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5. Juli 1995, Mittwoch, 7.00 Uhr Essen Frohnhausen

Lüppi, Torti und Petra saßen zusammen bei einer ersten Tasse Kaffee. Beide wollten wissen wie sie geschlafen hatte. Sie sagte ihnen, dass ihr jetzt bewusst geworden wäre, in was für einem schlechten Zustand ihre eigene Matratze wäre. Sie müsste sich nach einer neuen umsehen. Während alle drei darüber sprachen, schellte das Telefon. Torti stand auf und ging dran.

„Beise, äh, ich meine Lüpke.“

„Guten Tag, Frau Lüpke, hier ist die Polizei aus Herne. Wir suchen die Kollegin Petra Wilkerling. Von ihrer Nachbarin haben wir erfahren, dass sie sich bei Ihnen aufhalten soll. Ist das richtig?“

„Ja, stimmt. Möchten Sie sie sprechen?“

„Ja, bitte.“

Torti sagte Petra wer am Telefon war und hielt ihr den Hörer hin.

„Wilkerling.“

„Guten Tag, Kollegin. Wir müssen dir etwas mitteilen. In der Nacht ist in deiner Wohnung eingebrochen worden.“

Petra stockte der Atem. Sie konnte zuerst nichts sagen, was Lüppi und Torti sahen.

„Kollegin, bist du noch dran?“, fragte der Herner Polizist.

„Ja. Wie schlimm ist es?“

„Es ist nicht mehr viel ganz. Der Mann muss wohl einen Baseballschläger dabeigehabt haben. Mit dem hat er sich ganz schön ausgetobt. Tut mir leid, dass ich dir am frühen Morgen so etwas mitteilen muss.“

„Woher wisst ihr, dass es ein Mann mit einem Baseballschläger war?“

„Hat ein älterer Herr von der anderen Straßenseite gesagt. Der hat uns auch verständigt.“

„Ich komme zur Wohnung“, sagte sie und verabschiedete sich.

Lüppi machte sofort den Vorschlag, sie nach Hause zu fahren. Sie meinte, das wäre nicht nötig. Ihr Vater ließ sich aber nicht davon abbringen. Torti nahm ihre Stieftochter in den Arm und tröstete sie. Bevor beide das Haus verließen, sagten sie noch nebenan Bescheid. Heike und Gördi waren entsetzt. Gördi stellte die Frage, die Lüppi auch schon hatte. Wieso hatten die Nachbarn nichts von dem Lärm gehört?

Mittwoch, 8.20 Uhr Herne

Lüppi und Petra trafen vor dem Wohnhaus ein. Ein Streifenwagen war noch vor Ort. Als sie das Haus betraten sah Lüppi auf die vier Klingeln. Die Kollegen warteten in der Wohnung. Petra begrüßte sie und stellte sich und Lüppi vor. Lüppi nickte nur, sagte aber nichts. Was Petra zu sehen bekam, war ein Schock für sie. Die meisten Möbel, das Porzellan ihrer Großeltern, die HiFi-Anlage, der Fernseher und weitere Dinge waren kaputtgeschlagen. Ihr kamen die Tränen und Lüppi versuchte sie zu trösten. Das war zwar gut und sie freute sich auch darüber, aber der Schmerz über die zerstörten Gegenstände war größer.

„Was meinst du, war das Agon?“, erkundigte sich Lüppi.

„Davon gehe ich aus.“

„Meinst du Agon Hamit, den wir vor zwei Tagen auf der Wache hatten?“, fragte einer der beiden Streifenbeamten.

„Ja, genau. Warum ist der eigentlich schon wieder auf freiem Fuß?“, wollte Petra wissen.

Beide Herner Polizisten zuckten mit ihren Schultern.

„Habt ihr die Nachbarn befragt?“

„Ja, haben wir. Fast alle waren gestern zum Tanzabend im Gemeindezentrum. Während der Zeit muss er hier gewesen sein. Oben war zwar noch eine ältere Dame, die hat aber nichts gehört, sie hatte ihr Hörgerät aus.“

„Und wie war das jetzt mit dem Nachbarn von gegenüber?“

„Der hat uns um 22.30 Uhr verständigt. Der Kollege hat aber nichts weiter unternommen, da er nicht damit gerechnet hat, dass der Mann mit dem Baseballschläger etwas angestellt haben könnte, weil sich sonst niemand gemeldet hat. Deine direkte Nachbarin hat um 6.30 Uhr die aufgebrochene Wohnungstür gesehen als sie die Tageszeitung aus dem Briefkasten holte. Sie hat uns angerufen.“

„Dieses Arschloch, wenn ich den in die Finger bekomme, dann…“, sagte eine aufgebrachte Petra und wurde von Lüppi unterbrochen.

