Читать книгу Orlando* - Marisa Wendt - Страница 3

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WIEDERERWACHEN (Sz. 0)

Erzählendes

Ich spür die Blicke, wissen Sie? So sehr blenden die Scheinwerfer nicht; ich spür das, ich spür das alles. Warum belegen Sie jetzt eigentlich ausgerechnet mich mit diesen Erwartungen? Liegt's an meinem Äußeren? Seh ich so aus wie ein Erzähler? – oder eine Erzählerin? - denn an meinem Geschlecht besteht kein Zweifel, auch wenn die Mode der Zeit dazu beiträgt, es zu verbergen. Vielen Dank, sag ich da. Ich hab nicht drum gebeten. Ich hab nicht gebeten um diesen Körper und dieses Wesen und dieses Leben, ich hab mich da nur eingefunden, weil mir nichts Anderes übrig blieb; wer weiß, wie lang ich dieses Leben habe, wie lang ich diese Rolle spiele und was danach kommt. Da ist es doch weitaus vernünftiger, das Beste draus zu machen ... das heißt aber noch lange nicht, dass ich hier den Erzählkasper geben muss, nur weil ich so aussehe.

Gut, vielleicht messe ich dem auch selbst zu viel Gewicht bei. Vielleicht liegt's auch nur an meiner zufälligen Position im Raum, dass jetzt alle so schauen.

Orlando!

Ja, da muss jetzt niemand die Augenbrauen hochziehen; das ist schließlich der kleinste gemeinsame Nenner, auf den wir uns hier alle geeinigt haben. Das ist schließlich die Geschichte, die hier von mir erwartet wird, also tun Sie mal nicht so, als wüssten Sie nicht, wo Sie hier gelandet sind.

Orlando!

Ich rufe nur.

Orlando!

Um genau zu sein: Ich rufe die Orlando, den Orlando, der in der Lage ist, diese Geschichte hier zu beginnen; den Orlando, der ein gewisses Verständnis hat für die hormonellen Abgründe im Körper sechzehnjähriger Jungen, die auf abgetrennte Köpfe von Afrikanern einschlagen, wie's der Orlando bei Virginia Woolf direkt innerhalb des ersten Satzes mit Leidenschaft tut, weiß der Geier, wo da der Trainingseffekt sein soll ... und wahrscheinlich kann ich wirklich niemanden herbeirufen, der den Reiz dieses Spiels nachvollziehen kann, aber vielleicht krieg ich zumindest einen sechzehnjährigen Jungen, denn außer sechzehnjährigen Jungen kann niemand ein tieferes Verständnis von den Innenwelten sechzehnjähriger Jungen haben, ich jedenfalls ganz bestimmt nicht, und nein, Sie auch nicht – vergessen Sie es, schminken Sie es sich ab, kein Erzähler kann das leisten ... deshalb müssen wir uns wohl damit abfinden, dass hier die Geschichte eines anderen erzählt wird,. Wenn ich nur zumindest für diese Erzählung einen kompetenten Ansprechpartner –

Orlando! Orlando ...!

Kein Grund für schiefe Blicke; bei Virginia Woolf funktioniert das auch.

Orlando!

Ola

Robert!

Erzählendes

Orlando!

Ola

Robert, hier drüben!

Erzählendes

Sechzehn Jahre alt. Weiblich. Zielstrebig, bescheiden, pragmatisch. Gute Schulnoten. Ist nicht mit sich im Reinen, verweigert aber den Kampf mit sich selbst. Kämpft stattdessen stellvertretend für die Rettung der Welt. Hält sich selbst nicht für wichtig. Würde im Leben nicht auf die abgehackten Köpfe unterprivilegierter Minderheiten einschlagen. Was schauen Sie so erwartungsvoll? Das ist nicht, was ich suche.

Robert gesellt sich zu Ola.

Ola

Da bist du ja, Robert! Ich hab dich gesucht.

Erzählendes

Dieser hingegen ... Sechzehn Jahre alt. Männlich. Schöne Beine.

Orlando*

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