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Irrungen und Wirrungen

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Pastor Krech entledigte sich seines Gottesdienstgewandes und biss sich auf die Unterlippe. Der Schock saß noch tief. Als er den Becher für das Abendmahl in die Höhe gehalten hatte, konnte er sehen, dass dieser eine Beule hatte. Der Kelch! Der heilige Becher!

Er war so entsetzt gewesen, dass ihm doch tatsächlich – und das nach so vielen Jahren Dienst als Pastor – die Worte zum Einsetzen des Abendmahls entfallen waren. Stattdessen hatte er nur ungläubig zu dem Becher in seinen hoch gehaltenen Händen und Armen geschaut und die Beule betrachtet. Das Abendmahl war verhunzt gewesen.

Er hatte keine Ahnung, ob so eine Schändung des heiligen Kelches, Auswirkungen auf das heilige Mahl hatte. Aber er vermutete das. Er hätte am liebsten noch während der Zeremonie, Thomas Baldun angeschnauzt und er musste sich sehr zusammen reißen, dies nicht zu tun. Dieser Tölpel hatte doch tatsächlich den Becher fallen gelassen! Und auch noch wohl gedacht – er, Pastor Krech – würde das nicht bemerken. Und er hatte immer vermutet, dass er seine Crew gut im Griff hat. Und dann das!

Er merkte, dass sein Blutdruck stieg und setzte sich erst mal auf den Stuhl neben der kleinen Madonna. Sie schaute ihn mitleidig an. Er mochte Frauen, die milde und nachgiebig waren. Die heilige Maria hatte immer Verständnis für seine Unzulänglichkeiten gehabt. Darum hatte er eine hier aufstellen lassen. Sie war keusch und stets freundlich. Kein Abbild der Frauen, die da draußen in seinem Gottesdienstraum saßen.

Was war bloß los mit dieser Welt?, dachte er. Waren denn alle hier verrückt geworden? Mit diesen Gedanken verließ er den Raum.

Thomas Baldun merkte, dass seine Hände ganz kalt waren, als er für den Pastor sein Gewand ordentlich auf einen Bügel hängte. Ihm war ganz schummrig zu mute und das leider nicht wegen einem Rotwein, den er so gerne trank.

Er hatte tatsächlich nicht bemerkt, dass der Abendmahl-Kelch eine Beule aufwies, als er das Abendmahls-Geschirr für den Gottesdienst bereit gestellt hatte. Es musste passiert sein, nachdem er zuletzt den Kelch poliert hatte und dabei gesehen hatte, dass ein Idiot seinen Lippenabdruck darauf hinterlassen hatte. Er hatte den Becher nicht runter geworfen, da war er sich ganz sicher. Es war jemand anderes gewesen. Danach.

Er schluckte. Sein Mund und Hals waren vor Anspannung ganz trocken. Pastor Krech würde toben. Heute oder morgen. Er wäre am liebsten weg gerannt. Der Chef konnte sehr jähzornig sein und dabei traf ihn dies mal keine Schuld. Er war aber sicher, dass Roderich Krech ihm wie immer nicht zuhören würde. Seine Verteidigung würde also ganz umsonst sein. Was sollte er bloß machen? Sich krank melden? Doch was würde das nützen? Früher oder später würde Pastor Krech seine Wut über ihn ausschütten. Das war so gewiss, wie das Amen in der Kirche.

Es musste ihm was einfallen, wie er aus der Sache raus kam. Vielleicht sollte er einfach diese Hannelore Meier beschuldigen. War das klug? Denk nach, Thomas! Denk nach! Die Gedanken wirbelten nur so in seinem Kopf herum. So konnte er nicht klar denken. Er brauchte Zeit. Und die musste er sich verschaffen.

