Читать книгу Damian - Falsche Hoffnung - Madlen Schaffhauser - Страница 10

6.

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Es ist eigentlich nicht meine Art, von der Arbeit fern zu bleiben, wenn ich nicht wirklich krank bin. Aber gestern brauchte ich den Abstand zu Damian und seiner Firma. Ich musste über einiges nachdenken und das ging nur, nachdem ich aus dem Wolkenkratzer in Miras Wohnung geflüchtet bin. Leider musste ich mir eingestehen, dass mein Chef mir mehr bedeutet, als dass er sollte. Trotzdem habe ich einen Weg gefunden, wie ich meine Empfindungen für den dunkelblonden Mann mit seinen bezaubernden braunen Augen abtöten kann.

Meine letzte Beziehung war letzten Endes die reinste Hölle. Der Mann, den ich einst liebte, von dem ich glaubte, dass er ebenso für mich empfand und dem ich vertraute, hat mich auf übelste Art und Weise verletzt und daran werde ich festhalten.

Ich werde auf keinen Fall noch einmal mein Herz verlieren. Damian hat mir deutlich erklärt, dass wir kein Paar werden oder sein können. Wer weiss, vielleicht täusche ich mich in Damian genauso, wie ich es damals in Michael getan habe. Schliesslich meinte Damian, dass er nicht der Richtige für mich sei. Warum sollte ich also hinter ihm hertrauern? Ich kenne ihn ja kaum.

Gerade als mein Computer hochgefahren ist, klingelt das Telefon. Mit einem raschen Blick auf das Display, erkenne ich Rose Nummer und nehme gut gelaunt den Hörer ab. „Guten Morgen Rose.“

„Geht es dir wieder besser?“ Noch bevor ich sie fragen kann, woher sie weiss, dass ich gestern nach Hause gegangen bin, redet Rose schon weiter. „Da du kürzlich blitzartig dieses Stockwerk verlassen hast, wollte ich später nach dir sehen. Aber du warst nicht in deinem Büro auffindbar. Mira meinte, dass du dich nicht wohl fühlen würdest.“

Ich hebe den Kopf und blicke zu meiner Bürogefährtin, die mich unschuldig anlächelt. „Es war nur eine kleine Magenverstimmung. Alles ist wieder in Ordnung.“

„Gut. Kommst du um zehn nach oben, um mit mir einen Kaffee zu trinken?“

„Na klar.“

„Gut.“ und schon hat Rose aufgelegt.

Klang sie eben etwas besorgt oder interpretiere ich da nur etwas hinein? Hat sie bemerkt, wie aufgelöst ich gestern das Büro von unserem Chef verlassen habe? Abwesend lege ich den Hörer auf die Muschel zurück. Sicherlich ist ihr nichts entgangen und wahrscheinlich möchte sie genau darüber reden, was mich nervös machen lässt. Nicht nur das, sondern das Risiko ihm zu begegnen, lässt mich noch mehr erzittern.

Fertig! Hör endlich auf! Schreit mich mein Unterbewusstsein an. Ich schiebe all meine unangenehmen Gedanken fort und konzentriere mich auf die Arbeit. Das ist die beste Medizin, vor dem Kummer zu flüchten und über den Schmerz hinwegzukommen.

Mira sitzt mir gegenüber. Gelegentlich unterhalten wir uns über belanglose Dinge und lachen über Kleinigkeiten, während wir unsere Aufgaben erledigen. Es wirkt so normal und wunderbar, wie immer.

Sie weiss, dass ich nicht unter Magenbeschwerden gelitten habe, aber sie fragt mich mit keinem Wort nach dem wahren Grund für meine gestrige Verstimmung. Dafür bin ich ihr dankbar und dafür was für eine gute Freundin sie für mich geworden ist.

„Hast du schon deine Weihnachtseinkäufe erledigt?“

„Weihnachtseinkäufe?“

Sie hebt eine ihrer rötlichen Augenbraue in die Höhe. „Heiligabend? Geschenke? Sag mir nicht, du hast noch nichts geplant.“

„Nicht wirklich.“

„Gehst du nicht in die Schweiz zu deinem Vater?“

„Ich habe es mir noch nicht so genau überlegt.“

„Du kannst mich und Alan gerne begleiten.“

„Bei euren Familienbesuchen? Lieber nicht.“ Abwehrend halte ich die Arme in die Höhe. „Ich möchte nicht das dritte Rad am Wagen sein. Trotzdem, herzlichen Dank. “

