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Kapitel 1

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Es war so ein Tag, an dem ein Gasofen nach einem guten Ort aussah, um seinen Kopf hineinzustecken. Aber andererseits war seit viel zu vielen Jahren jeder Tag so ein Tag für Mitchell Wellington. Heute, ja, heute sollte ein besserer Tag werden. Und so schlimm dieser Tag auch sein mochte, er war immerhin besser als die Tage davor.

Weil Mitchell frei war.

Also atmete er tief ein und betrachtete die positiven Aspekte. Die Kakerlaken, die den vergilbten, rissigen Dichtstoff der Badewanne schmückten, hätten im Bett gewesen sein können. Sie hätten auf ihm herumkriechen können, als er aufwachte. Das wäre viel schlimmer gewesen. Er verschränkte seine Finger ineinander und sann über die beste Vorgehensweise nach. Wenn er den Wasserhahn anmachen würde, würden die Käfer den Abfluss heruntergespült werden, aus dem sie vermutlich gekrochen waren? Oder würden sie aus der Wanne fliehen und sich einen Weg ins Zimmer suchen?

Er biss sich auf die Unterlippe. Dabei kam ihm der Besen im kleinen Schrank im Eingangsbereich wieder in den Sinn, den er bemerkt hatte, als er vor zwei Tagen eingezogen war. Er holte den Besen, seufzte erleichtert, weil er tatsächlich da war, und plante, ihn zu benutzen, um alle entkommenden, gruseligen Krabbeltiere abzuwehren. Als er den Wasserhahn in der Badewanne vorsichtig mit nur zwei Fingern aufdrehte, sagte er zu den Kakerlaken unter ihm: „Es tut mir wirklich leid, Jungs. Wenn ihr einfach, keine Ahnung, in den Wänden geblieben wärt. Oder draußen. Irgendwo, wo ich euch nicht sehe.“

Die Sache war, er fühlte sich wirklich schlecht. Sie machten doch nur ihr kleines Kakerlakending. Aber Mitchell versuchte auch sein Ding zu machen, und er lernte gerade Grenzen zu setzen.

Als die eklige Aufgabe erledigt war, beeilte Mitchell sich mit seiner Dusche – er ging paranoid davon aus, dass mehr Insekten zurückkommen würden. Nachdem er fertig war, wickelte er sich in die eine Extravaganz, die er sich erlaubt hatte: einen großen und wahnsinnig weichen, königsblauen Bademantel. Er drückte das Kinn in den Stoff, brummte zufrieden, der Stoff klebte an seiner feuchten Haut. Irgendwann würde er wirklich Handtücher kaufen müssen.

Das billige, sich abschälende Linoleum unter seinen nackten Füßen quietschte, als er sich seinen Weg zu der schrankgroßen Küche auf der anderen Seite seiner Matratze bahnte. Die Wohnung war nichts Besonderes, wenn man sie wirklich so nennen konnte, aber sie gehörte Mitchell. Die ganzen 44 Quadratmeter. Sie war das Einzige, was er sich leisten konnte, mit dem wenigen Geld, das er hatte mitnehmen können, als er Ohio hinter sich ließ. Und der Besitzer hatte keine Fragen gestellt, was an sich ein Wunder war, da Mitchell keinen Job hatte oder irgendetwas, von dem er glaubte, dass es ein seriöser Vermieter verlangen würde.

Er schüttete Müsli in eine der fadenscheinigen Plastikschalen, die er in einem Ein-Euro-Shop irgendwo in Indiana besorgt hatte, und haute rein, mit dem passenden neonpinken Löffel. Während er aß, drehte er den Wasserhahn an der Spüle auf und ließ das Wasser für eine Minute laufen. Er beobachtete, wie es sich von einem rötlichen Braun zu einer klaren Farbe wandelte, mit der er sein Geschirr waschen könnte, sobald er fertig war.