Thomas Baldun schlich wie ein siebenjähriger Junge den Flur entlang, bedacht darauf, kein Geräusch zu machen. Die alten Dielen knarrten an einigen Stellen. Doch er war hier schon so lange der Knecht für alles, dass er diese Stellen genau kannte. Er hob und senkte seine Füße mit Bedacht, als würde er durch ein Minenfeld stiefeln. Jetzt kam ihm das monatelange Räuber und Gendarm Spiel, was er mit seinen Freunden als Kind gespielt hatte, zu gute. Er war stets sehr geschickt im lautlosen Anschleichen gewesen. Jetzt hieß sein Ziel „Hintertür“ und führte an der Bürotür vom Pastor vorbei.

Sein Herz schlug bis zum Hals. Wenn jetzt die Tür aufging, war er geliefert. Das wusste er. Er musste schnell hier weg und in Ruhe zuhause darüber nachdenken, wie er sich aus der Becheraffäre herausziehen konnte. Hannelore Meier zu beschuldigen, war vielleicht zu kompliziert. Alles abstreiten, das klang für Pastor Krech bestimmt nicht glaubwürdig, da er – Thomas Baldun – für die Pflege des Abendmahlsgeschirrs zuständig war. Alleine.

Nur noch wenige Schritte, dann war er in Freiheit. Er musste dann nur noch den Notausgang wieder leise schließen und über den Maschendrahtzaun klettern. Das ging. Das hatte er schon mal gemacht. Das sah zwar komisch aus, ging aber ganz gut. Nun, für sein Alter war er eben doch noch so gelenkig wie ein Junge und was tat man nicht alles, um diesem Widerling von Roderich Krech aus dem Weg zu gehen.

Mit zitternden Händen drückte er die Klinke runter. Sie machte kein Geräusch, das wusste er auch schon vorher. Er hatte stets dafür gesorgt, dass diese Tür ganz geräuschlos zu öffnen und zu schließen war, denn diese Tür war in seinem Beruf schon immer sehr wichtig gewesen. Und alles was wichtig war, hatte für Thomas Baldun einen besonderen Platz in seiner Arbeit.

Geschwind schlüpfte er durch den Spalt in den Garten. Zum Glück konnte der Pastor vom Fenster seines Büros nicht hier herüber schauen. Und wenn er einmal über den Zaun geklettert war, brauchte er nur noch …

>>Baldun! Herr Baldun!<< Die Stimme des Pastors klang durchdringend, aber auch recht milde.

Thomas Baldun fiel darauf nicht mehr rein. Er wusste, wenn der Pastor einen besänftigenden Ton einschlug, war er besonders erbost über irgendetwas. Er schluckte. Was sollte er machen? So tun, als hätte er hier hinten was zu tun, oder sollte er es wagen und schnell über den Zaun klettern? Und wenn der Chef ihn ausgerechnet dabei erwischte? Wie sah das aus? Eine gute Erklärung hätte er für die Kletterpartie nicht gehabt.

Trotzdem wollte er es wagen. Er schwang sein rechtes Bein über den Maschendraht und war froh, dass der Zaun nicht mannshoch war. So einen hätte er nicht geschafft.

Pastor Krech irrte durch den Gang, der zum Jugendcafé führte. Wo war dieser Baldun nur wieder? Er hatte den Eindruck, dass dieser Kerl sich vor ihm versteckte, ab und zu. Aber nachweisen konnte er dieses Verhalten ihm nicht. Bis jetzt noch nicht.

Er hatte keine Lust, auf das Katz und Maus Spiel von Thomas Baldun einzugehen. Wer war er denn schließlich, dass er hinter seinen Untergebenen her turnte? Also, stellte er die Suche nach dem Küster ein und begab sich zurück in sein Büro.

Was soll es? Am Montag ist die Mitarbeiterversammlung, dann würde er dem Küster auf den Zahn fühlen. Aber er vermutete auch, dass dieser sich ab Montag vermutlich krank lassen schreiben würde. Thomas Baldun ging Konflikten mit ihm als Chef aus dem Weg.

