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Erstes Kapitel Eine Renaissance

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Wenn sich der Beginn der modernen Renaissance der Psychedelik-Forschung halbwegs präzise datieren lässt, dann wäre das Jahr 2006 ein guter Ansatz. Nicht dass es damals vielen Leuten klar gewesen wäre. Es wurde weder ein Gesetz verabschiedet noch ein Verbot aufgehoben oder eine Entdeckung verkündet, um die historische Veränderung zu markieren. Aber weil in diesem Jahr drei in keinem Zusammenhang stehende Ereignisse stattfanden – das erste in Basel in der Schweiz, das zweite in Washington, D.C., und das dritte in Baltimore, Maryland –, konnten hellhörige Ohren wahrnehmen, wie das Eis zu brechen begann.

Das erste Ereignis, das zurück, aber auch nach vorn blickte wie ein historisches Scharnier, war der hundertste Geburtstag von Albert Hofmann, des Schweizer Chemikers, der 1943 zufällig entdeckte, dass er (fünf Jahre vorher) das psychoaktive Molekül entdeckt hatte, das unter dem Namen LSD bekannt wurde. Das war insofern ein ungewöhnliches Jubiläum, als der Gefeierte persönlich anwesend war. An der Schwelle zu seinem zweiten Jahrhundert war Hofmann in erstaunlich guter Verfassung, körperlich und geistig rüstig, und konnte bei den Festlichkeiten, die eine Geburtstagsfeier und ein dreitägiges Symposium umfassten, eine aktive Rolle übernehmen.1 Die Eröffnungszeremonie des Symposiums fand am 13. Januar statt, zwei Tage nach Hofmanns hundertstem Geburtstag (er wurde hundertzwei Jahre alt). Zweitausend Menschen füllten den Saal im Congress Center Basel und erhoben sich, um zu applaudieren, als ein gebeugter, hagerer Mann in dunklem Anzug und Krawatte, der kaum eins fünfzig groß war, langsam die Bühne überquerte und Platz nahm.

Zweihundert Journalisten aus aller Welt waren im Saal, zusammen mit mehr als tausend Heilern, Suchenden, Mystikern, Psychiatern, Pharmakologen, Bewusstseinsforschern und Neurowissenschaftlern, die meisten von ihnen Menschen, deren Leben durch das außergewöhnliche Molekül, das dieser Mann ein halbes Jahrhundert vorher aus einem Pilz gewonnen hatte, tief greifend verändert worden war. Sie waren gekommen, um ihn und etwas zu feiern, das sein Freund, der Schweizer Schriftsteller und Psychiater Walter Vogt, «die einzige heitere Erfindung des zwanzigsten Jahrhunderts»2 nannte. Die Menschen im Saal empfanden das nicht als Übertreibung. Einem der anwesenden amerikanischen Wissenschaftler zufolge waren viele gekommen, um Albert Hofmann «zu huldigen», und die Veranstaltung hatte tatsächlich etwas von einem religiösen Fest.

Obwohl so gut wie alle Leute im Saal die Geschichte von der Entdeckung des LSD auswendig kannten, wurde Hofmann gebeten, den Schöpfungsmythos noch einmal vorzutragen. (Er erzählt die Geschichte einprägsam in seiner Autobiografie von 1979: LSD – mein Sorgenkind.) Als junger Chemiker arbeitete Hofmann in einer Abteilung der Sandoz-Labore, die damit betraut war, die Inhaltsstoffe von Heilpflanzen zu isolieren, um neue Medikamente zu finden, und hatte die Aufgabe, die Moleküle in den im Mutterkorn enthaltenen Alkaloiden zu synthetisieren.3 Mutterkorn ist ein Pilz, der Getreide, vor allem Roggen, befallen und Menschen, die von dem daraus hergestellten Brot essen, in einen Zustand der Verrücktheit oder Besessenheit versetzen kann. (Eine Theorie zu den Hexenprozessen in Salem macht eine Mutterkornvergiftung für das Verhalten der angeklagten Frauen verantwortlich.) Doch Hebammen verwendeten Mutterkorn schon seit Langem, um die Wehen einzuleiten und die Blutung nach der Geburt zu stillen, deshalb hoffte Sandoz, aus den Alkaloiden des Pilzes ein vermarktbares Medikament isolieren zu können. Im Herbst 1938 stellte Hofmann das fünfundzwanzigste Molekül in dieser Reihe her und nannte es Lysergsäurediethylamid oder kurz LSD-25. Vorausgehende Tierversuche mit der Substanz waren nicht besonders vielversprechend gewesen (die Tiere waren unruhig geworden, aber das war schon alles), deshalb wurde die Formel für LSD-25 beiseitegelegt.

Und so blieb es fünf Jahre lang, bis zu einem Tag im April 1943, mitten im Krieg, als Hofmann «die merkwürdige Ahnung» hatte, dass LSD-25 einen zweiten Blick verdiente.4 An dieser Stelle nimmt sein Bericht eine mystische Wendung. Wenn eine Substanz, die nicht vielversprechend war, verworfen wurde, war das normalerweise endgültig. Doch Hofmann gefiel die chemische Struktur der Substanz LSD, und irgendwas sagte ihm, «dieser Stoff könnte noch andere als nur die bei der ersten Untersuchung festgestellten Wirkungsqualitäten besitzen».5 Zu einer weiteren rätselhaften Anomalie kam es, als er das LSD-25 zum zweiten Mal synthetisierte. Trotz der peniblen Vorsichtsmaßnahmen, die Hofmann stets traf, wenn er mit einer so giftigen Substanz wie Mutterkorn arbeitete, muss er etwas von der Chemikalie durch die Haut aufgenommen haben, denn «[ich] wurde in meiner Arbeit durch ungewöhnliche Empfindungen gestört».6

Hofmann fuhr nach Hause, legte sich aufs Sofa, und in einem «Dämmerzustand bei geschlossenen Augen … drangen ununterbrochen phantastische Bilder von außerordentlicher Plastizität und mit intensivem, kaleidoskopartigem Farbenspiel auf mich ein».7 Und so spielt sich in der neutralen Schweiz, in den dunkelsten Tagen des Zweiten Weltkriegs, der erste LSD-Trip der Welt ab. Es ist auch der einzige LSD-Trip, den jemand nahm, ohne irgendwelche Erwartungen daran zu knüpfen.

Fasziniert beschloss Hofmann ein paar Tage später, einen Selbstversuch durchzuführen – damals keine ungewöhnliche Vorgehensweise. Er glaubte, extrem vorsichtig vorzugehen, und nahm 0,25 Milligramm – ein Milligramm ist ein Tausendstel Gramm – in einem Glas Wasser aufgelöstes LSD ein. Das wäre bei jeder anderen Droge eine unbedeutende Dosis, doch wie sich herausgestellt hat, ist LSD eine der stärksten psychoaktiven Substanzen, die je entdeckt wurden, und wirkt schon in Dosen, die in Mikrogramm gemessen werden – d. h. einem Tausendstel Milligramm. Dieser erstaunliche Umstand sollte die Wissenschaft schon bald dazu anregen, letztlich erfolgreich nach den Gehirnrezeptoren und der endogenen Chemikalie – Serotonin – zu suchen, die sie wie ein Schlüssel im Schloss aktiviert, um erklären zu können, wie eine so kleine Anzahl von Molekülen eine so tief greifende Wirkung auf den Geist haben kann. Auf diese Weise half Hofmanns Entdeckung, die moderne Gehirnforschung in den 1950er Jahren in Gang zu setzen.

Nun kommt es zum weltweit ersten LSD-Horrortrip, und Hofmann hat das Gefühl, unrettbar in Wahnsinn zu verfallen.8 Er sagt seiner Laborantin, er müsse nach Hause, und da die Nutzung von Automobilen während des Krieges eingeschränkt ist, schafft er es irgendwie mit dem Fahrrad nach Hause und legt sich dort hin, während die Laborantin einen Arzt verständigt. (Heute feiern LSD-Fans jedes Jahr am 19. April den «Fahrradtag».) Hofmann schildert, wie »vertraute Gegenstände und Möbelstücke groteske, meist bedrohliche Formen an[nahmen]. Sie waren in dauernder Bewegung, wie belebt, wie von innerer Unruhe erfüllt.»9 Er erlebte den Zerfall der Außenwelt und die Auflösung seines eigenen Ichs. »Ein Dämon war in mich eingedrungen und hatte von meinem Körper, von meinen Sinnen und von meiner Seele Besitz ergriffen. Ich sprang auf und schrie, um mich von ihm zu befreien, sank dann aber wieder machtlos auf das Sofa.»10 Hofmann gelangte zu der Überzeugung, dauerhaft verrückt zu werden oder vielleicht sogar im Sterben zu liegen. »Mein Ich hing irgendwo im Raum in der Schwebe und ich sah meinen Leib tot auf dem Sofa liegen.»11 Doch als der Arzt ihn untersuchte, stellte er fest, dass Hofmanns Vitalfunktionen – Herzschlag, Blutdruck, Atmung – völlig normal waren. Das einzige Anzeichen dafür, dass etwas nicht stimmte, waren seine extrem geweiteten Pupillen.

Sobald die akute Wirkung nachließ, verspürte Hofmann das «Nachglühen», das einer psychedelischen Erfahrung oft folgt, das genaue Gegenteil eines Katers. Als er nach einem Frühlingsregen in den Garten hinausging, »glitzerte und glänzte alles in einem frischen Licht. Die Welt war wie neu erschaffen.»12 Seither haben wir gelernt, dass die Psychedelika-Erfahrung stark von der eigenen Erwartung beeinflusst wird – keine andere Wirkstoffklasse ist in ihrer Wirkung beeinflussbarer. Da Hofmanns Erfahrungen mit LSD als einzige von vorangegangenen Berichten unbelastet sind, ist es interessant zu sehen, dass sie weder fernöstliche noch christliche Anklänge aufweisen, die schon bald zu den Gepflogenheiten des Genres gehörten. Doch die Schilderungen, dass vertraute Gegenstände zum Leben erwachten und »die Welt wie neu erschaffen» wirkte – der gleiche verzückte adamische Moment, den Aldous Huxley ein Jahrzehnt später so anschaulich in Die Pforten der Wahrnehmung beschreiben sollte –, wurden zu Gemeinplätzen psychedelischer Erfahrung.

Hofmann kehrte mit der Überzeugung von seinem Trip zurück, dass erstens LSD ihn gefunden hatte statt umgekehrt und zweitens LSD eines Tages für die Medizin, insbesondere die Psychiatrie, von großem Wert sein würde, weil es der Forschung möglicherweise ein Modell der Schizophrenie lieferte. Ihm kam nie in den Sinn, dass sein «Sorgenkind», als das er LSD letztendlich betrachtete, auch zu einem «Genussmittel» und einer Droge werden könnte.

Doch Hofmann sah in dem Umstand, dass die Jugendkultur sich LSD in den 1960er Jahren aneignete, schließlich eine verständliche Reaktion auf die Leere einer materialistischen, industrialisierten und spirituell verarmten Gesellschaft, die ihre Verbindung zur Natur verloren hatte. Dieser Meister der Chemie – der vielleicht materialistischsten aller Disziplinen – war nach seiner Erfahrung mit LSD-25 überzeugt, dass das Molekül der Zivilisation nicht nur ein potenzielles Therapeutikum lieferte, sondern auch einen spirituellen Balsam – indem es (in den Worten seines Freundes und Übersetzers Jonathan Ott) «im Gebäude der materialistischen Rationalität eine Bresche»13 schlug.

Wie so viele, die ihm folgten, wurde der brillante Chemiker zu einer Art Mystiker, der ein Evangelium spiritueller Erneuerung und Wiederverbindung mit der Natur predigte. Als dem Wissenschaftler an jenem Tag im Jahr 2006 in Basel ein Strauß Rosen überreicht wurde, sagte er zu den versammelten Gästen: «Das Gefühl der Mitgeschöpflichkeit mit allen Lebewesen sollte stärker in unser Bewusstsein dringen, damit wir zu den Rosen, den Blumen, der Natur, der wir angehören, zurückkehren können.»14 Das Publikum brach in Beifall aus.

Ein skeptischer Zeuge der Veranstaltung läge nicht völlig falsch, den kleinen Mann auf der Bühne als Gründer einer neuen Religion und das Publikum als seine Gemeinde zu betrachten. Aber falls es sich um eine Religion handelt, gibt es einen bedeutsamen Unterschied. Normalerweise können nur der Gründer einer Religion und vielleicht ein paar frühe Gefolgsleute die Autorität beanspruchen, die sich aus einer direkten Erfahrung des Heiligen ergibt. Allen, die danach kommen, bleibt nur die dünne Suppe der Erzählungen, die Symbolik des Sakraments und der Glaube. Die Geschichte verringert die ursprüngliche Kraft des Ganzen, die jetzt von den Priestern vermittelt werden muss. Doch die Kirche der Psychedelika bietet die außergewöhnliche Verheißung, dass alle mithilfe des Sakraments, das ein psychoaktives Molekül ist, jederzeit Zugang zur grundlegenden religiösen Erfahrung bekommen können. Glaube ist damit überflüssig.

Neben dem spirituellen Unterton der Feier ging es jedoch auch um die vielleicht ziemlich schwer damit vereinbare Wissenschaft. Bei dem Wochenend-Symposium, das der Geburtstagsfeier folgte, untersuchten Forscher aus verschiedenen Disziplinen – darunter Neurowissenschaften, Psychiatrie, Pharmakologie, Bewusstseinsstudien und auch die Künste – die Auswirkung von Hofmanns Erfindung auf Gesellschaft und Kultur sowie ihr Potenzial, unser Verständnis des Bewusstseins und das Wissen über verschiedene schwer behandelbare Geisteskrankheiten zu erweitern. Eine Handvoll Forschungsprojekte, die sich mit der Wirkung von Psychedelika auf den Menschen beschäftigten, waren in der Schweiz und den Vereinigten Staaten genehmigt worden oder bereits im Gange, und die Wissenschaftler auf dem Symposium äußerten ihre Hoffnung, dass die lange Unterbrechung der Psychedelik-Forschung endlich zu Ende sei. Irrationaler Überschwang scheint in diesem Arbeitsfeld ein Berufsrisiko zu sein, aber 2006 sprachen gute Gründe dafür, dass sich der Wind tatsächlich drehen könnte.

Der zweite Wendepunkt 2006 kam nur fünf Wochen später, als der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten in einem einstimmigen Urteil, verfasst vom neuen Obersten Bundesrichter John G. Roberts jr., entschied, dass die UDV, eine winzige religiöse Sekte, die einen halluzinogenen Tee namens Ayahuasca als Sakrament verwendet, das Getränk in die Vereinigten Staaten einführen dürfe, obwohl es die Schedule-One-Substanz Dimethyltryptamin oder DMT enthält.15 Die Entscheidung fußte auf dem Gesetz zur Wiederherstellung der Religionsfreiheit von 1993, das (unter der Bestimmung zur Religionsfreiheit im ersten Verfassungszusatz) das Recht der Indianer zu definieren versuchte, bei ihren Zeremonien Peyote einzusetzen, wie sie es schon seit Generationen taten. Das Gesetz von 1993 sagt, der Staat dürfe sich nur, wenn er «zwingende Gründe» habe, in die Ausübung einer Religion einmischen. In dem UDV-Fall hatte die Bush-Regierung argumentiert, wegen ihrer «besonderen Beziehung» zum Staat hätten ausschließlich Indianer das Recht, im Rahmen ihrer kultischen Handlungen Psychedelika einzunehmen, und sogar in ihrem Fall könne dieses Recht eingeschränkt werden.

Das Gericht wies das Argument der Regierung zurück und legte das Gesetz von 1993 so aus, dass der Staat eine anerkannte Religionsgemeinschaft ohne Vorliegen eines zwingenden Grundes nicht daran hindern dürfe, bei der Ausübung ihrer Religion psychedelische Substanzen zu verwenden. Offenkundig schließt das relativ neue und kleine Religionsgemeinschaften mit ein, die eigens auf ein psychedelisches Sakrament oder eine «Pflanzenmedizin», wie die ayahuasqueros ihren Tee nennen, ausgerichtet sind. Die UDV ist eine christlichspiritistische Sekte, 1961 in Brasilien von José Gabriel da Costa gegründet, einem Kautschukzapfer, der, nachdem er zwei Jahre zuvor von einem Amazonas-Schamanen Ayahuasca erhalten hatte, durch Offenbarungen dazu inspiriert wurde. Die Kirche hat 17 000 Mitglieder in sechs Ländern, doch zum Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung gehörten nur 130 Amerikaner der UDV an. (Die Initialen stehen für União do Vegetal oder Vereinigung der Pflanzen, denn Ayahuasca wird hergestellt, indem man zwei amazonische Pflanzenarten, Banisteriopsis caapi und Psychotria viridis, zusammen aufbrüht.)

Die Entscheidung des Gerichts löste in Amerika eine Art religiöse Erweckung im Zusammenhang mit Ayahuasca aus. Heute hat die Kirche fast 525 Mitglieder, mit Gemeinden an neun Standorten. Um sie zu versorgen, hat die UDV begonnen, die für den Tee benötigten Pflanzen in Hawaii anzubauen und sie den Gemeinschaften auf dem Festland ungehindert zu schicken. Doch die Zahl der Amerikaner, die außerhalb der UDV an Ayahuasca-Zeremonien teilnehmen, ist seit damals ebenfalls angestiegen, und allnächtlich finden irgendwo in Amerika (schwerpunktmäßig in der Bay Area und in Brooklyn) vermutlich Dutzende, wenn nicht Hunderte von Zeremonien statt. Die Strafverfolgung wegen Besitzes oder Einfuhr von Ayahuasca scheint, zumindest vorübergehend, eingestellt worden zu sein.

Mit der Entscheidung von 2006 scheint der Oberste Gerichtshof einen religiösen Pfad – vielleicht schmal, aber fest in der Verfassung verwurzelt – zur gesetzlichen Anerkennung von psychedelischen Drogen geebnet zu haben, zumindest wenn sie von einer Religionsgemeinschaft als Sakrament benutzt werden. Man muss abwarten, wie breit oder ausgetreten dieser Pfad einmal sein wird, dennoch stellt sich die Frage, was die Regierung und der Gerichtshof tun, wenn ein amerikanischer José Gabriel da Costa auftaucht und versucht, die eigenen psychedelischen Offenbarungen in eine neue Religion zu überführen, die fest entschlossen ist, eine psychoaktive Chemikalie als Sakrament zu verwenden. Die Rechtsprechung der «geistigen Freiheit», wie manche in der psychedelischen Community sie nennen, ist noch spärlich und (auf Religion) begrenzt, doch jetzt war sie bekräftigt worden und schlug im Gebäude des Drogenkriegs eine neue Bresche.

