Читать книгу Die kuriosen Abenteuer der J.J. Smith 02: Die schwarze Prinzessin - M.E. Lee Jonas - Страница 9

Kapitel 5 Willkommen schwarze Prinzessin

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Es ist vollbracht!

Unsere Zeit ist endlich gekommen. Die Legende des großen Vaun hat sich erhoben. Tretet heran und erhebt euren Blick:

Die schwarze Prinzessin – Herrscherin über das magische Statut des alten Zauberreiches und Günstling des Elonyk von Festos – Prinzessin Jezabel hat den dunklen Phad erwählt, um sich eintausend Jahre nach Vauns Prophezeiung in der ewigen Dämmerung niederzulassen!

Es ist die Top-Nachricht auf der Titelseite der einzigen Zeitung von Xestha, die nur noch für außergewöhnliche Anlässe gedruckt wird.

Heute gibt es eine Sonderausgabe! Für jeden Bewohner des dunklen Phads wurde ein eigenes Exemplar gedruckt. Eine Extraanfertigung soll sogar mit einem Kurier zur Kindskönigin Marla nach Rosaryon geschickt werden.

Ja, es ist wirklich passiert.

Die Junghexe Jezabel hat sich dem Hexenrat gestellt und um ihre Einberufung in den dunklen Phad gebeten, sofern dieser ihr das Amt als siebtes Mitglied des Hexenrates vorbehaltlos zusichern würde. Da der Hexenrat auf die Schnelle nichts dagegen unternehmen konnte, haben sie ihr die Papiere sofort ausgehändigt. Dies übernahm Hystasia, da Darania angeblich wegen eines dringenden Termins keine Zeit hatte.

J.J. musste ständig grinsen, da sie sich vorstellte, wie die Oberhexe vorm Spiegel der Tore auf sie wartet. Immerhin hatte das Mädchen ja noch einen Tag zuvor auf einen Termin mit ihr bestanden. Sie ist jedoch davon überzeugt, dass die Oberhexe dies nicht einfach so auf sich sitzen lassen wird.

Bevor J.J. diesen bürokratischen Kram regelte, hatte sie allerdings noch eine Kleinigkeit zu erledigen.

Als sie nämlich über den großen Platz mit den Statuen flog, geriet sie ins Strudeln, da ihr Blick auf den Statuen hängen blieb. Eine Stunde lang stand sie davor und starrte ihr steinernes Ebenbild fasziniert an.

Ava hatte recht gehabt. J.J.s Statue gleicht ihr nun bis ins kleinste Detail. Selbst die Kurzhaarfrisur mit dem tiefen Scheitel wurde übernommen. Mit einem überlegenen Grinsen blickt diese nun in Richtung des Amtsgebäudes, während sie das Zepter fest in beiden Händen hält.

Die Skulpturen der restlichen sechs Hexenratmitglieder haben ihren Blick dagegen nach innen gewandt und senken demütig ihre Köpfe.

Das hat J.J. absolut beeindruckt.

Na ja, und während sie da stand und grübelte, welche Aussage diese Neuanordnung haben könnte, gesellten sich weitere Zauberreichbewohner dazu, die ebenfalls ganz aufgeregt darüber diskutierten. Innerhalb einer Stunde war der Brunnen von schaulustigen Zauberwesen umringt, die sich sogar neben ihrer Statue fotografieren ließen. Das war so suspekt, dass J.J. ihre Kapuze tief ins Gesicht zog und eilig weiterging, da sie befürchtete, dass sie jemand erkennen würde.

Als sie gerade die Straße zum Parkhaus überqueren wollte, fiel ihr ein großes Reklameschild ins Auge, auf dem eine bildschöne Junghexe mit braunen Augen, als schwarze Prinzessin tituliert, freudestrahlend die nächsten Spiele in der Arena ankündigte. Das hat sie bis ins Mark erschüttert, sodass sie kurz innehalten musste.

»Ich entscheide, was ich ankündige! Dreckige Bande«, sprach sie wütend und starrte auf Rosinante. Mit vorgehaltener Hand flüsterte sie dem Besen etwas zu und ging festen Schrittes zum Vorplatz des Amtsgebäudes.

Dort angekommen testete sie als Erstes den Magiezähler. Lächelnd sah sie zu, wie die Zahl endlos in die Höhe schoss, obwohl sie noch etliche Meter davon entfernt war. Als sie direkt davorstand, begannen die Zahlen hilflos zu blinken, dann ging die Sirene los.

J.J. schritt gemächlich zur Mitte des Platzes und verwandelte Rosinante in das elfenbeinfarbene Zepter. Was mit ihrer Einreise in den dunklen Phad schleichend begann, vollendete sich in diesem Augenblick. Der Schleier, der ihre Gedanken in den letzten Monaten fest umschlossen hielt, lichtete sich. Plötzlich wusste sie genau, was sie zu tun hatte und was sie wirklich wollte. Befreit von jeglichem Zweifel stand sie mitten im Zentrum des dunklen Zauberreichs und hielt ihr Zepter in die Höhe. Aber anders, als es Oma Vettel oder irgendeine andere Vorfahrin tat, beschwor sie dieses Mal nicht als Erstes den Donner und den Blitz. Mit verachtender Stimme sprach sie einen dunklen Vers, der unüberhörbar durch Xestha schallte.