Sie waren zwei völlig verschiedene Typen. Roderich liebte die Konfrontation und den Streit. Thomas war eine zurückgezogene Person mit Abgründen, da war sich Roderich ganz sicher. Nur ließ sich der Kerl bei seinen Untaten nie erwischen. Irgendwie war der Küster schlau und hinterlistig. Wenn auch nicht besonders intelligent.

Nein, da war sich Roderich sicher, der Küster konnte ihm nicht das Wasser reichen. Trotzdem gelang es ihm immer wieder, auf unerklärliche Art und Weise, ihm – dem Pastor – zu entwischen. Die dämonischen Auswirkungen waren also auch bei seinen Mitarbeitern zu bemerken.

Hannelore wischte sich den Schweiß von der Stirn. Verdammte Hitzewallungen!, dachte sie. Die Wechseljahre waren kein leichtes Spiel. Aber das wusste sie schon von ihrer Mutter, dass das Jahre waren, die für eine Frau unangenehm werden konnten. Ihre Mutter hatte oftmals in ihren Wechseljahren ein glänzendes Gesicht gehabt – vor Schweiß, auch im Winter. Sie schien ähnliche Anlagen zu haben. Nur die jähzornigen Anfälle ihrer Mutter, die hatte sie nicht. Sie war eher sanftmütig und duldsam. Was wiederum daran liegen könnte, dass das das einzige Verhalten war, was ihre Mutter tolerierte. Still und fügsam sein, war in der Vergangenheit die Methode gewesen, weniger bestraft zu werden. Und wenn Hannelore es richtig betrachtete, war das auch die Methode, um von Pastor Krech Milde erwarten zu können. Sie spielte lieber das dumme, fügsame Duckmäuschen, als diesen jähzornigen, ungerechten Mann zu provozieren.

Abermals versuchte Hannelore zu ergründen, warum so ein Mann in der Kirche war. Sie konnte sich keinen Reim daraus machen. Achselzuckend tippte sie weiter. Der Blick auf ihre Armbanduhr – ein Geschenk ihrer Mutter, das sie mochte, weil es ihr anzeigte, wann sie hier weg konnte – verriet, dass es nur noch eine Stunde bis Feierabend war. Regulär. Was nichts hieß, denn der Chef hatte die Macht, ihr noch Überstunden aufzubrummen.

Sie seufzte. Roderich kam gerne zwanzig Minuten vor Feierabend in ihr Büro und gab ihr noch mal Aufgaben für den Abend auf. Sie erledigte diese stets, ohne zu murren. Sie aufzulehnen, hätte nichts gebracht. Höchstens eine Strafpredigt und dann hätte sie eben doch die Aufgaben, die der Pastor noch erledigt haben wollte, machen müssen.

Da kam ihr eine Idee. Der Hinterausgang. Sie wusste, dass der Küster, diesen manchmal benutzte, um dem Pastor zu entwischen. Auch sie hatte manchmal Dinge außerhalb der Gemeinde zu erledigen. Sie könnte am nächsten Tag berichten, dass sie noch einkaufen war. Für die Kirche versteht sich. Nun, sie hatte letzte Woche zwei Textmarker eigentlich für ihren privaten Gebrauch gekauft. Aber die könnte sie jetzt als „für die Kirche gekauft“ vorschieben .Die Belege, die würde Pastor Krech nicht überprüfen, das war allein ihre Aufgabe als Sekretärin.

Plötzlich gut gelaunt, griff sie die noch funktionierenden Textmarker auf dem Schreibtisch und ließ diese in ihre alte und schon abgewetzten Handtasche verschwinden. Die würde sie mit nach Hause nehmen und die neuen hier her bringen. Guter Plan!, dachte sie bei sich und bekam neuen Schwung für den Abend.

Abellus hatte ein schlechtes Gewissen, weil er seiner Gefährtin Vorwürfe wegen den Knochen und dem Mark gemacht hatte. Holda war eine freie Koli und durfte selbstverständlich das machen, was sie wollte, wenn es ihrem Gemeinwohl nicht schadete. Und Knochen von Menschen sammeln, war ja nun wirklich kein Vergehen, nur einfach ekelig. Er wollte sie irgendwie besänftigen. Und ihr als Friedensangebot etwas schenken. Aber was?

