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KAPITEL II

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Montag, 13. September

Karl betrat recht zufrieden sein Büro. Das war einer der weiteren Vorzüge in seinem neuen Job. Ruhe vor der ganzen Hektik da draußen und Ruhe vor nervigen Kollegen. Die Redaktionskonferenz lief wie üblich, nichts Besonderes. Außer dass sich doch einige Kollegen ernsthaft freuten, dass Karl wieder da ist. Selbst Karls Spezialfreund Müller schien ihn ohne Missgunst freundlich zu begrüßen. Wer weiß, vielleicht freute sich Müller, dass er endlich wieder jemand zum Piesacken hatte. Die kommende Woche hatte es also in sich.

Termine über Termine. Parteiveranstaltungen, Podiumsdiskussionen, zu jeden politisch wahrnehmbaren Furz eine Veranstaltung. In seiner Position konnte Karl sich zum Glück die Rosinenstücke rauspicken. Was muss er jetzt noch in die stupiden Tiefen von Ortsvereinssitzungen abtauchen, die in etwas so spannend sind, wie ein Schneckenwettrennen. Nein, die dicken Fische, die wirklich wichtigen Termine, das war jetzt sein Ding. Soll sich doch das Fußvolk mit dem ganzen Kram abtun. Zwei Termine interessierten ihn ganz besonders. Am Donnerstag war eine Podiumsdiskussion mit den Spitzenkandidaten aller Parteien und den Spitzenleuten aus Wirtschaft, Kultur und Medien angesetzt. Das ist seine Kragenweite und nichts anderes. Am Freitag dann noch die Abschlusskundgebungen der Parteien, wobei er sich für die diejenige der größten Oppositionspartei entschieden hat. Wobei dieser Ausdruck bei einer regierenden Großen Koalition etwas in die Irre führen mag. Also zumindest hatte diese Partei die meisten Sitze in der Oppositionsriege. Naja, und am Sonntagabend ist die ganze Chose eh schon wieder vorbei. Dann gibt es wieder nur Sieger und alles bleibt beim Alten.

Wie Karl wahrnehmen konnte, hat sich in den letzten zwei Wochen seines Urlaubs nicht wirklich viel bewegt. Und das in der Endphase des Wahlkampfes. Bezeichnend! In der Redaktion war die Meinung über den Ausgang der Wahl sehr ambivalent. Die eine Hälfte vermutete, dass wohl die Große Koalition weitermachen werde, zumindest versprachen das alle seriösen Zahlen der Umfrageinstitute. Ein Viertel der Redaktion, in Wahrheit eigentlich die komplette Mischpoke aus dem Wirtschaftsressort, ging fest davon aus, dass die Liberalen wieder mit ins Boot geholt werden. Selbstredend egal, von welcher dann führenden großen Volkspartei.

Die Kulturfuzzis erhofften sich natürlich einen kleinen revolutionären Umbruch und die zumeist ketterauchenden Sportleute waren eher dran interessiert, wie das Berliner Derby am Sonntag ausgehen wird. Also, wie gesagt, es war eigentlich wie immer. Wenn man bedenkt, wie die Stimmung in den Medien befördert wurde, die mal wieder davon schwadronierten, dass diesmal auf jeden Fall wieder eine "historische" Wahl ansteht, war davon auf den Straßen, den Cafés und den Kneipen nichts, aber rein gar nichts zu spüren. Den Leuten schien just diese Bundestagswahl komplett egal zu sein. Die Umfrageinstitute warnten bereits seit Wochen vor erschreckend niedriger Wahlbeteiligung. Auch, dass jetzt die letzten Tage des Wahlkampfes anstanden, konnte man nur mittels Terminkalender und unmäßig vielen Anfragen von diversen Hinterbänklern erkennen, die sich noch mal in Position bringen wollten. Ansonsten, absolute Flaute. Geringe Einschaltquoten bei den politischen Talksendungen, ja sogar sinkende Auflagenzahlen bei den meinungsführenden Tageszeitungen der Republik.

Stell dir vor, am Sonntag ist Wahl und keiner geht hin.

Nie war dieser - etwas abgewandelte - Spruch so wahr. Was also könnte die wehrten Leser dann eigentlich interessieren? Köpfe, Geschichten, Affären. Letzteres immer, aber das passt eher in eines dieser Boulevardblätter, die es in Berlin zuhauf gibt. Obwohl Karl immer offen war für Halbgares aus der Gerüchteküche, musste er diesmal die Seriositätsbremse reinhauen. Zumindest für die Sachen, die er selber schreiben wollte. Naja, irgendwas ließ sich ja schon immer aus der Nase herausziehen, wird diesmal wohl auch klappen. Karl lehnte sich zufrieden in seinen viel zu groß dimensionierten Ledersessel - der war natürlich noch von seinem beurlaubten Vorgänger Xaver Hinrichsen - und machte sich einen Plan für den Tag zurecht. Erst mal die gefühlten tausend E-Mails checken, mit den befreundeten Kollegen Mittag machen um den allerneuesten Tratsch aus der Redaktion zu hören, seine Termine für die Woche vorbereiten und mit ein paar wichtigen Leuten telefonieren. Dann würde er heute nochmal piano machen, Sandra hätte sicher nichts dagegen, wenn er heute mal vor 20 Uhr nach Hause käme.

Die letzte Instanz

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