Die Sonne schien durch das kleine Fenster über der Spüle, strahlte die Staubflocken in der Luft an und wurde scharf von der einen oder anderen Seifenblase reflektiert. Auf der Chicagoer Straße unten konnte Mitchell Leute sehen, die zielgerichtet dorthin liefen, wohin auch immer sie gehen mussten. Der Bürgersteig war mit Blättern übersät, denn die Bäume hatten sie für den Herbst abgeworfen, und färbten den Boden mit hellen Orange-, Gelb- und Rottönen. Mitchell wusste, wenn er sein Fenster kippen würde, würde er eine Mischung aus dem Knirschen der Blätter unter den Füßen der Menschen und den Geräuschen der Autos hören.

Seine Finger tasteten über die schmutzige Scheibe, Wassertropfen rannen das Glas von seinen Fingerspitzen aus hinunter, während er hinaussah. Es war wunderschön. Es war neu. Mitchell würde Chicago zu seinem Zuhause machen, und zum ersten Mal in seinem Leben würde er herausfinden, wer er wirklich war. Das war sein Neuanfang, und Mitchell musste das Beste daraus machen.

Er hatte so viel Zeit damit verschwendet, die Person zu sein, die alle anderen wollten. Damit war es nun vorbei.

Es war ein Mantra, das er allzu oft wiederholen musste. So sehr er das auch wollte – es brauchte – er hatte schreckliche Angst. Misserfolge waren schon immer Mitchells größte Angst gewesen und irgendwie war er immer in ihnen geschwommen. Was würde dafür sorgen, dass es hier nicht lief wie immer?

Er drückte seine Handfläche flach gegen das Fenster und praktizierte eine Atemübung, die er vor Jahren in einer Talkshow gesehen hatte. Es gab kein Scheitern, solange er es weiter versuchte. Er war so weit gekommen, nicht wahr? Es war einen Schritt weiter als je zuvor.

Jetzt brauchte er nur noch einen Job, und je früher er einen fand, desto besser. Sein Bargeld schrumpfte schnell und wenn dies aufgebraucht war, war es mit seinem Glück vorbei. Du hättest mehr als fünf Riesen nehmen sollen, als du gegangen bist. Er schüttelte die Schultern aus und verscheuchte den Gedanken. Hätte, hätte, Fahrradkette brachte ihn jetzt auch nicht weiter.

Er ließ sich am Rand seiner Matratze nieder und zog seinen Rucksack zu sich heran, um darin nach einer kompakten schwarzen Tasche herumzukramen. Er seufzte, als er sie fand, und ließ seine Finger wehmütig über den Kulturbeutel streichen. So viele verschiedene Gefühle galten so einer kleinen Sache. Er zog den Reißverschluss auf, drehte die Tasche so, dass er den Spiegel auf der Innenseite benutzen konnte, und ohne wirklich darauf zu achten, wie sein Gesicht aussah, machte er sich daran, die blauen Flecken abzudecken, die immer noch sein Gesicht entstellten.

Für seine Lippe konnte er nicht viel tun, so geschwollen und aufgeplatzt, wie sie am Mundwinkel war, der Schnitt innen noch offen und wund. Aber Mitchell zauberte, so gut es ging, mit Lippenpflege und Lipgloss, um alles so gleichmäßig und natürlich wie möglich aussehen zu lassen. Seine Zunge tippte gegen die Wunde und huschte darüber. Es war besser als gestern.

Glücklicherweise hatte er die weise Voraussicht gehabt, eine Vielzahl seiner Kleider in den Koffer zu werfen, den er Evan gestohlen hatte, bevor er Reißaus genommen hatte. Er mochte arm sein und im Moment einen Schritt von der Straße entfernt leben, aber er hatte ein Paar kakifarbene Chinos und einen hellgrauen Pullover, der sich auf der Grenze zwischen lässig und halbwegs formell bewegte.

Evan hatte ihm das Outfit während ihres ersten gemeinsamen Jahres gekauft, als die Dinge noch in Ordnung gewesen waren.