Als sie das Zepter auf den Boden stemmte, gab es einen Donnerschlag, der die Gebäude um sie herum zum Zittern brachte. Daraufhin folgte eine gewaltige Druckwelle, die durch den gesamten dunklen Phad rollte und die zornigen Worte des Mädchens in jeden Winkel des dunklen Zauberreiches trug.

»Ich bin Jezabel, die schwarze Prinzessin – Herrscherin über das magische Statut des alten Zauberreiches und Günstling des Elonyk von Festos und damit das siebte Mitglied des Hexenrats! Niemand sonst darf sich so nennen oder unter diesem Titel falsche Ankündigungen machen! Sollte ich noch eines dieser Trugbilder unter meinem Namen sehen, werde ich alle Verantwortlichen umgehend auf die Deponie bringen lassen!«

Es fiel ihr leicht, diese Worte auszusprechen, aber sie bemerkte auch, dass Rosinante sich gegen diese ungewöhnliche Art der Nutzung wehrte. Sechshundert Jahre lang wurden die großen Zauber mit derselben Anrufungsformel begonnen, nun hatte eine junge Hexe diese Tradition einfach durchbrochen. Das war zu viel für den Hexenbesen. Ohne auf weitere Befehle Jezabels zu warten, verwandelte sich das Zepter zurück in den Besen und sprang demonstrativ aus ihren Händen.

Das Mädchen starrte ihm verwirrt nach, hatte jedoch keine Zeit, darüber nachzudenken. Quwill und Onstasia kamen schnaubend aus dem Amtsgebäude gerannt und zerrten das Mädchen umgehend in das Büro von Hystasia.

Nachdem die Hexen ein paar aufgeregte Anrufer beruhigt hatten, hielten sie J.J. eine halbstündige Standpauke und ließen das eingeschüchterte Mädchen daraufhin erst einmal allein.

Wahrscheinlich mussten diese Hexen eilig ein paar Dinge vertuschen, die sie im Geheimen geplant hatten. Mit der unverhofften Rückkehr des Mädchens war der Hexenrat im ersten Moment noch überfordert.

Es war schon unheimlich für J.J., als sie im Büro von Hexe Hystasia warten musste. Sie hatte kein schlechtes Gewissen wegen des Zaubers, ihr war nur ein bisschen mulmig zumute, da Rosinante stinksauer auf sie war. Der Hexenbesen lehnte am Schreibtisch und schmollte. Immer wenn das Mädchen sich zu ihm beugte und entschuldigend über das Reisig strich, rückte er ein Stück weiter von ihr weg.

»Es tut mir leid! Ich kann es aber nicht ändern. Es ist einfach in mir. Ich werde in Zukunft trotzdem versuchen, die Zauber so auszusprechen, wie es sich gehört. Bitte sei nicht mehr böse auf mich«, bettelte sie, aber Rosinante ließ das Mädchen zappeln.

Als Hystasia endlich zurückkam, einen Stapel Akten unter dem Arm, würdigte sie J.J. keines Blickes. Die Hexe packte die Formulare ordentlich auf den Schreibtisch und begann darin zu lesen. Da begriff J.J., worum es in den letzten Minuten gegangen sein muss.

Der Hexenrat hatte höchstwahrscheinlich nach einer Klausel gesucht, die dem Mädchen ihr Recht auf den Platz im Hexenrat absprechen würde. Anscheinend ohne Erfolg. Ohne aufzusehen, begann Hystasia, sie daraufhin über die Grundsätze des dunklen Phads aufzuklären. Ab Paragraf zweiundzwanzig, Absatz zwölf hat das Mädchen nicht mehr zugehört. Die Hälfte von dem, was diese stocksteife Hexe ihr erzählte, hat sie sowieso nicht verstanden und auf Zwischenfragen reagierte Hystasia ziemlich ungehalten. So hat J.J. im Wechsel genickt und gelächelt, und darauf gewartet, dass das letzte Blatt zur Seite gelegt wurde.

Anschließend hat sie alles Mögliche unterschrieben, natürlich mit ihrem vollen Namen nebst Titel und sich höflich bedankt. Als sie wieder auf dem Vorplatz des Amtsgebäudes stand, musste sie lauthals loslachen. Sie war selbst überrascht, wie rasant sich plötzlich alles entwickelte, und das Gesicht von Hexe Onstasia, die sie wild fluchend ins Amtsgebäude zerrte, war einfach zu komisch.

Dann stand J.J. jedoch eine Weile da, ganz allein im Zentrum des dunklen Zauberreiches und dachte nach. Etwas verloren sah sie sich um, während sie überlegte, wo sie hingehen soll. Sie war nun offiziell eine Bewohnerin des dunklen Phads und dazu die schwarze Prinzessin, aber ein prachtvolles Schloss mit weißen Pferden und einer Hundertschaft an Dienern war im großen Plan der Legende anscheinend nicht vorgesehen. Die schwarze Prinzessin war also noch ohne Obdach.

