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Frank Lloyd Wrights Larkin Building

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Exemplarisch für eine damalige white-collar factory und doch seiner Zeit weit voraus, war das 1906 in Buffalo errichtete Larkin Building der Larkin Soap Company. Kompromisslos in der Befolgung der Prinzipien des Scientific Managements waren die Auftraggeber und Planer gleichzeitig außerordentlich bemüht, optimale Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter herzustellen. Hier war alles hell, sauber, und lichtdurchflutet. Hier war alles geordnet, sortiert und an seinem rechten Platz. Und hier war auch jeder Handgriff bis ins Detail streng geplant und geregelt. Alles lief wie in einem präzisen Schweizer Uhrwerk ab.

Architekt war der damals noch junge, aber schon zu einer gewissen Bekanntheit gekommene, Frank Lloyd Wright. Zu dem Zeitpunkt, als er die ersten Entwürfe für das Gebäude entwickelte, blickte die Larkin Company auf eine fast dreißigjährige Erfolgsgeschichte zurück. Gegründet 1875 in Buffalo im Staate New York, USA, unter der vollständigen Firmenbezeichnung J. D. Larkin, Manufacturer of Plain and Fancy Soaps, startete das Unternehmen zunächst mit einer kleinen Fabrik, die Seifenartikel für den privaten Gebrauch herstellte. Der Firmengründer John D. Larkin und sein Vertriebschef Elbert Hubbard erkannten allerdings bald das geschäftliche Potential, das sich aus der besseren und schnelleren Erschließung des Landes durch den Ausbau des Eisenbahnnetzes und des Post- und Fernmeldewesens ergab. Die Transportzeit von Waren und Informationen schrumpfte in jenen Jahren auf einen Bruchteil der ursprünglichen Zeit zusammen und der wachsende Wohlstand des Landes weckte in den Amerikanern bisher ungekannte Konsumwünsche. Artikel des täglichen Bedarfs standen schon immer weit oben auf den Einkaufslisten der amerikanischen Haushalte. Mit dem wachsenden Einkommen wurde der Markt nun von Tag zu Tag lukrativer. Larkin und Hubbard witterten ihre Chance. Sie beschlossen ihr Sortiment um weitere Haushaltsartikel auszudehnen und ein eigenes, nationales Vertriebsnetz aufzubauen. So würden sie auch den teuren Zwischenvertrieb umgehen können.

Es fing ganz bescheiden mit Haustürgeschäften an. Vertreter in Anzügen und Musterkoffern machten sich auf, um an den Türen der amerikanischen Haushalte für ihre Produkte zu werben. Ganz nebenbei sammelten die emsigen Verkäufer bei ihren Bestellungen die Adressen von Tausenden Amerikanern. Es folgten erste postalische Bestellungen. Bald darauf verzichtete man auf die Handelsreisenden und beschränkte sich gänzlich auf die Bestellung per Post. Die Amerikaner waren dabei, ihre Leidenschaft fürs Shopping vom heimischen Sofa aus zu entdecken. Es war die Geburtsstunde des Versandhandels. Waren es zunächst nur Hygieneartikel, baute Larkin das Angebot mit der Zeit kontinuierlich aus und so bescherte die wachsende Palette an Verbrauchsartikeln dem Unternehmen aus Buffalo stetig wachsende Umsätze. 1890 bot die Larkin Company bereits ganze Vorratsboxen an, die den durchschnittlichen Bedarf einer amerikanischen Familie an Seifen- und Toilettenartikeln für ein ganzes Jahr abdeckte. 1883 verschickten sie über 1,5 Millionen Produktkataloge ins ganze Land. Ende des 19. Jahrhunderts war aus der ehemals unbedeutenden Seifenmanufaktur ein riesiges Versandhaus-Imperium mit über 4.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 29 Millionen US-Dollar (Das entspricht heute circa 360 Millionen Dollar) geworden. Die Kasse der Larkin Company war also gut gefüllt, als man 1903 beschloss, Frank Lloyd Wright mit dem Bau einer neuen Firmenzentrale zu beauftragen.


