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2. Kapitel

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Daniel und seine drei Freunde sind nun schon seit über einem halben Jahr im Palast. Sie werden weiterhin von ihrem Lehrer Hased unterrichtet. Nur die Körperertüchtigung ist einem Soldaten übertragen worden, da es Hased wegen seines Alters nicht mehr möglich ist, die Übungen selber vorzuführen. Nun herrscht auf dem Übungsplatz vor der Mauer, der jetzt nicht nur für die Freizeit, sondern immer für die Leibesübungen und Wettkämpfe aufgesucht wird, ein anderer Ton. Nuni verlangt höchste Konzentration und Disziplin von den zwölf Knaben. Obwohl die vier israelitischen Jünglinge sich alle rasch von den Strapazen des Marsches und von der Abmagerung wegen des Verweigerns gewisser Speisen erholt haben und auch von jung auf von kräftiger Statur sind, ist jeder froh, wenn er sich nach den Turnübungen am frühen Morgen auf den Boden des Schulzimmers im Palast hinsetzen kann, wo Hased sie im Rechnen, im Lesen und Schreiben der Keilschrift, in der babylonischen Sprache und in der Geschichte Babyloniens unterrichtet, vor allem jener seit Nabopolassar, der das neue Reich begründet hat. Daniel hat am meisten Fortschritte gemacht. Er ist bereits der babylonischen Sprache mächtig. Hased muss ihm nur noch selten etwas auf Israelitisch erklären.

Die vier Israeliten sind überrascht, dass sie zum Lesen der Keilschrift gar nicht die babylonische Sprache beherrschen müssten. Wenn sie die babylonische Bedeutung für ein Zeichen nicht verstehen, können sie es in ihrer Muttersprache sagen, und Hased übersetzt ihnen ihr Wort in die babylonische Sprache.

Eines frühen Vormittags eröffnet Hased seinem Schüler Beltsazar, er dürfe an diesem Tag vom Unterricht fernbleiben. Ein Bote, vom obersten Kämmerer gesandt, hole seine Eltern und Geschwister in der Siedlung ab und bringe sie zum Spielfeld vor der Stadt. Dort könne er sie in Empfang nehmen und durch die Stadt führen und sie dann im Palast bewirten. Daniel hätte beinahe einen Jubelschrei ausgestoßen, aber er hält sich zurück. Das ziemt sich nicht im Königspalast, wo hohe Beamte und Höflinge ein und aus gehen.

Am Rande des Spielplatzes wartet er ungeduldig auf seine Familie. Es ist noch nicht so heiß an diesem Morgen. Ein leichter Wind weht von den Bergen her. Die Sonne steht noch nicht hoch, aber sie blendet die Augen des Knaben, so dass er sie immer mit seiner linken Hand abschirmen muss, wenn er dorthin blickt, woher seine Eltern und Geschwister kommen müssen.

Endlich entdeckt er sie in der Ferne. Er läuft seinen Eltern und Geschwistern über das Wiesland entgegen, wo die unterdrückte Wiedersehensfreude endlich in einem allgemeinen Jubelgeschrei der Schwestern und Brüder aufgehen kann.

Nachdem er sich aus der heftigen Umarmung seiner Mutter befreit hat, fragt er zuerst, wie es ihnen in dem Lager ergehe, ob sie genug zu essen haben und gesund sind und ob sie auch ein Dach über dem Kopf haben. Er hat ja die Gefangenen verlassen müssen, als die Siedlung noch jenen Nachtlagern auf dem Marsch durch die syrischen Wüstengebiete geglichen hat. Er stellt sich vor, dass es immer noch ähnlich zu und her geht.

„Oh“, sagt der Vater, „es geht uns gut. Wir haben eine Hütte zum Wohnen. Doch wir alle sehnen uns nach Jerusalem zurück. Es gibt aber auch schon welche, die unzufrieden sind. Solche Menschen gibt es immer und überall. Sie können sich nicht abfinden mit dem, was sie haben. Jene, die wie wir in einem oberen Stadtteil von Jerusalem lebten, vermissen den Überblick über das Land, und jene die unten in den Gassen wohnten, jammern über ihr Unbehagen, das ihnen die Weite des ebenen Landes einflößt. Aber über ihre Sünden und Gottlosigkeit denken sie nicht nach, die dazu geführt haben, dass wir nun in Babylon festsitzen, wie Jeremia immer prophezeit hat.“

„Das interessiert Daniel doch nicht“, interveniert die Mutter, „lass doch zuerst einmal ihn erzählen, wie es ihm ergeht. Das wollen wir doch alle jetzt wissen.“

Daniel berichtet vom Unterricht und seinen Freunden und wie sie die Speisen des Königs verweigert haben, weil sie fürchteten, diese seien unrein.