Von den drei Ereignissen, die 2006 dazu beitrugen, die Psychedelika aus ihrem jahrzehntelangen Schlummer zu reißen, war das in seiner Auswirkung weitreichendste die Publikation der im Prolog beschriebenen wissenschaftlichen Arbeit in Psychopharmacology – die Bob Jesse mir seinerzeit in einer von mir nicht geöffneten Mail geschickt hatte. Auch dieses Ereignis hatte etwas ausgesprochen Spirituelles, obwohl das Experiment, von dem dort berichtet wurde, das Werk eines gründlichen und hoch angesehenen Wissenschaftlers war: Roland Griffiths. Zufällig wurde Griffiths, der so gar nicht wie ein Psychedelik-Forscher wirkt, durch eine eigene mystische Erfahrung dazu inspiriert, die Fähigkeit von Psilocybin zu untersuchen, eine «mystischartige» Erfahrung auszulösen.

Griffiths‘ wegweisende Schrift «Psilocybin kann mystischartige Erfahrungen auslösen, die eine wesentliche und nachhaltige Bedeutung und spirituelle Aussagekraft haben» war die erste streng konzipierte, placebo-kontrollierte klinische Doppelblindstudie seit mehr als vier Jahrzehnten – wenn nicht aller Zeiten –, welche die psychologischen Auswirkungen eines Psychedelikums untersuchte. In der Presse wurde ausgiebig darüber berichtet, zumeist so begeistert, dass man sich fragte, ob sich die moralische Panik in Bezug auf Psychedelika, die sich Ende der 1960er Jahre breitgemacht hatte, endlich gelegt hatte. Der positive Ton der Berichterstattung war zweifellos der Tatsache geschuldet, dass die Zeitschrift auf Griffiths‘ Drängen etliche weltberühmte Drogenforscher – manche von ihnen im Drogenkrieg ausgezeichnete Soldaten – aufgefordert hatte, die Studie zu kommentieren, was den Publizisten ideologischen Schutz bot.

Alle Kommentatoren betrachteten die Veröffentlichung als wichtiges Ereignis. Herbert D. Kleber, ein früherer Stellvertreter von William Bennett, George H. W. Bushs Drogenbeauftragtem, und später Direktor der Abteilung Drogenmissbrauch an der Columbia University, lobte die Arbeit wegen ihrer methodischen Strenge und räumte ein, dass in der Psychedelik-Forschung «große therapeutische Möglichkeiten» stecken könnten, die die «Unterstützung der Gesundheitsbehörde verdienten».16 Charles «Bob» Schuster, der zwei republikanischen Präsidenten als Leiter der Drogenbehörde (NIDA) gedient hatte, bemerkte, der Begriff «Psychedelikum» beinhalte eine bewusstseinserweiternde Erfahrung, und brachte die Hoffnung zum Ausdruck, «dass diese wegweisende Arbeit auch ‹facherweiternd› sein wird».17 Er legte nahe, dass sich diese «faszinierende» Wirkstoffklasse und die spirituelle Erfahrung, die sie auslöse, in der Suchtbehandlung als nützlich erweisen könnten.

Griffiths‘ Arbeit untermauerte einen wichtigen Unterschied zwischen den sogenannten klassischen Psychedelika – Psilocybin, LSD, DMT und Meskalin – und den geläufigeren Rauschgiften mit ihrem Suchtpotenzial. Das Establishment der amerikanischen Drogenforschung hatte in einer der führenden Zeitschriften signalisiert, dass man diese psychedelischen Drogen völlig anders behandeln sollte, und ein Kommentator schrieb, «dass diese Substanzen bei sachgemäßem Gebrauch bemerkenswerte, eventuell nützliche Wirkungen haben können, die weitere Untersuchungen rechtfertigen».18

Die Entstehungsgeschichte von Griffiths‘ Arbeit wirft ein interessantes Licht auf die angespannte Beziehung zwischen der Wissenschaft und diesem anderen Bereich menschlicher Erkundung, den die Wissenschaft stets geringschätzte und mit dem sie in der Regel nichts zu tun haben will: Spiritualität. Denn als Griffiths diese erste moderne Studie über Psilocybin verfasste, beschloss er, sich nicht auf die potenzielle therapeutische Anwendung der Droge zu konzentrieren – wie es andere Forscher getan hatten, um andere verbotene Substanzen wie MDMA zu rehabilitieren –, sondern auf die spirituellen Auswirkungen der Erfahrung bei sogenannten gesunden Normalen. Was sollte das bringen?

Die Psychiaterin und Drogenexpertin Harriet de Wit von der University of Chicago versuchte in einem redaktionellen Artikel zu Griffiths‘ Arbeit diese Spannungen anzusprechen und wies darauf hin, dass die Suche nach Erfahrungen, die «einen von den Fesseln gewöhnlicher Wahrnehmung und gewöhnlichen Denkens befreien, um universelle Wahrheiten und Erleuchtung zu finden»,19 eine konstante Eigenschaft der Menschheit sei, «in der etablierten Wissenschaft (jedoch) nur wenig Glaubwürdigkeit genießt». Es sei an der Zeit, dass die Wissenschaft «diese außergewöhnlichen subjektiven Erfahrungen anerkennt (…), auch wenn dort manchmal von tieferen Wirklichkeiten die Rede ist, die die Grenzen der Wissenschaft überschreiten».

Bei Roland Griffiths kann man sich nur schwer vorstellen, dass er etwas mit Psychedelika zu tun hat, was bestimmt dazu beigetragen hat, der Psychedelik-Forschung wieder wissenschaftliche Seriosität zu verleihen. Griffiths, in den Siebzigern, eins achtzig und hager, hält sich kerzengerade; das einzig Undisziplinierte an ihm ist die dichte weiße Haarmähne, gegen die sein Kamm anscheinend nichts ausrichten kann. Sofern er nicht über die letzten Fragen spricht, die seine Augen aufleuchten lassen, hat er etwas Asketisches, ist nüchtern, ernst und methodisch.

Der 1944 geborene Griffiths wuchs in El Cerrito, Kalifornien, in der Bay Area auf, machte am Occidental College seinen Bachelor in Psychologie und studierte anschließend an der University of Minnesota Psychopharmakologie. In Minnesota geriet er Ende der 1960er Jahre unter den Einfluss B. F. Skinners, des radikalen Behavioristen, dem es gelang, das Hauptaugenmerk der Psychologie von der Erforschung innerer Zustände und subjektiver Erfahrung auf die Untersuchung äußeren Verhaltens und dessen Konditionierung zu verlagern. Der Behaviorismus ist nicht daran interessiert, die Tiefen der menschlichen Psyche auszuloten, doch bei der Untersuchung von Drogenmissbrauch und Sucht, die Griffiths‘ Fachgebiet wurde, erwies sich diese Herangehensweise als äußerst nützlich. Psychedelische Drogen spielten weder in seiner formellen noch informellen Ausbildung eine Rolle. Als Griffiths sein Aufbaustudium begann, war Timothy Learys berüchtigtes Psychedelik-Forschungsprojekt in Harvard bereits skandalös gescheitert, und «meine Mentoren hatten klargestellt, dass diese Substanzen keine Zukunft hatten».

1972 bekam Griffiths direkt nach Abschluss seines Aufbaustudiums eine Stelle an der Johns Hopkins University, wo er seither arbeitet und sich als Forscher profilierte, der die Suchtmechanismen bei verschiedenen legalen und illegalen Drogen untersucht, darunter die Opiate, die sogenannten sedativ-hypnotischen Substanzen (wie Valium) sowie Nikotin, Alkohol und Koffein. Mit Förderung des National Institute on Drug Abuse wurde Griffiths zum Wegbereiter für Experimente, in denen ein Tier, oft ein Pavian oder eine Ratte, die Möglichkeit erhält, sich mithilfe eines Hebels intravenös verschiedene Drogen zu verabreichen, ein wirksames Instrument für Forscher, die sich mit Verstärkung, Sucht, Vorlieben (Mittagessen oder lieber Kokain?) und Entzug befassen. Die fünfundfünfzig Publikationen, in denen er die Suchteigenschaften von Koffein erforschte, haben dazu geführt, dass wir Kaffee eher als Droge betrachten statt als Nahrungsmittel und in der jüngsten Ausgabe des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders oder DSM 5 auch das «Koffeinentzugssyndrom» aufgeführt wird. Als Griffiths 1994 fünfzig wurde, war er als Wissenschaftler auf dem Höhepunkt seines Schaffens und zählte zu den Besten seines Fachs.

Doch in jenem Jahr kam es in seiner Karriere zu einer unerwarteten Wende, die durch zwei zufällige Ereignisse ausgelöst wurde. Das erste war, dass ihn eine Freundin mit Siddha Yoga bekannt machte. Trotz seiner behavioristischen Ausrichtung als Wissenschaftler hatte sich Griffiths stets für ein Gebiet interessiert, das von Philosophen Phänomenologie genannt wird – die subjektive Erfahrung von Bewusstsein. Im Studium hatte er sich an Meditation versucht, musste aber feststellen, «dass ich nicht stillsitzen konnte, ohne schier verrückt zu werden. Drei Minuten kamen mir wie drei Stunden vor.» Doch als er es 1994 noch einmal probierte, «öffnete sich für mich eine Tür». Er begann regelmäßig zu meditieren, nahm an Retreats teil und arbeitete sich durch eine Vielfalt östlicher spiritueller Bräuche. Dabei wurde er «immer tiefer in dieses Mysterium» hineingezogen.

Und irgendwann erlebte Griffiths etwas, das er zurückhaltend als «ein seltsames Erwachen» beschreibt – eine mystische Erfahrung. Ich war überrascht, als Griffiths das bei unserem ersten Treffen in seinem Büro erwähnte, und hakte nicht nach, aber auch als ich ihn ein bisschen besser kennengelernt hatte, sträubte er sich zu erzählen, was genau passiert war, und da ich selbst nie so eine Erfahrung gemacht hatte, fiel es mir schwer, den Gedanken nachzuvollziehen. Er verriet lediglich, dass die Erfahrung, die er während der Meditation hatte, ihn mit etwas bekannt machte, «das so weit von einer materiellen Weltanschauung entfernt war, dass ich mit meinen Kollegen nicht darüber sprechen kann, weil es Metaphern oder Vermutungen einschließt, bei denen ich als Wissenschaftler ein ungutes Gefühl habe».

Mit der Zeit fand er das, was er bei seinen Meditationen über «das Mysterium des Bewusstseins und Seins» lernte, fesselnder als die Wissenschaft. Er fühlte sich irgendwie entfremdet: «Keiner der Leute, die mir nahestanden, hatte Lust, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen, die in die allgemeine Kategorie des Spirituellen fielen, und religiöse Menschen verstand ich einfach nicht. Da habe ich einen Lehrstuhl inne, publiziere wie ein Verrückter, fahre auf wichtige Tagungen und betrachte mich als Heuchler.» Er begann das Interesse an der Forschung zu verlieren, die sein gesamtes Erwachsenenleben bestimmt hatte. «Ich konnte eine neue sedativ-hypnotische Substanz untersuchen, etwas Neues über Rezeptoren im Gehirn lernen, in einer weiteren Kommission der FDA [Arzneimittelzulassungsbehörde] sitzen, an einer weiteren Tagung teilnehmen, aber egal. Mein Gefühl und mein Verstand wollten lieber wissen, wohin dieser andere Pfad führen könnte. Meine Drogenforschung kam mir stumpfsinnig vor. Auf der Arbeit handelte ich mechanisch und freute mich drauf, abends nach Hause zu fahren und zu meditieren.» Die einzige Motivation, weiterhin Förderanträge zu stellen, war der Gedanke, es im Dienste seiner Studenten und Postdoktoranden zu tun.

Im Fall seiner Koffein-Forschung hatte Griffiths seine Neugier bezüglich eines Problems aus seinem eigenen Erfahrungsbereich – warum fühlte er sich gezwungen, tagtäglich Kaffee zu trinken? – in einen produktiven Forschungsansatz umwandeln können. Doch er sah keine Möglichkeit, mit seiner immer größeren Neugier bezüglich der Dimensionen des Bewusstseins, die ihm die Meditation eröffnet hatte, ebenso zu verfahren. «Mir kam nicht in den Sinn, das Ganze wissenschaftlich zu untersuchen.» Hilflos und gelangweilt überlegte Griffiths, die Wissenschaft an den Nagel zu hängen und nach Indien in einen Aschram zu gehen.

Etwa zu dieser Zeit rief ihn Bob Schuster an, ein alter Freund und Kollege, der vor Kurzem als Leiter des National Institute on Drug Abuse ausgeschieden war, und schlug ihm vor, einmal mit einem jungen Mann namens Bob Jesse zu reden, den er gerade in Esalen kennengelernt hatte. Jesse hatte im legendären Big Sur Retreat Center ein kleines Treffen von Forschern, Therapeuten und Religionswissenschaftlern organisiert, um über das spirituelle und therapeutische Potenzial psychedelischer Drogen und die Frage zu diskutieren, wie man sie rehabilitieren könne. Jesse selbst war weder Arzt noch Wissenschaftler; er war Computertechniker, Vizepräsident für Geschäftsentwicklung bei Oracle, und hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die wissenschaftliche Untersuchung von Psychedelika neu zu beleben – allerdings nicht so sehr als Instrument der Medizin, sondern der spirituellen Entwicklung.

Griffiths hatte Schuster von seinen spirituellen Übungen erzählt und ihm gebeichtet, dass er mit der konventionellen Drogenforschung immer unzufriedener sei.

«Du solltest mit diesem Mann mal reden», sagte Schuster. «Sie haben interessante Ideen zur Arbeit mit Entheogenen, vielleicht gibt es zwischen euch ja Gemeinsamkeiten.»

Wenn die Geschichte der zweiten Welle der Psychedelik-Forschung dereinst geschrieben ist, wird man Bob Jesse als einen von zwei wissenschaftlichen Außenseitern – ja sogar Laien und brillanten Exzentrikern – ansehen, die unermüdlich, oft hinter den Kulissen, daran arbeiteten, alles auf den Weg zu bringen. Beide fanden ihre Berufung nach umwälzenden psychedelischen Erfahrungen, die sie davon überzeugten, dass diese Substanzen das Potenzial hatten, nicht nur Einzelne, sondern die Menschheit als Ganzes zu heilen, und der beste Weg zur Rehabilitierung der Substanzen glaubwürdige wissenschaftliche Forschung war. In vielen Fällen dachten sich diese unausgebildeten Forscher zuerst die Experimente aus und suchten (und finanzierten) danach die Wissenschaftler, die sie durchführen sollten. Oft finden sich ihre Namen auf den Publikationen, gewöhnlich an letzter Stelle.

Rick Doblin ist schon länger dabei und auch der Bekanntere von den beiden. Doblin gründete in den dunklen Tagen von 1986 – dem Jahr nach dem Verbot von MDMA, einer Zeit, in der die meisten klügeren Köpfe überzeugt waren, dass die Wiederbelebung der Psychedelik-Forschung eine hoffnungslose Angelegenheit sei – die Multidisciplinary Association for Psychedelic Studies (MAPS).

Der 1953 geborene Doblin ist ein zotteliger, äußerst hartnäckiger Typ; seit er 1987 am New College in Florida seinen Abschluss machte, betreibt er Lobbyarbeit, um die Regierung umzustimmen. Nachdem er als Student mit LSD und später mit MDMA experimentierte, kam Doblin zu dem Schluss, dass es seine Berufung sei, Psychedelik-Therapeut zu werden. Doch 1985 rückte dieser Traum mit dem Verbot von MDMA in unerreichbare Ferne, solange sich die Bundesgesetze und -verordnungen nicht änderten, deshalb beschloss er, an der Kennedy School in Harvard erst mal einen Doktor in Politikwissenschaften zu machen. Dort erlernte er die Feinheiten des staatlichen Freigabeverfahrens für Arzneimittel, und in seiner Dissertation kartierte er den mühseligen Weg zur amtlichen Zulassung, dem Psilocybin und MDMA inzwischen folgen.

Doblin ist entwaffnend, vielleicht auch hoffnungslos freimütig und froh, offen mit einem Reporter über seine prägenden psychedelischen Erfahrungen und seine politische Taktik und Strategie sprechen zu können. Genau wie Timothy Leary ist er ein unbekümmerter Kämpfer, der immer lächelt und eine Begeisterung für seine Arbeit an den Tag legt, die man von jemandem, der sein ganzes Erwachsenenleben gegen dieselbe Mauer angerannt ist, nicht erwarten würde. Doblin arbeitet in einem ziemlich Dickens-mäßigen Büro im Dachgeschoss seines großen, im Kolonialstil gebauten Hauses in Belmont, Massachusetts, an einem Schreibtisch, auf dem sich wacklige Berge aus Manuskripten, Zeitschriftenartikeln, Fotos und Memorabilien stapeln, die mehr als vierzig Jahre weit zurückreichen. Einige der Memorabilien erinnern an den Anfang seiner Karriere, als Doblin zu dem Schluss kam, der Streit der Religionen ließe sich am besten beenden, indem er den spirituellen Führern auf der Welt Ecstasy-Tabletten schickte, die dafür berühmt waren, Barrieren zwischen den Menschen niederzureißen und ihr Einfühlungsvermögen zu wecken. Etwa zur selben Zeit plante er, tausend Rationen MDMA an sowjetische Militärangehörige zu schicken, die an den Rüstungskontrollverhandlungen mit Präsident Reagan beteiligt waren.

Für Doblin ist die staatliche Zulassung von Psychedelika für medizinische Zwecke – die seiner Meinung nach für MDMA und Psilocybin bald kommen dürfte – nur ein weiterer Schritt zu einem ehrgeizigeren und umstritteneren Ziel: die Einbindung von Psychedelika in die amerikanische Gesellschaft und Kultur, nicht nur in die Medizin. Das ist die gleiche Erfolgsstrategie, die die Kampagne zur Entkriminalisierung von Marihuana verfolgte, in der die Betonung des medizinischen Nutzens von Cannabis das Image der Droge verbesserte und zu einer größeren öffentlichen Akzeptanz führte.