„Tust du bitte nichts. Die Kollegen oder wir bekommen den schon, denn schließlich wohnt der in Altenessen. Das fällt in den Zuständigkeitsbereich der Kriminalinspektion 3. Ja, Petra?“

„Mmh.“

„Ist das klar?“

„Ja“, antwortete sie und schaute ihn grimmig an.

Lüppi sah zu den beiden Kollegen, dann zu ihr, nahm sie in den Arm und ergänzte noch.

„Du solltest jetzt deine Anziehsachen und alles was wichtig ist einpacken. Ich schlage vor, zu ziehst jetzt zu uns.“

Petra sah Lüppi erstaunt an.

„Ist das jetzt dein Ernst?“

„Na, klar.“

„Und was sagt Torti dazu?“

„Die wird sich freuen, dass sie zwei hat, die sie bemuttern kann. Das ist schon so in Ordnung.“

Es dauerte noch eine halbe Stunde bis die Spurensicherung aus Bochum kam. Nach einer Stunde waren die Kollegen fertig. Zum Ausschluss hatten sie die Fingerabdrücke von Petra genommen. Ein Schlüsseldienst kam und sicherte die Wohnungstür. Petra packte ihre Anziehsachen in zwei Koffer, die sie von ihren Großeltern hatte. Dann nahm sie noch zwei Ordner mit Schulzeugnissen und anderen wichtigen Unterlagen mit. CDs und ihr alter Teddy durften nicht fehlen. Als sie alles im Auto verstaut hatten und bereit zur Abfahrt waren sah sie Lüppi an. Er sah sie an.

„Ja, was ist?“

„Danke, dass du für mich da bist und ihr mich bei euch aufnehmt. Außer Oma und Opa hat das noch nie jemand für mich getan.“

„Ich lass doch meine Tochter nicht hängen“, erwiderte Lüppi.

„Ich habe dich lieb, Papa“, sagte sie und gab ihm einen Kuss auf die Wange.

Er sah sie an und wusste, es war das erste Mal, dass sie so etwas zu ihm gesagt hatte. Eine dreiviertel Stunde später waren beide in der Kölner Straße zurück und luden ihre Sachen aus. Als sie fertig waren und alles in das alte Kinderzimmer von Dirk abgestellt hatten, rief sie Torti im Büro der Schreinerei an. Sie sagte ihr, was geschehen war und was Lüppi vorgeschlagen hatte. Torti freute sich wie vorhergesagt. Sie war glücklich über die Entwicklung mit den beiden und ihr kamen die Tränen als sie an ihr Zuhause dachte. Er nahm sie erneut in den Arm und drückte sie. Beide sahen einander an und sie sagte zu ihm.

„Ich habe dich von Anfang an gemocht.“

„Ich dich auch und es war bei dir das erste Mal, dass ich so etwas wie Vatergefühle bekommen habe. Ganz ehrlich, ich konnte gar nichts damit anfangen…“, sagte er und zögerte weiter zu sprechen.

„Was möchtest du mir sagen?“, fragte sie ihn.

„Ich habe dich auch sehr lieb, meine Tochter.“

Beide strahlten einander an.

Mittwoch, 11.25 Uhr Polizeipräsidium Essen

Als beide endlich im Büro ankamen war niemand da. Auf dem Schreibtisch von Petra lagen ein Notizzettel und ein Obduktionsbericht. Eckerhard kam kurz nach ihnen ins Büro.

„Die beiden haben mir erzählt, was in deiner Wohnung passiert ist“, sagte er und ging zu Petra. „Wie schlimm ist es?“

„Eine Vollkatastrophe. Ganz vieles zerstört“, antwortete Petra kurz.

Eckerhard verzog sein Gesicht und wollte wissen, was alles kaputtgegangen war. Sie erzählte es ihm und Eckerhard wollte den Tathergang erfahren. Sie berichtete von dem, was die Kollegen gesagt hatten und das Lüppi und sie Agon Hamit als Täter vermuteten. Eckerhard fragte nach, ob das nicht auch der Typ sei, der Mariannes Sohn den Arm angebrochen und den Wagen demoliert hatte. Sie bestätigte es und er sagte ihr, er würde mal mit den Kollegen aus der Inspektion 3 sprechen. Sie bedankte sich und nahm den Zettel in die Hand und las laut vor.