„Was? Der König hat dir einen neuen Namen gegeben“, entsetzt sich die Mutter, „Beltsazar, was ist denn das für ein Name?“

Daniel beschwichtigt sie. Für sie werde er immer nur Daniel heißen. Er könne sich auch nicht so recht damit abfinden. Seine Freunde seien da anders. Asarja sei fast ein wenig stolz auf seinen neuen Namen Abed-Nego.

Inzwischen sind sie bei der hohen Stadtmauer angelangt. Fast ein wenig ängstlich treten sie durch das große Tor und setzen ihre Füße auf die Pflastersteine der Straße, die sie in die Stadt führt, von der sie so viel schon gehört haben, die ihnen aber doch unbekannt ist und bedrohlich vorkommt. Lange gehen sie auf der Straße an grauen Wohnhäusern, verschiedenen Werkstätten von Sattlern, Schreinern, Seilern und anderen Handwerkern und an Schänken vorbei, bis sie zur inneren Mauer gelangen. Durch das Tor treten sie in die innere Stadt, wo es viel heller ist und das Sonnenlicht große weiße Gebäude überflutet. Daniel macht sie aufmerksam auf den Ischtar-Tempel, an dessen Mauern es Reliefs von der halb nackten Göttin der Liebe zu sehen gäbe, aber sein Vater möchte rasch daran vorübergehen. Mit den babylonischen Göttern will er nichts zu tun haben. Doch seine Jungen wollen unbedingt den berühmten Turm von Babel aus der Nähe anschauen. Als sie dann, Vater und Mutter mit einem sichtlichen Unbehagen, die Geschwister neugierig, durch das Tor wenigstens nur ein paar Schritte in den weiten heiligen Bezirk des Marduk-Tempels treten, wo beinahe ein Wald von Bäumen und Palmen wächst, über die hoch der stufenförmige, dem Gott Marduk geweihte Etemenanki, das Haus der Fundamente von Himmel und Erde, ragt, ist auch der Vater sprachlos vor lauter Staunen. Daniel wagt nicht, seinem Vater zu sagen, dass Nebukadnezar in dem schon außen prachtvollen, neben dem Turm stehenden Tempel – wie mag er, denken seine Geschwister, wohl im Innern aussehen? – die geraubten Kelche aus dem Tempel von Jerusalem dem Gott Marduk und seiner Gattin Zarpanitu feierlich dargebracht hat. Daniel kennt das Innere des Tempels auch nicht. Aber er weiß, dass dort die Statuen von Marduk und Zarpanitu aufgestellt sind und wahrscheinlich noch viele andere von kleineren Göttern, die alle über Babylon wachen und die Stadt vor allen möglichen Feinden unverwundbar machen sollen.

Daniels Geschwister lachen darüber, dass die Babylonier an einen Gott glauben, der eine Gemahlin hat, und an viele kleine Götter.

„Küsst der Marduk seine Zapadingsda auch so, wie Papa und Mama das tun?“, fragt Sarah, die Kleinste der Schwestern.“

„Ich glaube das nicht“, erklärt Daniel, „denn ich vermute, dass die beiden steinernen oder bronzenen Statuen stramm nebeneinander stehen und sich nicht einmal ansehen.“

Sarah ist enttäuscht, dass die Götter nur steinerne Statuen sind und sich nicht einmal küssen können. Wozu haben sie denn eine Frau?

Als sie wieder auf die Straße hinaustreten und links an einem Tempel und rechts an einem noch größeren vorbeigehen, fragt die Mutter, ob die Innenstadt nur aus Tempeln bestehe. Daniel führt sie ein paar Schritte weiter in ein Viertel mit engeren Straßen, wo fast nur Wohnhäuser stehen. Auch das gibt es hier.

Auch ein Bruder fragt, wie viele Götter es denn in Babylon gebe. Daniel weiß zwar ein wenig Bescheid über die Gottheiten, denn das gehört auch zum Unterricht, aber eine Zahl, kann er nicht nennen, das weiß wohl niemand, und tut die Frage nur mit einem „viele“ ab und fügt dann bei, das kümmere ihn nicht, für ihn gebe es nur den Gott der Israeliten, Zebaoth. Danach fragt auch er seinen Vater, wie es denn ihm und seiner Familie mit der Ausübung ihres Glaubens gehe und ob sie in der Siedlung ihren Gott überhaupt verehren und ihm dienen können.

„Wie gesagt, uns geht es nicht schlecht“, antwortet der Vater, „eigentlich müssen wir uns nicht als Gefangene fühlen. In unserer Siedlung sind wir freie Menschen. Wir arbeiten auf den Feldern, die wir gepflügt und angesät haben. Wir haben auch ein Bethaus gebaut und Ezechiel betet dort mit uns. Wir sind froh, dass wir ihn haben. Er tröstet uns, vor allem unsere Frauen, wenn wir leidend an Jerusalem zurückdenken, und er erzählt den Kindern von Moses und dem Auszug aus Ägypten und von Abraham.

