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EATING IRON

Jetzt, wo die Sonne langsam das Bergische Land erwärmt und der Tour-Trainingsplan schon auf dem Klo vergammelt, wird es allmählich Zeit, ein wenig Saft in die Muckis zu pumpen. Und wo geht das besser als in einem Fitnessstudio? Da kann jeder die muskulären Grundlagen fürs Biken legen und nebenbei auch noch grundsätzliche Erfahrungen im Umgang mit Randgruppen aus anderen Bevölkerungsschichten sammeln. Wer die drei Wintermonate nicht auf Lanzarote im La Santa Ressort trainieren kann, muss halt anderweitig Akzente setzen.

TÜRKISCHER BASAR

Also rein in die Muckibude und gezielt die Männerumkleide angesteuert. Die Tür geht auf, und es fallen einem direkt diese Anti-»Astralkörper« auf: Käsige Monsterwanzen schieben ihre Adiletten zur Dusche, pubertierende Hänflinge posen verstohlen vor überdimensionalen Spiegeln, und ein Stepptanz-Nationalteam-Mitglied verlässt ungeduscht (!!) die Bildfläche in Richtung Disko. Doppelpfui! Ein stilles Plätzchen gesucht und einen Spind gesichert. Direkt nebenan überlegen ein paar adipositasgefährdete Jugendliche, in welcher Körperfalte sie ihr neues MMS-Handy in die ökumenische Gemischt-Sauna schmuggeln können.

Auch ein Klassiker der Umkleidekabine: der Handyposer! Erst mal minutenlanges, penetrantes »Ruf mich an«-Geklingel, das nur vom Nokia-Originalsound im Spind nebenan übertönt wird. Dann ein aus der Dusche eilender Vollathlet, der in aller Öffentlichkeit sein Privatleben diskutiert: »Ja, die Freundin ist weg. Okay. Ja. Alimente sind Scheiße, wegen der Kinder, verständlich. Ja, die Frau macht auch Stress… ach, die andere auch? Na gut, ach ja, und heute Abend wieder auf die Rolle. Na, dann viel Glück beim nächsten Mal.«

WARM-UP

Also schnell in die Hose geschlüpft und raus aus dem Gays-Only-Bereich. Zum Aufwärmen stehen verschiedene Geräte bereit. Als gestandener Biker hat man die Wahl zwischen permanent belegten Lauf- oder besser gesagt Walkingbändern und Heimtrainern mit gen Himmel ragenden Kerzen-Sofasätteln und zu kurzen Kurbeln. Die Ich-muss-abnehmen-Hausfrauen, die bei 35er Trittfrequenz in der Gala blättern, ersticken fast in ihrer Parfümwolke. Als einziger Ausweg bleibt da nur der kniescheibenzermarternde Elliptical Bodyshaper mit Pseudo-Skilanglauf-Feeling.

IMMER LOCKER UND FLACH…

Nach drei Minuten ausgiebiger, freudbetonter und vollkommen ausreichender Aufwärmphase geht’s an die Eisenstangen. Lustig, die Geräte für die untere Körperpartie sind immer frei. Also ran an die Maschine und pumpen, was das Zeug hält.

Wenn das Studio voll ist, bleibt es derweil nicht aus, dass man sich Oberkörper-Geräte mit anderen teilen muss. Gerät man an den falschen Partner, hat man das »Pinnchen« erniedrigend weit oben wieder einzustöpseln. Was soll’s, der Kerl sieht aus wie ein aufgepumpter Michelinschlauch – und zu viel Oberkörpermuskulatur ist sowieso schlecht für das Renntempo. Aber wehe, der Muskelprotz folgt dir dann an die Beinpresse. Gotcha! Da gibt’s dann einen auf die Mütze.

Du beginnst harmlos mit dem Standardprogramm: 157 Kilo – 20 Wiederholungen. Der Quadrizepskönig schaut erst gar nicht hin und schwingt sich nach dir in die Sitzschale. Beim ersten Anreißen quillt die Kniescheibe hervor, und die Augen werden glasig. Bei 10 ist Schluss. Wechsel. 181 – 15 Wiederholungen stehen auf dem Panel. Mister Latissimus Dorsi will sein Gesicht nicht verlieren und kontert. 189! Bei dreieinhalb ist seine Anstrengung durch lautes Gestöhne dokumentiert. Bei fünf schaut das halbe Studio zu, weil das Gewicht mit Überschall in die Federn knallt. Wechsel, jetzt kommt die Rache der Oberbergischen! 195 Kilo bei 12 Wiederholungen – wir wollen ja keinen zu starken Muskelzuwachs, sondern nur Ausdauer. Inzwischen hat sich die überaus attraktive Trainerin zu unserem Mr. Schwarzenegger gesellt. Er zieht die letzte mögliche Stufe: 207! Das ist ein Wort, eher gesagt: ein Urschrei. Eins, naja ein halb, aber das lassen wir mal gelten. Er kriecht auf Oberarmen aus dem Gerät. Wechsel. Bei 10 Wiederholungen wird die Luft dünn, aber die Bewegung sieht noch flüssig aus. Und immer schön den Mund zulassen – fast wie bei einer RTF. Was sagt man als Radsportler zu solchen Leuten? Luftpumpe!

ERKAN UND STEFAN

Nach diesem kleinen Oberschenkel-Shootout ist mal wieder ein Gerät für die Brust an der Reihe. Direkt nebenan lungern zwei Typen à la Erkan und Stefan. Erkan sitzt relaxed im Chickenwatch-Thron, von dem aus man alle Bauch/Beine/Po-Geräte gut überblicken kann. Stefan schnappt sich die Adelholzener Sauerstoffwasser-Flasche vom Partner, schüttelt sie erst einmal kräftig durch, lässt den Überdruck entweichen und zieht auf ex leer. Erkan fallen vor Schreck seine drei Gewichtsplatten in den Stapel, und seine Arme gehen in die »Jesus am Kreuz«-Haltung. »Ey, Mann, ey, das war voll cool. Sauerstoffwasser. Fördert die Rekombination und ist gut für eh – weißt schon, eh! Und du machst, ey, alles raus, ey…« Stefan guckt ihn an. »Ey, so was wie Anabolika, hey cool, ey, Sauerstoff. Aber ich hab’ Kohlensäure rausgemacht, sonst muss ich immer an der Hantelbank, so, wenn der Hintern so hoch ist so, na, du weißt schon, ey…« Nicht nur Erkan versteht und verzieht die Nase.

THE SMELL OF WINTER

Nach so viel Menschenkunde geht’s noch für 30 Sekunden auf die Stretchmatte, den Fitness-Schnittchen zugeschaut, die vom Spinning kommen, dann ab in die Umkleide. Und da ist er wieder, der Geruch, der einen an den fernen Sommer und an den Sinn des Krafttrainings erinnert. Der typische, unvergessliche Geruch einer Massenunterkunft nach einem Regentag bei der Transalp Challenge!

Laktatexpress - Im Tal der Ortsschildsprinter

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