Wenig überraschend, dass solche Äußerungen vorsichtigeren Leuten in der Community (darunter auch Bob Jesse) zu schaffen machen, aber Rick Doblin ist niemand, der sich mit seiner Agenda zurückhält oder auch nur daran denkt, ein Interview vertraulich zu halten. Das verschafft ihm die Aufmerksamkeit der Presse; wie hilfreich es für die Sache ist, darüber lässt sich streiten. Doch es steht außer Frage, dass es Doblin, besonders in den letzten Jahren, gelang, die Genehmigung und Finanzierung wichtiger Forschung zu erreichen, speziell im Fall von MDMA, auf das MAPS lange das Hauptaugenmerk legte. MAPS hat mehrere klinische Studien gesponsert, die den Nutzen von MDMA bei der Behandlung von posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) nachgewiesen haben. (Doblin definiert den Begriff «Psychedelika» so großzügig, dass auch MDMA und sogar Cannabis darunter fallen, obwohl ihre Wirkweise im Gehirn sich von der klassischer Psychedelika stark unterscheidet.) Doch abgesehen davon, dass Psychedelika Patienten mit PTBS und anderen Indikationen helfen – MAPS finanziert eine klinische Studie an der UCLA, bei der autistische Erwachsene mit MDMA behandelt werden –, glaubt Doblin inbrünstig daran, dass Psychedelika die Menschheit zum Guten verändern können, indem sie eine spirituelle Dimension des Bewusstseins offenbaren, die uns, ungeachtet unseres religiösen Glaubens oder Unglaubens, allen gemeinsam ist. «Mystik», sagt er gern, «ist ein Gegengift für Fundamentalismus.»

Im Vergleich zu Rick Doblin ist Bob Jesse ein Mönch. Er ist inzwischen Mitte fünfzig und hat nichts Zotteliges oder Leichtfertiges an sich. Präzise, pressescheu und seine Worte mit der Pinzette auswählend, zieht er es vor, unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu arbeiten – nach Möglichkeit in der Einzimmerhütte, in der er ganz allein in den zerklüfteten Hügeln nördlich von San Francisco wohnt, von allem abgekoppelt außer einer schnellen Internetverbindung.

«Bob Jesse hält die Fäden in der Hand», sagte mir Katherine Mac-Lean, eine Psychologin, die von 2009 bis 2013 in Roland Griffiths‘ Labor arbeitete. «Er ist der Visionär, der hinter den Kulissen agiert.»

Jesses minutiöser Wegbeschreibung folgend, fuhr ich von der Bay Area nordwärts und gelangte irgendwann in einem County, dessen Namen ich auf seinen Wunsch hin nicht nennen werde, ans Ende einer schmalen unbefestigten Straße. Ich parkte am Ausgangspunkt eines Wanderwegs, ging an den Schildern mit der Aufschrift «Zutritt verboten» vorbei und folgte einem bergauf führenden Pfad, der mich zu seinem malerischen Gipfellager führte. Ich hatte das Gefühl, einen Zauberer zu besuchen. Die ordentliche kleine Hütte ist für zwei Personen sehr eng, weshalb Jesse draußen zwischen Tannen und Felsblöcken bequeme Sofas, Stühle und Tische aufgestellt hat. Er hat auch eine Außenküche und, auf einer Felsbank, die einen spektakulären Blick auf die Berge bietet, eine Dusche gebaut, die einem das Gefühl vermitteln, sich in einem nach außen gestülpten Haus zu befinden.

Wir verbrachten den größten Teil eines Frühlingstages in seinem Freiluft-Wohnzimmer, tranken Kräutertee und sprachen über seine deutlich stillere Kampagne zur Rehabilitierung von Psychedelika – ein Gesamtkonzept, in dem Roland Griffiths eine wichtige Rolle spielt. «Ich bin ziemlich kamerascheu», begann er, «also bitte keine Fotos oder sonstigen Aufzeichnungen.»

Jesse ist schlank und drahtig, hat einen nahezu quadratischen Kopf mit kurz geschnittenem grauem Haar und trägt eine rechteckige randlose Brille, die auf unaufdringliche Weise modisch wirkt. Er lächelt nur selten und hat etwas von dem steifen Auftreten, das ich mit Ingenieuren verbinde, doch mitunter zeigt er überraschende Gefühlsaufwallungen, die er sofort erläutert: «Sie dürften bemerkt haben, dass mir beim Nachdenken über dieses Thema die Augen tränten. Lassen Sie mich erklären, warum …» Er wählt nicht nur seine eigenen Worte sehr sorgfältig, sondern erwartet dies auch von seinem Gesprächspartner und unterbrach mich beispielsweise mitten im Satz, als ich gedankenlos den Begriff «Freizeitkonsum» benutzte. «Vielleicht sollten wir diesen Begriff noch mal prüfen. Normalerweise wird er benutzt, um eine Erfahrung zu trivialisieren. Aber warum? In seiner buchstäblichen Bedeutung meint das Wort ‹Freizeit› etwas ganz und gar nicht Triviales. Dazu ließe sich noch vieles sagen, aber wir sollten dieses Thema ein andermal vertiefen. Fahren Sie bitte fort.» Meine Notizen zeigen, dass Jesse unser erstes Gespräch ein halbes Dutzend Mal unterbrach.

Jesse wuchs in der Nähe von Baltimore auf und besuchte die Johns Hopkins University, wo er Informatik und Elektrotechnik studierte. Ab Mitte zwanzig arbeitete er mehrere Jahre für Bell Labs und pendelte allwöchentlich von Baltimore nach New Jersey. In dieser Zeit bekannte er sich zu seiner Homosexualität und überzeugte das Management, die erste Schwulen-und-Lesben-Gruppe der Firma anzuerkennen. (Damals beschäftigte AT & T, der Mutterkonzern, über 300 000 Menschen.) Später überredete er das AT-&-T-Management, in der Gay-Pride-Woche eine Regenbogenfahne über der Zentrale flattern und eine Delegation in der Parade mitmarschieren zu lassen. Dieser Erfolg stellte Bob Jesses politische Bildung dar und zeigte ihm, wie nützlich es war, hinter den Kulissen zu agieren, ohne großen Lärm zu machen oder Forderungen zu stellen.

1990 zog Jesse in die Bay Area und wechselte zu Oracle, wo er der Angestellte Nr. 8766 wurde – damit gehörte er nicht zu den Ersten, war aber früh genug dran, um ein Aktienpaket des Konzerns zu bekommen. Es dauerte nicht lange, bis Oracle ein eigenes Aufgebot zur Gay Pride Parade in San Francisco schickte, und nach Jesses sanftem Drängen gegenüber der Geschäftsleitung wurde Oracle zu einem der ersten Fortune-500-Unternehmen, das den gleichgeschlechtlichen Partnern ihrer Angestellten Vorsorgeleistungen bot.

Jesses Neugier für Psychedelika wurde bei der Drogenaufklärung im naturwissenschaftlichen Unterricht an seiner Highschool geweckt. Diese spezielle Wirkstoffklasse mache weder körperlich noch psychisch abhängig, wurde ihm dort (korrekt) gesagt; sein Lehrer schilderte die Wirkung der Drogen, zum Beispiel Veränderungen in Bewusstsein und visueller Wahrnehmung, was Jesse höchst faszinierend fand. «Ich spürte, dass mehr dahintersteckte, als man uns erzählte», erinnerte er sich. «Deshalb behielt ich die Sache im Kopf.» Doch erst viel später war er bereit, selbst zu erkunden, was Psychedelika bewirkten. Warum? Er antwortete in der dritten Person: «Ein nicht geouteter schwuler Jugendlicher musste Angst vor den möglichen Folgen haben, sobald er aus der Deckung kam.»

Als er mit Mitte zwanzig bei den Bell Labs arbeitete, schloss Jesse sich einer Gruppe von Freunden in Baltimore an, die beschlossen, sehr vorsichtig mit Psychedelika zu experimentieren. Irgendwer blieb immer «in Bodennähe», für den Fall, dass jemand Hilfe brauchte oder es klingelte, und die Dosis wurde schrittweise erhöht. Bei einem dieser samstagnachmittäglichen Experimente in einer Wohnung in Baltimore hatte Jesse, der damals fünfundzwanzig war und eine hohe Dosis LSD eingenommen hatte, eine eindringliche «nichtduale Erfahrung», die sich als umwälzend erwies. Ich bat ihn, das Ganze zu beschreiben, und nach einigem Herumdrucksen – «ich hoffe, Sie lassen die heiklen Punkte weg» – erzählte er vorsichtig die Geschichte.

«Ich lag rücklings unter einem Gummibaum», erinnerte er sich. «Ich wusste, dass es eine starke Erfahrung wird. Und dann kam der Augenblick, wo das wenige, das ich noch war, einfach davonglitt. Plötzlich wusste ich nicht mehr, dass ich in einer Wohnung in Baltimore auf dem Fußboden lag oder ob meine Augen offen oder geschlossen waren. Vor mir öffnete sich, was ich in Ermangelung eines besseren Wortes als Raum bezeichne, aber nicht unsere gewöhnliche Vorstellung von Raum, sondern nur die reine Erkenntnis eines Bereichs ohne Form und Inhalt. Und in diesen Bereich kam ein himmlisches Gebilde, das die Entstehung der physischen Welt war. Es war wie der Urknall, aber ohne das Dröhnen oder das blendende Licht. Es war die Geburt des physischen Universums. In gewissem Sinne war es dramatisch – vielleicht das Bedeutendste, was sich je in der Geschichte der Welt ereignete –, und dennoch lief es irgendwie ganz beiläufig ab.»

Ich fragte ihn, wo er sich währenddessen befand.

«Ich war ein Beobachter ohne festen Ort. Ich war in Übereinstimmung mit der Entstehung der Welt.» Hier sagte ich, dass ich ihm nicht mehr folgen könne. Lange Pause. «Ich zögere, weil die Worte der Erfahrung nicht gerecht werden; Worte kommen mir zu beschränkend vor.» Unbeschreiblichkeit ist natürlich ein Kennzeichen mystischer Erfahrung. «Die Erkenntnis übersteigt jede Empfindungsweise», lautete seine nutzlose Erklärung. Ob es beängstigend gewesen sei? «Ich habe keine panische Angst verspürt, nur Faszination und Ehrfurcht.» Pause. «Hm, vielleicht ein bisschen Angst.» Von da an beobachtete (oder wie auch immer man es nennen will) Jesse die Geburt von … allem, in einer epischen Reihung, die mit dem Erscheinen kosmischen Staubs begann und zur Erschaffung der Sterne und dann des Sonnensystems führte, gefolgt von der Entstehung des Lebens und der Ankunft «dessen, was wir als Menschen bezeichnen», dann der Erwerb von Sprache und die Entwicklung des Bewusstseins, «der ganze Weg zum eigenen Ich, hier in diesem Zimmer, umgeben von meinen Freunden. Ich war dorthin zurückgekehrt, wo ich war. Wie viel Zeit war derweil verstrichen? Ich hatte nicht die geringste Ahnung.

Was für mich am stärksten hervorsticht, ist die Beschaffenheit der Erkenntnis, die ich durchlebte, etwas, das sich völlig von dem unterscheidet, was ich als Bob betrachte. Wie passt dieses erweiterte Bewusstsein in den Rahmen der Dinge? Insofern als ich die Erfahrung für wahrheitsgemäß halte – und da bin ich mir noch nicht sicher –, sagt sie mir, dass Bewusstsein für das physische Universum grundlegend ist. Eigentlich geht es ihm voraus.» Ob er inzwischen glaube, dass Bewusstsein außerhalb des Gehirns existiere? Er ist sich nicht sicher. «Aber von der starken Überzeugung, dass das Gegenteil stimmt» – dass Bewusstsein das Produkt unserer grauen Zellen ist –, «bis zu dieser Unsicherheit ist es ein langer Weg.» Ich fragte ihn, ob er der Äußerung des Dalai-Lama beipflichte, dass die Vorstellung, Gehirne erschüfen Bewusstsein – eine Vorstellung, der die meisten Wissenschaftler fraglos zustimmen würden –, «eine metaphysische Vermutung und kein wissenschaftliches Faktum ist».

«Bingo», sagte Jesse. «Und für jemanden mit meiner Ausrichtung» – agnostisch, wissenschaftsbegeistert – «ändert das alles.»

Was ich an einer Erfahrung wie der von Bob Jesse nicht verstehe: Warum in aller Welt soll man so was überhaupt glauben? Ich begriff nicht, warum man es nicht einfach unter «interessanter Traum» oder «durch Drogen verursachte Fantasie» abhakte. Doch zusammen mit dem Gefühl der Unbeschreiblichkeit gehört auch die Überzeugung, dass einem eine tiefe objektive Wahrheit offenbart wurde, zu den Kennzeichen mystischer Erfahrungen, gleichgültig ob sie durch Drogen, Meditation, Fasten, Geißelung oder Reizentzug hervorgerufen wurden. William James hat dieser Überzeugung einen Namen gegeben: noetische Qualität.20 Man hat das Gefühl, in ein tiefes Geheimnis des Universums eingeweiht worden zu sein, und diese Überzeugung ist unerschütterlich. Wie James geschrieben hat: «Träume halten dieser Prüfung nicht stand.»21 Zweifellos ist das der Grund, warum manche Menschen, die eine derartige Erfahrung machen, Religionsgründer werden, den Lauf der Geschichte oder, weitaus öfter, ihr eigenes Leben verändern. «Zweifellos» ist hier das Schlüsselwort.

Mir fällt eine Reihe möglicher Erklärungen für ein solches Phänomen ein, doch keine klingt völlig befriedigend. Die einfachste und doch am schwersten zu akzeptierende Erklärung ist, dass es schlicht stimmt: Der veränderte Bewusstseinszustand hat dem jeweiligen Menschen eine Wahrheit eröffnet, die wir Übrigen, gefangen im gewöhnlichen Wachbewusstsein, einfach nicht begreifen. Doch die Wissenschaft hat mit dieser Deutung Probleme, da die entsprechende Wahrnehmung nicht mit den üblichen Methoden überprüfbar ist. Es handelt sich faktisch um einen anekdotischen Einzelbericht und ist deshalb wertlos. Die Wissenschaft zeigt nur wenig Interesse und Nachsicht gegenüber Zeugnissen Einzelner; darin ähnelt sie seltsamerweise religiösen Institutionen, die ebenfalls ein großes Problem damit haben, direkter Offenbarung Glauben zu schenken. Doch es gilt, darauf hinzuweisen, dass der Wissenschaft mitunter nichts anderes übrig bleibt, als sich auf das Zeugnis Einzelner zu verlassen – wie beim Studium subjektiven Bewusstseins, das für unsere wissenschaftlichen Methoden unzugänglich ist und deshalb nur von dem Menschen beschrieben werden kann, der die Erfahrung macht. Hier ist die Phänomenologie die wichtigste Datenbasis. Das ist aber nicht der Fall, sobald es um die Nachprüfung von Wahrheiten über die Welt außerhalb unserer Köpfe geht.

Das Problem mit der Glaubwürdigkeit mystischer Erfahrungen besteht genau darin, dass sie den Unterschied zwischen innen und außen auslöschen, so wie Bob Jesses «ortlose Erkenntnis» zu ihm zu gehören, aber auch außerhalb von ihm zu existieren schien. Das verweist auf eine zweite mögliche Erklärung für das noetische Gefühl: Wenn unser Gefühl für ein subjektives «Ich» sich auflöst, wie es bei dosisintensiver psychedelischer Erfahrung oft der Fall ist (ebenso wie bei erfahrenen Meditierern), wird es unmöglich, zwischen subjektiver und objektiver Wahrheit zu unterscheiden. Wer soll denn das Zweifeln übernehmen, wenn nicht das Ich?

In der Zeit nach dieser ersten eindringlichen psychedelischen Reise machte Bob Jesse eine Reihe weiterer Erfahrungen, die sein Leben veränderten. Als er Anfang der 1990er Jahre in San Francisco lebte, geriet er in die Raver-Szene und entdeckte, dass das «kollektive Überschäumen» auf den besten nächtlichen Tanzpartys, mit oder ohne psychedelische «Stoffe», die «Subjekt-Objekt-Dualität» ebenfalls auflösen und neue spirituelle Perspektiven eröffnen konnte. Er begann, verschiedene spirituelle Traditionen zu erkunden, vom Buddhismus übers Quäkertum bis zur Meditation, und stellte fest, dass seine Prioritäten im Leben sich allmählich veränderten. «Mir fiel auf, dass es viel wichtiger und erfüllender sein könnte, Zeit in diesem Bereich zu verbringen, als meiner Arbeit [als Informatiker] nachzugehen.»

Während eines Sabbatjahres (er würde Oracle 1996 endgültig verlassen) gründete Jesse mit dem Ziel, «die unmittelbare Erfahrung des Heiligen einer größeren Anzahl von Menschen zugänglich zu machen», eine gemeinnützige Organisation, die Council on Spiritual Practices (CSP) hieß. Die Website spielt die Tatsache herunter, dass die Organisation sich für Entheogene – Bob Jesses bevorzugte Bezeichnung für Psychedelika – einsetzt, doch ihre Mission wird angedeutet: «Methoden für grundlegende religiöse Erfahrungen zu finden und zu entwickeln, die sicher und wirkungsvoll angewandt werden können.» Die Website (csp.org) bietet eine hervorragende Bibliografie der Psychedelik-Forschung und regelmäßige Updates zu der Arbeit, die an der Johns Hopkins University im Gange ist. Der CSP unterstützte später auch die Klage der UDV, die zur Entscheidung des Obersten Gerichtshofs im Jahr 2006 führte.

