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2.2 Geoinformatik

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Definition

Die Geoinformatik ist die Disziplin zur Entwicklung und Anwendung von Methoden und Konzepten der Informatik zur Lösung raumbezogener Fragestellungen unter besonderer Berücksichtigung des räumlichen Bezugs von Informationen. Die Geoinformatik beschäftigt sich mit der Erhebung

oder Beschaffung, Modellierung, Aufbereitung, Analyse, Präsentation und Verbreitung von Geoinformationen. Sie verkörpert die Schnittstelle zwischen den virtuellen Computerwelten und der realen Welt durch den Raumbezug. Die Geoinformatik ist damit in ihrer Gesamtheit nicht Teil der Geographie, Geodäsie oder der Informatik, sondern eine eigenständige wissenschaftliche Disziplin.

Andere Benennungen wie Geomatik, Geographische Informationswissenschaft, Geoinformationswesen oder Geoinformationstechnik existieren zwar ebenfalls im deutschsprachigen Raum, haben sich allerdings nicht im allgemeinen Sprachgebrauch durchsetzen können. Zum einen erweisen sich Konstrukte wie „Geographische Informationswissenschaft“ als zu sperrig, zum anderen stellt die Assoziation „Geoinformatik/Geoinformation“ eine leicht nachzuvollziehende Analogie zu „Informatik/Information“ her: Die Geoinformatik verhält sich zur Geoinformation wie die Informatik zur Information.

Internationaler Sprachgebrauch

Es gilt allerdings anzumerken, dass diese Allegorie nicht für den internationalen Kontext gilt. Im englischsprachigen Raum heißt es Computer Science und nicht Informatics, sodass hier der Begriff Geoinformatics zwar ebenfalls existiert, aber eher eine Minderheit gegenüber Geomatics, Geospatial Engineering, Geospatial Science oder Geographic Information Science darstellt. Besonders der letzte Begriff, häufig abgekürzt durch GI-Science, dürfte als Standard im englischen Sprachraum gelten. Dies mag auch darauf beruhen, dass gerade in den angelsächsischen Ländern das Fach Geographie sehr viel stärkeren Anteil an der Entwicklung der Geoinformatik besitzt als in Deutschland. In den frankophonen Ländern sind die Begriffe Géomatique und Sciences de l’Information Géographique in etwa gleichgewichtig.

Durch die Vielfalt der Begriffe erscheint die Geoinformatik leider noch immer sehr zersplittert, eine Tatsache, die durch ihre breite Anwendbarkeit und die heterogene Herkunft noch verstärkt wird. Trotz allem setzt der Begriff Geoinformatik sich im deutschsprachigen Raum immer mehr durch, was zu einer besseren Wahrnehmung und größeren Akzeptanz dieser Disziplin führt.

Geoinformatik und GIS

Die Verwechslung der Geoinformatik mit ihrem Hauptwerkzeug, den Geographischen Informationssystemen (GIS), tritt sehr häufig auf. Allerdings scheint es so, dass mit der Attraktivität und der wachsenden akademischen und politischen Bedeutung der Geoinformatik die Debatte um „Werkzeug“ vs. „wissenschaftliche Disziplin“ nur noch randständig geführt wird. Allerdings ist gleichzeitig ein „Herkunftsstreit“ entbrannt, bei dem die Geoinformatik – je nach Sichtweise – als Teilgebiet der Geographie, der Informatik oder der Geodäsie reklamiert wird. Tatsache ist, dass der interdisziplinäre Ansatz verschiedenartige Ausprägungen begünstigt, die folgerichtig in heterogene Definitionen münden. Dazu kommt eine starke Anwendungsorientiertheit der Geoinformatik, die einerseits positiven Anschub für die Disziplin liefert, andererseits aber auch einer allseits akzeptierten Anerkennung als eigenständiger Wissenschaft im Weg steht.

Geoinformatik als wissenschaftliche Disziplin

Betrachtet man aus der Sicht verschiedener Disziplinen die Wahrnehmung der Geoinformatik, so fällt auf, dass – je nach Herkunft – die Geoinformatik als Erweiterung von existierenden raumbezogene Technologien gesehen wird. So werden z. B. Computer-Aided Design/Drafting (CAD), Kartographie, digitale Bildverarbeitung, Datenbankmanagementsysteme (DBMS) oder auch die Fernerkundung genannt (Abb. 2-3).


Abb. 2-3: Zusammenhänge zwischen raumbezogenen Technologien

Betrachtet man pragmatisch-wissenschaftstheoretisch, was eine neue wissenschaftliche Disziplin ausmacht, so gelten nach DOLLINGER (1989) die folgenden Prinzipien:

 Eigene wissenschaftliche Zeitschriften

 Eigene Lehrstühle

 Eigene Lehrbücher

 Eigene wissenschaftliche Konferenzen

 Eigene wissenschaftliche Vereinigungen

 Akzeptanz des Namens in der Öffentlichkeit

 Internationalität des Begriffes

 Eigene Studiengänge

Fast alle Bedingungen sind von der Geoinformatik im Verlauf des letzten Jahrzehnts auch in Deutschland erfüllt worden. So gibt es eigene Lehrstühle an etlichen Universitäten, Geoinformatik-Lehrbücher (z. B. DE LANGE, 2005; BARTELME, 2005), sogar ein Geoinformatik-Lexikon (BILL & ZEHNER, 2001). Der Name ist nicht nur akzeptiert, er ist sogar so positiv besetzt, dass viele Disziplinen versuchen, sich durch „Anhängen“ dieses Namens eine gesteigerte Attraktivität zu verschaffen. Die Neuorientierung der Zeitschrift Geo-Informations-Systeme in GIS. Science spiegelt die Entwicklung von einer technischen zur wissenschaftsorientierten Sicht wider. Eine große Anzahl von neuen Studiengängen mit Namen wie Geoinformatik, Geomatik, Geoinformationswesen, Geoinformationstechnik, Geoinformation oder GIS mag auf den ersten Blick verwirrend wirken, dokumentiert allerdings auch die Versuche, die Geoinformatik für ein bestehendes Fachgebiet zu reklamieren. Die Internationalität des Begriffes ist eines der wenigen Kriterien, die nicht vollständig erfüllt werden, da im internationalen Raum Begriffe wie Geomatique, Geoinformatics oder Geographic Information Science benutzt werden. Allerdings besteht bei den beteiligten Wis-

senschaftlern kein Zweifel, dass alle Begriffe dieselbe Disziplin beschreiben. Auch die Fächer Informatik und Computer Science können mit zwei verschiedenen Begriffen erfolgreich umgehen, sodass der Mangel an Internationalität des Begriffes keine Auswirkungen auf die Entwicklung der Disziplin haben dürfte. Mit der Gründung einer wissenschaftlichen Gesellschaft für Geoinformatik (GfGI) wurde das letzte noch ausstehende Kriterium für den deutschen Sprachraum erfüllt.

Herkunft und Selbstverständnis

Bereits im Jahr 1990 lieferten GAGNON & COLEMAN eine Definition für das interdisziplinäre Fachgebiet Geomatics: „Geomatics is the science and technology of gathering, analyzing, interpreting, distributing and using geographic information. Geomatics encompasses a broad range of disciplines that can be brought together to create a detailed but understandable picture of the physical world and our place in it. These disciplines include surveying, mapping, remote sensing, geographic information systems (GIS) and global positioning system (GPS).“ (GAGNON & COLEMAN, 1990). Diese und weitere Initiativen in Kanada führten zur Einrichtung des „Canadian Institute for Geomatics“, welches das ehemalige „Institute for Surveying and Mapping“ ersetzte.

In Deutschland veröffentlichte die Zeitschrift Geo-Informations-Systeme 1993 den ersten Aufsatz zur Geoinformatik, in dem die Geoinformatik ausgehend von den Wurzeln GIS, Fernerkundung, Photogrammetrie und Kartographie definiert wurde als „art, science or technology dealing with the acquisition, storage, processing, production, presentation, and dissemination of geoinformation“ (EHLERS, 1993). Auch hier war der Einfluss der tradierten Vermessungsdisziplinen noch stark erkennbar.

Diese Herkunft wird in neueren Definitionen stark erweitert. So ist nach Wikipedia im Jahr 2011 die Geoinformatik „[…] die Lehre von Wesen und Funktion geografisch-raumbezogener Information (Geoinformation) und ihrer Bereitstellung in Form von Geodaten. Sie bildet die wissenschaftliche und datentechnische Grundlage für Geoinformationssysteme (GIS). Allen Anwendungen der Geoinformatik gemeinsam ist der eindeutige Raumbezug. Geodaten speichern zum Zweck der Informationsgewinnung strukturierte codierte Angaben zur quantitativen und qualitativen Beschreibung von natürlichen oder definierten Objekten der realen Welt. Die Geoinformatik beschäftigt sich mit der rechnergestützten Auswertung der gespeicherten (Geo-) Information über bestimmte (mathematische) Regeln und Anweisungen, die die codierten Angaben über die Erde deuten“. Man vergleiche dies mit der noch weitaus enger gefassten Definition in Wikipedia aus dem Jahre 2006: „Geoinformatik [ist] die Lehre des Wesens und der Funktion der Geoinformation und ihrer Bereitstellung in Form von Geodaten. Sie bildet die wissenschaftliche Grundlage für geographische Informationssysteme (GIS). Allen Anwendungen der Geoinformatik gemeinsam ist der Raumbezug. Ähnlich wie die Bioinformatik, Umweltinformatik, Wirtschaftsinformatik ist sie eine interdisziplinäre Wissenschaft. Sie verknüpft die Informatik mit den Geowissenschaften. Die drei Hauptaufgaben der Geoinformatik sind: Entwicklung und Management von Geo-Datenbanken, Analyse und Modellierung der Daten, Entwicklung und Integration der Werkzeuge und Software für ebendiese Aufgaben.“

Man erkennt deutlich, dass sich die Definition gegenüber 2006, als sie noch als die „Wissenschaft hinter GIS“ galt, deutlich erweitert hat, aber auch detail- und kenntnisreicher in einem allgemein-wissenschaftlichen Medium dargestellt wird. Die Verknüpfung von Informatik mit Geowissenschaften bzw. Geodäsie reflektiert die Entwicklung der Disziplin, deren verbreiterte Einsatzmöglichkeiten sich folgerichtig in eine Ausweitung der Definition umsetzten. Geoinformatik löst keine der etablierten Disziplinen ab, sondern erlebt eine Loslösung aus den Herkunftsfeldern, eine Entwicklung, die vergleichbar ist mit der Loslösung der Informatik (Kunstwort aus Information und Mathematik) aus der Mathematik in den 1970-er Jahren. Sie ist im Begriff, sich als neue und innovative Wissenschaft im internationalen und deutschsprachigen Raum zu etablieren.

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