Stefanie und Horst waren hier. Sie hat den Obduktionsbericht von Lieselotte Maxfield gebracht. Es war Mord. Horst hat DNA und Fingerabdrücke im Haus sichergestellt, die er aber nicht zuordnen kann. Ein Notar namens Herr Apmann hat sich gemeldet. Er wollte etwas zu dem Tod von Herrn Eckhoff wissen. Laut dessen Aussage gibt es ein Testament, in dem es um etwas Wertvolles gehen soll. Er hat vom Tod seines Mandanten erfahren, weil Frau Eckhoff den Tod ihres Mannes bei ihm und der ‚Westfalen Versicherung‘ gemeldet hat. Herr Eckhoff war vor zwei Monaten bei ihm und hat sein Testament geändert, da er ihm zu diesem Zeitpunkt etwas Vertrauliches erzählt hat. Daher kommt dem Notar jetzt der Tod von ihm sehr bedenklich vor. Wir fahren zu ihm. Gruß Heike

„Das ist ja eine interessante Entwicklung“, sagte Lüppi.

Petra nahm den Obduktionsbericht und schlug die letzte Seite auf.

„Todesursache: Die Todesursache ist ein Herzinfarkt. Dem Opfer wurde eine Überdosis Insulin am Hinterkopf verabreicht, was zu einer Unterzuckerung und zum Tod führte“, las Petra vor.

„War sie denn Zuckerkrank?“, fragte Eckerhard.

„Einen Augenblick“, sagte sie und blätterte den Bericht von Anfang an durch. Nach einer kurzen Weile hatte sie die entsprechende Textstelle gefunden.

„Nein, sie hatte kein Diabetes.“

„So einen Fall hatten wir noch nicht“, sagte Eckerhard.

„Oder wir haben es nicht erfahren“, bemerkte Lüppi.

„Das wollen wir mal nicht hoffen.“

„Ach, übrigens, es gibt etwas Neues von unserer Sonderermittlerin“, sagte Lüppi und erzählte Eckerhard von dem, was Torti im Kulturteil der Zeitung Bayern-Nachrichten über den Maler Franz Haidinger gelesen hatte. Er staunte als er es hörte und wiederholte seine Äußerung, wie wertvoll sie immer wieder für die Ermittlungen sei.

„Was macht ihr jetzt?“, erkundigte er sich.

„Petra, was machen wir jetzt?“, fragte Lüppi weiter.

„Wir fahren jetzt nach Düsseldorf und sprechen mit dem Sachverständigen für Gemälde, schlage ich vor.“

„Jetzt weißt du es“, sagte Lüppi und schaute zu Eckerhard.

„Na, dann lass ich euch zwei einmal alleine“, erwiderte er und ging wieder.

Petra rief die Auskunft an und ließ sich die Rufnummer aus Düsseldorf geben. Nach einem Anruf dort, legte sie für Heike und Gördi einen Zettel hin und sie machten sich auf den Weg.

Mittwoch, 14.10 Uhr Düsseldorf Carlstadt

Beide hatten sich mit der Hinfahrt Zeit gelassen, da ihnen bewusst geworden war, dass es das erste Mal war, dass sie beide alleine waren, seit der Erkenntnis Vater und Tochter zu sein. Seit der Hochzeit hatten beide keinen Augenblick für sich gehabt. Lüppi bemerkte wie glücklich sie war endlich ihren Vater gefunden zu haben. Aber auch er konnte seine späten Vaterfreuden kaum glauben. Beide hatten sich so viel zu erzählen und Lüppi hatte den Vorschlag gemacht unterwegs in Breitscheid an einer Imbissbude anzuhalten und eine Currywurst zu essen. Beide kamen also erst über eine Stunde später an der Adresse der Kunst-Gutachter & Sachverständigen an. Das Haus befand sich in der Wasserstraße direkt gegenüber von dem kleinen See mit dem Namen Schwanenspiegel. Lüppi hielt den Mercedes in der Einbahnstraße auf der linken Seite an. Sie überquerten die Straße und schellten an. In den Büros angekommen hatte einer der beiden Inhaber, Herr Pätzold, direkt Zeit für sie. Lüppi ließ Petra den Vortritt, um den Grund ihres Besuches mitzuteilen. Herr Pätzold war erschüttert als er hörte, dass der ‚Königsee‘ verschwunden war.

„Was war Franz Haidinger für ein Maler?“ fragte sie Herrn Pätzold.

„Einer der besten Alpen-Maler seiner Zeit. Ein Genie am Pinsel.“

„Können Sie sie sich noch an das Gemälde ‚Königsee‘ erinnern?“

„Ja, sehr gut sogar. Das Bild ‚Liebe am Königsee‘ werde ich nicht vergessen. Eine solche feine Pinselführung habe ich seitdem nur einmal noch gesehen. Die Ausdrucksstärke der Farben und die enorme Liebe zum Detail sind mir im Gedächtnis geblieben. Alleine schon die seichten Wellen und das Schimmern der Wasseroberfläche, dazu der blaue Himmel mit den Schäfchen-Wolken. Ein absolutes Meisterwerk. So etwas konnte nur Franz Haidinger malen.“

„Wir hören aus Ihrer Aussage, es ist ein ganz besonderes Gemälde“, bemerkte sie.

