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Kapitel 2 Das „Ohr“ über dem Nebel

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D.S. Nanjing, APS-Kreuzer, Beuteschiff der Negaruyen

Kommandantin Hena-Gedar war froh, dem Nebel endlich zu entkommen. Seit über einer Stunde hangelte sie sich an der Führungsleine entlang, die nun den Weg zwischen dem Schiff der Negaruyen und dem eroberten Kreuzer der Menschenwesen markierte. In die Leine war ein Kabel eingearbeitet, welches die direkte Verständigung zwischen beiden Schiffen ermöglichte.

So sehr der Nebel auch zur Eroberung der Beute beigetragen hatte, so blieb er Hena-Gedar doch unheimlich.

Sie spürte die Leine an ihrer Hand und konzentrierte sich zugleich auf das grelle Positionslicht am Rücken ihres Vordermannes. Es war eine lange Kette von Lichtern, die sich nun endlich der Beute näherte, dennoch konnte jeder nur eine Handvoll der anderen erkennen. Schon der dritte Negaruyen, vor oder hinter Hena-Gedar, wurde vom grauweißen Wallen verschlungen.

Neben der extrem eingeschränkten Sicht war auch die Kommunikation sehr stark behindert. Die Funkgeräte der Raum- oder Kampfanzüge funktionierten nur über wenige Meter Entfernung. Es war umständlich, Befehle an die Kolonne zu geben. Immerhin hatten die Negaruyen eine praktikable Lösung für Kampfsituationen entwickelt: Ein kleines Schallinstrument, welches auf der einzigen Frequenz arbeitete, die den Nebel über hunderte von Metern durchdrang. Das Gerät arbeitete mit Pressluft und man konnte, über eine Reihe von Tasten, verschiedene Signale auslösen, mit denen sich Truppen im Gefecht dirigieren ließen. Es war nur ein Behelf, doch er hatte wesentlich dazu beigetragen, die Menschenwesen zu schlagen.

„Beute in Sicht“, wanderte es von vorne die Kolonne entlang. „Weitersagen.“

Hena-Gedar verspürte Erleichterung. Endlich würde sie das Schiff der Menschenwesen betreten und damit das Instrument, welches den langen Krieg zu Gunsten der Negaruyen entscheiden würde.

Im ewigen Nebel glomm ein mattes Licht und je näher die Kolonne, über Sand und Geröll der riesigen Nebelzone, stapfte, desto heller wurde es, bis schließlich ein Stück des Rumpfes der Beute aus dem Dunst trat.

Das Schiff war vor rund vierzehn Stunden erobert worden. Die D.S. Nanjing, ein Schiff der APS-Klasse, war nun kein Kriegsschiff des Direktorats mehr, sondern die Beute der Negaruyen. Vor Stunden, unmittelbar nach der Eroberung, war bereits eine erste Kolonne zu ihm aufgebrochen. Diese hatte die Führungsleine gespannt und eine Hundertschaft von Technikern an Bord gebracht. Sie führte seitdem Aufräumarbeiten und Reparaturen durch, um die Spuren der Kämpfe und die daraus resultierenden Schäden zu beseitigen. Jetzt hatte die zweite Kolonne, mit weiteren Technikern, Kämpfern und, vor allem, den Veränderten und Geschulten, ihr Ziel erreicht.

Grelle Scheinwerfer waren um die untere Polkuppel mit der großen Frachtschleuse aufgestellt worden und konnten den sichtbaren Bereich auf knappe zwanzig Meter erweitern.

Die Kolonne näherte sich der ausgefahrenen Rampe der Frachtschleuse. Hena-Gedar bemerkte zwei Stellungen mit Kämpfern der Dienenden, welche die Beute bewachten. Sicher hatte die verantwortliche Oberfrau der Sturmabteilung ihre Postenkette rings um das ganze Schiff aufgestellt. Es war nur eine Frage der Zeit, bis der Feind erneut über dem Nebel erschien, um in ihn einzutauchen und nach seinem Kreuzer zu suchen. Doch die Negaruyen würden alles unternehmen, um eine Rückeroberung oder Zerstörung zu verhindern.

Die Vorhut der zweiten Kolonne marschierte die Rampe hinauf und betrat das Schiff, dicht gefolgt von Hena-Gedar. Diese blieb an der halb geöffneten Frachtschleuse stehen, während die Übrigen an ihr vorbei gingen, um ihre Arbeit im Schiff aufzunehmen.

Die Kommandantin beobachtete die Reparaturen an der Schleuse und begriff, warum von schweren Schäden die Rede gewesen war.