Mitchell grub seine abgebissenen Nägel in sein Handgelenk, bis der Schmerz seine Augen brennen ließ, und besann sich. Es war egal, woher das Outfit stammte. Es würde professionell aussehen, aber nicht overdressed, wenn er nach möglichen Jobs fragte. Er musste sich auf das konzentrieren, was wichtig war.

Angezogen und bereit für den Tag holte Mitchell seine Autoschlüssel aus der Küche und ging nach draußen. Er hatte sich den Kopf darüber zerbrochen, das Auto mitzunehmen. Und er war immer noch nervös über seine Entscheidung. Könnte Evan ihn irgendwie dadurch finden? Aber er hatte nicht gewusst, was er ohne das Auto tun sollte. Noch nie in seinem Leben hatte er öffentliche Verkehrsmittel benutzt. Und obwohl er sich sicher war, dass er klarkommen würde, wollte er es ehrlich gesagt nicht auf die Liste mit all den anderen Dingen setzen, mit denen er sich seit der Nacht, in der er geflohen war, auseinandersetzen musste.

Vielleicht würde er jetzt, da er in Chicago war, das Auto für etwas zusätzliches Geld verkaufen und die Sorgen rund um den Wagen damit abhaken.

Paranoia hatte ihn dazu gebracht, den Civic zwei Blocks um die Ecke abzustellen, nur für den Fall. Mitchells Einparkfähigkeiten ließen etwas zu wünschen übrig, aber zu seiner Verteidigung: Was zur Hölle hatte es sich mit diesem Parallelparken auf sich? Wenigstens hatte er nur einen Reifen auf dem Bordstein. Wundersamerweise war das Fahrzeug vor ihm weggefahren und Mitchell dankte Gott, dass er nicht versuchen musste, irgendwie aus einem Autosandwich herauszukommen.

Die Chicago Public Library war ruhig, als er sie erreichte. Niemand schenkte ihm Aufmerksamkeit, als er zu den Computern im hinteren Bereich ging. Er war jeden Tag für mindestens ein paar Stunden hier, seit er vor etwas über einer Woche in Chicago angekommen war. Sein Handy war in Peterson, Ohio, zurückgeblieben, sodass öffentliche Bibliotheken mit Internetzugang – und Badezimmer, als er noch im Auto gelebt hatte – sein bester Freund geworden waren.

Während er durch die Jobbörsen scrollte, machte er sich Notizen auf der Rückseite eines liegen gelassenen Zettels. Je länger er recherchierte, desto heftiger schlug sein Herz. Panik krallte sich in seine Brust, heftig und feurig, drohte ihn zu ersticken. Für die meisten Jobs war er wirklich nicht qualifiziert. Er hatte die Highschool abgeschlossen und das war es. Dem folgte ein Jahr an der Uni, in dem er sich kein Hauptfach ausgesucht hatte, und er hatte Evan getroffen. Der einzige bezahlte Job, den Mitchell je gehabt hatte, war gewesen, mit Gras zu dealen. Außerdem hatte er ein ganzes Semester als Tutor an der Uni verbracht.

Er drückte die Handballen an die Stirn, grub die Finger hinein und versuchte, den Schmerz in seinem Kopf wegzumassieren. Du kannst das. Leute bekamen die ganze Zeit Jobs und sicherlich mussten einige von ihnen bei null anfangen. Was machte es denn, dass Mitchell vierundzwanzig war und die letzten fünf Jahre seines Lebens nichts für einen Lebenslauf hergaben? Es könnte schlimmer sein. Er könnte dreißig sein und elf Jahre seines Lebens mit nichts als Elend gefüllt haben.

Mitchell schüttelte die bedrückenden Gedanken ab und übersprang Unternehmen und Ketten, die Online-Bewerbungen verlangten. Er konnte die meisten Felder nicht ausfüllen. Seine beste Chance war etwas Kleines in lokalem Besitz. Seine Finger zuckten nervös über der Tastatur. Er hatte keinen Zugang mehr zu einem Bankkonto, also musste er auch dafür eine Lösung finden. Es war 2020. Wer bezahlte seine Mitarbeiter mit Bargeld? Oben auf seinen

Notizzettel kritzelte er: Bankkonto eröffnen?