„Auf jeden Fall, aber nicht nur das. Ich hatte auch das unbeschreibliche Glück ‚Wiedersehen am Zeller See‘ begutachten zu dürfen. Ein famoses Kunstwerk. Wenn man das einmal gesehen hat, vergisst man die beiden nie mehr. Für mein Dafürhalten sind es die Höhenpunkte seines Schaffens gewesen. Leider war es mir bis jetzt nicht vergönnt die beiden anderen Meisterwerke sehen zu dürfen.“

„Wissen Sie, wie die beiden anderen heißen?“, erkundigte sie sich.

„Aber natürlich. ‚Treffen am Wolfgangsee‘ und ‚Freude am Traunsee‘.“

„Warten Sie einmal bitte“, sagte Petra und holte den besagten karierten Block und den Bleistift aus ihrer Hosentasche.

„Können Sie mir die vier Namen bitte noch einmal sagen?“

„Ja, klar doch. In der richtigen Reihenfolge. Das erste Gemälde ist ‚Treffen am Wolfgangsee‘ dann kommt ‚Wiedersehen am Zeller See‘ gefolgt von ‚Freude am Traunsee‘ und ‚Liebe am Königsee‘. Alle vier Werke zusammen heißen ‚Die Liebe der vier Seen‘.“

„Da lag Torti mit ihren ‚Vier Seen Liebe‘ gar nicht so falsch“, meinte Lüppi kurz.

Herr Pätzold sah ihn an, fragte aber nicht nach.

„Wir haben gehört, die Kunstwerke von Franz Haidinger werden zwischen fünf und fünfzigtausend DM gehandelt.“

„Ja, die anderen, aber vor dem Zeitungsbericht von den Bayern-Nachrichten. Seit der Reportage über Franz Haidinger gehen die Preise durch die Decke. Zum Beispiel die Aquarelle werden jetzt nicht mehr unter zehntausend gehandelt. Bei einer Auktion in Wien, im letzten Monat, ist das Bild ‚Leben in Hallstadt‘ versteigert worden. Was glauben Sie war ein Schweizer Kunstsammler bereit dafür zu bezahlen?“

„Keine Ahnung. Einhunderttausend DM?“, schätzte Petra.

„Das war die Einstiegssumme. Der Hammer fiel bei sechshundertvierzigtausend DM. Das ist ein neuer Rekord für einen Haidinger.“

„Oh, mein Gott“, entfuhr es Petra.

„In Ordnung und was schätzen sie, würden die vier Bilder zusammen bei einer Auktion bringen?“, wollte Lüppi wissen.

„Die Wahrscheinlichkeit, dass alle vier Meisterwerke wieder zusammenkommen, ist sehr unwahrscheinlich, da ja schon Frau Holzgrefe nicht sagen konnte, wo ihr Ehegatte die anderen drei hingegeben hat. Sie durfte nur das eine behalten.“

„Frau Holzgrefe? Hieß sie mit Vornamen Johanna?“, fragte Petra.

„Ja, genau. Johanna Holzgrefe. Die große Liebe von Franz Haidinger. Mit vierunddreißig Jahren ein Bild von einer Frau. Er soll sie gemalt haben, heißt es. Es hat aber nie jemand das Gemälde von Johanna gesehen.“

„In Ordnung, was schätzen Sie denn trotzdem?“, fragte Lüppi noch einmal.

„Nicht unter 1,5 Millionen“, sagte Herr Pätzold.

„Wie bitte? 1,5 Millionen DM für vier Bilder?“, fragte Petra nach.

„Nein, nicht für vier, für eines der vier Meisterwerke.“

„Wollen Sie uns sagen, alle vier Bilder zusammen wären 6 Millionen DM wert?“, fragte nun auch Lüppi nach.

„Alle einzeln… zusammen, ja“, sagte Herr Pätzold, sah beide an und sagte weiter. „Alle vier zusammen gleichzeitig auf einer Auktion, das mag ich mir gar nicht vorstellen. Das würde die Sensation des Jahrhunderts werden. Ein unvorstellbares Ereignis wäre das. Da reichen die 6 Millionen auf gar keinen Fall, das würde bestimmt eine zweistellige Millionen Zahl werden.“

„Ich glaube, ich ahne den Grund für den Mord an Frau Maxfield“, sagte Lüppi.

„Das glauben Sie jetzt aber auch nur. Denn Sie wissen ja nicht, was die Gerüchte noch besagen.“

„Verraten Sie es uns“, bat Lüppi.