Der Council on Spiritual Practices erwuchs aus Jesses systematischer Erkundung der psychedelischen Literatur und der psychedelischen Community in der Bay Area nach seinem Umzug nach San Francisco. Auf seine wohlüberlegte, leicht zwanghafte und überaus höfliche Art nahm Jesse Kontakt mit den zahlreichen «psychedelischen Größen» in der Region auf – eine Vielzahl unterschiedlichster Persönlichkeiten, die sich in den Jahren vor 1970 in Forschung und Therapie engagiert hatten, bevor die meisten Drogen mit der Verabschiedung des Betäubungsmittelgesetzes und der Einstufung von LSD und Psilocybin als Schedule-One-Substanzen mit hohem Missbrauchspotenzial und ohne anerkannten medizinischen Nutzen verboten wurden. Darunter war etwa James Fadiman, der in Stanford ausgebildete Psychologe, der an der International Foundation for Advanced Study in Menlo Park eine bahnbrechende Forschung über Psychedelika und Problemlösung betrieben hatte, bis die Arzneimittelzulassungsbehörde die Arbeit der Gruppe 1966 stoppte. (Anfang der 1960er Jahre war die Psychedelik-Forschung in Stanford mindestens so intensiv wie in Harvard; es gab nur niemandem vom Kaliber eines Timothy Leary, der sich darüber öffentlich verbreitet hätte.) Dann war da noch Fadimans Institutskollege Myron Stolaroff, ein berühmter Elektroingenieur im Silicon Valley, der als leitender Angestellter bei Ampex, dem Hersteller von Tonbandgeräten, arbeitete, bis ihn ein LSD-Trip dazu anregte, (genau wie Bob Jesse) seinen Beruf aufzugeben und Psychedelik-Forscher und Therapeut zu werden. Es gelang Jesse auch, in den inneren Kreis von Sasha und Ann Shulgin vorzudringen, die in der Bay Area legendäre Figuren waren und allwöchentlich ein Abendessen für Therapeuten, Wissenschaftler und andere Psychedelikinteressierte veranstalteten. (Sasha Shulgin, der 2014 starb, war ein brillanter Chemiker, der mit Erlaubnis der Drogenbehörde neue psychedelische Substanzen synthetisierte, was er in gewaltigem Ausmaß tat. Er war auch der Erste, der MDMA synthetisierte, seit es 1912 von Merck patentiert und danach vergessen worden war. Als er die psychoaktiven Eigenschaften erkannte, machte er die psychotherapeutische Community der Bay Area mit dem sogenannten «Empathogen» bekannt. Erst später wurde es zu der als Ecstasy bekannten Klubdroge.) Und Jesse schloss Freundschaft mit Huston Smith, dem Religionswissenschaftler, der sich dem spirituellen Potenzial der Psychedelika geöffnet hatte, weil er 1962 als Dozent am Massachusetts Institute of Technology (MIT) freiwillig am Karfreitagsexperiment teilnahm und fortan überzeugt war, dass sich eine durch Drogen ausgelöste mystische Erfahrung nicht von anderen unterschied.

Mithilfe dieser «Größen» und seiner eigenen Lektüre begann Jesse den großen Fundus der früheren Psychedelik-Forschung zutage zu fördern, der der Wissenschaft größtenteils verlorengegangen war. Er fand heraus, dass es vor 1965 mehr als eintausend wissenschaftliche Arbeiten über psychedelische Drogentherapie mit mehr als vierzigtausend Forschungsthemen gegeben hatte.22 Von den fünfziger Jahren bis Anfang der siebziger Jahre hatte man psychedelische Substanzen zur Behandlung verschiedener Leiden benutzt – darunter Alkoholismus, Depressionen, Zwangsneurosen und Angst am Ende des Lebens –, oft mit beeindruckenden Ergebnissen. Doch nur wenige der Studien waren nach heutigen Maßstäben gut kontrolliert, und manche wurden durch die Begeisterung der beteiligten Forscher beeinträchtigt.

Von noch größerem Interesse war für Bob Jesse die frühe Forschung, die das Potenzial untersuchte, das Psychedelika für einen Bereich hatten, den er, markant formuliert, als «Besserung Gesunder» bezeichnete. Es hatte Studien zu künstlerischer und wissenschaftlicher Kreativität und Spiritualität bei «gesunden Normalen» gegeben. Die berühmteste war das Karfreitags- oder Marsh-Chapel-Experiment, 1962 von Walter Pahnke durchgeführt, einem Psychiater und Theologen, der unter Timothy Leary in Harvard an seiner Dissertation arbeitete.23 In seinem Doppelblindexperiment wurde zwanzig Theologiestudenten während eines Karfreitagsgottesdienstes in der Marsh Chapel auf dem Campus der Boston University eine mit weißem Pulver gefüllte Kapsel verabreicht, von denen zehn Psilocybin enthielten und zehn ein «aktives Placebo» waren – in diesem Fall Niacin, das ein Kribbeln hervorruft. Acht von den zehn Studenten, die Psilocybin erhalten hatten, berichteten von einer eindringlichen mystischen Erfahrung, während es in der Kontrollgruppe nur einer war. (Es war nicht schwierig, die beiden Gruppen auseinanderzuhalten, was den Doppelblindversuch eigentlich entwertete: Die Placebo-Probanden saßen ruhig auf ihrer Bank, während die anderen sich hinlegten oder in der Kirche umherspazierten und etwas wie «Gott ist überall» oder «Oh, welche Herrlichkeit!» vor sich hin murmelten.) Pahnke kam zu dem Schluss, dass die Erfahrungen derjenigen, die das Psilocybin erhalten hatten, von klassischen, in der Literatur geschilderten mystischen Erfahrungen «kaum zu unterscheiden, wenn nicht gar identisch mit ihnen» waren. Huston Smith stimmte zu. «Bis zum Karfreitagsexperiment», sagte er 1996 in einem Interview, «war ich Gott noch nie persönlich begegnet».24

1986 führte Rick Doblin eine Folgestudie zum Karfreitagsexperiment durch, bei der er fast alle Theologiestudenten, denen in der Marsh Chapel Psilocybin verabreicht worden war, ausfindig machte und interviewte.25 Die meisten berichteten, die Erfahrung habe ihr Leben und ihre Arbeit tiefgehend und dauerhaft verändert. Doch er fand schwere Mängel in dem von Pahnke veröffentlichten Bericht: So hatte Pahnke es versäumt zu erwähnen, dass mehrere Probanden im Verlauf des Experiments mit akuter Angst zu kämpfen hatten. Einer musste, nachdem er in der Überzeugung, er sei dazu auserwählt, die Ankunft des Messias zu verkünden, aus der Kirche geflüchtet und die Commonwealth Avenue entlanggelaufen war, festgehalten werden und bekam das starke Neuroleptikum Thorazin gespritzt.

In dieser und einer zweiten Begutachtung eines weiteren von Timothy Leary begleiteten Experiments zur Rückfälligkeit im Concord State Prison hatte Doblin beunruhigende Fragen zur Qualität der im Harvard Psilocybin Project durchgeführten Forschung aufgeworfen, die darauf hindeuteten, dass die Begeisterung der Experimentatoren die berichteten Ergebnisse negativ beeinflusst hatte.26 Sollte diese Forschung wiederbelebt und ernst genommen werden, schloss Jesse, musste sie mit entschieden größerer Genauigkeit und Objektivität durchgeführt werden. Dennoch waren die Ergebnisse des Karfreitagsexperiments äußerst anregend und, wie Bob Jesse und Roland Griffiths schon bald feststellen sollten, den Versuch wert, sie zu reproduzieren.

Die frühen neunziger Jahre verbrachte Bob Jesse damit, das verloren gegangene Wissen über Psychedelika auszugraben, als die offizielle Forschung gestoppt wurde und die inoffizielle in den Untergrund ging. Dabei ähnelte er jenen Renaissance-Gelehrten, die die verlorene Welt klassischen Denkens in einer Handvoll in Klöstern gehorteten Manuskripten wiederentdeckten. Doch war in diesem Fall wesentlich weniger Zeit verstrichen und das Wissen noch in wissenschaftlichen Arbeiten in Bibliotheken und Datenbanken zugänglich, die man nur durchsuchen musste, oder erhalten in den Köpfen von Leuten wie James Fadiman, Myron Stolaroff und Willis Harman (ein weiterer Ingenieur aus der Bay Area, der sich in einen Psychedelik-Forscher verwandelt hatte), die noch am Leben waren und die man nur danach fragen musste. Aber wenn es heute einen Ort gibt, der dem mittelalterlichen Kloster entspricht, wo die Welt des klassischen Denkens vor dem Vergessen bewahrt wurde, einen Ort, an dem die flackernde Flamme psychedelischen Wissens während der dunklen Zeiten beharrlich am Leben gehalten wurde, dann ist das Esalen, das legendäre spirituelle Zentrum in Big Sur, Kalifornien.

Das Esalen Institute, auf einer Klippe über dem Pazifik thronend, als würde es sich gerade noch an den Kontinent klammern, wurde 1962 gegründet, war seither ein Gravitationszentrum für das sogenannte «Human Potential Movement» in Amerika und fungierte als inoffizielle Hauptstadt des New Age. Hier wurden im Lauf der Zeit zahlreiche therapeutische und spirituelle Mittel und Wege entwickelt und gelehrt, darunter auch das therapeutische und spirituelle Potenzial von Psychedelika. Seit 1973 arbeitete der ausgewanderte tschechische Psychiater Stanislav Grof, einer der Wegbereiter der LSD-unterstützten Psychotherapie, als Gastwissenschaftler in Esalen, hatte jedoch bereits zuvor dort jahrelang Workshops veranstaltet. Grof, der schon Tausende von LSD-Sitzungen geleitet hat, sagte einmal voraus, Psychedelika «könnten für die Psychiatrie das Gleiche sein, was das Mikroskop für die Biologie oder das Teleskop für die Astronomie ist. Diese Instrumente ermöglichen es, wichtige Prozesse zu studieren, die man unter normalen Umständen nicht direkt beobachten kann.»27 Hunderte kamen nach Esalen, um durch dieses Mikroskop zu schauen, oft in Workshops, die Grof für Psychotherapeuten veranstaltete, die Psychedelika in ihre praktische Arbeit einbinden wollten. Viele, wenn nicht die meisten der Therapeuten und spirituellen Führer, die diese Arbeit heute im Verborgenen leisten, haben ihre Fertigkeiten zu Füßen von Stan Grof im Großen Haus in Esalen erworben.

Ob diese Arbeit dort nach dem LSD-Verbot fortgeführt wurde, ist ungewiss, es wäre allerdings nicht überraschend: Der Ort thront so weit draußen am Rand des Kontinents, dass man das Gefühl haben kann, dem Zugriff der Bundespolizei entzogen zu sein. Doch zumindest offiziell wurden die Workshops nach dem LSD-Verbot eingestellt. Stattdessen unterrichtete Grof etwas, das sich holotropes Atmen nannte, eine Technik, die durch tiefes, schnelles und rhythmisches, gewöhnlich von lautem Trommeln begleitetes Atmen ohne Drogen einen psychedelischen Bewusstseinszustand erzeugte. Doch Esalens Rolle in der Geschichte der Psychedelika endete nicht mit ihrem Verbot. Esalen wurde der Ort, an dem man zusammenkam, um Kampagnen zu planen, in der Hoffnung, diese Substanzen, ob als Ergänzung zur Therapie oder als Mittel spiritueller Entwicklung, wieder in die Kultur einführen zu können.

Im Januar 1994 gelang es Bob Jesse, zu einem dieser Treffen in Esalen eingeladen zu werden. Als er nach einem freitäglichen Abendessen bei den Shulgins beim Geschirrspülen half, erfuhr er, dass sich eine Gruppe von Therapeuten und Wissenschaftlern in Big Sur versammeln würde, um über die Chance zu sprechen, die Psychedelik-Forschung wiederaufleben zu lassen. Es gab Anzeichen, dass sich die Tür, die Washington, D.C., Ende der 1960er Jahre zugeschlagen hatte, wieder öffnen könnte, und sei es nur einen Spaltbreit: Curtis Wright, ein neuer Verwaltungsbeamter in der Arzneimittelzulassungsbehörde (und, wie es der Zufall wollte, ein ehemaliger Student Roland Griffiths‘ an der Hopkins University), hatte signalisiert, dass Forschungsprotokolle für Psychedelika genauso behandelt würden wie alle anderen – beurteilt nach ihren Leistungen. Um diese neue Offenheit zu testen, hatte ein Psychiater an der University of New Mexico namens Rick Strassman die Genehmigung zur Untersuchung der physiologischen Auswirkungen von Dimethyltryptamin beantragt, einer starken, in vielen Pflanzen vorkommenden psychedelischen Substanz, und sie auch erhalten. Dieser kleine Test führte zum ersten behördlich genehmigten Experiment mit einer psychedelischen Substanz seit den 1970er Jahren – im Rückblick ein einschneidendes Ereignis.

Etwa zur selben Zeit hatten Rick Doblin und Charles Grob, ein Psychiater an der UCLA, von der Regierung die Genehmigung für den ersten Menschenversuch mit MDMA erhalten. (Grob ist einer der ersten Psychiater, der für die Wiedereinführung von Psychedelika in der Psychotherapie plädierte; später leitete er den ersten neuzeitlichen Versuch mit Psilocybin an Krebspatienten.28) Ein Jahr vor dem Treffen in Esalen (an dem Grob und Doblin beide teilnahmen) gründete David Nichols, ein Chemiker und Pharmakologe der Purdue University, das Heffter Research Institute – benannt nach dem deutschen Chemiker, der 1897 als Erster Meskalin isolierte –, mit dem damals noch unrealistischen Ziel, seriöse Psychedelik-Wissenschaft zu finanzieren. (Seitdem hat das Institut viele der heutigen Versuche mit Psilocybin gefördert.) Also keimten Anfang der 1990er Jahre vereinzelte Zeichen der Hoffnung auf eine Wiederbelebung der Psychedelik-Forschung. Die kleine Community, die diesen Traum in den dunklen Zeiten aufrechterhalten hatte, begann sich zaghaft im Stillen zu organisieren.

Obwohl Jesse noch ein Neuling in der Community und weder Wissenschaftler noch Therapeut war, bat er, an dem Treffen in Esalen teilnehmen zu dürfen, und bot an, sich nützlich zu machen und notfalls auch Wassergläser nachzufüllen. Den größten Teil der Zeit beanspruchten Gespräche über die potenzielle medizinische Anwendung von Psychedelika und den Bedarf an Grundlagenforschung in den Neurowissenschaften. Jesse war enttäuscht, dass man dem spirituellen Potenzial der Substanzen so wenig Aufmerksamkeit widmete. Als er das Treffen verließ, dachte er: «Okay, es gibt Handlungsspielraum. Ich hatte gehofft, einer der Leute würde den Ball aufnehmen, aber sie waren mit dem anderen Ball beschäftigt. Also beschloss ich, mich bei Oracle beurlauben zu lassen.» Innerhalb eines Jahres gründete Jesse den Council on Spiritual Practices, und nach zwei Jahren, im Januar 1996, veranstaltete der Council in Esalen sein eigenes Treffen, mit dem Ziel, in der Kampagne zur Wiederbelebung von Psychedelika eine zweite Front zu eröffnen.

Passenderweise fand das Treffen im Maslow-Saal in Esalen statt, benannt nach dem Psychologen, dessen Schriften zur Hierarchie menschlicher Bedürfnisse die Bedeutung von «Grenzerfahrungen» in der Selbstverwirklichung hervorhoben. Die meisten der fünfzehn Teilnehmer waren «psychedelische Größen», Therapeuten und Forscher wie James Fadiman, Willis Harman und Mark Kleiman, außerdem ein Experte für Drogenpolitik an der Kennedy School (der dort Rick Doblins Doktorvater war) sowie Leute aus dem religiösen Bereich wie Huston Smith, Bruder David Steindl-Rast und Jeffrey Bronfman, der Leiter der UDV-Kirche in Amerika (und Erbe des Seagram-Firmenvermögens). Doch Jesse entschied sich klugerweise, auch einen Außenstehenden einzuladen: Charles «Bob» Schuster, der unter Ronald Reagan und George H. W. Bush als Direktor der Nationalen Drogenbehörde gearbeitet hatte. Jesse kannte Schuster nicht besonders gut; sie hatten mal auf einer Tagung kurz miteinander gesprochen. Doch Jesse hatte nach der Begegnung gedacht, Schuster könnte einer Einladung aufgeschlossen gegenüberstehen.

Der genaue Grund, warum Bob Schuster – einer der führenden Leute im akademischen Establishment, das den Krieg gegen Drogen unterstützte – für die Idee offen sein sollte, nach Esalen zu kommen, um über das spirituelle Potenzial von Psychedelika zu diskutieren, war ein Rätsel, zumindest bis sich mir die Gelegenheit bot, mit seiner Witwe Chris-Ellyn Johanson zu sprechen. Johanson, die ebenfalls Drogenforscherin ist, zeichnete das Bild eines Mannes mit außergewöhnlich vielseitigen Interessen und großer Neugier.

«Bob war exzessiv in seiner Weltoffenheit», sagte sie lachend. «Er redete mit jedem.» Wie viele Leute im Umfeld der Drogenbehörde wusste Schuster gut, dass Psychedelika nur schlecht zum Profil eines Suchtstoffes passten; Tiere, die das selbst entscheiden können, nehmen ein Psychedelikum kein zweites Mal, und die klassischen Psychedelika haben einen auffallend geringen Giftgehalt. Ich fragte Johanson, ob Schuster selbst einmal eins genommen habe; Roland Griffiths hatte mir gesagt, er halte es für möglich. («Bob war Jazzmusiker», erzählte Griffiths, «deshalb wäre ich nicht überrascht.») Doch Johanson verneinte. «Er war daran interessiert», sagte sie, «aber ich glaube, er war zu ängstlich. Wir waren Martini-Trinker.» Ich fragte, ob er ein spiritueller Mensch war. «Eigentlich nicht, aber ich glaube, er wäre es gern gewesen.»

Jesse, der sich nicht ganz sicher war, was Schuster von dem Treffen halten würde, arrangierte, dass sich Jim Fadiman mit ihm das Zimmer teilte, und beauftragte den Psychologen, ihn unter die Lupe zu nehmen. «Am nächsten Morgen kam Jim in aller Frühe zu mir und sagte: ‹Bob, Auftrag ausgeführt. Da hast du einen tollen Menschen gefunden.›»

Seiner Frau zufolge genoss Schuster die Zeit in Esalen. Er nahm an einem Trommelworkshop teil, den Jesse in die Wege geleitet hatte – das gehört in Esalen einfach dazu –, und war erstaunt zu entdecken, wie leicht er in Trance verfiel. Doch Schuster leistete auch wichtige Beiträge zu den Diskussionen der Gruppe. Er warnte Jesse davor, mit MDMA zu arbeiten, weil er glaubte, es sei giftig fürs Gehirn, und weil es inzwischen den üblen Ruf genoss, eine Klubdroge zu sein. Und er wies darauf hin, dass Psilocybin ein viel besserer Kandidat für die Forschung sei als LSD, vor allem aus politischen Gründen: Da viel weniger Leute davon gehört hatten, schleppte es nicht den politischen und kulturellen Ballast von LSD mit sich herum.