„Das bist du nun wirklich nicht.“

„Ist schon gut, Mira. Ich denke ich werde die freien Tage einfach ausspannen und nichts tun. Vielleicht bringe ich ja meinen inneren Schweinehund endlich dazu ins Fitnessstudio zu gehen. Mach also um mich keine Sorgen.“

„Wenn du meinst. Aber mein Angebot gilt.“

Ich stehe auf, trete an das hohe Fenster und lockere meine steif gewordenen Glieder. Immer noch fängt mein Puls schneller an zu rasen und ein schwacher Schwindel überkommt mich, wenn ich an die Glaswand trete, um über die Dächer von Londons Häuser zu blicken. Um mich an diesen Anblick und diese unvorstellbare Höhe zu gewöhnen, brauche ich wohl noch etwas länger Zeit.

In wenigen Minuten erwartet mich Rose. Gerade, als ich mich wieder auf den Stuhl setzen möchte, kommt mein Vorgesetzter in das Büro gestürzt.

Roland Baker sieht mich aus zusammengekniffenen Augen an und noch bevor ich ihm einen guten Morgen wünschen kann, pfeift er mich in sein Büro.

„Miss Weber. Kommen Sie mit!“

Wie ein Hund folge ich ihm den Flur entlang in sein Arbeitsraum. Dabei entgeht mir nicht der schadenfrohe Blick seiner Sekretärin, als wir an ihrem Schreibtisch vorbeigehen.

Gleich nachdem die Tür hinter uns ins Schloss fällt, dreht er sich zu mir um und sieht mich feindseligen an. „Was haben Sie sich dabei gedacht?“ Er klingt aufgeregt und wütend.

„Ich verstehe Sie nicht. Was habe ich mir gedacht?“

„Ich spreche von dem hier.“ Baker geht zu seinem Schreibtisch, nimmt ein paar Unterlagen in die Hand und schleudert sie mir zu.“ Müssen Sie gleich bei jeder Gelegenheit zum Boss springen? Mr. Meyer hat keine Zeit für solche belanglose Sachen. Das nächste Mal werden Sie gefälligst zu mir kommen. Ich bin ihre nächste Ansprechperson und nicht Mr. Meyer. Haben Sie das verstanden?“

„Sie waren nicht erreichbar. Daher ging ich zu...“

Er unterbricht mich schroff. „Das nächste Mal warten Sie, bis ich erreichbar bin. Habe ich mich verständlich genug ausgedrückt?“

„Natürlich.“ Sein aufgeblasener Ton gefällt mir gar nicht. Aber was soll ich anderes tun, als verständnisvoll zu nicken und ihm in den Arsch zu kriechen? Schliesslich ist er mein Vorgesetzter. Wenn ich keine Probleme mit ihm haben möchte, tanze ich nach seiner Pfeife.

„Sie können diese Unterlagen vernichten.“ und zeigt auf die Papiere, die zerknüllt in meinen Händen liegen. „Bloss weil Sie irgendwas nicht richtig zuordnen konnten, habe ich gestern Abend ein paar Stunden mehr im Büro verbringen müssen.“

„Das tut mir leid. Ich dachte wirklich...“

Sofort fällt er mir schneidend ins Wort. „Da haben Sie anscheinend falsch gedacht. Und jetzt gehen Sie zurück an Ihren Platz und erledigen Ihre Arbeit. Und zwar jene, die in Ihrem Zuständigkeitsbereich liegt.“

„Selbstverständlich.“ Ich muss mich wirklich zusammenreissen, ihm nicht an die Gurgel zu gehen. Stattdessen gehe ich wie ein zusammengestauchtes Häufchen Elend zurück in mein Büro. Sogar Bakers aufgedonnerten Sekretärin bleibt mein erbärmlicher Anblick nicht verborgen, als ich an ihr vorbeigehe. Was mich beinahe am meisten beschäftigt.

Leider befindet sich Mira nicht an ihrem Platz. Ich könnte jetzt jemandem zum reden gebrauchen. Und obwohl ich eine Person im sechsundvierzigsten Stock hätte, besitze ich nach dem herablassenden Gespräch mit Baker keinen Mut, um nach oben zu gehen. Ich sollte mich jetzt hinsetzen und den anderen beweisen, dass ich meine Arbeit schätze und auch gerne erledige. Dass ich meine Aufgaben korrekt und zuverlässig ausführe. Also werde ich das auch machen.