„Ein Reporter aus Salzburg, sein Name war Steiner, hat ein Interview mit Franz Haidinger geführt und dabei einige Fotos geschossen. Das war wenige Tage bevor er die vier besagten Gemälde Johanna Holzgrefe nach Hause ins Ruhrgebiet brachte. Sie wohnte mit ihrem Ehemann in Essen Margarethenhöhe. Dieser Herr Steiner hat nach der Abreise von Herrn Haidinger seine Reportage in der Zeitung mit einem Foto veröffentlicht.“

„Das war das Foto, welches auch in den Bayern-Nachrichten war“, ergänzte Lüppi die Aussage.

„Ja, richtig. Ich höre, Sie haben ihre Hausaufgaben gemacht“, sagte Herr Pätzold. „Beim Fotografieren von dem Herrn Steiner hat es ein Foto gegeben, was er aus Versehen geschossen hat. Das Foto zeigt ein Gemälde von hinten, welches es ist, weiß niemand. Auf dem Foto lässt sich erkennen, dass sich zwei Leinwände auf einem Keilrahmen befunden haben. Also müssen zwei Gemälde aufeinander gewesen sein. Ahnen Sie, was das heißt?“

„Das es sich um das nicht bekannte Bild von Johanna gehandelt haben könnte“, antwortete Lüppi.

„Richtig, es geht also im Grunde genommen nicht um vier Werke, sondern um fünf. Hinzu kommt noch, das fünfte kennt keiner und dieses hat noch niemand gesehen. Die Vermutungen in Fachkreisen gehen in alle Richtungen. Herr Steiner hat nach einigen Jahren sogar behauptet, es hätten alle vier Keilrahmen zwei Leinwände gehabt. Wenn das stimmen sollte, würde es sich um acht Werke handeln.“

„Daher Ihre Annahme, dass die Preise für alle vier Seen-Werke in astronomische Höhen steigen würden“, sagte Petra.

„Wann hat Herr Haidinger die Reise mit den vier Bildern nach Essen unternommen?“, fragte Lüppi.

„1935. Ein Jahr zuvor war Johanna für zwei Monate zur Kur im Salzburger Land. Beide haben sich dann das erste Mal am Wolfgangsee getroffen.“

„Mann oh Mann. Das sind aber viele Mordgründe“, sagte Lüppi.

„Was ich Ihnen jetzt sage, dürfen Sie auf keinen Fall niederschreiben, in einem Bericht erwähnen oder sonst irgendwie verbreiten, ja? Versprechen Sie mir das?“, fragte Herr Pätzold.

„Versprochen“, bestätigte sie und Lüppi nickte zustimmend.

„Als ich vor fünfzehn Jahren das Werk ‚Liebe am Königsee‘ bei Johanna Holzgrefe in Bredeney begutachtet habe, hat sie mir im Vertrauen erzählt, das ihr Franz einen Brief mitgebracht habe. Sie selbst hat den Brief leider nur einmal lesen können und dann noch nicht einmal alles. Die letzten beiden Zeilen des Briefes hat sie nicht mehr geschafft, da ihr Ehemann ihr den Brief weggenommen hat. Sie selbst konnte sich nur noch wage daran erinnern“, sagte Herr Pätzold, sah sich anschließend nach allen Seiten um und sagte weiter. „Sie hat sagte, sie wüsste noch, Franz hat in dem Brief geschrieben, dass er ihr einen kleinen Schatz in Werden in Lud… weiter konnte sie nicht lesen. Sie hat später versucht den Brief zu finden und überlegt, was Lud geheißen haben könnte. Ihr Mann hat sie des Öfteren geschlagen und ihr jeglichen weiteren Kontakt mit Franz verboten. Herr Holzgrefe ist an der Ostfront im zweiten Weltkrieg 1944 gefallen. Viele Jahre nach dem Krieg hat sie versucht Franz irgendwie zu erreichen, sie hatte aber nicht die Möglichkeit und nicht das Geld dafür. Beide haben sich nie wiedergesehen.“

„Wann ist Franz Haidinger gestorben?“, fragte Petra.

„Am 14. November 1964 im Spital von St. Johann im Pongau. Leider sehr einsam. Auf seiner Beisetzung waren nur der Pastor und der Friedhofsgärtner.“

„Ach, du Scheiße“, entfuhr es Lüppi.

„Wie grausam, vor allen Dingen für die beiden“, meinte Petra.

„Sie sagten zu Anfang unseres Gespräches, dass Sie das unbeschreibliche Glück gehabt haben das Bild ‚Wiedersehen am Zeller See‘ begutachten zu dürfen. Jetzt zu meinen Fragen. Wann war das und für wen?“, fragte Lüppi und sein Gesichtsausdruck veränderte sich leicht.