Am Ende des Treffens hatte sich die Esalen-Gruppe auf eine kurze Liste von Zielen geeinigt, von denen manche bescheiden waren – der Entwurf eines Moralkodex für spirituelle Führer – und andere ehrgeiziger: «redliche, unanfechtbare Forschung zu betreiben, in einer Institution mit untadeligen Forschern» und idealerweise «nicht unter dem Deckmantel klinischer Behandlung».

«Wir waren nicht sicher, ob das möglich ist», erzählte Jesse, aber er und seine Kollegen glaubten, «es wäre ein großer Fehler, wenn es bei medizinischen Zwecken bliebe». Warum ein Fehler? Weil Bob Jesse nicht so sehr an den psychischen Problemen der Menschen interessiert war, sondern an ihrem spirituellen Wohlergehen – indem er Entheogene für die Besserung Gesunder einsetzte.

Kurz nach dem Treffen in Esalen leistete Schuster einen Beitrag, der sich als sein wichtigster erweisen sollte: Er erzählte Bob Jesse von seinem alten Freund Roland Griffiths, den er als genau «den untadeligen Forscher» beschrieb, den Jesse suchte, und als «Wissenschaftler ersten Ranges».

«Allem, was Roland mal angefangen hat, hat er sich völlig verschrieben», erinnert sich Jesse an Schusters Worte, «auch seiner Meditation. Wir finden, das hat ihn verändert.» Griffiths hatte Schuster von seiner wachsenden Unzufriedenheit mit der Wissenschaft und seinem immer tieferen Interesse an den «großen Fragen» erzählt, die sich bei seiner Meditation ergaben. Also rief Schuster Griffiths an, berichtete ihm von dem interessanten jungen Mann, den er gerade in Esalen kennengelernt habe, erklärte, dass sie sich beide für Spiritualität interessierten, und schlug vor, sie sollten sich treffen. Nach kurzem E-Mail-Verkehr flog Jesse nach Baltimore, um in der Cafeteria des Bayview Medical Campus mit Griffiths zu essen, woraufhin eine Reihe von Gesprächen und Treffen folgte, die schließlich an der Johns Hopkins University zu ihrer Zusammenarbeit bei der Studie von 2006 über Psilocybin und mystische Erfahrung führten.

Doch es fehlte noch ein Puzzleteil: ein weiteres Mitglied des wissenschaftlichen Teams. Die meisten Drogenversuche, die Griffiths bisher durchgeführt hatte, waren an Pavianen und anderen nichtmenschlichen Primaten vorgenommen worden; er hatte viel weniger klinische Erfahrung in der Arbeit mit Menschen und begriff, dass ein erfahrener Therapeut an dem Projekt teilnehmen musste – ein «führender Kliniker», wie er es formulierte. Wie es der Zufall wollte, hatte Bob Jesse ein paar Jahre zuvor auf einer Psychedelik-Tagung einen Psychologen kennengelernt, der nicht nur den Anforderungen entsprach, sondern auch in Baltimore lebte. Und ein noch größerer Zufall war, dass dieser Psychologe, der Bill Richards hieß, vermutlich mehr Erfahrung in der Anleitung psychedelischer Reisen in den 1960er und 1970er Jahren hatte als jeder andere, außer vielleicht Stan Grof (mit dem er schon zusammengearbeitet hatte). Bill Richards war es, der im Frühling 1977 im Maryland Psychiatric Research Center in Spring Grove einem Amerikaner die allerletzte legale Dosis Psilocybin verabreicht hatte. Seither hatte er in seinem Haus in einem grünen Viertel Baltimores namens Windsor Hills konventionellere Psychotherapie betrieben und geduldig darauf gewartet, dass der Staat einlenkte und er wieder mit Psychedelika arbeiten konnte.

«Wenn man das Gesamtbild im Blick hat», sagte er, als wir uns zum ersten Mal in seinem Büro trafen, «dann gibt es diese Drogen schon mindestens fünftausend Jahre, und sie wurden oft bekämpft und tauchten wieder auf, das hier ist also nur ein weiterer Zyklus. Aber der Pilz wächst immer noch, und irgendwann musste diese Arbeit wieder erlaubt werden. Das habe ich zumindest gehofft.» Als ihn Bob Jesse 1998 anrief und er sich kurz darauf mit Roland Griffiths traf, konnte er sein Glück kaum fassen. «Es war aufregend.»

Bill Richards, ein außergewöhnlich aufgeweckter Mann in den Siebzigern, bildet eine Brücke zwischen den beiden Zeitabschnitten der Psychedelik-Therapie. Walter Pahnke war bei seiner Hochzeit Trauzeuge; er arbeitete in Spring Grove eng mit Stan Grof zusammen und besuchte Timothy Leary in Millbrook, New York, wo dieser nach seiner Verbannung aus Harvard gelandet war. Auch wenn Richards den Mittleren Westen, wo er 1940 geboren wurde, vor einem halben Jahrhundert verließ, hat er die Sprechweise des ländlichen Michigan beibehalten. Inzwischen trägt er einen weißen Spitzbart, hat ein ansteckendes gackerndes Lachen und beendet viele seiner Sätze mit einem gut gelaunten, kräftigen «weißte?».

Richards, der sowohl einen Doktor in Psychologie als auch in Religionswissenschaft hat, hatte 1963 seine erste psychedelische Erfahrung als Theologiestudent in Yale. Er studierte damals in Deutschland, an der Göttinger Universität, und fühlte sich vom Fachbereich Psychiatrie angezogen, wo er von einem Forschungsprojekt mit einer Droge namens Psilocybin erfuhr.

«Ich hatte keine Ahnung, was das war, aber zwei Freunde von mir hatten daran teilgenommen und interessante Erfahrungen gemacht.» Einer der beiden, dessen Vater im Krieg umgekommen war, war ins Kindesalter zurückgefallen und saß auf dem Schoß seines Vaters. Der andere hatte Halluzinationen von SS-Leuten, die in den Straßen marschierten. «Ich hatte noch nie eine nennenswerte Halluzination gehabt», sagte Richards kichernd, «und wollte einen Einblick in meine Kindheit bekommen. Damals betrachtete ich meinen Geist als psychologisches Labor, deshalb beschloss ich, freiwillig teilzunehmen.

Das war noch bevor man die Bedeutung von Set und Setting begriff. Man führte mich in einen Kellerraum, gab mir eine Spritze und ließ mich allein.» Die beste Voraussetzung für einen Horrortrip, doch Richards erlebte genau das Gegenteil. «Ich hatte das Gefühl, in eine unglaublich detailreiche Bilderwelt einzutauchen, die wie islamische Architektur aussah, mit arabischer Schrift, über die ich nichts wusste. Und dann verwandelte ich mich irgendwie in diese verschlungenen Muster und verlor meine gewohnte Identität. Und ich kann bloß sagen, dass sich der ewige Glanz mystischen Bewusstseins offenbarte. Mein Bewusstsein war überflutet von Liebe, Schönheit und Frieden, weit über alles hinaus, was ich je gekannt oder für möglich gehalten hatte. ‹Ehrfurcht›, ‹Herrlichkeit› und ‹Dankbarkeit› waren die einzigen Worte, die noch Gültigkeit besaßen.»

Die Schilderungen derartiger Erfahrungen klingen stets ein bisschen dürftig, zumindest im Vergleich zu der emotionalen Wucht, die vermittelt werden soll; für ein lebensveränderndes Ereignis wirken die Worte geradezu läppisch. Als ich das Richards sagte, musste er lächeln. «Sie müssen sich einen Höhlenmenschen vorstellen, der mitten nach Manhattan versetzt wurde. Er sieht Busse, Mobiltelefone, Wolkenkratzer, Flugzeuge. Und dann zappen Sie ihn in seine Höhle zurück. Was erzählt er über seine Erfahrung? ‹Es war groß, es war eindrucksvoll, es war laut.› Er hat nicht den Wortschatz, um ‹Wolkenkratzer›, ‹Aufzug›, ‹Mobiltelefon› zu sagen. Vielleicht spürt er, dass die Szene irgendeine Aussagekraft oder Ordnung hatte. Doch wir brauchen Wörter dafür, die es noch nicht gibt. Wir haben fünf Buntstifte, brauchen aber fünfzigtausend verschiedene Farbtöne.»

Mitten in seiner Reise kam einer der Fachärzte vorbei, um nach Richards zu sehen, und bat ihn, sich aufzusetzen, damit er seine Reflexe testen konnte. Als der Arzt mit seinem Gummihämmerchen auf seine Patellasehne klopfte, empfand Richards, wie er sich erinnert, «Mitleid mit der noch in den Kinderschuhen steckenden Wissenschaft. Die Forscher hatten keine Ahnung, was in meiner inneren Erfahrungswelt vor sich ging, sie wussten nichts von ihrer unaussprechlichen Schönheit oder ihrer potenziellen Bedeutsamkeit für uns alle.» Ein paar Tage nach der Erfahrung kehrte Richards in das Labor zurück und fragte: «Was für eine Droge haben Sie mir gegeben? Wie schreibt man das? Und der Rest meines Lebens besteht aus Fußnoten dazu!»

Aber nachdem in der Folge mehrere Psilocybin-Sitzungen keine mystische Erfahrung auslösten, fragte sich Richards, ob er den ersten Trip vielleicht überhöht hatte. Etwas später kam Walter Pahnke kurz nach seiner Doktorarbeit bei Timothy Leary in Harvard an die Universität, und die beiden wurden Freunde. (Es war Richards, der Pahnke während eines gemeinsamen Deutschlandaufenthalts zu dessen erstem psychedelischen Trip verhalf; offenbar hatte er in Harvard weder LSD noch Psilocybin genommen, weil er dachte, das könne die Objektivität des Karfreitagsexperiments beeinträchtigen.) Pahnke schlug vor, Richards solle es noch mal versuchen, diesmal aber in einem Raum mit gedämpfter Beleuchtung, Pflanzen und Musik und mit einer höheren Dosis. Wieder hatte Richards «eine unglaublich tiefgehende Erfahrung. Ich begriff, dass ich den ersten Trip nicht überhöht, sondern achtzig Prozent davon vergessen hatte. Ich habe nie an der Stichhaltigkeit dieser Erfahrungen gezweifelt. Das war das Reich mystischen Bewusstseins, von dem Shankara sprach, von dem Plotin schrieb, von dem Johannes vom Kreuz und Meister Eckhart schrieben. Es ist auch das, wovon Maslow mit seinen ‹Grenzerfahrungen› sprach – obwohl Abe dazu keine Drogen brauchte.» Richards studierte später an der Brandeis University unter Maslow Psychologie. «Abe war der geborene jüdische Mystiker. Er konnte sich einfach hinten in den Garten legen und eine mystische Erfahrung haben. Psychedelika sind für diejenigen von uns da, die nicht von Natur aus so begabt sind.»

Richards gewann aus diesen ersten psychedelischen Erkundungen drei unerschütterliche Überzeugungen. Die erste lautet, dass die Erfahrung des Heiligen, von der sowohl die großen Mystiker als auch Leute auf dosisintensiven psychedelischen Reisen berichten, die gleiche Erfahrung und «real» ist – d. h. nicht bloß eine Ausgeburt der Fantasie.

«Wer tief oder weit genug in sein Bewusstsein vordringt, stößt auf das Heilige. Das ist nichts, was wir erzeugen, sondern etwas, das irgendwo darauf wartet, entdeckt zu werden. Und das passiert zuverlässig Ungläubigen genauso wie Gläubigen.» Die zweite lautet, dass diese Erfahrungen mystischen Bewusstseins, ob ausgelöst durch Drogen oder etwas anderes, aller Wahrscheinlichkeit nach die Hauptgrundlage von Religion darstellen. (Nicht zuletzt deshalb findet Richards, dass Psychedelika für Theologiestudenten zur Ausbildung gehören sollten.) Und die dritte, dass das Bewusstsein eine Eigenschaft des Universums und nicht des Gehirns ist. In dieser Frage hält er es mit dem französischen Philosophen Henri Bergson, der den menschlichen Geist als eine Art Funkempfänger auffasst, der sich auf Energiefrequenzen und außerhalb seiner selbst existierende Informationen einschwingen kann. «Wenn man die Blondine finden will, die letzte Nacht die Nachrichten moderiert hat», erklärte Richards in Analogie dazu, «sucht man sie nicht im Fernsehgerät.» Der Fernseher ist, genau wie das menschliche Gehirn, zwar vonnöten, reicht aber nicht aus.

Nachdem Richards sein Aufbaustudium beendet hatte, nahm er Ende der 1960er Jahre eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Spring Grove State Hospital in der Nähe von Baltimore an, wo sich im Stillen, weit entfernt von dem Lärm und grellen Glanz, der Timothy Leary umgab, eine äußerst unwahrscheinliche, den Fakten zuwiderlaufende Geschichte der Psychedelik-Forschung abspielte. Es handelt sich hier um einen Fall, wo die Kraft der Leary-Erzählung die überlieferte Geschichte verbogen hat, sodass viele von uns glauben, vor Learys Ankunft in Harvard habe es dort keine seriöse Psychedelik-Forschung gegeben und nach seiner Entlassung gar keine mehr. Doch bis zu dem Tag im Jahr 1977, an dem Bill Richards seiner letzten Versuchsperson Psilocybin verabreichte, betrieb Spring Grove aktiv (und ohne große Kontroverse) eine ehrgeizige Psychedelik-Forschung – vieles davon gefördert vom National Institute of Mental Health – mit Schizophrenen, Alkoholikern und anderen Suchtkranken, Krebspatienten, die mit Ängsten kämpften, sowie theologischen und psychologischen Fachkräften und Patienten mit schweren Persönlichkeitsstörungen. Von Anfang der 1960er bis Mitte der 1970er Jahre erhielten mehrere Hundert Patienten und Probanden in Spring Grove psychedelische Therapien. In vielen Fällen erzielten die Forscher in gut konzipierten Studien sehr gute Ergebnisse, die regelmäßig in von Fachkollegen geprüften und begutachteten Zeitschriften wie dem Journal of the American Medical Association (JAMA) oder The Archives of General Psychiatry veröffentlicht wurden. (Roland Griffiths ist der Meinung, ein Großteil dieser Forschung sei «fragwürdig», Richards dagegen sagte: «Diese Studien waren nicht so schlecht, wie Roland unterstellt.») Es ist bemerkenswert, wie viel von der Arbeit, die heute an der Hopkins University, der NYU und andernorts verrichtet wird, in Spring Grove vorweggenommen wurde; es ist in der Tat kaum ein gegenwärtiges Experiment mit Psychedelika zu finden, das in den 1960er und 1970er Jahren nicht schon in Maryland durchgeführt wurde.

Zumindest am Anfang erhielt die psychedelische Arbeit in Spring Grove viel öffentliche Unterstützung. 1965 zeigte CBS News einen begeisterten einstündigen «Sonderbericht» über die Arbeit der Klinik mit Alkoholikern, der den Titel LSD: The Spring Grove Experiment trug. Die Reaktionen auf die Sendung waren so positiv, dass das Parlament Marylands auf dem Campus des Spring Grove State Hospital eine mehrere Millionen Dollar teure Forschungseinrichtung namens Maryland Psychiatric Research Center einrichtete. Stan Grof, Walter Pahnke und Bill Richards wurden als Leiter eingestellt, zusammen mit Dutzenden weiterer Therapeuten, Psychiater, Pharmakologen und Betreuungspersonal. Ähnlich schwer zu glauben ist, was Richards erzählte: «Jedes Mal, wenn wir jemanden einstellten, haben wir mit ihm als Teil der Ausbildung für die spätere Arbeit ein paar LSD-Sitzungen durchgeführt. Dazu waren wir bevollmächtigt! Wie sollte man sonst nachempfinden können, was im Kopf des Patienten vorging? Ich wünschte, wir könnten das an der Hopkins tun.»

Die Tatsache, dass ein derart ehrgeiziges Forschungsprogramm in Spring Grove bis Mitte der siebziger Jahre fortgeführt werden konnte, deutet darauf hin, dass die Geschichte von der Unterdrückung der Psychedelik-Forschung etwas komplizierter ist als allgemein angenommen. Obwohl es stimmt, dass einige Forschungsprojekte – wie Jim Fadimans Kreativitätsexperimente in Palo Alto – von Washington verboten wurden, durften andere Projekte mit langfristiger Förderung fortgeführt werden, bis das Geld zur Neige ging – was irgendwann auch eintrat. Statt die gesamte Forschung zu stoppen, wie es viele in der psychedelischen Community heute vermuten, erschwerte die Regierung lediglich das Genehmigungsverfahren, und die Finanzierung versiegte allmählich. Im Lauf der Zeit mussten die Forscher feststellen, dass sie es zusätzlich zu all den bürokratischen und finanziellen Hürden auch noch mit «dem Lächerlichkeitsfaktor» zu tun hatten: Wie würden die Kollegen reagieren, wenn man ihnen erzählte, dass man Experimente mit LSD durchführte? Mitte der 1970er Jahre hatten sich Psychedelika in eine wissenschaftliche Peinlichkeit verwandelt – nicht weil sie ein Misserfolg waren, sondern weil man sie mit der Gegenkultur und mit in Ungnade gefallenen Wissenschaftlern wie Timothy Leary verband.

Doch die Psychedelik-Forschung in Spring Grove Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre hatte nichts Peinliches. Damals schien sie die Zukunft zu sein. «Wir dachten, wir betreten unglaubliches Neuland in der Psychiatrie», erinnert sich Richards. «Wir saßen am Konferenztisch und diskutierten, wie wir die Hunderte, wenn nicht Tausende von Therapeuten ausbilden würden, die für diese Arbeit gebraucht wurden. (Und sehen Sie, heute führen wir wieder das gleiche Gespräch!) Es gab internationale Tagungen über Psychedelik-Forschung, und wir hatten überall in Europa Kollegen, die einer ähnlichen Arbeit nachgingen. Die Fachrichtung wuchs rasend schnell. Aber am Ende waren die gesellschaftlichen Kräfte stärker als wir.»