Die Tierarztpraxis Addison hatte eine freie Stelle für einen Assistenten und ein veganes Frühstücksdiner auf der W Logan suchte Kellner. Mitchell fügte die Adressen zu seiner kleinen Liste von Möglichkeiten hinzu. In den letzten zwei Stunden hatte er es geschafft, sechs potenzielle Jobs anzusammeln, was er für eine angemessene Menge an Orten hielt, die man innerhalb eines Tages abklappern konnte. Er stellte sicher, dass niemand ihn beobachtete, und fischte ein weiteres Papier aus dem Mülleimer am Ende der Reihe mit Computern, damit er Wegbeschreibungen zu jedem Ort aufschreiben konnte.

Er war dabei zu lernen, wie er klarkam.

Die große blonde Rezeptionistin, Mandy, laut ihrem Namensschild, sah auf seine Bewerbung und dann zurück zu ihm. Ihre perfekt geformten Augenbrauen hoben sich. „Das ist nicht ausgefüllt.“ Sie hielt sie ihm entgegen. „Sie haben die meisten Felder freigelassen.“

Mitchell zauberte sein gewinnendstes Lächeln hervor, ignorierte die Art und Weise, wie das den Schnitt in seinem Mund dehnte und brennen ließ, und schmeckte Kupfer.

„Ich kann diese Felder nicht ausfüllen.“

Er hatte nicht gedacht, dass es möglich wäre, aber ihre Augenbrauen wanderten noch höher. „Sie haben keine Telefonnummer?“

Seine Wangen liefen dunkelrot an vor Scham, aber er ignorierte es. „Nein, habe ich nicht.“

„Wie sollen wir Sie erreichen?“ Der herablassende Tonfall füllte die Luft um ihn herum. Hinter ihm winselte der Yorkie einer älteren Dame.

„Ich habe eine E-Mail-Adresse angegeben.“ Er zeigte auf das Feld. „Ich werde sie jeden Tag überprüfen.“

„Ich verstehe.“ Sie legte die Bewerbung auf den Tresen und zeigte ein erzwungenes Plastik-Lächeln. „Vielen Dank, dass Sie sich bewerben. Sie werden von uns hören, wenn der Arzt Ihre Bewerbung angesehen hat.“

„Danke“, sagte er. Der Stress ließ es in seinem Bauch rumoren und seine Handflächen feucht werden. Aus dem Augenwinkel, als er sich umdrehte, sah er, wie sie seine Bewerbung in den Mülleimer gleiten ließ.

Das war ja großartig gelaufen.

Als Nächstes versuchte er sein Glück mit dem veganen Frühstücksdiner. Veganer waren angeblich nett, oder? Aber sollten Leute, die den ganzen Tag mit Tieren arbeiteten, nicht auch glücklich und freundlich sein? Er wischte seine Handflächen nervös an der Hose ab, bevor er das Diner betrat. Niemand mochte einen klammen Händedruck.

Der Chef, ein dürrer Mann mit runden Brillengläsern und zerzausten braunen Haaren, betrachtete ihn einmal von oben bis unten, als er fragte, ob er mit jemandem über die Bewerbung sprechen könnte.

„Hmm“, brummte er. „Folgen Sie mir.“ Er führte Mitchell zu einem Tisch an der Seite des Raumes und wies ihn an, zu warten. „Kann ich dir was bringen?“

Mitchell schaute auf die Preise, die auf der großen Tafel hinter der Theke ausgeschrieben waren. Er ließ sich nichts anmerken.

„Nein, danke.“ Wenn er das wenige Geld, das er noch hatte, für so was ausgeben würde, hatte er bald nichts mehr übrig. Es war am besten, Versuchungen gänzlich zu vermeiden. Außerdem: War ein veganer Blaubeer-Muffin mit Streuseln wirklich zehn Dollar wert?