Die Vergangenheit hatte gezeigt, dass Holda sich stets über Geschenke aus der Menschenwelt freute, auch wenn sie manchmal schimpfte, dass er das bleiben lassen solle. Aber Weibliche waren eben so sprunghaft.

Er überlegte, was er in der Vergangenheit in dem Gebäude entdeckt hatte und Holda mitbringen könnte. Es musste schon etwas Besonderes sein. Mehr als nur eine Rübe oder eine Blume aus einem Gefäß von oben.

Nachdenklich kratze er sich an seinem kahlen Schädel. Wie konnte er Holda davon überzeugen, dass er in Zukunft nichts mehr sagen würde, wenn sie Knochen sammelte?

Thomas Baldun fasste an sein Hinterteil. >>Mist!<<, entfuhr es ihm. Er hatte sich beim über den Zaun klettern doch tatsächlich die Hose aufgerissen und das an einer Stelle, die unangenehm war und seine weiße Rippenunterhose frei gab. Das war Pech, aber zu verschmerzen, denn Pastor Krech hatte ihn nicht entdeckt. Er kam sich wie ein Lausbub vor und das gefiel ihm. Kleine Streiche spielen, machte ihn jünger. Er sah jetzt seine Lage als vermeintlich Schuldiger in Sachen Kelch demolieren, viel positiver.

Fröhlich pfeifend schlenderte er in Richtung Einkaufszentrum. Er wollte sich sein Feierabendbier holen und sich dann einen gemütlichen Abend vor der Glotze machen. Er hatte den Feierabend an diesem Tag echt verdient, fand er.

Hannelore kicherte vor sich hin. Sie war schon lange nicht mehr durch die Hintertür nach Hause entwischt. Meistens traute sie sich solche Aktionen nicht zu. Doch heute … Sie öffnete die Tür ihres Büros einen Spalt breit und horchte in den Gang hinein. Sie hörte das Brummen des Kühlschranks aus der Mitarbeiterküche. Thomas Baldun hatte mal wieder die Küchentür offen stehen lassen oder es war der Pastor gewesen. Gerüche von vergammeltem Essen stiegen ihr in die Nase. Igitt! Sie unterdrückte einen Hustenreiz und konzentrierte sich darauf, wahrzunehmen, ob der Pastor noch in seinem Büro war, oder weiter hinten in der Jugendküche. Oder in einem der Jugendräume. Wenn das der Fall war, konnte sie nicht zur Hintertür gelangen. Roderich hätte sie sofort bemerkt.

Irgendetwas knackte und ließ sie leicht zusammen fahren. Sie konnte nicht ausmachen, wodurch das Knacken verursacht wurde. Manchmal kamen Geräusche aus den Räumen, obwohl außer ihr niemand mehr im Gebäude war. Es spukte. Es war unheimlich hier, wenn sie abends im Winter, im Dunkeln durch die Vorhalle ging, um durch die Vordertür raus zu kommen. Sie war immer froh, wenn sie dann das Gebäude ordnungsgemäß abgeschlossen hatte und über den schmalen Weg in Richtung Bushaltestelle verschwinden konnte. Auf dem Gehweg traf man auch zur später Stunde meistens noch Menschen. Doch das Gebäude, das zur Kirche gehörte und die Kirche selber, waren abends menschenleer. Und doch schien da ab und zu etwas drin zu sein. Und sie wollte sich nicht ausmalen, was es war. Sie mochte keine Gruselgeschichten. Aber die Kirche war ihr schon bei ihrem Antritt als Sekretärin nie geheuer gewesen.