1971 erklärte Richard Nixon den gescheiterten Psychologie-Professor Timothy Leary «zum gefährlichsten Mann in Amerika». Psychedelika nährten die Gegenkultur, und die Gegenkultur untergrub die Kampfbereitschaft der jungen Amerikaner. Die Nixon-Regierung versuchte die Gegenkultur zu schwächen, indem sie deren neurochemische Infrastruktur angriff.

War die Zerschlagung der Psychedelik-Forschung unvermeidlich? Viele der Forscher, die ich interviewt habe, meinen, sie wäre zu verhindern gewesen, wenn die Drogen nicht die vier Wände der Labore verlassen hätten – ein Ereignis, für das die meisten, ob zu Recht oder zu Unrecht, die «Mätzchen», das «Fehlverhalten» und den «Bekehrungseifer» von Timothy Leary verantwortlich machen.

Stanislav Grof glaubt, dass die Psychedelika «das dionysische Element» im Amerika der 1960er Jahre entfesselten und eine Bedrohung für die puritanischen Werte des Landes darstellten, die abgewehrt werden musste. (Er sagte mir, er glaube auch, dass das Gleiche wieder passieren könnte.) Roland Griffiths verweist darauf, dass unsere Kultur nicht die erste sei, die sich von Psychedelika bedroht fühle: R. Gordon Wasson musste die Magic Mushrooms in Mexiko deshalb wiederentdecken, weil die Spanier sie einst als gefährliche Instrumente des Heidentums betrachtet und sehr erfolgreich bekämpft hatten.

«Das zeigt, wie widerstrebend sich Kulturen den Veränderungen aussetzen, die derartige Substanzen hervorrufen können», sagte er bei unserem ersten Treffen. «Die unmittelbare mystische Erfahrung hat eine solche Macht, dass sie für bestehende hierarchische Strukturen bedrohlich sein kann.»

Mitte der siebziger Jahre waren die LSD-Versuche in Spring Grove, die zumeist vom Staat finanziert wurden, in Annapolis zu einem heißen Eisen geworden. 1975 enthüllte die Rockefeller Commission im Rahmen einer Untersuchung gegen die CIA, dass von der Agency auch in Fort Detrick in Maryland LSD-Experimente durchgeführt worden waren, und zwar als Teil eines Projekts zur Gedankenkontrolle namens MK-Ultra. (Ein internes Memo, das die Kommission veröffentlichte, legte das Ziel der Agency präzise dar: «Können wir Kontrolle über einen Menschen gewinnen, bis zu dem Punkt, dass er gegen seinen Willen und sogar in Widerspruch zu grundlegenden Naturgesetzen wie dem Selbsterhaltungstrieb unseren Anordnungen Folge leistet?»29) Es wurde aufgedeckt, dass die CIA Regierungsangestellten und Zivilisten ohne deren Wissen LSD verabreicht hatte; mindestens eine Person warums Leben gekommen. Die Nachricht, dass die Steuerzahler Marylands auch Forschung mit LSD unterstützten, blähte sich schnell zu einem Skandal auf, und der Druck, die Psychedelik-Forschung in Spring Grove einzustellen, wurde unbezwingbar.

«Ziemlich bald waren nur noch ich und zwei Sekretärinnen da», erinnert sich Richards. «Und dann war es vorbei.»

Heute staunt Roland Griffiths, der wieder an die Forschung von Spring Grove angeknüpft hat, dass die vielversprechende erste Welle der Psychedelik-Forschung aus Gründen endete, die nichts mit Wissenschaft zu tun hatten. «Am Ende dämonisierten wir diese Substanzen. Fällt Ihnen noch ein anderes Wissenschaftsgebiet ein, das für so gefährlich und verpönt gehalten wurde, dass man für Jahrzehnte jegliche Forschung einstellte? Das ist in der modernen Wissenschaft beispiellos.» Was vielleicht auch für die schiere Summe wissenschaftlicher Erkenntnisse gilt, die einfach ausgelöscht wurden.

1998 entwarfen Griffiths, Jesse und Richards eine Pilotstudie, die lose auf dem Karfreitagsexperiment beruhte. «Es war keine psychotherapeutische Studie», erklärt Richards. «Die Studie sollte ermitteln, ob Psilocybin eine transzendentale Erfahrung auslösen kann. Dass wir die Genehmigung erhielten, es gesunden Normalen zu verabreichen, haben wir dem großen Respekt vor Roland an der Hopkins University und in Washington zu verdanken.» 1999 wurde der Plan genehmigt, aber erst nachdem er fünf verschiedene Ausschüsse an der Hopkins University, bei der Arzneimittelzulassungsbehörde und bei der Drogenbehörde durchlaufen hatte. (Viele von Griffiths‘ Kollegen sahen den Antrag skeptisch, weil sie befürchteten, die Psychedelik-Forschung könnte die Bundesmittel gefährden; einer sagte mir, «im Fachbereich Psychiatrie und der größeren Einrichtung gibt es Leute, die die Arbeit infrage stellen, weil diese Wirkstoffgruppe seit den 1960er Jahren viel Ballast mit sich herumschleppt».)

«Wir vertrauten darauf, dass die Leute in all diesen Ausschüssen gute Wissenschaftler waren», erzählte mir Richards. «Und mit etwas Glück hatten vielleicht ein paar von ihnen am College Pilze ausprobiert!» Roland Griffiths wurde Projektleiter, Bill Richards klinischer Leiter, und Bob Jesse agierte weiter hinter den Kulissen.

«Ich kann mich noch lebhaft an die erste Sitzung erinnern, die ich nach der zweiundzwanzigjährigen Unterbrechung leitete», erinnerte sich Richards. Wir beide saßen im Sitzungsraum an der Hopkins University; ich auf dem Sofa, auf dem die Versuchspersonen bei ihrer Reise lagen, und Richards in dem Sessel, aus dem er seit 1999 mehr als hundert Psilocybin-Reisen angeleitet hat. Mit seinem Plüschsofa, den spirituell anmutenden Gemälden an den Wänden, der Buddha-Skulptur auf einem Beistelltisch, den Regalen, auf denen sich ein riesiger steinerner Pilz und verschiedene überkonfessionelle spirituelle Gegenstände befinden, und dem kleinen Kelch, in dem die Versuchspersonen ihre Tablette entgegennehmen, gleicht der Raum eher einem Arbeits- oder Wohnzimmer als einem Labor.

«Auf diesem Sofa, auf dem Sie sitzen, lag jemand, dem die Tränen übers Gesicht liefen, und ich dachte, wie wunderschön und bedeutungsvoll diese Erfahrung ist. Wie heilig. Wie konnte das je gesetzwidrig sein? Das ist, als würden wir gotische Kathedralen, Museen oder Sonnenuntergänge als gesetzwidrig erklären! Ich habe wirklich nicht gewusst, ob ich das noch erleben würde. Und schauen Sie, wo wir jetzt stehen: Die Arbeit an der Hopkins University läuft inzwischen seit fünfzehn Jahren – schon fünf Jahre länger als in Spring Grove.»

Von 1999 an erschienen in Wochenzeitungen der Region um Baltimore und Washington, D.C., seltsame, aber faszinierende Anzeigen unter der Überschrift: «Interesse am spirituellen Leben?»

Die universitäre Forschung mit Entheogenen (grob gesagt Gott-evozierende Substanzen wie Peyote und halluzinogene Pilze) ist zurück. Das Forschungsfeld beinhaltet Pharmakologie, Psychologie, Kreativitätsförderung und Spiritualität. Um zu prüfen, ob Sie an vertraulichen Entheogen-Forschungsprojekten teilnehmen können, rufen Sie unter der gebührenfreien Nummer 1-888-585-8870 an. www.csp.org.

Nur wenig später verabreichten Bill Richards und Mary Cosimano, eine Sozialarbeiterin und Schulberaterin, die Richards bei den Psychedelik-Sitzungen unterstützen sollte, einem Amerikaner die erste legale Dosis Psilocybin seit zweiundzwanzig Jahren. Seither hat das Hopkins-Team mehr als dreihundert Psilocybin-Sitzungen durchgeführt und arbeitet dabei in verschiedenen Gruppen, zu denen gesunde Normale, langzeitige und unerfahrene Meditierer, Krebspatienten, Raucher, die ihre Gewohnheit aufgeben wollen, und theologische Fachkräfte gehören. Ich war neugierig, von all diesen Gruppen die Probandenperspektive der Erfahrung kennenzulernen, vor allem aber die der gesunden Normalen, einerseits, weil sie Teilnehmer einer Studie waren, die sich als historisch bedeutend erweisen würde, und andererseits, weil ich dachte, sie würden, nun ja, mir am ähnlichsten sein. Wie ist es, eine behördlich genehmigte, professionell begleitete, äußerst behagliche dosisintensive Psilocybin-Erfahrung zu haben?

Doch die Versuchspersonen waren nicht genau wie ich, denn damals hätte ich nach der Überschrift «Interesse am spirituellen Leben?» wohl nicht mehr weitergelesen. In der ursprünglichen Gruppe befanden sich keine nüchternen Atheisten, und die Interviews mit fast einem Dutzend Teilnehmern legten nahe, dass viele, wenn nicht alle, mit mehr oder weniger starker spiritueller Orientierung in die Studie gingen. Da waren eine energetische Heilerin, ein Mann, der in der Eisenhans-Bewegung aktiv war, ein ehemaliger Franziskanermönch und eine Kräuterkundlerin. Außerdem ein Physiker, der sich für Zen, und ein Philosophieprofessor, der sich für Theologie interessierte. Roland Griffiths räumte ein: «Wir waren an einer spirituellen Wirkung interessiert und haben die Situation anfangs [dahingehend] beeinflusst.»

Abgesehen davon war Griffiths bei der Planung der Studie sehr bemüht, «Erwartungseffekte» zu berücksichtigen. Teilweise war das seiner Skepsis geschuldet, dass eine Droge die gleiche mystische Erfahrung auslösen könnte, wie er sie beim Meditieren hatte: «All das war für Bill die Wahrheit und für mich nur eine Hypothese. Deshalb mussten wir Bills Voreingenommenheit berücksichtigen.» Alle Probanden waren «halluzinogen-naiv», hatten also keine Ahnung, wie sich Psilocybin anfühlte, und weder sie noch ihre Beobachter wussten in den Sitzungen, ob sie Psilocybin oder ein Placebo erhielten und ob das Placebo eine Zuckerpille oder eine von sechs verschiedenen psychoaktiven Drogen war. In Wirklichkeit war das Placebo Ritalin, und wie sich herausstellte, lagen die Beobachter bei der Einschätzung, was für eine Pille ein Proband erhalten hatte, in mehr als einem Viertel der Fälle falsch.

Noch Jahre nach ihren Erfahrungen bei den Versuchen erinnerten sich die Teilnehmer, mit denen ich sprach, in allen Einzelheiten und sehr ausführlich; die Interviews dauerten Stunden. Diese Leute hatten etwas Wichtiges zu erzählen; in mehreren Fällen waren es die bedeutendsten Erfahrungen ihres Lebens, und sie genossen die Gelegenheit, alles sehr ausführlich noch einmal zu durchleben, gleichgültig ob im persönlichen Kontakt, über Skype oder am Telefon. Die Teilnehmer wurden auch kurz nach dem Versuch aufgefordert, einen Bericht über ihre Erfahrungen zu verfassen, und alle, die ich interviewte, stellten mir diese Berichte, von denen viele eine seltsame, faszinierende Lektüre waren, bereitwillig zur Verfügung.

Viele der Probanden berichteten von anfänglicher Angst und Sorge, bevor sie sich der Erfahrung überließen – wozu die Betreuer sie ermunterten. Die Betreuer arbeiteten dabei mit einer Liste von «Fluganweisungen», die Bill Richards auf der Grundlage von Hunderten psychedelischer Reisen, die er angeleitet hatte, vorbereitet hatte. Die Anleiter gehen diese Anweisungen mit den Versuchspersonen während der achtstündigen Vorbereitung durch, die alle Beteiligten vor Beginn der Reise erhalten.

In den Fluganweisungen wird den Anleitern empfohlen, gebetsmühlenhafte Aufforderungen zu benutzen wie «Vertraue der Flugbahn» und «Hab Vertrauen, lass los, sei offen». Manche Anleiter zitieren gern John Lennon: «Turn off your mind, relax and float downstream» [«Schalte dein Denken ab, entspann dich und lass dich treiben»].

Man sagt den Probanden, dass sie «den Tod/die Transzendenz des eigenen Ichs oder Alltags-Ichs» erleben könnten, darauf folge aber «stets die Wiedergeburt/Wiederkehr in die normative Welt von Raum und Zeit. Der sicherste Weg, in die Normalität zurückzukehren, ist, sein Ich den auftretenden Erfahrungen bedingungslos zu überlassen.» Die Anleiter sollen den Teilnehmern ins Gedächtnis rufen, dass sie nicht alleingelassen werden und sich während der Reise keine Sorgen um ihren Körper machen müssen, da die Anleiter sie im Auge behalten. Sollten sie das Gefühl haben, «zu sterben, zu zerfließen, sich aufzulösen, zu explodieren, verrückt zu werden etc. – nur zu». Die Versuchspersonen werden gefragt: «Wenn Sie eine Tür sehen, was machen Sie dann? Wenn Sie eine Treppe sehen, was machen Sie?» Die richtigen Antworten lauten natürlich «sie öffnen» und «sie hinaufsteigen».

Die sorgfältige Vorbereitung hat zur Folge, dass sich ein gewisser Erwartungseffekt wahrscheinlich nicht vermeiden lässt. Schließlich machen die Forscher ihre Probanden darauf aufmerksam, dass sie eine bedeutende Erfahrung haben könnten, die Tod und Wiedergeburt umfasst und das Potenzial für Veränderung hat. «Es wäre unverantwortlich, die Teilnehmer nicht auf diese Möglichkeit hinzuweisen», sagte Griffiths, als ich ihn fragte, ob die Versuchspersonen auf eine bestimmte Art von Erfahrung «eingestimmt» würden. Einer von ihnen – der Physiker – erzählte mir, der «Mystical Experience Questionnaire», den er nach jeder Sitzung ausfüllte, habe auch Erwartungen geweckt: «Ich sehne mich danach, etwas zu erleben wie das, worauf im Fragebogen angespielt wird», schrieb er nach einer enttäuschenden Sitzung – möglicherweise auf Placebo. «Wo alles lebendig und miteinander verbunden ist, wo man der Leere begegnet oder einer Verkörperung von Gottheiten und so was.» In dieser und manch anderer Hinsicht scheint mir die Psilocybin-Erfahrung an der Hopkins University nicht nur ein Produkt dieser wirkungsvollen Substanz zu sein, sondern auch auf der Vorbereitung und den Erwartungen des Probanden zu beruhen, auf der Qualität und Weltsicht der Betreuer, auf Bill Richards‘ Fluganweisungen, der Ausstattung des Zimmers, der begünstigt durch die Schlafmaske und die Musik nach innen gerichteten Konzentration (und der Musik selbst, die für meine Ohren größtenteils ziemlich religiös klingt) und, auch wenn sie das nicht gern hören würden, auf dem Denken der Entwickler der Experimente.

Die schiere Beeinflussbarkeit von Psychedelika ist eine ihrer bestimmenden Eigenschaften, deshalb ist es in gewissem Sinne kein Wunder, dass so viele aus der ersten Teilnehmergruppe an der Hopkins University starke mystische Erfahrungen hatten: Das Experiment wurde von drei Männern entwickelt, die an mystischen Bewusstseinszuständen äußerst interessiert waren. (Zugleich ist es kein Wunder, dass die europäischen Forscher, die ich interviewte, bei ihren Versuchspersonen nicht annähernd so viele Beispiele für mystische Erfahrung sahen wie die Amerikaner bei ihren.) Doch trotz all der Einstimmung bleibt die Tatsache, dass die Leute, die ein Placebo erhielten, keine solchen Erfahrungen hatten, wie sie mir ein Proband nach dem anderen als die wichtigste und bedeutendste seines Lebens schilderte.

Kurz nachdem die Versuchsperson ihre Pille aus dem kleinen Kelch nimmt, noch bevor sie irgendeine Wirkung verspürt, kommt gewöhnlich Roland Griffiths in den Sitzungsraum, um ihr eine gute Reise zu wünschen. Griffiths benutzt oft eine spezielle Metapher, die viele der Probanden, mit denen ich sprach, tief beeindruckt hat. «Sehen Sie sich als einen Astronauten, der ins Weltall geschossen wurde», erinnert sich Richard Boothby an seine Worte. Boothby ist Philosophieprofessor und war Anfang fünfzig, als er sich für das Experiment an der Hopkins University meldete. «Sie fliegen weit hinaus, um all das zu sehen und mit dem, worauf Sie stoßen, in Beziehung zu treten. Aber Sie können sich sicher sein, dass wir hier sind und alles im Auge behalten. Betrachten Sie uns als Bodenkontrolle. Wir haben alles im Griff.»

Für den Astronauten kann der Abschuss ins All, das Beben beim Start und die Anstrengung beim Verlassen des irdischen Gravitationsfelds schmerzlich – ja sogar beängstigend – sein. Mehrere Probanden schildern, wie sie versuchten, sich festzuklammern, als sie spürten, wie sich ihr Selbstempfinden rapide auflöste. Brian Turner, ein damals vierundvierzigjähriger Physiker, der für eine Militärfirma arbeitete (und Geheimnisträger war), formulierte es folgendermaßen:

Ich spürte, wie sich mein Körper von den Füßen her auflöste, bis alles verschwunden war außer der linken Seite meines Kinns. Das war wirklich unangenehm; es waren nur noch ein paar Zähne übrig und der untere Teil meines Kinns.

Ich wusste, wenn das verschwände, wäre ich nicht mehr da. Plötzlich fiel mir ein, dass man mir gesagt hatte, wenn ich etwas Furcht Einflößendem begegnen würde, sollte ich darauf zugehen. Also überwand ich die Angst vorm Sterben und wurde neugierig auf das, was ablief. Ich versuchte nicht mehr, dem Sterben zu entgehen. Statt vor der Erfahrung zurückzuschrecken, begann ich sie zu befragen. Und damit löste sich die ganze Situation in ein angenehmes Gefühl des Schwebens auf, und ich verwandelte mich eine Zeit lang in die Musik.