„Hmm“, sagte der Mann wieder.

Ein lang begrabener Teil von Mitchell wollte sarkastisch „Hmm“ zurückmachen, aber er verkniff es sich. Während er versuchte Arbeit zu finden, war das nicht die Zeit, seine lange verlorene Persönlichkeit zurück an die Oberfläche zu holen. Während er wartete, beobachtete er die Leute um sich herum. Das Diner machte ordentlichen Umsatz, eine gleiche Anzahl von Leuten kam herein, um sich etwas mitzunehmen, wie die, die vor Ort aß. Das Geplauder, tief und regelmäßig, erzeugte ein angenehmes Summen.

Es war etwas so Einfaches, und doch war es alles, was Mitchell wollte. Normalität.

Er war so versunken im Anblick eines Paares, das ehrlich glücklich schien, beisammen zu sein, lächelnd und lachend, ihre Köpfe neigten sich einander zu, um besser zu hören, da schrak er auf, als ein Mann in den Sitz gegenüber von ihm glitt.

„Hey“, begrüßte der Typ ihn, der ihm eine Hand hinhielt. „Ich bin Neal. TJ sagte, Sie interessieren sich für eine unserer Kellnerstellen.“

Mitchell schüttelte die angebotene Hand und hoffte, dass sein Lächeln nicht so zittrig war, wie es sich anfühlte. „Ja, hallo. Ich bin Mitchell.“

Neal trat deutlich freundlicher auf als der oben erwähnte TJ, Gott sei Dank. Er hatte freundliche braune Augen und dunkle Haare, die über seine Stirn fielen. Mitchell beobachtete, wie er es zurückstrich und sich die losen Strähnen aus den Augen schüttelte. Sein Lächeln war echt und warm, als er Mitchell betrachtete.

„Also, Mitchell, hast du schon mal gekellnert? Hast du schon mal in einem Restaurant gearbeitet?“

Mitchell wippte nervös mit den Füßen. „Nein, aber ich arbeite hart und lerne schnell.“ Er widerstand dem Drang, auf seine wunde Lippe zu beißen, aber die Erinnerung daran, wie er sie bekam, ließ ihn darüber nachdenken, wie er die letzten Jahre seines Lebens verbracht hatte. „Ich war aber ein, ähm … privater Koch. Ich bin es gewohnt, zu putzen.“

Neal sah überrascht aus. Mitchell dachte, dann ging es nicht nur ihm so.

„Ein privater Koch? Wäre ein Küchenjob dann nicht besser für dich geeignet?“

Er ließ seine Hände in seinen Schoß fallen, damit er seine Finger ineinander verschränken konnte, und zupfte an der Nagelhaut herum, während er überlegte, was er sagen sollte. Evan hatte verlangt, dass Mitchell lernte, zu kochen und ihm Mahlzeiten zuzubereiten. Aber die meisten dieser Mahlzeiten kamen aus Schachteln und Internet-Rezepten, die Mitchell zusammengesucht hatte. Er war kein richtiger Koch.

„Ich habe deine Anzeige gesehen“, sagte er und dachte über jedes Wort, das aus seinem Mund kam, nach. „Und ich habe über dein Geschäft recherchiert. Ich mag die Atmosphäre sehr, und du hast keine Küchenpositionen zur Verfügung. Ich würde gerne Kellner sein.“

„Süßer“, sagte Neal, „niemand würde gerne Kellner sein.“

Wäre es unprofessionell, seinen Kopf in den Tisch zu schlagen? Dem Drang widerstehend, erzwang er ein Lächeln und sagte gar nichts.

Neal musterte ihn weiter.

„Bist du Student?“

Einer von Mitchells Knöcheln knackte.