Abb. 7-8: Larkin Building in Buffalo, New York, USA, (gebaut 1903-1905), Architekt: Frank Lloyd Wright; Quelle: www.wikiarquitectura.com

Wie stellte man es an, in einem Gebäude, das ausreichend Platz für über 1000 Arbeiter bieten sollte, möglichst jedem einzelnen Mitarbeiter optimale Lichtverhältnisse zu bieten? Frank Lloyd Wright löste das Problem, in dem er zentral im Gebäude ein riesiges Atrium platzierte. Alle Arbeitsplätze waren entweder nahe der Außenfenster oder zum innenliegenden Lichthof ausgerichtet. Im Inneren setzte er helle, sandfarbene Farbtöne ein, damit möglichst viel Licht reflektiert wurde. Von ihm entworfene Stehleuchten erhellten die vielen Tischreihen zusätzlich mit künstlichem Licht.


Abb. 8

Allein das Betreten des Gebäudes kam einer Inszenierung gleich.1 Durch einen hübsch angelegten Garten erreichte man eine breite, seitlich am Gebäude verlaufende Treppe. Frische Luft umhüllte einen, wenn man die Stufen zur Eingangstür erklomm. Ein künstlicher Wasserfall ergoss sich in einem großen Wasserbecken. Über dem fließenden Wasser las man in großen Lettern: HONEST LABOR NEEDS NO MASTER - SIMPLE JUSTICE NEEDS NO SLAVES. Alles im Inneren war luftig und großzügig angelegt: Das Foyer; der große Schreibsaal im Erdgeschoss; die seitlich vom Atrium abgehenden Arbeitsräume hinter den balkonartigen Brüstungen und hohen Säulen; und das Restaurant in der obersten Etage, von dem aus die Belegschaft einen ungehinderten Blick ins Atrium genießen konnte. Dachgarten und Terrassen waren zur Erholung und für Raucherpausen vorgesehen. Auch der Akustik in den offenen Bereichen schenkte man mehr Aufmerksamkeit als sonst üblich. So setzte man für Böden, Treppen, Fensterbänke und Trennwände schallabsorbierende- und feuerbeständige Zementverbindungen ein. Unter dem Fußboden verlegte man eine zusätzliche Filzschicht, um den Trittschall zu reduzieren. Ausreichend Fensteröffnungen, offene Räume, Zugänge und wärmeregulierende Materialien sollten für ein verbessertes Klima im Inneren sorgen. Das Zusammenwirken der Maßnahmen stellte eine Art Vorgänger der späteren Klimaanlage dar.2 Viele Möbel, darunter die Schreibtische und Stühle hatte Wright selbst entworfen. Die Gestelle der Bürostühle waren durch Scharniere mit den Arbeitstischen verbunden und schwebten über dem Fußboden. So ließ sich der Boden leichter reinigen.


Abb. 9: Schreibsaal im Larkin Building; Quelle: www.wikiarquitectura.com

Die vielen Annehmlichkeiten konnten aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Gebäude den einzigen Zweck verfolgte, die Arbeitskraft der Angestellten optimal auszubeuten. Alle Errungenschaften dienten dazu, ihre Produktivität zu steigern. Die Auftraggeber appellierten ganz unverhohlen an die Disziplin ihrer Mitarbeiter, an den Segen harter Arbeit und die Vorteile der Zusammenarbeit. Frank Lloyd Wright sprach von den Freuden des „communal experience“, der Gemeinschaftserfahrung.3 Und hoch über den Köpfen der Arbeiter, an den Balkonbrüstungen zum Atrium, thronten motivierend, - oder je nachdem wie man es betrachten möchte, mahnend, - in großen Lettern Wörter wie SACRIFICE, INTEGRITY, LOYALTY, FIDELITY, ENTHUSIASM, CONTROL und CO-OPERATION. Nichts erinnerte im Larkin Gebäude an die klaustrophobisch engen Zustände einstiger Kontore. Andererseits stellte sich aber in den Schreibsälen auch nichts den prüfenden Blicken von Vorgesetzten oder missgünstigen Kollegen schützend in den Weg. Vertraulichkeit, Anonymität und Intimität fanden hier keinen Platz.

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