Bald darauf befand er sich «in einer großen Höhle, in der all meine früheren Beziehungen als Eiszapfen herabhingen; der Junge, der im zweiten Schuljahr neben mir saß, Highschool-Freunde, meine erste Freundin, alle waren da, von Eis umhüllt. Das war toll. Ich dachte der Reihe nach an jeden von ihnen, erinnerte mich an jede Einzelheit unserer Beziehung. Es war ein Rückblick – auf den Verlauf meines Lebens. All diese Leute hatten mich zu dem gemacht, was ich war.»

Amy Charnay, eine Ernährungswissenschaftlerin und Kräuterkundlerin in den Dreißigern, kam nach einer Krise zur Hopkins University. Sie war eine passionierte Läuferin und hatte Forstökologie studiert, als sie von einem Baum stürzte und sich den Knöchel brach, was sowohl ihre Lauf- als auch ihre Forstwirtschaftskarriere beendete. In den ersten Augenblicken ihrer Reise wurde Amy von Wogen aus Schuldgefühlen und Angst überwältigt.

«Das Bild, das ich sah, war aus dem 19. Jahrhundert, und ich befand mich auf einem Podium. Zwei Leute, die neben mir standen, legten eine Schlinge um meinen Hals, während eine Menschenmenge zuschaute und lauthals meinen Tod forderte. Ich war voller Schuldgefühle, hatte einfach Angst. Ich war in einem Höllenreich. Und ich erinnere mich, dass Bill fragte: ‹Was ist los?›

‹Ich habe große Schuldgefühle.› Bill erwiderte: ‹Das ist eine sehr häufige menschliche Erfahrung›, und damit löste sich das ganze Bild vom Gehängtwerden in Pixel auf, verschwand einfach und wurde von diesem gigantischen Gefühl von Freiheit und Verbundenheit abgelöst. Das war unglaublich. Ich sah, wenn ich ein Gefühl benennen und zulassen, es jemandem gestehen kann, dann lässt es mich los. Jetzt, wo ich etwas älter und klüger bin, schaffe ich das selbst.»

Etwas später saß Charnay auf dem Rücken eines Vogels und flog um die Welt und durch die Zeit. «Mir war klar, dass mein Körper auf dem Sofa lag, aber ich verließ ihn und erlebte all das hautnah. Ich befand mich in einem Trommelkreis bei irgendeinem Eingeborenenstamm, und ich wurde geheilt, war aber auch die Heilerin. Das war eine sehr tiefgründige Erfahrung. Da ich nicht die traditionelle Herkunft [einer Heilerin] habe, kam ich mir immer wie eine Hochstaplerin vor, die Pflanzenheilkunde betreibt, aber plötzlich erkannte ich, dass ich verbunden war mit den Pflanzen und mit den Menschen, die Pflanzen verwenden, sei es für Rituale, Psychedelika oder Salat!»

Bei einer späteren Sitzung nahm Charnay wieder Verbindung zu einem Jugendfreund auf, der mit neunzehn bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. «Plötzlich lebte ein Stück von Phil in meiner linken Schulter. So was hab ich noch nie erlebt, aber es war ganz real. Ich weiß nicht, warum er gelb ist und in meiner linken Schulter lebt – was bedeutet das überhaupt? –, aber es ist mir egal. Er ist wieder bei mir.» Solche Wiederverbindungen mit Toten sind nicht ungewöhnlich. Richard Boothby, dessen dreiundzwanzigjähriger Sohn ein Jahr vorher nach langer Drogensucht Selbstmord begangen hatte, sagte mir: «Oliver war mir auf einmal näher als je zuvor.»

Wie ungeheuer wichtig es ist, sich der Erfahrung zu überlassen, egal wie beängstigend oder bizarr sie auch sein mag, wird in den Vorbereitungssitzungen stets betont und spielt bei den Reisen vieler Leute und noch darüber hinaus eine große Rolle. Richard Boothby, der Philosoph, nahm sich den Rat zu Herzen und stellte fest, dass er den Gedanken als eine Art Werkzeug benutzen konnte, um die Erfahrung in Echtzeit zu gestalten. Er schrieb:

Ich merkte schon früh, dass die Wirkung der Droge erstaunlich auf meine eigene subjektive Bestimmung reagiert. Wenn ich mich, als Reaktion auf die steigende Intensität der ganzen Erfahrung, vor Angst verkrampfe, scheint sich die ganze Szene irgendwie zusammenzuziehen. Aber wenn ich mich dann bewusst zu entspannen versuche, mich auf die Erfahrung einlasse, ist die Wirkung dramatisch. Der bereits riesige Raum, in dem ich mich offenbar befinde, klafft plötzlich noch weiter auf, und die Formen, die vor meinen Augen wallen, scheinen in neuen, noch ausgefalleneren Mustern zu explodieren. Immer wieder hatte ich das überwältigende Gefühl von Unendlichkeit, die von einer weiteren Unendlichkeit vervielfacht wurde. Als meine Frau mich nach Hause fuhr, witzelte ich, ich hätte das Gefühl gehabt, mehrfach ins Arschloch Gottes gesogen worden zu sein.

Boothby hatte anscheinend eine ganz klassische mystische Erfahrung, doch er könnte der Erste in der langen Reihe westlicher Mystiker sein, der durch diese spezielle Öffnung in das göttliche Reich gelangte.

In den Tiefen dieses Deliriums hatte ich das Gefühl, dass ich entweder im Sterben lag oder, höchst bizarr, bereits tot war. Alle Punkte der sicheren Anbindung an einen verlässlichen Realitätssinn waren verschwunden. Warum nicht glauben, dass ich tot bin? Und wenn das Sterben ist, dachte ich, dann soll es so sein. Wie kann ich dazu Nein sagen?

In diesem Moment, in der größten Erfahrungstiefe, spürte ich, wie all meine elementaren Gegensatzkategorien – Träumen und Wachsein, Leben und Tod, innen und außen, ich und das andere – in sich zusammenstürzten … Die Wirklichkeit schien zusammenzuklappen, in einer Art ekstatischen Katastrophe der Logik zu implodieren. Doch mitten in diesem halluzinatorischen Wirbelsturm hatte ich eine bizarre Erfahrung von außerordentlicher Erhabenheit.

Und ich weiß noch, wie ich mir immer wieder sagte: ‹Nichts ist wichtig, nichts ist mehr wichtig. Ich sehe, worauf es ankommt!

Gar nichts ist wichtig.›

Und dann war es vorbei.

In den letzten Stunden hat sich die Wirklichkeit dann langsam, mühelos wieder zusammengefügt. Synchron mit einer tief beeindruckenden Chormusik hatte ich das unglaublich ergreifende Gefühl triumphalen Erwachens, als würde nach einer langen, qualvollen Nacht ein neuer Tag anbrechen.

Zur selben Zeit, als ich Richard Boothby und die anderen Probanden interviewte, las ich in der Hoffnung, Orientierung zu finden, William James‘ Beschreibung mystischen Bewusstseins in Die Vielfalt religiöser Erfahrung. Und tatsächlich half mir vieles von dem, was James zu sagen hatte, mich in der Flut von Wörtern und Bildern, die ich sammelte, zurechtzufinden. James leitete seine Erörterung mystischer Bewusstseinszustände mit dem Geständnis ein: «Meine eigene Konstitution schließt mich von ihrem Genuss fast vollständig aus.»30 Fast vollständig: Was James über mystische Zustände wusste, hatte er nicht nur aus seiner Lektüre zusammengetragen, sondern auch anhand eigener Experimente mit Drogen, darunter auch Lachgas.

Statt zu versuchen, etwas so schwer Fassbares wie eine mystische Erfahrung zu definieren, nennt James vier «Merkmale», an denen wir sie erkennen können. Das erste und seiner Meinung nach «handfesteste» ist Unaussprechbarkeit: «Der Betroffene erklärt sofort, daß ihm der Ausdruck fehlt, daß er über den Inhalt seiner Erfahrung verbal nicht angemessen berichten kann.»31 Mit Ausnahme von Boothby verzweifelten alle Versuchspersonen, mit denen ich sprach, irgendwann daran, die ganze Wucht ihrer Erfahrungen zu vermitteln, obwohl sie es bereitwillig versuchten. «Man muss dabei gewesen sein», hieß es immer wieder.

Die noetische Qualität ist James‘ zweites Merkmal: «Mystische Zustände [sind] für die, die sie erfahren, anscheinend auch Erkenntniszustände … Es handelt sich um Erleuchtungen, Offenbarungen, die bedeutungsvoll und wichtig erscheinen … und in der Regel haben sie einen merkwürdigen Nachgeschmack von besonderer Autorität.»32

Für alle Probanden, die ich interviewt habe, brachte die Erfahrung mehr Antworten als Fragen hervor, und seltsamerweise – denn es ist und bleibt eine Drogenerfahrung – hatten diese Antworten etwas erstaunlich Handfestes und Dauerhaftes. John Hayes, ein Psychotherapeut in den Fünfzigern, der eine der ersten Versuchspersonen an der Hopkins University war,

hatte den Eindruck, als würden Geheimnisse offenbart, und doch kam mir alles vertraut vor, eher so, als würde ich an etwas erinnert, das ich schon wusste. Ich hatte das Gefühl, in Dimensionen der Existenz eingeweiht zu werden, von denen die meisten Menschen nichts wissen, und das ausgeprägte Gefühl, dass der Tod eine Illusion ist, in dem Sinne, dass er eine Tür ist, durch die wir eine andere Ebene der Existenz betreten, dass wir einer Ewigkeit entstammen, in die wir zurückkehren werden.

Das stimmt wohl, aber für jemanden, der eine mystische Erfahrung hat, nimmt so eine Erkenntnis die Wucht einer Offenbarung an.

Viele der charakteristischen Erkenntnisse, die man während einer psychedelischen Reise gewinnt, schweben zwischen Tiefgründigkeit und völliger Banalität. Boothby, ein Intellektueller mit einem hoch entwickelten Sinn für Ironie, rang damit, die tiefen Wahrheiten über das Wesen unserer Menschlichkeit, das ihm bei seinen Psilocybin-Reisen offenbart wurde, in Worte zu fassen.

Manchmal waren mir diese Wahrheiten fast peinlich, als würden sie eine kosmische Vision des Triumphs der Liebe zum Ausdruck bringen, die man spöttisch mit den Plattitüden von Glückwunschkarten verbindet. Dennoch finde ich die grundlegenden Erkenntnisse, die mir während der Sitzung gewährt wurden, noch größtenteils überzeugend.

Wie lautet die überzeugende Erkenntnis des Philosophieprofessors?

Die Liebe überwindet alles.

James geht kurz auf die Banalität dieser mystischen Erkenntnisse ein: «das Gefühl […], das einen gelegentlich überkommt, wenn man die Bedeutung einer Maxime oder einer Formel plötzlich tief empfindet. ‹Ich habe das mein Leben lang gehört›, stellen wir fest, ‹aber erst jetzt verstehe ich, was damit eigentlich gemeint war.›»33 Die mystische Reise scheint eine Weiterbildung im Offensichtlichen zu sein. Doch nach der Erfahrung verstehen die Leute diese Plattitüden auf eine neue Art; was man vorher nur wusste, spürt man jetzt, und es bekommt das Gewicht einer tief verwurzelten Überzeugung. Und meistens handelt diese Überzeugung von der großen Bedeutung der Liebe.

Karin Sokel, eine Lebensberaterin und energetische Heilerin in den Vierzigern, schilderte eine Erfahrung, «die alles veränderte und mich völlig öffnete». Auf dem Höhepunkt ihrer Reise hatte sie eine Begegnung mit einem Gott, der sich «Ich Bin» nannte. In seiner Gegenwart, erinnert sie sich, «explodierte jedes einzelne meiner Chakren. Und da war so ein Licht, es war das reine Licht der Liebe und Göttlichkeit, es war bei mir, und es bedurfte keiner Worte. Ich war in der Gegenwart dieser absoluten reinen göttlichen Liebe, und in einer Energieexplosion verschmolz ich damit … Schon wenn ich davon spreche, laden sich meine Finger elektrisch auf. Die Energie durchdrang mich. Ich weiß jetzt, dass der Kern unseres Seins die Liebe ist. Auf dem Höhepunkt der Erfahrung hielt ich buchstäblich Osama bin Ladens Gesicht, blickte ihm in die Augen, spürte reine Liebe von ihm und schenkte ihm reine Liebe. Der Kern ist nicht das Böse, sondern die Liebe. Dieselbe Erfahrung hatte ich mit Hitler und dann jemandem aus Nordkorea. Deshalb glaube ich, dass wir göttlich sind. Das ist nicht verstandesmäßig, das ist inneres Wissen.»

Ich fragte Sokel, was sie so sicher mache, dass es kein Traum oder eine drogenbedingte Fantasie war – eine Hypothese, die ihrem noetischen Empfinden nicht gewachsen war: «Das war kein Traum. Das war so real wie unser Gespräch. Ohne die direkte Erfahrung hätte auch ich es nicht verstanden. Aber jetzt ist es fest in meinem Gehirn verdrahtet, sodass ich mich damit verbinden kann und es oft tue.»

Diesen letzten Punkt berührt James in seiner Erörterung des dritten Merkmals mystischen Bewusstseins, der «Flüchtigkeit». Denn auch wenn der mystische Zustand nicht lange aufrechterhalten werden kann, bleiben seine Spuren bestehen und treten wieder auf, «und mit jedem Wiederauftreten kann das Gefühl einer kontinuierlichen Entwicklung an innerem Reichtum und Bedeutung verbunden sein».34

Das vierte und letzte Merkmal in James‘ Typologie ist die wesentliche «Passivität» der mystischen Erfahrung. «Der Mystiker [hat] das Gefühl, sein eigener Wille sei außer Kraft gesetzt, und fühlt sich manchmal sogar von einer höheren Macht ergriffen und gehalten.»35 Der Eindruck, sich zeitweilig einer höheren Macht überlassen zu haben, gibt der Person oft das Gefühl, als hätte er oder sie sich dauerhaft verändert.

Bei den meisten Versuchspersonen, die ich interviewte, lagen die Psilocybin-Reisen zehn, fünfzehn Jahre zurück, und dennoch spürten sie die Wirkung noch deutlich, in manchen Fällen sogar tagtäglich. «Psilocybin hat mein Mitgefühl und meine Dankbarkeit auf eine Art geweckt, wie ich es noch nie erlebt habe», sagte eine Psychologin, die nicht namentlich genannt werden will, als ich sie nach nachhaltigen Auswirkungen fragte. «Vertrauen, Loslassen, Offenheit und Sein waren für mich die wichtigsten Kriterien der Erfahrung. Jetzt weiß ich all das, statt nur daran zu glauben.» Sie hatte Bill Richards‘ Fluganweisungen in ein Handbuch des Lebens verwandelt.

Richard Boothby machte es ähnlich und erhob seine Erkenntnis übers Loslassen zur Ethik:

Bei meiner Sitzung wurde die Kunst der Entspannung selbst zur Grundlage einer gewaltigen Offenbarung, da ich plötzlich das Gefühl hatte, dass etwas im Geiste dieser Entspannung, etwas im Erreichen einer perfekten, arglosen und liebevollen Offenheit des Geistes, der Kern und Zweck des Lebens ist. Unsere Aufgabe im Leben besteht genau darin, Ängste und Erwartungen loszulassen, dem Versuch, sich dem Eindruck der Gegenwart völlig hinzugeben.

Bei John Hayes, dem Psychotherapeuten, wurde «der Sinn fürs Konkrete destabilisiert» und durch die Überzeugung ersetzt, «dass eine Realität außerhalb der Realität gewöhnlicher Wahrnehmungen existiert. Sie setzte meine Kosmologie davon in Kenntnis – dass es eine Welt jenseits von dieser gibt.» Hayes empfiehlt die Erfahrung besonders Leuten mittleren Alters, denen, wie C. G. Jung meinte, die Erfahrung des Numinosen helfen kann, die zweite Hälfte ihres Lebens zu bewältigen. Hayes fügte hinzu: »Jungen Leuten würde ich es nicht empfehlen.»

Charnays Reise an der Hopkins University festigte ihre Verbundenheit zur Kräuterheilkunde (inzwischen arbeitet sie für einen Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln in Nordkalifornien); die Erfahrung bestärkte sie auch in ihrem Entschluss, sich von ihrem Mann zu trennen. «Alles war plötzlich ganz klar für mich. Ich kam aus der Sitzung, und mein Mann holte mich zu spät ab. Da begriff ich, dass das unser Thema ist. Wir sind einfach zu verschieden. Ich hatte gerade ein einschneidendes Erlebnis gehabt und wollte, dass er pünktlich ist.» Sie teilte es ihm auf der Heimfahrt im Wagen mit und hat es nie bereut.

Wenn man diesen Leuten dabei zuhört, wie sie die Veränderungen schildern, die durch die Psilocybin-Reisen in ihrem Leben ausgelöst wurden, fragt man sich, ob der Sitzungsraum an der Hopkins University nicht so etwas wie eine «Fabrik zur Veränderung des Menschen» ist. So jedenfalls beschrieb ihn mir Mary Cosimano, die Anleiterin, die dort vermutlich mehr Zeit verbracht hat als jeder andere. «Von jetzt an», sagte einer der Probanden, «unterteilt sich mein Leben in vor und nach Psilocybin.» Schon bald nach seiner Psilocybin-Erfahrung kündigte der Physiker Brian Turner bei der Militärfirma und zog nach Colorado, um Zen zu lernen. Er hatte schon vor der Psilocybin-Reise meditiert, doch «jetzt war ich motiviert, weil ich vom Zweck des Ganzen gekostet hatte». Er war bereit, sich jetzt, da er eine Vorschau auf die neuen Bewusstseinszustände erhalten hatte, die es ihm verschaffen konnte, der harten Arbeit des Zen zu unterziehen.