Petra sah ihren Vater und Vorsetzten an und sie bemerkte, das war der viel beschriebene Moment, von dem sie schon gehört hatte.

– Jetzt fängt er an zu ermitteln. – dachte sie.

„Das ist jetzt vier Jahre her und es war in Mülheim an der Ruhr. Das Ehepaar hieß… einen Augenblick, ich sehe nach“, sagte er und nahm einen Ordner aus einem Schrank. Schlug einige Seiten um, sah auf eine Hülle und meinte.

„Ich habe es. Eckhoff. Das Ehepaar hieß Eckhoff. Der Mann war schon sehr krank und konnte nicht mehr. Beide wollte ihren Nachlass für die Tochter und den Sohn regeln.“

„Sie haben in dem Ordner bestimmt ein Duplikat des Gutachtens, oder?“, fragte Lüppi.

„Möchten Sie eine Kopie?“, kam die Rückfrage.

„Gerne.“

Herr Pätzold entnahm eine Prospekthülle aus dem Ordner und holte das Gutachten heraus. Er machte eine Kopie und gab sie Petra, die die Hand aufhielt.

„Neunzigtausend DM? So viel? Das andere hatte einen Wert von zwölftausend. Das hier ist ja viel höher?“

„Das Gutachten ist ja auch elf Jahre jünger. Was ich heute schreiben würde, können Sie sich denken“, meinte Herr Pätzold.

„Wissen Sie sonst noch etwas über das Ehepaar Eckhoff?“, erkundigte sich Lüppi.

„Ja, der Sohn hat sich letztes Jahr im Herbst bei mir gemeldet und wollte wissen, ob der Wert von Neunzigtausend noch einigermaßen stimmen würde. Ich habe ihm gesagt, dass es jetzt über einhunderttausend DM liegen würde. Vor einem Jahr konnte niemand die jetzige Entwicklung und diesen Anstieg absehen. Er hat mir gesagt, dass seine Mutter inzwischen in einem Altenheim leben würde.“

„Der Sohn hieß Joachim Eckhoff?“

„Mmh… ja, ich glaube Joachim war der Vorname.“

„In Ordnung. Sonst noch etwas, es kann alles von Interesse sein.“

„Nichts, was mir im Augenblick einfallen würde.“

„Ich gebe Ihnen mal meine Visitenkarte, falls Ihnen doch noch etwas einfällt“, sagte Petra und hielt sie ihm hin.

Nach weiteren Wortwechseln zum Thema Kunst im allgemeinem bedankte sich Lüppi und beide verabschiedeten sich wieder.

Mittwoch, 16.00 Uhr Polizeipräsidium Essen

Petra und Lüppi trafen im Büro auf Heike und Gördi. Heike wollte sofort von dem Gespräch mit dem Notar erzählen. Lüppi und Petra setzten sich an den Besprechungstisch und die beiden gesellten sich dazu.

„Also“, fing sie an. „Wir waren bei dem Notar Apmann. Er hat uns zwar nicht das Testament gezeigt, aber uns über den Inhalt informiert. Die Mutter von Joachim Eckhoff hat nach ihrem Tod, sie ist kurz vor Silvester letzten Jahres verstorben, ihm ein Gemälde hinterlassen. Und jetzt ratet mal, was das für ein Gemälde ist.“

„Du oder ich?“, fragte Lüppi in Richtung Petra.

Sie nickte in seine Richtung.

„Das ist jetzt einfach. Das Gemälde ist von Franz Haidinger. Es heißt ‚Wiedersehen am Zeller See‘. Es ist das zweite von den vier berühmten Gemälden ‚Die Liebe der vier Seen’, was er für seine große Liebe, Johanna Holzgrefe, gemalt hat“, antwortete Lüppi.

„Ja, jetzt leck mich doch am Arsch“, entfuhr es Gördi. „Woher weißt du das denn schon wieder?“

„Das kann ich dir sagen, mein Gerhard“, antwortete Heike. „Die beiden waren in Düsseldorf bei dem Gutachter.“

„Na, Klasse.“

„Erzähl weiter“, bat Petra.

„Die verstorbene Frau Eckhoff hat in einem Reihenhaus gelebt, was sie der Tochter hinterlassen hat. Die Tochter heißt Jutta und sie wohnt heute in dem Haus. Sonst waren keine großen Werte vorhanden“, berichtete Heike weiter.

„Was hat der Notar denn noch zu der Testamentsänderung von Joachim Eckhoff gesagt?“, fragte Petra.