Irgendwann meldete sich Rosinante, die die missliche Lage des Mädchens zu erkennen schien. Der Hexenbesen löste sich aus ihrem Griff und erhob sich in Flugposition. Anschließend gab sie J.J. zu verstehen, dass sie sich darüber schwingen solle. Das Mädchen war erleichtert, dass der Besen nicht mehr sauer auf sie war, und sprang auf, ohne weitere Fragen zu stellen. Dann flogen sie gemächlich in Richtung des Wohngebiets, wo auch Ava mit ihrer Familie wohnt. Als sie das Haus dieser Junghexe, ein gigantisches Gebäude in Form einer Steinkamera, überflogen, musste sie schwer schlucken. Aber der Anblick der Luxus-Ferienanlage, die sich direkt an das Wohngebiet anschließt, lenkte von ihren düsteren Gedanken ab.

»Ein Tropenparadies! Wahnsinn. Das habe ich beim letzten Mal überhaupt nicht gesehen«, jauchzte sie los.

Rosinante sank langsam zu Boden und ließ J.J. vor dem Eingang des riesigen Hotelgebäudes absteigen. Als das Mädchen schüchtern die Lobby betrat, kam umgehend ein junger Mann auf sie zugeeilt und begrüßte sie aufs Herzlichste. Er wusste sofort, wer da vor ihm stand, und machte keinen Hehl aus seiner Verehrung. Auch wenn sie das Getue des Hotelangestellten affig fand, war J.J. beruhigt, dass sie mit ihrer Begrüßungsansage nicht gleich alle Xesthaner gegen sich aufgebracht hat. Mit ausgebreiteten Armen führte der Hotelangestellte sie durch ihre Suite und erklärte ihr ausführlich jedes Detail. Das Mädchen war erleichtert, als er endlich die Tür hinter sich verschloss. Nachdem sie den üppigen Obstkorb und eine Schachtel Pralinen geplündert hatte, nahm sie eine heiße Dusche. Anschließend schnappte sie Rosinante und flog erneut zum Amtsgebäude.

Eine neuartige Energie erwachte in ihr, die mit leiser Stimme begann, sie zu leiten. Die einzige Bedingung, die sich J.J. selbst stellte, war die, dass sie sich auf dieses neue Leben erst einmal vollkommen einlässt. Was auch bedeutete, ihre Vergangenheit hinter sich zu lassen.

J.J. Smith ist Geschichte. Nun ist sie Hexe Jezabel, die legendäre schwarze Prinzessin, unantastbar in ihrem Status. Um diese Entschlossenheit auch dem Hexenrat zu vermitteln, platzte sie einfach in Hystasias Büro und verlangte nach ihrer Amtseinführung. Die Hexe sah sie mehrere Minuten stumm an und rief daraufhin kurzerhand eine Dringlichkeitsversammlung des Hexenrats ein. J.J. durfte natürlich noch nicht daran teilnehmen, da sie offiziell noch kein Mitglied war. Also wartete sie in der Vorhalle und vertrieb sich die Zeit, indem sie den widerlichen Glugg mit ihren Possen auf die Palme brachte.

Nach zwei Stunden bat sie Hexe Cybill endlich nach oben und erklärte ihr, dass alle sechs Mitglieder zugestimmt hätten. J.J. war darüber nicht sonderlich erstaunt, da dieses Amt ihr sowieso zustand. Trotzdem hätte sie zu gern gesehen, wie diese Hexen krampfhaft nach einer rechtskräftigen Klausel suchen, um ihr dieses offizielle Amt vorzuenthalten.

Seit diesem Tag hat sich einiges geändert. Die Hexenratmitglieder hofierten das Mädchen zwar nicht, behandelten sie aber absolut respektvoll und ebenbürtig. J.J. fühlte sich in Xestha nicht fremd oder gar unerwünscht. Im Gegenteil, auch wenn die meisten Einwohner sich noch höflich zurückhielten, konnte sie ihre Aufregung spüren, wenn sie sich mit ihr unterhielten. Plötzlich schien es kein Problem zu geben, das sich nicht im Handumdrehen lösen ließe. Die Starre und Ziellosigkeit, die sie in den letzten Monaten lähmten und ihr den Lebensmut raubten, waren einer neuen, inspirierenden Energie gewichen, die sie scheinbar schwerelos durch die Tage trug.

So ist es nun schon eine Woche her, dass J.J. heimlich aus Havelock weggegangen ist.

Sie sitzt in ihrem Hotelzimmer und frühstückt eilig, da sie gleich einen wichtigen Termin im Amtsgebäude hat. Nervös starrt sie auf Rosinante und seufzt. Dieser tägliche Weg ist inzwischen zu einer Tortur geworden. Öffentliche Verkehrsmittel benutzt das Mädchen nicht mehr, da der Trubel um ihre Person doch sehr unangenehm ist. Sobald sie jemand erkennt, herrscht augenblicklich Hysterie. Es ist mittlerweile so schlimm, dass sie selbst im Hotel nicht mehr im Restaurant speisen kann. Jeder Zauberreichbewohner erkennt sie, da an jeder Ecke ihr Foto von riesigen Werbebannern prangt. Die schwarze Prinzessin ist, mehr denn je, das allumfassende Thema im dunklen Phad. Aber dieser Hype hat auch etwas Gutes. Er verschafft ihr ungewollt eine gewisse Distanz.