Turner ist inzwischen ordinierter Zen-Mönch, arbeitet jedoch noch als Physiker für eine Firma, die Helium-Neon-Laser herstellt. Ich fragte ihn, ob er zwischen der Wissenschaft und seiner spirituellen Praxis eine Spannung verspüre. «Ich sehe da keinen Widerspruch. Doch die Ereignisse an der Hopkins University haben meine Physik beeinflusst. Ich habe begriffen, dass es ein paar Bereiche gibt, die die Wissenschaft nicht durchdringen wird. Die Wissenschaft bringt uns bis zum Urknall, aber nicht darüber hinaus. Um dort hineinzusehen, braucht man ein anderes Instrumentarium.»

Diese Einzelberichte persönlicher Veränderung wurden in einer Folgestudie der Hopkins University mit den ersten Gruppen gesunder Normaler nachdrücklich bestätigt. Katherine MacLean, eine Psychologin im Hopkins-Team, saß über den Befragungsdaten von zweiundfünfzig Teilnehmern, darunter auch Folgegespräche mit Freunden und Familienmitgliedern, die man dafür ausersehen hatte, und stellte fest, dass die Psilocybin-Erfahrung in vielen Fällen zu dauerhaften Persönlichkeitsveränderungen geführt hatte.36 Speziell die Versuchspersonen, die «vollkommene mystische Erfahrungen» hatten (wie anhand ihrer Punktzahl im Mystical Experience Questionnaire von Pahnke-Richards ermittelt), verzeichneten zusätzlich zu einer dauerhaften Verbesserung des Wohlbefindens eine langfristige Steigerung im Persönlichkeitsmerkmal «Offenheit für Erfahrungen». Als eines der fünf Merkmale, die Psychologen zur Beurteilung von Persönlichkeit verwenden (die anderen vier sind Gewissenhaftigkeit, Extraversion, Verträglichkeit und Neurotizismus), umfasst Offenheit ästhetisches Verständnis und Empfindsamkeit, Fantasie und Vorstellungskraft und Toleranz gegenüber den Ansichten und Werten anderer; sie sagt auch etwas über die Kreativität in Kunst und Wissenschaft aus sowie vermutlich über die Bereitschaft, sich auf Vorstellungen und Konzepte einzulassen, die zu denen der gängigen Wissenschaft im Widerspruch stehen. Solche ausgeprägten und dauerhaften Persönlichkeitsveränderungen sind bei Erwachsenen selten.

Doch waren all diese Veränderungen in Richtung größere Offenheit nicht auf die Probanden der Experimente beschränkt; auch die Betreuer geben an, die Begleitung der Reisen habe sie, manchmal auf erstaunliche Weise, verändert. Katherine MacLean, die während ihrer Zeit an der Hopkins University Dutzende von Sitzungen anleitete, erzählte mir: «Ich war anfangs Atheistin, aber bei meiner täglichen Arbeit habe ich Dinge erlebt, die zu meiner Überzeugung im Widerspruch standen. Während ich die Psilocybin-Reisenden betreute, wurde meine Welt immer rätselhafter.»

Bei meinem letzten Interview mit Richard Boothby, am Ende eines gemütlichen Sonntagsbrunchs im Museum für moderne Kunst in Baltimore, sah er mich mit einem Gesichtsausdruck an, in dem sich eine geradezu missionarische Inbrunst angesichts der «Schätze», die er an der Hopkins University erblickt hatte, mit einem gewissen Mitleid für seinen noch immer halluzinatorisch-naiven Gesprächspartner mischte.

«Ich werfe Ihnen nicht vor, dass Sie neidisch sind.»

Meine Treffen mit den Hopkins-Probanden hatten mich tatsächlich etwas neidisch gemacht, aber auch wesentlich mehr Fragen als Antworten hinterlassen. Wie sollen wir die «Erkenntnisse» beurteilen, die diese Leute von ihren psychedelischen Reisen mitbringen? Wie viel Bedeutung sollten wir ihnen beimessen? Woher kommt bloß das Material, aus dem diese Wachträume oder, wie eine Versuchsperson es formulierte, diese «intrapsychischen Filme» bestehen? Aus dem Unbewussten? Aus den Hinweisen ihrer Anleiter und der Umgebung des Experiments? Oder, wie viele der Teilnehmer glauben, von irgendwo «da draußen» oder «noch weiter weg»? Was bedeuten diese mystischen Bewusstseinszustände letztlich für unser Verständnis des menschlichen Geistes oder des Universums?

Was Roland Griffiths betrifft, so haben seine eigenen Treffen mit den Probanden der Studie von 2006 nicht nur seine Leidenschaft für die Wissenschaft wieder entfacht, sondern ihm auch einen größeren Respekt für alles eingeflößt, was die Wissenschaft nicht weiß – das er bereitwillig «die Mysterien» nennt.

«Für mich waren die Daten [von den ersten Sitzungen] … ich will nicht das Wort ‹atemberaubend› verwenden, aber das, was wir dort erlebten, war geradezu beispiellos, was die tiefe Bedeutung und den dauerhaften spirituellen Stellenwert der Auswirkungen anbelangt. Ich habe schon vielen Leuten viele Drogen verabreicht, und was dabei herauskommt, sind Drogenerfahrungen. Das Einzigartige an den Psychedelika ist die Bedeutung, die aus der Erfahrung hervorgeht.»

Aber wie real ist diese Bedeutung? Griffiths selbst ist Agnostiker – allerdings erstaunlich aufgeschlossen, auch in Hinsicht auf die Erfahrungsberichte der Probanden von einem «Jenseits», wie auch immer sie es definieren. «Ich bin bereit, an die Möglichkeit zu glauben, dass diese Erfahrungen stimmen können», sagte er. «Das Aufregende an der Sache ist, dieses Mysterium mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu erforschen und auseinanderzunehmen.»

Nicht jeder seiner Kollegen ist so aufgeschlossen. Als wir bei einem unserer Treffen auf der Glasveranda seines bescheidenen Ranchhauses in einem Vorort Baltimores frühstückten, erwähnte Griffiths einen Kollegen an der Hopkins University, einen bekannten Psychiater namens Paul McHugh, der psychedelische Erfahrung als eine Form von «toxischem Delirium» abqualifiziert. Er ermunterte mich, McHugh zu googeln.

«Ärzte begegnen diesem seltsamen, farbintensiven Geisteszustand bei Patienten, die an fortgeschrittener Leber-, Nieren- oder Lungenerkrankung leiden, wobei sich Giftstoffe im Körper sammeln und auf Gehirn und Geist genauso wirken wie LSD», hatte McHugh in der Besprechung eines Buches über das Harvard Psilocybin Project in Commentary geschrieben.37 «Die lebhafte Farbwahrnehmung, das Verschmelzen körperlicher Empfindungen, die Halluzinationen, die Orientierungslosigkeit und der Verlust des Zeitgefühls, die ständigen wahnhaften Freuden und Ängste, die unvorhersehbare Gefühle und Verhaltensweisen erzeugen – sind traurigerweise vertraute Symptome, die Ärzte tagtäglich in Krankenhäusern behandeln müssen.»

Griffiths gibt zu, es sei möglich, dass es sich bei dem, was er zu sehen bekommt, um eine Form zeitweiliger Psychose handelt, und plant, in einem bevorstehenden Experiment auf Delirium zu testen, doch er bezweifelt stark, dass diese Diagnose eine präzise Beschreibung für die Erfahrung seiner Probanden ist. «Patienten, die an einem Delirium leiden, finden das sehr unangenehm», erklärt er, «und sagen Monate später mit Sicherheit nicht: ‹Wow, das war eine der tollsten und bedeutendsten Erfahrungen meines Lebens.›»

William James setzte sich mit diesen Fragen der Glaubwürdigkeit in seiner Erörterung mystischer Bewusstseinszustände auseinander. Er kam zu dem Schluss, dass die Bedeutung dieser Erfahrungen «bei den Individuen, denen sie zuteilwerden, meist höchste Autorität» genieße und das auch so sein solle, doch für uns andere gebe es keinen Grund, «ihre Offenbarungen unkritisch anzunehmen».38 Und dennoch glaubte er, allein die Möglichkeit, dass jemand diese Bewusstseinszustände erleben kann, müsse sich auf unser Verständnis von Geist und Welt auswirken: «Das Vorhandensein mystischer Zustände räumt mit dem Anspruch nichtmystischer Zustände auf, sie allein seien die einzige und letzte Wahrheitsinstanz.»39 Diese alternativen Bewusstseinsformen «könnten unumgängliche Stufen auf unserem Weg der Annäherung zu den letzten Wahrheiten sein».40 Er erkannte in derartigen Erfahrungen, in denen «der aufsteigende Geist neue Gesichtspunkte erschließt»,41 Hinweise auf eine große metaphysische «Versöhnung»: «Es ist, als würden die Gegensätze der Welt, die Widersprüchlichkeiten und Konflikte, die die Ursache unserer ganzen Schwierigkeiten und Sorgen sind, zu einer Einheit verschmelzen.»42 Diese endgültige Einheit sei vermutlich keine Illusion.

Heute klingt Roland Griffiths wie ein Wissenschaftler, der sich hingebungsvoll seiner Forschung widmet – oder vielmehr wieder zu ihr zurückgefunden hat. «Ich habe Ihnen ja geschildert, dass ich mich von meiner Arbeit abgekoppelt fühlte, als ich zu meditieren begann, und überlegte, sie ganz aufzugeben. Ich würde sagen, ich verfolge jetzt einen ganzheitlicheren Ansatz als je zuvor. Ich bin jetzt mehr an den großen Fragen, den existenziellen Wahrheiten und dem Wohlbefinden interessiert, dem Mitgefühl und der Liebe, die aus diesen Praktiken entspringt. All das bringe ich ins Labor mit. Und es fühlt sich großartig an.»

Der Gedanke, dass wir uns mystischen Bewusstseinszuständen jetzt mit den Mitteln der Wissenschaft nähern können, beflügelt Roland Griffiths tagtäglich. «Wenn man als wissenschaftliches Phänomen einen Zustand erzeugen kann, bei dem siebzig Prozent der Leute sagen, sie hätten eine der bedeutendsten Erfahrungen ihres Lebens gehabt … das ist für einen Wissenschaftler einfach unglaublich.» Für ihn liegt die Bedeutung des Ergebnisses von 2006 in dem Beweis, «dass wir jetzt prospektive Studien [von mystischen Bewusstseinszuständen] durchführen können, weil wir diese mit hoher Wahrscheinlichkeit hervorrufen können. Damit bekommt die Wissenschaft richtig Aufwind.» Er glaubt, dass die Arbeit mit Psilocybin der wissenschaftlichen Forschung einen ganz neuen Bereich des menschlichen Bewusstseins erschlossen hat. «Ich betrachte mich als ein Kind in einem Süßwarenladen.»

Das Risiko, das Roland Griffiths 1998 bei seiner Karriere einging, als er beschloss, sich der Erforschung von Psychedelika und mystischer Erfahrung zu widmen, hat sich bereits ausgezahlt. Einen Monat vor unserem Frühstück hat Griffiths den Eddy Award vom College on Problems of Drug Dependence erhalten, den vielleicht renommiertesten Lebenswerk-Preis auf diesem Gebiet. Sämtliche Ernennenden führten Griffiths‘ psychedelische Arbeit als einen seiner bedeutendsten Beiträge auf. Das Feld dieser Arbeit hat sich seit der Publikation von 2006 erheblich ausgeweitet; bei meinem letzten Besuch an der Hopkins University im Jahr 2015 arbeiteten im Labor mehr als zwanzig Leute an verschiedenen Studien zu psychedelischen Themen. Seit Spring Grove gab es keine so starke institutionelle Unterstützung für die Erforschung von Psychedelika, und noch nie hat eine Einrichtung vom Ruf der Hopkins University so viele Mittel für die Untersuchung mystischer Bewusstseinszustände eingesetzt.

Das Hopkins-Labor zeigt weiterhin starkes Interesse an der Erforschung von Spiritualität und der «Besserung Gesunder» – so laufen Versuche, bei denen langzeitigen Meditierern und theologischen Fachkräften Psilocybin verabreicht wird –, doch die verändernde Wirkung mystischer Erfahrung hat offenbar auch eine therapeutische Bedeutung, die das Labor untersucht hat. Abgeschlossene Studien legen nahe, dass Psilocybin – oder vielmehr der mystische Bewusstseinszustand, den Psilocybin erzeugt – bei der Behandlung von Suchtkrankheiten (eine Pilotstudie zur Raucherentwöhnung erreichte eine beispiellose Erfolgsquote von achtzig Prozent43) oder der existenziellen Not, die häufig an den Kräften von Menschen mit Todesdiagnose zehrt, nützlich sein kann. Bei unserem letzten Treffen war Griffiths kurz davor, einen Artikel vorzulegen, der von beeindruckenden Ergebnissen bei dem Versuch berichtete, Psilocybin zur Behandlung der Ängste und Depressionen von Krebspatienten einzusetzen; die Studie stellte einen der größten Erfolge fest, den eine psychiatrische Behandlung je aufwies. Die meisten Probanden, die eine mystische Erfahrung hatten, berichteten, dass ihre Angst vor dem Tod stark abgenommen habe oder gänzlich verschwunden sei.

Wieder erheben sich schwierige Fragen zu Bedeutung und Gewicht solcher Erfahrungen, insbesondere derjenigen, welche die Leute davon zu überzeugen scheinen, dass Bewusstsein nicht auf das Gehirn beschränkt ist und unseren Tod irgendwie überleben könnte. Aber auch derartigen Fragen begegnet Griffiths offen und neugierig. «Die Phänomenologie dieser Erfahrungen ist so zutiefst umgestaltend und zutiefst überzeugend, dass ich bereit bin, hier an ein Mysterium zu glauben, das wir nicht verstehen können.»

Griffiths hat von dem strengen Behaviorismus, der einmal seine wissenschaftliche Weltsicht prägte, einen langen Weg zurückgelegt; die Erfahrung anderer Bewusstseinszustände, bei ihm selbst und bei seinen Probanden, hat ihn für Möglichkeiten geöffnet, über die nur wenige Wissenschaftler offen zu sprechen wagen.

«Was passiert also, wenn man stirbt? Ich brauche bloß ein Prozent [Ungewissheit]. Ich wüsste nichts, was interessanter ist als die Frage, was ich beim Sterben womöglich entdecken kann. Das ist das Allerinteressanteste.» Aus diesem Grund hofft er inbrünstig, dass er nicht von einem Bus überfahren wird, sondern genug Zeit hat, die Erfahrung ohne die Ablenkung von Schmerzen «auszukosten». «Der westliche Materialismus sagt, der Hebel wird umgelegt, und das war‘s. Aber es gibt so viele andere Schilderungen. Es könnte ein Anfang sein! Wäre das nicht toll?»

An diesem Punkt drehte Griffiths den Spieß um und fragte mich nach meiner eigenen spirituellen Perspektive, worauf ich völlig unvorbereitet war.

«Wie sicher sind Sie, dass nach dem Tod nichts kommt?», fragte er. Ich zögerte, aber er ließ nicht locker. «Für wie hoch halten Sie die Wahrscheinlichkeit, dass jenseits des Todes noch etwas ist? In Prozent.»

«Oh, ich weiß nicht», stammelte ich. «Zwei oder drei Prozent?» Bis heute habe ich keine Ahnung, wo ich diese Schätzung hernahm, doch Griffiths ging darauf ein. «Das ist viel!» Also drehte ich den Spieß wieder um und stellte ihm dieselbe Frage.

«Ich weiß nicht, ob ich das beantworten will», sagte er lachend und warf einen Blick auf mein Aufnahmegerät. «Hängt davon ab, in welcher Funktion ich‘s tue.»

Roland Griffiths hatte mehr als eine Sichtweise! Ich stellte fest, dass ich nur eine hatte, und das machte mich etwas neidisch.

Im Vergleich zu vielen Wissenschaftlern – oder auch spirituellen Menschen – besitzt Roland Griffiths ein großes Maß dessen, was Keats im Hinblick auf Shakespeare als «negative Fähigkeit» bezeichnete, die Fähigkeit, inmitten von Ungewissheiten, Rätseln und Zweifeln zu leben, ohne nach Absolutismen zu greifen, seien es wissenschaftliche oder spirituelle. «Es ergibt keinen größeren Sinn zu sagen, ich bin hundertprozentig von einer materiellen Weltsicht überzeugt, als das Gleiche von einer wörtlichen Fassung der Bibel zu behaupten.»

Bei unserem letzten Treffen, einem Abendessen in einem Bistro in seinem Viertel, versuchte ich Griffiths in ein Gespräch über den scheinbaren Gegensatz zwischen Wissenschaft und Spiritualität zu verwickeln. Ich fragte ihn, ob er mit E. O. Wilson übereinstimme, der geschrieben hat, dass wir uns letztendlich alle entscheiden müssen: für den Pfad der Wissenschaft oder den Pfad der Spiritualität. Doch Griffiths glaubt nicht, dass sich die beiden Erkenntniswege gegenseitig ausschließen, und hat keine große Geduld mit den Absolutisten auf beiden Seiten der vermeintlichen Trennlinie. Er hegt eher die Hoffnung, dass sich die beiden Wege gegenseitig anregen, ihre Fehler korrigieren und uns in diesem Austausch helfen, die großen Fragen, vor denen wir stehen, zu stellen und dann vielleicht zu beantworten. Ich las ihm einen Brief des Religionswissenschaftlers Huston Smith vor, der 1962 an Walter Pahnkes Karfreitagsexperiment teilgenommen hatte. Er hatte ihn kurz nach der Publikation von Griffiths‘ wegweisender Schrift von 2006 an Bob Jesse geschrieben; Jesse hatte ihn mir anvertraut.

Das Johns-Hopkins-Experiment zeigt – beweist –, dass Psilocybin unter den kontrollierten Bedingungen eines Experiments echte mystische Erfahrungen auslösen kann. Es nutzt die Wissenschaft, der die Moderne vertraut, um den Säkularismus der Moderne zu untergraben. Damit schürt es die Hoffnung auf nichts Geringeres als eine Resakralisierung von Natur und Gesellschaft, auf ein spirituelles Wiedererwachen, das unsere beste Verteidigung nicht nur gegen Seelenlosigkeit, sondern auch gegen religiösen Fanatismus ist. Und das angesichts der unwissenschaftlichen Vorurteile in unseren gegenwärtigen Drogengesetzen.

Während ich Smiths Brief laut vorlas, erblühte ein Lächeln in Griffiths‘ Gesicht; er war sichtlich gerührt, konnte aber bloß sagen: «Das ist schön.»

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