Abellus erschrak. Das Weibchen der Menschen, das meistens einen Rock trug, sommers wie winters, schaute durch einen Türspalt in seine Richtung. Er konnte sich gerade noch in den Raum retten, ohne gesehen zu werden, wo es immer so verführerisch duftete. Das musste man den Menschen lassen, ihre Speisen waren nicht nur lecker und bekömmlich, sondern ließen auch Abellus das Wasser im Munde zusammen fließen. Er wollte Holda ein Stück Käse mitbringen. Manchmal hatten sie in dem kühlen Schrank ein Stück drin, das grünlich und weißlich schimmerte und ausgesprochen pikant war. Er öffnete die Tür zu dem kühlen Schrank und stellte enttäuscht fest, dass kein Käse drin war. Nur komische Flaschen mit unterschiedlich gefärbten Flüssigkeiten darin.

Abellus hatte ein mal so eine geöffnet. Den Verschluss hatte er nur mit seinen Zähnen, die zum Glück kräftig waren, entfernen können. Die Flüssigkeit in der Flasche war gelblich gewesen und schäumte auch etwas, als der Verschluss entfernt worden war. Abellus hatte das Gesöff in mehreren Zügen herunter geschluckt und hatte sich dann irgendwie benebelt gefühlt. Nach einiger Zeit war der Boden ihm entgegen gekommen und er hatte auch nicht mehr wirklich gerade aus laufen können. Das musste ein Zaubertrank gewesen sein.

Abellus hatte die Wirkung von der gelben Flüssigkeit noch einen Tag später gemerkt. Sein Schädel hatte furchtbar gebrummt und alle Geräusche waren ihm auf den Geist gegangen. Beinahe hätte es wieder mal einen furchtbaren Streit mit Holda gegeben, weil die wollte sich normal im Raum bewegen – wie immer -, und er konnte das nicht ertragen. Seitdem hatte er um Flaschen in dem kühlen Schrank einen großen Bogen gemacht. Aber meistens gab es andere leckere Dinge darin, die keine Nebenwirkungen verursachten.

Er hatte die Frau mit Rock schon wieder ganz vergessen, als er sah, wie sie an der offen stehenden Tür des Raumes, wo er gerade stand, leise vorbei huschte. Abellus glotze ihr hinterher. Das war noch mal gut gegangen! Auch wenn er jetzt ein Tuch um seine Hüften trug, war es ihm doch lieber, aus Sicherheitsgründen, dass die Menschen ihn nicht sahen. Sie waren empfindlich und könnten sich über ihn zu sehr aufregen. Und das wollte er nicht.

Abellus späte um die Ecke und sah Hannelore, wie sie auf Zehenspitzen in den hinteren Teil des Gebäudes schlich.

Pastor Krech hielt inne. Da hatte er doch was gehört! Waren das wieder Mäuse? Hoffentlich nicht! Er hatte gedacht, dass sie die Mäuseplage, die das Gebäude vor zwei Jahren heimgesucht hatte, hinter sich gebracht hatten. Oder war da jemand im Gang?

Er erhob sich leise aus seinem Bürostuhl, schlich um seinen Schreibtisch Richtung Tür und lauschte. Es war nichts zu hören, das hatte er sich wohl eingebildet. Oder es war der Kühlschrank in der Jugend- oder Mitarbeiterküche, der angesprungen war. Der Küster war wohl schon über alle Berge und Frau Meier saß im Sekretariat. Wie immer um die Zeit.

Die Frau war weg. Abellus atmete erleichtert auf.

Dies mal war nichts Vernünftiges in dem kühlen Schrank. Er durchsuchte vorsichtig die Schubladen. Löffel, Messer. Uninteressant für Holda, vermutete er. Oder vielleicht doch einen Löffel mitgehen lassen? Immerhin gab es sehr viele davon in der Schublade. Den Verlust würde sicherlich keiner bemerken.

Nein, er wollte dies mal Holda etwas Besonderes mitbringen. Also musste er woanders sich umschauen. Räume gab es ja genug.