Das Mädchen stellt den Geschirrwagen auf den Gang und schlendert zum Ausgang. Hastig steigt sie auf Rosinante und begibt sich im Steilflug auf die Verkehrsebene. Im Zickzack fliegt sie zum Amtsgebäude, um ein paar aufdringliche Touristen abzuhängen, die ihr schon vor dem Hotel auflauerten. Genervt stapft sie ins Amtsgebäude, wo sie schon seit einer halben Stunde mit Hexe Cybill verabredet ist. Beim Pförtner muss sie sich inzwischen natürlich nicht mehr anmelden. Während der widerliche Glugg sie keines Blickes würdigt, geht sie also direkt zum Fahrstuhl durch. Die beiden haben ein unausgesprochenes Abkommen:

Er hasst sie, sie hasst ihn und dabei bleibt es!

Als sie das Büro von Hexe Cybill betritt, wartet dort noch eine andere Dame, die sie bis jetzt nur flüchtig kannte.

»Ah, Prinzessin Jezabel! Schön, dass du endlich da bist. Darf ich vorstellen: Hexe Strada, die wohl bekannteste Designerin Xesthas. Sie wird zukünftig für deine Garderobe zuständig sein. Sie ist extra hierhergereist, um Maß zu nehmen.

Während wir auf dich warteten, hat sie mir berichtet, dass ihr euch bereits bei einer Party im Hause deiner Großmutter kennengelernt habt.«

Die Kammerwächterin führt das Mädchen zu der alten Hexe, die sehr beschäftigt Nadeln und Stoffproben an einer Schneiderbüste befestigt. J.J. ist verblüfft, wie gekonnt Hexe Strada den hochwertigen Stoff drapiert.

»Ich freue mich, dich wiederzusehen, Hexe Strada! Es tut mir leid, dass du warten musstest. Vielleicht erinnerst du dich noch daran, dass ich auch sehr gern neue Schnitte ausprobiere. Damals auf der Party im Haus meiner Großmutter habe ich ein selbst entworfenes Kleid getragen. Na ja, es war nichts Großartiges. Wahrscheinlich ist es dir auch nur aufgefallen, weil es das langweiligste Kleid des Abends war. Kein Vergleich zu dem Papag… Ich meine natürlich zu dem bunten Hosenanzug, den du meiner Großmutter entworfen hattest«, stammelt das Mädchen nervös. Die alte Hexe blickt kurz auf und sieht sie mit einem eingefrorenen Lächeln an.

»Es ist mir eine außerordentliche Ehre, Hexe Jezabel! Wenn ich mir diese Feststellung erlauben darf: Du hast die gleichen Augen wie deine Großmutter!«

J.J. schluckt und blickt zu Boden.

»Das hat nichts zu bedeuten! Ich habe vielleicht ihre Augen, aber sonst unterscheiden wir uns doch sehr! Ich möchte dich bitten, dies bei deinen Vorschlägen zu berücksichtigen! Keine Hosenanzüge mit riesigen Mustern und keine knalligen Farben!«, zischt sie die verdutzte Designerin böse an.

Verunsichert von dem plötzlichen Stimmungswandel des Mädchens blickt Hexe Strada hilfesuchend zu Hexe Cybill. Der Kammerwächterin ist diese Situation mehr als peinlich, weshalb sie eilig das Gespräch übernimmt.

»Keine Angst, meine Liebe. Hexe Strada entwirft nur charakteristische Mode!

Hexe Strada, wie ich sehe, brauchst du noch ein paar Minuten. Ich werde diese Zeit nutzen, um noch etwas Dringendes mit der schwarzen Prinzessin zu besprechen!«

Sie lächelt der Designerin verlegen zu und zieht das Mädchen hinüber zu ihrem Schreibtisch. Dort drückt sie J.J. in den Besucherstuhl und sieht verstohlen zur Designerin. Mit ernster Miene nimmt sie einen Stapel Papiere und schiebt ihn dem Mädchen über den Schreibtisch.

»Das war nicht nötig, Jezabel! Wir Hexen gehen höflich miteinander um! Bitte überschätze deinen Status nicht! Ich möchte wissen, was dich dazu bewegt hat, derart die Fassung zu verlieren. Na gut, wir haben nur sehr wenig Zeit, um diese vielen Dinge hier zu erledigen.

Als Erstes müssen wir deine Wohnsituation ändern. Die Würdenträger sind sich einig, dass du auf gar keinen Fall in diesem Hotel bleiben kannst. Der Besitzer hat sich schon mehrmals darüber beschwert, dass so viele Schaulustige sein Gebäude belagern, da es die anderen Gäste erheblich stört. Deshalb sollten wir uns schnellstens um dein zukünftiges Haus kümmern. Hier sind ein paar Entwürfe von den besten Architekten unseres Landes.«

Die Kammerwächterin zeigt stolz auf einen Stapel Zeichnungen und lächelt das Mädchen verzückt an.

J.J. nimmt den obersten Entwurf in die Hand und sieht flüchtig drüber.

»Meine zukünftige Wohnsituation? Das ging aber schnell. Das heißt, dass ich wirklich hier in Xestha bleiben soll. Für immer?«, denkt sie plötzlich erschrocken. Eine merkwürdige Erinnerung ergreift sie so plötzlich, dass sie zusammenzuckt. Sie schluckt und schiebt die Entwürfe ungesehen zu Hexe Cybill zurück.

»Entschuldige, aber ich habe mich bereits für ein Objekt entschieden. Ich will das Gebäude auf der anderen Seite. Das, was aussieht wie ein zerbeulter Eimer«, sagt sie entschlossen, obwohl ihre Stimme bebt.