Die hohen Mauern des Palastes, in dem Daniel mit seinen drei Freunden wohnt, haben sie schon von weitem gesehen und vor allem auch das Königsschloss. Doch nun kommen sie dem Ischtar-Tor näher, das ganz von Baugerüsten umgeben ist. Aber sie können trotzdem unter dem Tor hindurchgehen. Doch auf der anderen Seite, wo die Straße noch breiter ist, sieht noch alles wie eine große Baustelle aus.

„Was wird denn da gebaut?“, fragt der Vater.

„Nebukadnezar lässt hier eine Prachtstraße bauen“, antwortet Daniel und führt die Familie ein paar Schritte weiter, bis zu einer Stelle, wo man bereits eine ganze Reihe gelber Löwen auf blauem Hintergrund in Richtung auf das Ischtartor zuschreiten sieht. Jedes dieser großen Bilder ist aus über zweihundert glasierten Ziegelsteinen hergestellt worden. Nicht nur die Mauern auf beiden Seiten der Straße, sondern auch die Wände und Türme des Ischtar-Tors sollen auf beiden Seiten mit solchen Bildern von Drachen, Stieren und Einhörnern ausgestattet werden.

„Jetzt müssen wir aber zurückkehren“, sagt Daniel zu seinen Leuten, die nur so staunen und sich gar nicht vorstellen können, wie das alles einmal aussehen wird, wenn es fertig ist.

„Ja, da wird wohl einmal Nebukadnezar mit seinen Generälen und Soldaten und mit Streitwagen in die Stadt einziehen, wenn sie von ihren Kriegen siegreich nach Hause zurückkehren“, meint Daniel ein wenig wehmütig, weil er an den verlorenen Krieg seines Königs Jojakim denken muss. Doch solche Gedanken vergehen ihm rasch, als er seine Familie in den Palast hineinführen kann, vor dem zwei Soldaten Wache stehen.

„Mein Lehrer Hased hat mir gesagt, dass ich euch hier zum Essen einladen und bewirten darf“, erklärt er, als die Eltern ihn fast ängstlich anblicken und fragen, ob denn die ganze Familie den Palast betreten dürfe. Die Mutter ist fast ein wenig stolz auf ihren Sohn, als er die beiden Soldaten grüßt, die nur ein wenig mit dem Kopf nicken, was wohl das Zeichen ist, dass sie ohne Weiteres eintreten dürfen, weil Daniel ihnen bekannt ist.

Nach dem Essen begleitet Daniel seine Angehörigen wieder durch die Stadt zurück bis zum äußeren Tor. Dort verabschiedet er sich von ihnen. Noch lange bleibt er vor dem Tor stehen und schaut den Eltern nach, die jetzt ohne einen Begleiter unter Schatten spendenden Dattelpalmen in die Siedlung zurückkehren, doch nicht ohne sich mehrmals umzudrehen, und ihm zuzuwinken.

Bald darauf dürfen auch Sadrachs Eltern und Geschwister ihren Sohn und Bruder in Babylon besuchen. Sadrach ist glücklich, dass auch Mirjam dabei ist. Sadrach und Mirjam umarmen sich.

„Warum hast du gewusst, dass meine Familie mich besuchen darf?“, fragt er.

„Deine Mutter hat es mir gesagt“, antwortet sie.

Sadrach fragt ganz verdutzt seine Mutter: „Warum, wieso weißt du…?“

„Ach, mein Sohn“, seufzt sie, „hast du gemeint, ich hätte nicht gesehen, wie sehr ihr euch liebt? Das bleibt doch einer Mutter nicht verborgen. Mirjam kommt oft zu uns, sie ist ein liebes und fleißiges Mädchen. Vielleicht wird sie einmal unsere Schwiegertochter.“ Und sie schaut mit einem vielsagenden Lächeln zu Mirjam, die errötet.

„So weit ist es ja noch lange nicht“, meint Sadrach bedauernd. „Und wer weiß, was der König einmal mit mir und meinen Freunden vorhat, wenn unsere Ausbildung in zwei Jahren zu Ende geht.“

Mirjam, die neben Sadrach steht, drückt heimlich seine Hand, ein stummes Zeichen, dass sie ihn liebt und auf ihn warten will, was immer geschehe.

Auch die Familien von Abed-Nego und Mesach dürfen ihre Söhne besuchen. Ihre Besuchstage laufen ähnlich ab wie jener von Daniel und seinen Angehörigen.

Daniel in Babylon

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