Hannelore jubelte innerlich. Es war nicht leicht gewesen, mit ihrem Rock, ohne sich die Strumpfhose zu zerreißen, über den Zaun zu klettern. Aber, sie hatte es tatsächlich geschafft. So eine Verrenkung hatte sie zuletzt im Schulsportunterricht hinter sich gebracht. Sie war doch gelenkiger, als sie dachte.

Schnell warf sie einen Blick zurück auf das Gebäude. Sie hätte zu gerne das Gesicht von Pastor Krech gesehen, wenn er bemerkte, dass sie für heute schon weg war. >>Geschieht ihm ganz recht, dem alten Leuteschinder<<, murmelte sie in sich hinein, als sie den Umweg zur Bushaltestelle nahm, um nicht doch noch vom Gebäude aus gesehen zu werden.

Abellus jubelte innerlich. Das war es! Ein Knochen zum um den Hals hängen. Oh, Holda würde mehr als zufrieden mit diesem Geschenk sein. Was für ein schönes Kleinod war das! Abellus betrachtete den winzigen Knochen zwischen seinen Fingern. Dieser Knochen war mit Schriftzeichen versehen, was ihm ein besonders Aussehen verlieh. Am oberen Teil hatte jemand ein Loch gebohrt und ein Kette war hindurch gezogen worden. Diese Kette war silbern und bestand aus vielen, kleinen Einzelteilen. Wie hübsch!

Völlig entzückt ließ Abellus seinen Fund in den hereinfallenden Sonnenstrahlen tanzen. Dieses Menschen hatten wahre Schätze! Nun, dass hatte er ja schon oft festgestellt. Aber dieses hier, war etwas Kostbares. Das war ihm klar, sonst hätten sie es nicht in einem schönen, mit bunten Steinen verziertem Kästchen aufbewahrt und zudem das Ganze in eine Glasvitrine gelegt.

Zum Glück ließ sich die Glastür ganz leicht öffnen. Und so musste Abellus nichts kaputt machen, um an das Kästchen mit Inhalt zu kommen.

Er überlegte einen Moment, ob er das hübsche Kästchen auch noch mitnehmen sollte, entschied sich aber dagegen. Er wollte den Menschen ja keinen Herzinfarkt bereiten. Sollten sie das Kästchen behalten, er nahm das Knöchelchen mit der Kette daran mit. So sollte es sein.

Doch da fiel ihm noch etwas ein. Meistens gab es in dem Schränkchen schräg gegenüber eine glänzende Schale mit Plätzchen drin. Gut, die waren nicht besonders lecker. Eher etwas fade im Geschmack und eigentlich fast geschmackslos, aber sie knisterten schön, wenn man sie im Mund langsam zergehen ließ. Danach waren sie etwas labbrig, aber das Esserlebnis war einmalig. Abellus hatte noch nie so etwas gegessen, bevor er die Dinger entdeckt hatte. Und für die Menschen schienen diese, makellos weißen, runden, sehr dünnen Dinger auch etwas Besonderes zu sein, sonst würden sie diese nicht in der glänzenden Schale mit einem sauberen, weißen Tuch drüber, aufbewahren.

Abellus holte die Schale aus dem Holzschränken, in dem auch der Becher, der nun eine Beule hatte, aufbewahrt wurde. Er hob das weiße Baumwolltuch hoch und sah erfreut, dass noch drei Plätzchen für ihn drin waren. Eins aß er sofort und die zwei anderen wollte er Holda mitbringen. Die freute sich nämlich auch immer, wenn er etwas Ungewöhnliches zum Essen aus der Menschenwelt ihr mitbrachte.

Das kreisrunde, weiße Ding knackte, als er drauf biss. Er hatte gesehen, dass der Mann von Vorne, manchmal bei den Versammlungen im großen Raum, eins davon in die Höhe reckte und dabei was sagte. Abellus konnte aber nie den Sinn verstehen. Auch das musste ein Ritus sein, hinter dessen Bedeutung er wohl nie kommen würde.

Das Urvieh

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