In den letzten Tagen war sie so beschäftigt, dass sie über einige Dinge, die sie noch vor Kurzem aus der Bahn geworfen hatten, gar nicht mehr nachdenken konnte. Ein einziger Blick auf die Entwürfe holte die verdrängten Gefühle für einen kurzen Moment zurück. Dazu blitzt Linus’ verzweifeltes Gesicht in ihr auf, was ihr einen weiteren schmerzhaften Stich versetzt. In diesem seltsamen Klartraum hatte der Junge auf dieses sonderbare Gebäude gezeigt und ihr gesagt, dass sie nur dort ihre Antworten finden würde. Seit ihrer Rückkehr in den dunklen Phad hatte J.J. nicht mehr an dieses seltsame Ereignis gedacht.

»Wie konnte ich das nur vergessen?«, denkt sie beschämt. Verunsichert sieht sie zu Hexe Cybill, die ihre Stirn krauszieht und sich zurücklehnt.

»Aber ich bitte dich! Du bist die schwarze Prinzessin! Dieses winzige Haus ist seit Jahren unbewohnt. Es ist eine jämmerliche Ruine. Was sollen die Einwohner denken, wenn du in diese alten Gemäuer ziehst? Außerdem wären die Schutzmaßnahmen viel zu aufwendig. Glaubst du, dass du wie eine normale Hexe zwischen den anderen Einwohnern leben kannst? Sieh dir an, was am Hotel los ist.

Das geht auf gar keinen Fall! Ich denke, du solltest dich für dieses Gebäude hier entscheiden. Es hat ein Schwimmbad und einen großen Konferenzsaal! Und die Lage ist herausragend«, fährt die Kammerwächterin fort, ohne weiter auf den Wunsch des Mädchens einzugehen.

Aber J.J. schiebt die Zeichnung beiseite und schüttelt energisch den Kopf. Im Augenblick fühlt sie sich überhaupt nicht wohl. Sie steht auf und geht zu einem großen Fenster, von dem aus sie das skurrile Gebäude sehen kann.

»Cybill, du bist die Kammerwächterin und nicht meine Mutter! Ich werde selbst entscheiden, wo ich lebe. Ich will dieses Haus! Bitte sag den Architekten Bescheid, dass sie die Sanierung umgehend in die Wege leiten sollen!«, sagt sie energisch, ohne sich umzudrehen.

Das entsetzte Schnauben der Kammerwächterin amüsiert sie. Sie kann verstehen, dass dieser Wunsch auf Hexe Cybill sehr exzentrisch wirken muss. Da setzen sich die besten Architekten des Zauberreichs zusammen und planen ultimative Luxusbleiben, aber das junge Ding besteht auf dieses kleine, zerknüllte Haus.

»Gibt es noch etwas, worüber du mit mir sprechen wolltest?«, fragt J.J. in einem sehr überheblichen Tonfall weiter, während sie an Hexe Strada vorbeischleicht, die nun große Mengen Stoffproben aus ihrer Tasche holt.

Mit trotzigem Gesichtsausdruck setzt sie sich an den Schreibtisch zurück und starrt Hexe Cybill eindringlich an. Die Kammerwächterin winkt entnervt ab und holt ein buntes Prospekt hervor.

»Du bist so stur wie deine Großmutter! Mal sehen, ob ich das mit dem Haus hinbekomme. Aber ich kann dir nichts versprechen! In diesem Fall hat Darania das letzte Wort.

Ja, es gibt tatsächlich noch etwas sehr Wichtiges, worüber wir reden müssen: deine Amtseinführung! Die wird natürlich gebührend in Xestha gefeiert. Wir haben einen Termin für Ende nächster Woche festgelegt. Diese Zeit brauchen wir, um alle nötigen Vorbereitungen treffen zu können. Ich bin mir sicher, dass es ein großartiges Fest wird. Bis dahin müssen jedoch sehr viele organisatorische Dinge erledigt werden. Nun ja, jetzt müssen wir noch dieses armselige Gebäude restaurieren, aber das dürfte kein Problem für die Architekten sein. Obwohl ich mir denken kann, dass sie diese Entscheidung nicht ernst nehmen werden. Das soll allerdings nicht dein Problem sein. Du musst dich jetzt auf deinen wichtigen Tag vorbereiten.

Darania hat bereits alle Würdenträger des dunklen Phads eingeladen. Den genauen Programmablauf lasse ich dir noch zukommen. Du brauchst dich um nichts zu kümmern! Ich werde dich auf dem Laufenden halten und mich an diesem großartigen Tag um dich bemühen. Betrachte mich also während der nächsten Tage als deine Mentorin. Womit ich auch beim nächsten Thema wäre: Jezabel, du benötigst dringend eine Assistenz! Es ist auf Dauer keine Lösung, dass ich mich um alles kümmere. Ich habe ein eigenes Amt, das meine gesamte Aufmerksamkeit benötigt.

Dein Leben wird sich nun grundlegend ändern. Deine Aufgaben werden umfangreicher werden, ganz zu schweigen von den vielen Terminen, die organisiert werden müssen. In diesem Katalog hier wirst du bestimmt die richtige Junghexe für diese begehrte Position finden!«

J.J. dreht sich langsam alles im Kopf. Sie versucht den Worten von Hexe Cybill zu folgen, aber ihre Konzentrationsfähigkeit ist am Nullpunkt angelangt.

