Читать книгу Heil mich, wenn du kannst - Melanie Weber-Tilse, Alisha Mc Shaw - Страница 6

Prolog

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Langsam senkten sich seine Lippen auf ihre herab, seine Hand glitt in ihren Nacken und zogen sie noch dichter an ihn heran, falls das überhaupt noch möglich war. »Für immer wir zwei«, wisperte er an ihren Lippen. Ihre Finger glitten an seiner Brust entlang nach oben, legten sich an der Stelle ab, an der sie sein Herz deutlich schlagen fühlte.

Bumm ... Bumm ... Bumm ... BUMM .... BUMM ...

»Lorraine, verdammt noch mal, mach die Tür auf!«

So ein Mist, warum musste sie immer an der besten Stelle gestört werden? Laut seufzend schlug Lorraine das Buch zu, in dessen Welt sie gerade eben noch völlig versunken war. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es schon halb zwölf war. Das Hämmern gegen die Tür und der Lärm wurden immer lauter und ihr war klar, dass es nicht mehr lange dauern konnte, bis irgendein Nachbar aus den umliegenden Häusern sich beschwerte.

Murrend erhob sie sich aus ihrem Sessel und schlurfte zur Tür. »Ich komm ja schon!«, knurrte sie, löste die Sicherungskette und öffnete. »Ryan, wie oft soll ich dir noch sagen, dass ...« Weiter kam sie nicht, denn ihr Bruder schob sie einfach zur Seite und trat in den Wohnungsflur. Verblüfft sah sie ihm hinterher, schloss die Tür wieder und stemmte die Arme in die Hüften.

»Ryan, du kannst nicht immer zu nachtschlafenden Zeiten hier auftauchen und darauf bauen, dass ich dich hier schlafen lasse, wenn dich eine deiner Freundinnen mal wieder hinausgeworfen hat!«, legte sie los und folgte ihrem Bruder, der einfach ins Wohnzimmer durchgegangen war. »Du erinnerst dich, morgen ist Montag, ich habe ein Vorstellungsgespräch und brauche meinen Schlaf.«

Ryan sagte nicht einen Ton, aber er marschierte auf den Sessel zu und hob das Buch hoch, in dessen Welt sie noch vor weniger als einer Minute völlig versunken war. »Du brauchst deinen Schlaf, ja?«, grinste er und wedelte mit dem Buch. Lorraine kniff die Augen zusammen, nahm ihm das Buch ab und legte es behutsam beiseite, nachdem sie ein Lesezeichen hineingepackt hatte.

»Wer hat dich diesmal rausgeworfen?«, fragte sie, während ihr Bruder es sich bereits auf ihrer Couch bequem machte. »Emely, Cindy oder Katelyn?«

Ryan lachte leise. »Nathalie, sie fand mein Date mit ihrer besten Freundin wohl nicht so prickelnd«, gab er unbekümmert zu. »Wo hast du morgen dein Vorstellungsgespräch?«

Lorraine rollte mit den Augen. Womit habe ich einen so verantwortungslosen Bruder verdient?, dachte sie bei sich. »Bei Michael Thompson und seiner Freundin. Sie suchen ein Kindermädchen.«

Ryan schoss hoch und starrte sie an. »Bei dem Michael Thompson? Von der Thompson Holding?«

»Ja, genau bei dem.«

»Rain ...«, er stand erneut auf und legte ihr den Arm um die Schulter. Lorraine zog die Augenbraue hoch. Wenn er ihr so kam und ihren Kosenamen benutzte, dann hieß es, Vorsicht walten zu lassen. »Wenn du ja dann so mit Mr. Thompson bist ...«, er kreuzte zwei Finger übereinander, »... dann kannst du doch bestimmt auch mal nach nem Job für deinen lieben, kleinen Bruder fragen, oder? Vielleicht als Security in seiner Firma?«

Lorraine schnaubte. »Genau. Super Idee, Bruderherz. Ich hatte vor, den Job wirklich zu bekommen. Schon mal davon gehört, dass jemand den Bock freiwillig zum Gärtner macht? Die verlangen sogar für das Kindermädchen ein Führungszeugnis.«

Peng, das hatte gesessen. Sie sah es an der Art, wie er zusammenzuckte. Die Worte taten ihr dennoch nicht leid, denn irgendwann musste selbst ihr Bruder begreifen, dass es so nicht weitergehen konnte.

Ryan war seit zwei bis drei Jahren Mitglied einer Gang, deren Vorgehensweise sie mehr als fragwürdig fand. Erst vergangene Woche hatte er die letzte Sozialstunde hinter sich gebracht, die er aufgebrummt bekommen hatte, weil er für die Gang Schmiere stand beim Einbruch in eine Tankstelle.

Sein Gesicht wurde verschlossen und er verschränkte die Arme vor der Brust. »Was ist jetzt, schmeißt du mich raus, oder kann ich auf dem Sofa schlafen?«

Seufzend trat sie zu einer Truhe, öffnete sie und fischte Kopfkissen und Bettdecke heraus. Beides warf sie ihrem Bruder zu, der die Sachen mit einem Grinsen auffing und auf dem Sofa ablegte. Dann trat er zu ihr, zog sie in eine Umarmung und hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. »Besteste Schwester der Welt!«

Mürrisch schob Lorraine ihn von sich. »Fragwürdiges Kompliment. Ich bin deine einzige Schwester! Gute Nacht.«

Kopfschüttelnd setzte sie an, das Wohnzimmer zu verlassen, blieb jedoch im Türrahmen stehen und beobachtete ihren Bruder noch einen Moment. Ryan schlüpfte aus Jeans und T-Shirt, fläzte sich dann auf ihr Sofa und angelte nach der Fernbedienung für das TV.

Sie war eine Nanny, und zwar eine richtig gute, aber bei ihm hatte sie offensichtlich auf ganzer Linie versagt. Fast war sie froh, dass ihre Eltern das nicht mehr erleben mussten. Es würde beiden das Herz brechen zu sehen, wie sehr sich Ryan verändert hatte. Als die beiden vor fünf Jahren durch einen Verkehrsunfall gestorben waren, versuchte sie gar nicht erst, ihrem Bruder die Mutter zu ersetzen. Dafür war er mit damals 19 Jahren schon zu alt.

Doch der Tod der Eltern hatte ihn in ein tiefes Loch gezogen, aus dem er sich mit Hilfe zwielichtiger Gestalten zu befreien versuchte. So sehr sie auch versucht hatte, ihn aufzufangen – er war ihr immer mehr entglitten. Es grenzte für sie an ein Wunder, dass er noch keine schlimmeren Dinge angestellt hatte.

»Du kannst ruhig schlafen gehen, Rain. Heute hab ich nicht vor, noch etwas anzustellen, okay? Ich will nur noch schlafen und mir überlegen, wie ich Nathalie wieder besänftigen kann«, ertönte da die Stimme ihres Bruders und riss sie aus den Überlegungen. »Viel Glück für dein Gespräch mit Mr. Reich und sexy himself!« Kopfschüttelnd, aber lächelnd verließ Lorraine das Wohnzimmer endgültig, um schlafen zu gehen.

Heil mich, wenn du kannst

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