Bedrückt nehme ich an meinem Computer Platz und haue auf die Tastatur ein, als wäre sie plötzlich zu meinem Feind geworden. Ich konzentriere mich völlig auf die Zahlen vor meinen Augen und für einen Moment gelingt es mir sogar, mich von Bakers Zusammenschiess zu erholen.

„Wo bleibst du denn?“

Erschrocken fahre ich hoch. „Oh, Rose. Du bist es.“

„Ich warte auf dich.“

„Sorry, ich wollte kommen. Aber ich hatte eine üble Unterhaltung mit Mr. Baker.“

„Das ist doch...“

„Bitte Rose.“ unterbreche ich sie. „Halte mir nicht auch noch eine Moralpredigt. Das kann ich jetzt echt nicht ertragen.“

„Komm.“

„Wohin?“

„Nach oben. Obwohl dich dein grossspuriger Chef soeben in die Mangel genommen hat, hast auch du eine Pause verdient. Also los.“ Sie nimmt meine Hand und zieht mich aus dem Sessel.

„Du magst ihn nicht?“ frage ich sie etwas überrascht und mit leiser Stimme, damit uns niemand hören kann, als wir über den Flur auf den Fahrstuhl zugehen.

„Sagen wir es mal so. Er ist nicht gerade mein bester Freund, aber Damians und aus diesem Grund versuche ich ihn zu respektieren. Aber es gelingt mir nicht immer. So wie in diesem Moment.“ Ein Lächeln huscht über ihr Gesicht, was mich sofort etwas aufmuntert. „Also, was hat er getan?“ möchte sie von mir wissen, als sich die Aufzugtüren geschlossen haben und wir nach oben fahren.

Während der starke Kaffee, der mir Rose offeriert hat, wohltuend meine Kehle hinunter rinnt, erkläre ich ihr alles. Von meinen Entdeckungen über die Buchungen, die ich nirgends zuordnen kann, bis hin zu meiner Unterredung mit Mr. Baker. Dabei steigt meine Wut wieder in mir hoch. Nicht nur auf den Mann, der mir vor wenigen Minuten klargemacht hat, wer hier das sagen hat, sondern auch auf jene Person, von der ich geglaubt habe, er wäre mein Freund.

Als ich schliesslich mit meiner Erzählung ende, nickt sie nachdenklich und mitfühlend mit dem Kopf und tätschelt liebevoll meine Hand. „Er ist nun mal dein direkter Vorgesetzter.“

Rose schenkt mir eine weitere Tasse Kaffee ein. Und während ich an meinem heissen Getränk nippe, wandern meine Augen verstohlen auf die verschlossene Tür, hinter der sich Damians Büro befindet.

„Und jetzt möchte ich wissen, was dich sonst noch bedrückt.“

„Das habe ich dir doch soeben erzählt?“ Obwohl ich ganz genau weiss, von was sie redet, spiele ich die Unwissende.

„Du hast mir erklärt, warum du wütend bist.“ Sie senkt ihre Stimme zu einem fürsorglichen Flüstern. „Aber nicht warum du dich betrogen und verletzt fühlst.“ Sie nimmt meine Hand in ihre und hält sie umschlossen, wie es eine liebevolle Mutter tun würde.

Ihre aufmerksamen Blicke und ihr stummes Verständnis treiben mir fast die Tränen in die Augen. Nur mit grosser Willenskraft kann ich sie zurücktreiben.

„Ich habe dich gesehen, als du aus Damians Büro gestürmt bist. Zwar konnte ich nicht direkt in dein Gesicht schauen, weil du kein einziges Mal zu mir blicken wolltest, als du auf den Aufzug gewartet hast, aber mir war sofort klar, dass etwas nicht stimmte.“ Wieder tätschelt sie aufmunternd meine Hand. „Ich bin eine gute Zuhöherin, weisst du? Was ist da drin passiert?“ Mit einem Kopfnicken deutet sie auf Damians Tür.

Verloren senke ich meinen Kopf und bewege ihn langsam hin und her. Dabei atme ich tief ein und aus. „Es ist nichts passiert.“

„Und warum siehst du mich dann nicht an?“

„Weil du mir dann nicht glauben würdest.“

„Weisst du,“ beginnt sie einfühlsam. „Damian ist auch nur ein Mensch. Du musst ihm nur etwas Zeit geben.“

„Zeit wofür?“ Ich hebe meinen Kopf und sehe in die grauen Augen der älteren Frau, die mir zärtlich zulächelt.