»Ich werde mir den Katalog in Ruhe ansehen und euch meine Entscheidung mitteilen. Ich hätte noch eine Frage, die mir ein bisschen peinlich ist:

Ich weiß, dass ich die langersehnte schwarze Prinzessin bin und damit das siebte Mitglied des Hexenrats. Aber was genau ist meine Aufgabe?

Bitte versteh mich nicht falsch, aber ich bin vierzehn Jahre alt. Dort wo ich herkomme, gehen Mädchen dieses Alters noch ein paar Jahre zur Schule. Soweit ich gesehen habe, ist das in meinem Terminkalender nicht vorgesehen. Was wird von mir eigentlich erwartet?«, fragt sie schüchtern.

Hexe Cybill sieht das Mädchen stutzig an.

»Jezabel, du bist aber keine gewöhnliche Junghexe und auch kein normaler menschlicher Teenager. Du bist etwas Besonderes, weil du alles in dir vereinst, und deshalb mit niemandem vergleichbar bist.

Eines Tages wirst du ein Buch schreiben, das das Zauberreich verändern wird! So wurde es in der Legende prophezeit.

Früher dachte ich, dass die schwarze Prinzessin, aus welchem Grund auch immer, von ganz allein das Bedürfnis hat, Vauns Prophezeiung zu vollenden. Viele glaubten, dass allein deine Entscheidung, auf welchem Phad du leben möchtest, einen Hinweis darauf geben würde, wie das Buch endet. Aber das sehe ich inzwischen anders.

Ich möchte dir einen Rat geben: Warte nicht darauf, dass dir irgendjemand sagt, was du schreiben sollst. Vaun hat nicht gesagt: In eintausend Jahren kommt die kleine Jezabel und erlöst das Zauberreich von Crysaldis Fluch, weil ihr irgendjemand sagt, wie sie das tun soll.

Vaun hat in seiner letzten Vision gesehen, dass du es tun wirst! Das ist ein gewaltiger Unterschied. Wie oder warum, das weiß niemand außer dir selbst.

Wir erwarten nur, dass du dich nach deiner Amtseinführung auf deine Berufung konzentrierst. Mehr nicht!

Nun gut, ich denke, das war genug bürokratisches Geplänkel für heute. Wie ich sehe, wartet Hexe Strada bereits auf uns.«

Die Kammerwächterin zwinkert dem Mädchen zu und verschwindet kurz ins Badezimmer.

J.J. legt den Katalog mit den Assistenzbewerbern auf den Tisch und geht zu der Designerin, die stolz lächelnd neben ihrer Schneiderbüste steht und umgehend damit beginnt, das Mädchens zu vermessen. Die ermittelten Zahlen tippt sie direkt in einen kleinen Monitor. Daraufhin beobachtet J.J. ganz fasziniert, wie die Designerin ein paar sehr kompliziert aussehende Berechnungen startet und dabei ab und zu verstohlen zu ihr hinüberschielt, während sie etwas Unverständliches in sich hineinmurmelt. Nach einer Weile nickt sie zufrieden und druckt ein paar Fotos aus, die sie noch einmal mit hochkonzentrierter Miene begutachtet, bevor sie diese dem Mädchen feierlich überreicht.

J.J. starrt auf die Entwürfe und ist total baff!

Es sind Ganzkörperfotos von ihr, deren Ursprung sie sich nicht erklären kann. Auf jedem trägt sie ein anderes Outfit und keines davon ist auch nur annähernd so kitschig wie die Hosenanzüge von Oma Vettel. Die Qualität dieser Fotos ist außergewöhnlich.

»Das ist ja der totale Wahnsinn! Hexe Strada, diese Entwürfe sind grandios. Wie machst du das? Mit den Fotos könnte ich mich bei jeder Modellagentur bewerben.

Diese Technik musst du mir unbedingt zeigen! Welches Kleid darf ich mir auswählen?«

J.J. ist so aufgeregt, dass sie für einen Moment vergisst, wo sie sich befindet.

Übermütig springt sie durch das Büro und seufzt bei jedem Blick auf die Fotos wie ein selbstverliebter Teenager.

Die Designerin schnalzt mit der Zunge und nimmt ihr die Entwürfe wieder aus der Hand, um sie behutsam in einen Ordner zu legen.

»Alle natürlich! Das ist ja auch nur eine geringe Auswahl meiner Möglichkeiten. Für deine Amtseinführung werde ich mich besonders gut vorbereiten müssen. Ich hoffe, dass sich deine Maße bis dahin nicht verändern. Es freut mich, dass ich dich nicht enttäuscht habe. Wie ich sehe, hat meine geheime Berechnungsformel sich wieder einmal nicht getäuscht. Und ich betone, geheime Berechnungsformel! Ich wäre ohne Arbeit, wenn ich jedem weiblichen Wesen diese Technik anvertrauen würde. Ich sehe also mit Freude, dass dir meine Kleidervorschläge sehr wohl zusagen?«

Der Unterton der Designerhexe klingt sarkastisch, während sie J.J. schnippisch fixiert.

Das Mädchen senkt verlegen den Blick, da sie sich für ihre schroffe Ansage in Bezug auf die Hosenanzüge ihrer Großmutter schämt.