„Er hat sich so geäußert, dass er seine Ehefrau als Alleinerbin aus dem Testament genommen hat. Sein Sohn und seine Frau bekommen jetzt nur den Pflichtteil. Das Gemälde soll an ein Museum gehen, was der Notar bestimmen soll. Allerdings mit der Auflage, dass es immer der Öffentlichkeit zugänglich ist. Dann gibt es noch ein altes englisches Auto, es soll wohl ein Morgan Plus 8 sein, das erbt der Werkstattinhaber, der den Wagen immer gewartet hat“, sagte Heike.

„Auch nicht schlecht. Was für ein Denkzettel“, war die Reaktion von Lüppi.

„Komisch ist aber, dass seine Freundin Sybille nicht bedacht worden ist, oder?“, fragte Petra.

„Stimmt, an die haben wir noch gar nicht gedacht“, gestand Gördi.

Peter kam aus dem Archiv zurück und sah die vier am Besprechungstisch sitzen. Er schaute etwas abfällig, was Lüppi nicht entging.

„Die beiden unterschiedlichen Aussagen sind ja sowieso sehr merkwürdig. Fragt sich nur, wie wir herausbekommen, welche Version die Richtige ist?“, fragte Heike.

„Wahrscheinlich doch die von der Freundin“, meinte Gördi.

„Vielleicht auch nicht, wenn ich an das Testament denke“, erwiderte Petra und sah zu Lüppi.

„Ja, bitte? Was möchtest du sagen?“, war seine Reaktion auf die Blicke von ihr.

„Könnten wir nicht die Nachbarn befragen, ob der BMW von Herrn Eckhoff schon am Samstag oder erst am Sonntag dort gestanden hat?“, fragte Petra.

„Versuchen kann man das“, antwortete Lüppi.

„Aber?“

„Wo hat in der letzten Nacht der Sierra von Gördi in der Straße gestanden?“

„Das weiß ich doch… Mist.“

Lüppi sah sie an, machte ein beschämtes Gesicht und sagte dann aber.

„Versuche es trotzdem, wenn wir ganz viel Glück haben, hat es doch jemand behalten.“

„In Ordnung, dann fahre ich jetzt noch eben nach Heidhausen. Äh… geht nicht… ich habe kein Auto.“

„Ich komme mit“, sagte Gördi und stand auf.

Petra auch und wollte gehen.

„Bevor ihr zwei jetzt weg seid, hat Marion Eckhoff nicht davon erzählt, dass ihr Mann in Gelsenkirchen aufgewachsen ist?“, stellte Lüppi die Frage.

„Ja, hat sie gesagt“, bestätigte Gördi.

„Schaut ihr morgen bitte einmal wann das Ehepaar von Gelsenkirchen nach Mülheim gezogen ist und ob sie vorher auch schon ein Haus hatten?“, bat Lüppi.

Heike sah Lüppi fragend an und meinte dann zu ihm.

„Du möchtest wissen, wann sie an das Gemälde gekommen sind und in welchen finanziellen Verhältnissen sie gelebt haben, weil du dich fragst, wie es sich jemand leisten kann im Altenheim zu leben und trotzdem das Reihenhaus zu behalten, richtig?“

„Richtig.“

„Ich kümmere mich darum“, sagte sie.

„Dann finde ich morgen einmal heraus, wo sich das Gemälde vom Ehepaar Eckhoff oder besser gesagt, jetzt von Joachim Eckhoff im Augenblick befindet“, sagte Gördi.

Dann verließen die beiden das Büro. Eine Viertelstunde später machten auch die beiden anderen für den Tag Schluss. Peter blieb noch, was Lüppi zur Kenntnis nahm. Er nahm Heike im Mercedes mit nach Hause.

Mittwoch, 17.28 Uhr

Essen Frohnhausen

Lüppi betrat die Wohnung. Torti war kurz vorher gekommen und hatte drei Tassen auf den Couchtisch gestellt. Sie sah ihn an und fragte nach Petra. Er sagte ihr, dass sie später kommen würde und sie mit Gördi noch nach Heidhausen gefahren wäre. Beide nahmen sich in den Arm und küssten sich länger. Er erzählte ihr bei der Tasse Kaffee von dem Gutachter, Herrn Pätzold, und was sie von ihm gehört hatten. Anschließend erfuhr sie von dem Besuch der beiden bei dem Notar. Auch Torti fand es sehr merkwürdig, dass er seiner Ehefrau nichts außer dem Pflichtteil und seiner Freundin gar nichts hinterlassen hatte. Es war eine Stunde vergangen und beide waren in Spekulationen vertieft als es an der Wohnungstür pochte. Gördi, Petra und Heike standen dort.

„Wir wissen es“, sagte Petra ganz freudig, als Lüppi die Tür öffnete.

„Na, dann hereinspaziert.“

Alle drei setzten sich ins Wohnzimmer und Petra fing an zu erzählen.