„Damit er mit seinem ganzen Herzen für dich frei sein kann.“

„Warum sagst du das?“

„Ich kenne ihn gut genug, um zu sehen, dass er genauso durcheinander ist wie du.“

Tränen rollen über meine Wangen. Tränen die ich nicht mehr aufhalten konnte und noch bevor ich sie abwischen kann, ertönt ein Gong, der die Ankunft des Fahrstuhls anmeldet.

Eine äusserst attraktive, junge Frau mit blonden Haaren, die zu einem kurzen Bob geschnitten sind, tritt in den Empfangsbereich und begrüsst Rose, dann mich mit einem Akzent, der mich an meinen eigenen erinnert.

„Hallo Susanne.“ begrüsst Rose sie. „Damian wird gleich bei dir sein. Ich werde ihn sofort über dein Erscheinen informieren.“

„Gut. Ich werde einfach so lange warten.“ Sie setzt sich auf einen der grossen, weichen Sessel auf denen ich erst vor wenigen Wochen auf Damian gewartet habe und nimmt sich ein Magazin zur Hand.

Ich nehme nur am äussersten Rand wahr, wie Rose die Besucherin bei Damian anmeldet. Viel zu sehr werde ich durch das Aussehen dieser Frau in den Bann gezogen. Etliche Fragen huschen durch meinen Kopf, während ich ihre manikürten Fingernägel, ihr dezent geschminktes Gesicht und ihre wohlgeformte Figur betrachte.

Ein heftiger Schmerz durchzuckt mein Herz, als ich seine kraftvolle Stimme höre. Wie gefühlvoll er sie anspricht und zärtlich anlächelt. Sie, nicht mich. Mich hat er nicht einmal zur Kenntnis genommen.

„Hallo Susanne.“ Er geht auf die Frau zu, die im Vorraum wartet und die er auf Schweizerdeutsch anspricht. Dicht vor ihr bleibt er stehen, bevor er sie fest in die Arme nimmt und einen Moment, der sich mir anfühlt wie eine Ewigkeit, umschlungen hält.

„Überrascht?“

„Nein. Ich habe dich nur nicht so früh erwartet. Schön dich zu sehen. Wie war dein Flug?“

„Hätte nicht besser sein können. Danke, dass du mir deinen Jet zur Verfügung gestellt hast.“ Dabei streicht sie sanft über seine Arme.

Ich kann den Blick einfach nicht von ihnen lösen. Von jenen beiden, die so vertraut und selbstverständlich miteinander umgehen, dass es keinen Zweifel gibt, dass sie sich schon seit langer Zeit kennen.

Die Tränen die ich eben noch angestrengt zurückgedrängt habe, stehen schon wieder in meinen Augen. Ich drehe mich niedergeschlagen um, um den Anblick, den sie mir bieten nicht mehr mitansehen zu müssen.

„Haben Sie nichts zu tun?“ Damian reisst mich aus meiner Starre und ich zucke augenblicklich unter seinem herrischen Tonfall zusammen. Ich blinzle schnell die Tränen weg, die noch immer verräterisch in meinen Augen stehen und drehe mich zu ihm um. Sein schonungsloser Blick ist geradewegs auf mich gerichtet. Sein Mund ist zu einem schmalen Strich gezogen, während sein Gast triumphierend lächelt.

Verlegen stottere ich herum: „Äh, i...ich habe nur eine kurze Pause gemacht.“ Meine Augen huschen von Damian zu seiner Blondine, weiter zu Rose, die mich mitfühlend betrachtet.

Er wirft einen Blick auf seine Rolex. „Die ist bestimmt schon längstens vorbei.“

„Ja.“ antworte ich kurz.

„Rose bringst du uns bitte einen Kaffee?“ Er legt seine Hand auf den Rücken seiner Besucherin, führt sie sanft in sein Büro und schliesst die Tür hinter ihnen.

„Ich werde dann mal wieder an die Arbeit gehen.“

„Es tut mir leid.“

„Dir braucht gar nichts leid zu tun. So ist es nun mal, oder? Schliesslich ist er ein sympathischer, verführerischer junger Mann, der weiss, wie er mit seinem Charme die Frauenwelt erobern kann. Er hat Geld, Macht und kann alles bekommen, was er will.“

„So ist er nicht.“

„Nein?“ frage ich sie mit hochgezogenen Brauen und steige in den Aufzug ohne mir ihren Einwand anzuhören.

Damian - Falsche Hoffnung

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