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Roberts Abend in St. Moritz

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Februar 2011

Mein Jagdinstinkt riet mir eigentlich zur prallen Blondine. Die versprach etwas versauteren Sex als die Dunkelhaarige, die dafür zu schön schien. Aber die Blondine verschwand nach einer halben Stunde plötzlich. Kein Plan, womit ich die vertrieben hatte. Die Zweite, die sich mit »Cristina« vorstellte, war alles andere als ein Trostpreis. Wissen Sie, was ich auf Anhieb bei ihr ganz bezaubernd fand – und bei Gelegenheit auch heute noch bezaubernd finde? Die kleinen Grübchen bei den Mundwinkeln, die sich zeigen, wenn sie lacht. Nun gut, vielleicht hat sie heute nicht mehr so viel Grund zum Lachen wie an jenem ersten Abend in St. Moritz. Der Gin jedenfalls machte mich gesprächiger als üblich. Für einmal schaffte ich es auch, den Mund zu halten und zuzuhören, als sie von ihrer schweren Jugend im italienischen Hinterland erzählte. Und als die Rede auf ihre früh verstorbene Mutter kam, setzte ich sogar meinen legendären Dackelblick auf. Wie gesagt: Ich war in Hochform an diesem Abend.

So kam eins zum anderen. Verlangen Sie jetzt keine schlüpfrigen Details aus jener Nacht. Ich mag mich tatsächlich an nichts mehr erinnern, kein Wunder nach acht Gins für mich und fünf für Cristina, wie die Hotelrechnung später dokumentierte. Als ich aufwachte, fühlte es sich jedenfalls richtig an. Zum ersten Mal seit Gabrielas Tod. Nicht dass Sie denken, ich sei das erste Mal seit anderthalb Jahren neben einer anderen Frau aufgewacht. Aber es fühlte sich anders an, weniger falsch. Sonst ergriff ich meist so schnell es ging die Flucht. Mit Cristinas warmem Körper in der Nähe wurde ich ruhig. Entspannte mich. Schaute am Morgen dem makellosen Gesicht beim Schlafen zu. Und war einfach glücklich. Der Winterberg, verliebt? Ja, lachen Sie ruhig. Das trauen Sie dem alten Zyniker wohl nicht zu! Dabei verehre ich die Frauen. Sie inspirieren mich, sie treiben mich an. Der ganze Erfolg, der Ruhm, die Ehre, das Geld. Das ist nicht für mich oder meine beiden, leider ziemlich missratenen, Kinder. Das war und ist für die Frauen an meiner Seite.

Als Cristina und ich uns in den folgenden Monaten die ersten Male zusammen in der Öffentlichkeit zeigten, tuschelten die Leute natürlich. Der alte Bock und das fast 30 Jahre jüngere Fotomodell. Und was war doch noch mal mit seiner ersten Frau und dem nie ganz geklärten Todesfall? Egal ob an einer Vernissage oder einem Fußball-Match, ob bei einem wichtigen Geschäftsessen oder einem Spaziergang am Ufer des Bodensees, Cristina und ich standen unter dauernder Beobachtung. Träumen Sie ruhig weiter vom Berühmtsein, Sie kleines Rädchen im Getriebe der Bedeutungslosigkeit. Ich sag’s Ihnen, wie’s ist: Das ist nicht immer angenehm. Da fährst du mit dem Maserati auf den Parkplatz des Seehofs und die Leute zeigen mit dem Finger auf dich. Dabei möcht’ ich meist nur meine Ruhe und einen freien Tisch für mich und die Frau an meiner Seite.

Im Herbst desselben Jahres heirateten Cristina und ich. Sie leistete sich ein zusätzliches »h« und nannte sich ab sofort Christina. Das Fest war bescheiden. Nur etwas über einhundert Gäste trafen sich im Garten des Schlosses zur Feier. Dass wir beide auf eine kirchliche Zeremonie verzichteten, verzieh uns Christinas Vater nie. Er blieb dem Anlass fern. Genau wie zwei nahe Verwandte von mir: Alexander und Stephanie. Meine Kinder.

Tatort Bodensee: Der Fall Winterbergs

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