„Wir sind zur ‚Grüne Harfe‘ gefahren und haben vier Häuser vor dem Haus der Eckhoff´s angefangen nach dem letzten Wochenende zu fragen. Rechts wie links konnte uns keiner etwas dazu sagen. Dann waren wir bei dem direkten Nachbarn zur linken Seite und der hat noch einmal nachgefragt, ob wir wirklich den letzten Samstag meinen. Wir haben das bestätigt und er meinte, wir sollten einmal hereinkommen“, sagte sie und machte eine kurze Pause. „Wir also ins Haus, da sagt er doch zu uns, er wüsste zwar nicht woran sein Nachbar gestorben wäre, aber wenn es kein natürlicher Tod gewesen sein sollte, dann würde es ihn nicht wundern, wenn das Marion gewesen wäre. Wir haben ihn gefragt, wie er darauf kommen würde, da erzählt er uns von letztem Samstagnachmittag. Herr Eckhoff hatte wohl den Renault und seinen BMW auf die Parksteifen vor beiden Häusern abgestellt gehabt, damit er den Morgan Plus 8 aus der Garage holen konnte. Er war dabei den Wagen zu polieren. Der Nachbar wollte mit seinem Wagen aus seiner Garage fahren, was aber nicht ging, weil, wie er sagte, die „Nuckelpinne“ vor der Ausfahrt stand. In dem Augenblick muss wohl Frau Eckhoff aus dem Haus gekommen sein und Herr Eckhoff hat seine Frau gebeten einmal ihren Wagen wegzusetzten. Da muss sie sich aufgeregt haben und hat ihn wohl auf das übelste beschimpft und ihn vor den Nachbarn heruntergeputzt. Herr Eckhoff hat sich danach bei seiner Frau entschuldigt und den Renault selbst bei Seite gesetzt. Als der Nachbar am späten Abend zurückkam stand der BMW noch immer auf dem Parkstreifen und der Renault wieder vor der Garage.“

„Das wäre meinem Ehemann nicht passiert“, prophezeite Torti und Lüppi sagte. „Du hättest mich erst gar nicht runtergeputzt, sondern den Wagen beiseitegesetzt.“

„Das heißt dann aber, die Version von Frau Eckhoff stimmt und Sybille Borgmeier hat euch angelogen“, resümierte Torti.

„Scheint so zu sein“, erwiderte Lüppi.

„Warum sagt du, scheint so zu sein?“, wollte Heike wissen. „Glaubst du nicht, dass es stimmt?“

„Ich habe da so noch meine Zweifel“, gestand Lüppi.

„Frau Borgmeier kam so glaubwürdig herüber“, ergänzte Gördi die Aussage.

„Möchtet ihr drei heute Abend bei uns essen?“, fragte Heike.

Torti sah zu Lüppi und Petra. Beide nickten. Torti sagte zu Heike, sie würde ihr dann mithelfen. Was Lüppi veranlasste Petra beim Auspacken zur Hand gehen zu wollen. Während die drei zu den beiden in die Wohnung nebenan gingen, packten Lüppi und Petra die Sachen in den leeren Schrank von Dirk´s altem Kinderzimmer.

„Auch wenn das für mich ja jetzt irgendwie ein Schritt zurück ist, wieder in ein Kinderzimmer zu ziehen, freue ich mich jetzt endlich Mama und Papa zu haben“, sagte sie.

Lüppi sah sie an und nahm sie in den Arm. Da Petra etwas kleiner war als er, gab er ihr einen Kuss auf die Stirn. Sie lächelte ihn an und drückte ihn wieder fest an sich.

Eine halbe Stunde später folgten die zwei den dreien. Gördi lehnte im Türrahmen der Küche und Heike und Torti waren dabei zu kochen, als sie dazu kamen.

„Schau mal, was dein Kumpel uns geschrieben hat“, sagte Gördi und hielt Lüppi einen Brief hin.

Lüppi sah ihn sich an.

„Ah, ihr bekommt morgen eine geheime Rufnummer“, sagte Lüppi. „Dann hört ja das anrufen von deiner Noch-Ehefrau auf.“

„Da bin ich auch sehr froh darüber“, bestätigte Gördi.

„Und ich erst einmal“, sagte Heike.

„Stimmt“, sagte Torti und sich zu Lüppi wendend. „Wir hatten heute auch einen Brief im Kasten. Dein alter Telefonanschluss ist heute abgeschaltet worden.“

„Das geht aber alles sehr schnell bei euch“, gestand Petra.

„So ist das, wenn man einen Freund hat, der die richtigen Leute kennt“, antwortete Gördi.

„Dann muss du jetzt damit rechnen, dass deine Noch-Ehefrau irgendwann vor der Tür steht“, befürchtete Torti.

Kommissar Lüppi - Band 3

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