mit seiner baldigen Geschlechtsumwandlung an. Er höhnte Bertram und meinte wir müssen uns einen anderen Sänger suchen, da eine echte Frau nicht in die Travestie passt.“

„Was war zwischen ihm und Roberto?“

„Nur Blödsinn. Roberto hat finanzielle Probleme. Sein Sohn machte Dummheiten.“ Heinrich reißt plötzlich seine Augen auf. „Aber Roberto begeht doch keinen Raubmord. Das sicher nicht. Das Geld? Wenn es Puffy nicht in der Brust hatte, dann ist es im Koffer, da gibt’s ein Seitenfach.“

„Roberto wollte also Puffys Geld?“ Karlheinz strahlt. Das klärt sich ja schnell auf.

„Na ja, ich will nichts gesagt haben. Roberto meinte, wenn ihm Puffy das Geld borgt, zahlt er ihm höchste Zinsen.“

„Was antwortete Puffy?“

„Nichts, er lachte nur. Er war an diesen Abend zu jedem von uns scheußlich. Plötzlich so gegen zehn war er dann weg.“

„Na danke, das genügt mir fürs erste. Wie lange bleibt ihr in Wien?“

„Bis Samstag. Am Montag müssen wir wieder in München arbeiten.“

„Ihr tretet jeden Abend auf?“

„Geh, wo, das zahlt dieser Geizkragen nicht. Nur noch am Mittwoch und Freitag. Bertram bearbeitet Gustav, damit er uns auch am Samstag auftreten lässt.“

„Das wäre doch sehr vernünftig. Am Samstag sind die meisten Leute hier.“ Karlheinz versteht auch nicht weshalb die Gruppe nur an Wochentagen auftritt.

„Das sagte Bertram zu Gustav auch. Nur meinte Gustav: Wir sollten ihm Gäste ins Haus bringen und nicht verscheuchen.“

Karlheinz überlegt, wen er noch befragen kann. Vorläufig scheint ihm Roberto verdächtig. Das Geld war jedenfalls nicht im Büstenhalter. Er lächelt nochmals Justus an.

„Dein Freund Ludwig hat doch vom dicken Adi eine Menge Goldmünzen geerbt.“

„Das bisschen Geld. Wir haben derzeit für den Partyservice vier Lieferwägen unterwegs. Das kostet. Wegen der Küchenbenützung hier im Haus gibt es laufend Streit mit Gustav. Der kann den Hals nicht voll bekommen.“

„Marcus Bank hat doch die Küche hier für dich finanziert? Gehört sie nicht dir?“

„Natürlich gehört die Küche mir. Das Schwein erhöht nur ständig die Miete für den Keller.“

„Ludwig könnte Gustav ja flach legen, dann wird der Hausherr sicher liebevoller.“

„Du“, faucht Justus, „dich bringe ich noch um, dann hast du deinen Mörder gefunden.“

Karlheinz lacht, zieht sich an und verlässt den Klub.

Horst, der Empfangsboy am Hoteleingang, grinst Karlheinz schelmisch an. „Na Süßer, hat dir Marcus heute frei gegeben, oder darf er nicht wissen dass du hier bist?“

„Ich habe ein paar Fragen gestellt. Erzähle es ruhig Marcus.“ Karlheinz ist klar, dass Marcus baldigst erfährt wo er war.

„Puffy hat ein Kerl im dreihundert SL abgeholt. Ich glaube so um zehn herum.“

„Ach“, Karlheinz ist wie elektrisiert. Natürlich, noch weiß man nicht wie Puffy von der Hinterbrühl nachts in den Park Am Steinhof kam. „Du hast den Kerl gesehen? Weißt du auch das Kennzeichen?“

„Kennzeichen aufschreiben gehört nicht zu meinem Beruf. Du machtest das sicher, als du noch Streife schobst. Der Kerl dürfte schwarze Haare haben, aber es war dunkel. Du weißt, nachts ist jede Katze grau.“ Horst mag Karlheinz und genau deshalb ärgert er ihn gerne.

„Groß, mager, mein Gott sei nicht so verbohrt?“

„Er saß im Auto, das zur Größe. Mager? Sein Gesicht war kantig und bartlos. Die Nase war sehr ansprechend.“

„Ansprechend? Ach du meinst groß?“ Karlheinz schüttelt den Kopf. Immer diese blöden Sprüche.

„Es war ein Wien Umgebung Kennzeichen. Vielleicht hilft dir das. Von diesem alten Mercedes gibt es nicht viele.“

„Farbe?“

„Dunkel im Dunkeln. Ich tippe auf blau. Es schimmerte leicht, nicht ganz wie schwarz. Es war keine Metallicfarbe.“

„Danke Horst.“

Jürgens Mordfälle 5

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