»Nein. Deine Formel hat sich ganz und gar nicht geirrt. Diese Kleider sind wirklich wunderschön! Ich entschuldige mich für meine Ungeduld und meine Unhöflichkeit! Wann kann ich mit den Kleidern rechnen?«

Die Designerin sieht auf die Entwürfe und verzieht nachdenklich den Mund.

»Diesen Stoff muss ich noch nachbestellen. Das verzögert die Anfertigung. Ich hoffe auf dein Verständnis, aber ich befürchte, dass ich nicht vor morgen früh liefern kann«, antwortet Hexe Strada mit leicht betroffener Miene.

Das Mädchen starrt sie ungläubig an, da sie sich sicher ist, dass die Designerin sie gerade veräppelt hat. Aber so ist es nicht. Hexe Cybill geht freudestrahlend zu Hexe Strada und bedankt sich ausgiebig für ihre Geduld und Mühe, während J.J. sie nur fassungslos anstarrt.

»Das ist doch nicht möglich!«

Die Vorzüge der Magie haben sie in den letzten Tagen allerdings schon mehrmals staunen lassen. Zufrieden reicht sie der Designerin die Hand und entschuldigt sich nochmals für ihre anfängliche Unfreundlichkeit.

Als Hexe Strada das Büro verlassen hat, holt das Mädchen tief Luft.

»Sind wir für heute fertig? Ich wollte mich nämlich noch ein wenig in Xestha umsehen«, fragt sie müde.

Die Kammerwächterin sitzt an ihrem Schreibtisch und nickt, ohne aufzublicken.

»Was denkst du, wie lange sie für das Haus brauchen werden?«, fragt J.J., während sie langsam zur Tür geht.

Hexe Cybill zuckt mit den Schultern.

»Da will ich mich nicht festlegen. Ich denke jedoch, dass es in fünf Tagen erledigt sein dürfte. Entschuldige bitte, aber mir fällt da noch etwas ein. Das hätte ich vor lauter modischer Euphorie fast vergessen.

Du hast heute Abend doch noch einen wichtigen Termin! Zwei Abgesandte des weisen Phads haben sich kurzfristig angekündigt. Wir werden mit ihnen im Eggtower zu Abend essen. Bitte sei pünktlich!«

J.J. schreckt kurz zusammen und schluckt. Sie dreht sich schnell zur Tür, damit Cybill ihre Unsicherheit nicht bemerkt.

»Abgesandte von Rosaryon reisen in den dunklen Phad? Kann man diese Angelegenheit nicht über den Spiegel der Tore klären?«, fragt sie verstört.

Die Kammerwächterin zuckt erneut mit den Schultern.

»Anscheinend nicht. Wir waren auch verwundert, als das Schreiben ankam. Ich kann dir nicht viel darüber sagen. Aber ich bin mir sicher, dass es um dich geht. Wir haben uns schon gewundert, dass Marla so gar nicht darauf reagiert hat, dass du dich plötzlich doch dem dunklen Phad zugewandt hast. Kennst du ihre Version von der Legende?«

J.J. seufzt und stammelt gelangweilt die Worte herunter, die sie im Buch über Rosaryon gelesen hat:

»Im Glanze des Höchsten, der Geburt eines neuen Geschöpfes wird eines Tages ein junges Mädchen geboren, das die Kraft besitzt, das Zauberreich wieder zu einen. Es wird viele Aufgaben bewältigen und viele Hürden nehmen müssen, um an ihr Ziel zu gelangen. Dieses wird nicht die Lösung einer Aufgabe sein oder ein hohes Amt, sondern die Entscheidung, das Zauberreich in ein Buch zusammenzufassen, ohne dass es nötig ist, zwei Phade zu beschreiben. Sie wird die »schwarze Prinzessin« genannt und hat das höchste Maß der Balance in sich. Wenn sie es schafft, ihren Geist zu zähmen und ihren Gefühlen zu trauen, wird die Schuld Criseldas ausgeglichen sein. Sollte sie es nicht schaffen, wird sie das Zauberreich zerstören.«

Das Mädchen kennt die zwei Versionen der Legende in- und auswendig. Bevor sie nach Xestha ging, hat sie sich beide Fassungen immer und immer wieder durchgelesen. In der Hoffnung, einen kleinen Hinweis zu finden, wie sie dieser dämlichen Bestimmung aus dem Weg gehen kann.

Hexe Cybill kommt zu ihr und streicht ihr ungewohnt sanft übers Haar.

»Ich weiß, dass du zwiegespalten bist, weil deine Großmutter inzwischen in Rosaryon lebt. Ich hoffe jedoch, dass dies keinen Einfluss auf deine Entscheidung haben wird, wie das Buch endet.«

Das Mädchen lacht verächtlich und sieht der Kammerwächterin tief in die Augen.

»Du irrst dich, Cybill! Ich bin alles andere als zwiegespalten. Ich habe meine Entscheidung längst getroffen, und zwar ganz unabhängig von meiner Großmutter. Ich weiß sehr wohl, warum ich hier bin! Also mach dir keine Sorgen um meine Berufung«, blafft sie mit dunkler Stimme los. Dabei verzieht sie ihren Mund zu einem hämischen Grinsen, was Hexe Cybill stark verunsichert. Die Kammerwächterin kann nicht bestreiten, dass dieses junge, unkontrollierbare Ding ihr manchmal Angst macht.