„Äh, nein.“

Neal nickte, sein Gesichtsausdruck verriet nahezu nichts. Er griff neben sich und zog einen Ordner in Mitchells Blickfeld, daraus hervor und löste einen Stift davon ab. „Mein Chef verlangt, dass jeder Bewerber ein Formular für unsere Unterlagen ausfüllt. Wenn du es jetzt machen möchtest, kann ich warten, und dann das Bewerbungsgespräch fortführen, wenn du fertig bist.“

Mit einer guten Vorstellung davon, wie das ausgehen würde, nahm Mitchell das Formular entgegen und begann auszufüllen, was er konnte. Er erwartete, Neals Blick auf sich zu spüren, aber er tat es nicht. Ein kurzer Blick unter seinen Wimpern hindurch verriet Neal, dass er ihm überhaupt keine Aufmerksamkeit schenkte. Die Spannung fiel von Mitchells hochgezogenen Schultern ab. Als er fertig war, schob er das Papier über den Tisch und versuchte, nicht wie ein Kind zu zappeln, als Neal es durchlas, seufzte und dann hochschaute.

Neals Gesicht war leer. „Wie ich sehe, haben Sie das Referenzfeld völlig freigelassen.“

„Habe ich.“ Mitchell schluckte stark, sein Adamsapfel hüpfte. „Ich weiß, dass Unternehmen nicht gerne Risiken eingehen, aber meine Arbeitsethik wird für sich sprechen.“ Sicherlich würde niemand in seiner Vergangenheit für ihn sprechen.

„Und Sie haben keine Telefonnummer oder frühere Jobs angegeben.“

Jesus Christus, das war Folter.

„Habe ich nicht.“

Neal nickte und drehte das Formular um.

„Es ist nicht mein Job zu fragen, wovor du fliehst, also werde ich es nicht tun. Aber wenn du willst, dass ich dir eine Chance gebe – wenn du willst, dass ich meinen Hals riskiere und meinen Chef bitte, dir eine Chance zu geben – brauche ich einige Zusicherungen.“

Sein Herz hatte aufgehört zu schlagen. Er hatte nicht richtig gehört, oder? Neal war bereit, ihm eine Chance zu geben? Dieser Mann, der ihn keine fünf Minuten kannte, überlegte tatsächlich, Mitchell zu helfen. Er konnte es nicht glauben.

„Ich, ja. Natürlich. Alles.“ Er würde zwanzigstündige Schichten arbeiten, wenn er es tun müsste.

„Kein Drogenkonsum. Du kommst sauber und nüchtern zur Arbeit. Du tauchst pünktlich auf. Ich möchte diese versprochene Arbeitsmoral sehen.“ Er klopfte mit dem Finger auf den Tisch. „Ich kann keine Versprechungen machen, und ich muss zuerst mit meinem Chef sprechen. Aber ich habe ein gutes Gefühl bei dir. Aber du wirst vermutlich Mädchen für alles auf Teilzeit werden. Ich kann eine Menge Dinge ins Rollen bringen, aber ihn dazu zu bringen, dich als Kellner einzustellen, ist sogar für mich ein Ding der Unmöglichkeit. Wenn du dich beweist, mit der Zeit, dann vielleicht.“

Mitchell hätte die Reaktion nicht aufhalten können, wenn er es versucht hätte. Tränen schossen ihm in die Augen und sie begannen überzulaufen. Er wischte sie weg, seine Wangen glühten heiß und er lachte heiser. „Entschuldigung, tut mir leid. Das ist nur … danke. Danke. Es bedeutet mir viel, dass du es überhaupt versuchst.“ Er bedeckte sein Gesicht für eine Sekunde mit den Händen und atmete tief ein. „Oh, das ist so peinlich.“ Er war immer noch undicht wie ein verdammter Wasserhahn, Tränen rannen über seine Wangen. Fühlte sich so Erleichterung an?

Neal reichte ihm eine Serviette aus dem Spender, ein sanftes Lächeln auf den Lippen.

„Es gibt nichts, wofür du dich entschuldigen müsstest, und nichts, was dir peinlich sein müsste. Ich mache einfach, was ich kann.“

„Das müsstest du aber nicht.“

„Nein“, sagte Neal, „aber ich will es.“

Jenson

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