»In dem Moment, als ich das erste Mal auf dich traf, wusste ich, dass du eine außergewöhnliche Persönlichkeit hast! Darania, deine Großmutter, der Hexenrat, sie alle unterschätzen dich. Ich bin mir sicher, dass du tiefe Spuren in der Geschichte Xesthas hinterlassen wirst! Der Elonyk ist übrigens auch ganz aufgeregt. Er sieht eurer Vereinigung schon sehnsüchtig entgegen! Aber das wird noch eine Weile dauern. Erst musst du das Buch schreiben. Hast du dir eigentlich schon überlegt, was danach aus Quwill wird? Ihr Dienst wird dann sicherlich nicht mehr benötigt.«

J.J. zuckt zusammen.

Der Gedanke, dass ein riesiger dunkler Schatten ihren Körper besetzen will, ekelt sie an. Sie schluckt diese abscheuliche Vorstellung hinunter und dreht sich weg.

»Wenn es so weit ist, kann ich mir immer noch Gedanken machen, was mit Quwill geschehen soll. Entschuldige mich jetzt bitte. Wir sehen uns heute Abend im Eggtower!«

Das Mädchen verlässt das Büro und schließt eilig die Tür.

Als sie vor dem Fahrstuhl steht, holt sie tief Luft. Sie muss ständig würgen, da der Gedanke an diese Vereinigung sie nicht loslassen will.

Der Fahrstuhl braucht gefühlte zwei Stunden, bis er endlich im Erdgeschoss anhält. Der Anblick des widerlichen Gluggs im Pförtnerhäuschen gibt J.J. den Rest. Sie rennt aus dem Gebäude und schafft es gerade noch rechtzeitig hinter eine Mauer, als sie es nicht mehr zurückhalten kann und sich übergibt. Erst als sie sich sicher ist, dass sie niemand beobachtet hat, steigt sie auf Rosinante und fliegt hoch in den Norden, an einen ganz bestimmten Ort. Dort will sie ausruhen und ihre Gedanken bändigen.

Als sie den hohen Berg erreicht, springt sie vom Besen und setzt sich unter den Felsvorsprung. Die Lichter des Funnyparks erstrahlen heute in voller Pracht und zaubern wunderschöne Lichtspiele an den Himmel, der sonst immer nur grau ist.

»Ewige Dämmerung, wie ich diesen Zustand hasse.«

Der Freizeitpark scheint gut besucht zu sein. Ab und an trägt ein Windhauch fröhliche Stimmfetzen zu ihr hinauf. Das Mädchen kuschelt sich verträumt in ihre Jacke, schließt die Augen.

»Hallo Linus … Vielleicht kannst du mich ja dort, wo du bist, hören:

Ich habe es getan. Ich bin nach Xestha gegangen und habe mich dem dunklen Phad verpflichtet. Es war leichter, als ich befürchtet habe. Eigentlich kann ich nun tun, was ich will. Niemand stellt mich infrage oder widersetzt sich meinen Wünschen, seien sie auch noch so absurd.

Es ist wie im Märchen. Ich brauche nur mit den Fingern zu schnipsen und schon tanzen alle nach meiner Pfeife. Gut, Darania ist immer noch sehr unterkühlt. Aber ich provoziere sie auch nicht, sondern gebe ihr das Gefühl, gesiegt zu haben. Keine unangenehmen Fragen, keine diplomatischen Antworten.

Aber wie geht es nun weiter?

Dieser ständige Zwang, mich unter Kontrolle zu halten, verbraucht unendlich viel Energie. Die dunklen Verse, die sich unentwegt in mir regen und mich so rastlos machen, schreibe ich auf, damit es mir besser geht. Wie lange wird das aber noch funktionieren?

Cybill hat recht, niemand kennt meine wahren Beweggründe. Mittlerweile bin ich mir manchmal selbst eine Fremde. Seitdem ich in die ewige Dämmerung gezogen bin, ist tief in mir etwas ins Rollen geraten. Täglich entdecke ich neue Dinge an mir, die mich verängstigen.

Zum Beispiel benutze ich Rosinante mittlerweile nur noch zum Fliegen, da sie große Angst vor meiner Magie hat. Das ist ganz furchtbar. Aber ich kann es nicht beeinflussen.

Als ich im Internat bemerkte, dass ich schwarzes Blut habe, war ich verzweifelt, da ich keine von ihnen sein wollte. Nun weiß ich, dass ich anders bin als die anderen dunklen Hexen. Aber das beruhigt mich nicht, da mir niemand erklären kann, wohin das führt. Insgeheim haben doch alle Angst vor der Antwort und flüchten sich deshalb immer in diese Legende. Was am Ende wirklich passiert, weiß niemand. Auch ich nicht.

In den letzten Tagen habe ich aber etwas Wichtiges gelernt:

Macht macht einsam.

Im Grunde hat sich für mich also gar nichts verändert. Es ist alles noch genau so, wie vor meiner Einreise. Mit dem Unterschied, dass ich keine unschuldigen Wesen mehr mit meiner dunklen Magie gefährde. Der Druck in meinem Inneren und diese tiefe Verzweiflung sind geblieben. Ich hoffe, dass ich bald einen Gegenzauber finde.«

Eine Weile beobachtet sie noch versonnen die Lichter und fliegt dann zurück ins Hotel, um sich für das Treffen mit den Rosaryern herzurichten.

Die kuriosen Abenteuer der J.J. Smith 02: Die schwarze Prinzessin

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