Hena-Gedar trug die himmelblaue Uniform der verborgenen Welt, mit den beiden Sternen am Kragen, die sie als Schiffsführerin kennzeichneten. Um die Hüften lag der Waffengurt, mit Impulspistole und Neuro-Peitsche. Eigentlich befehligte Hena-Gedar den Angriffskreuzer Solaan, mit dem die Negaruyen auf diese Welt gelangt waren, doch nun hatte sie den Befehl erhalten, das Kommando über die Nanjing zu übernehmen. Wie alle ihre Aufgaben, so würde sie auch diese zur vollsten Zufriedenheit der Primär-Kommandantin erfüllen.

Die Oberfrau, welche hier die Gruppe der Dienenden befehligte, bemerkte nun die Anwesenheit von Hena-Gedar. Salutierend legte sie die Fingerspitzen der linken Hand an die linke Schulter. „Ehrenwerte Kommandantin, es ist mir eine Ehre, deinem Wunsch zu dienen.“

Hena-Gedar nickte und deutete auf die Reparaturarbeiten. „Wie geht es voran?“

„Das Außenschott der Schleuse wurde bei den Kämpfen schwer beschädigt und ist nicht voll reparabel. Ich schlage daher vor, die Schotthälften zu verschweißen und mit Rumpfplatten aus dem Ersatzteillager des Schiffes zu verschließen. Dann können meine Arbeiter eine kleine Personenschleuse in das große Schott schneiden. Es ist einfacher und schneller, als die beiden großen Flügel der Frachtschleuse auszutauschen. Da wir keine großen Frachtstücke oder Fahrzeuge bewegen müssen, können wir auf sie verzichten.“

„Dann gebe ich dir die Weisung, dass du den Umbau zur Personenschleuse durchführen lässt. Es muss rasch und gründlich gearbeitet werden, denn diese Menschenschiffe können nicht mit offener Außenschleuse durch eine Atmosphäre starten. Ihre Schiffskonstruktionen weisen Schwächen auf.“

„Ohne Zweifel“ pflichtete die Oberfrau mit einer angedeuteten Verbeugung bei.

Hena-Gedar betrachtete skeptisch die übrigen Schäden in der Frachtschleuse. Hier hatten Energieimpulsfeuer und Explosivgeschosse der Negaruyen gewütet, ebenso Kleinraketen und Hochrasanzgeschosse aus menschlichen Waffen. Hier hatten beide Seiten Dutzende ihrer Kämpfer verloren. Im Vorfeld vor der Rampe hatten die Sturmabteilungen der Negaruyen, durch die Geschütze des Kreuzers, schwere Verluste hinnehmen müssen. Hier, im Frachtraum, gab es nun zerstörte Barrikaden, Regale und Transportbehälter. Mehrere Kämpfer waren dabei, das Chaos zu ordnen.

An einer Seite des Frachtraums stapelte man die Gefallenen übereinander. Hena-Gedar war über ihre Zahl erschrocken, zumal noch immer Tote außerhalb des Schiffes lagen. Die Leichen hier trugen alle die getarnten Kampfanzüge der Sturmabteilungen. Von den himmelblauen Körperpanzern war kaum etwas zu erkennen, denn man hatte sie dicht mit langen, fransenartigen Strukturen getarnt, die den Eindruck eines zotteligen Fells vermittelten. Dies hatte den Feind über die wahre Identität seines Gegners täuschen und zugleich für eine verschlechterte optische Wahrnehmung sorgen sollen. Eine Tarnung war nun nicht mehr erforderlich und die Dienenden waren sicherlich erleichtert, das gewohnte Himmelblau der verborgenen Welt zu tragen.

Sie wandte sich nochmals der Oberfrau zu. „Was ist mit den Menschenwesen?“

Der Blick der Frau war einen Moment ohne Verständnis. „Sie sind alle tot, ehrenwerte Herrin.“

„Das erwarte ich auch“, entgegnete die Kommandantin leicht verärgert. „Ich meine ihre Überreste.“

„Ihre Kadaver werden im Hangar ihres Beibootes gesammelt. Das macht es leicht, sie nach dem Start im Weltraum zu entsorgen.“

„Gut. Erfülle hier den Willen unserer Primär-Kommandantin. Ich werde jetzt das Schiff inspizieren.“

„Deinem Wunsch entsprechend.“ Die Oberfrau stampfte zustimmend mit dem linken Fuß auf und wandte sich wieder ihren Arbeitern und Technikern zu.

Hena-Gedar passierte eine kleine Notschleuse in dem kurzen Korridor, der zu den zentralen Liftschächten führte, die, vom Pol der unteren Waffenkuppel durch die Decks hinauf, bis in den Pol der oberen Waffenkuppel verliefen. Der Liftschacht war im unteren Bereich durch die zerstörte Kabine blockiert. Auch hier war man dabei, einen Ersatz zu bauen und benutzte derzeit die im Schacht vorhandenen Notleitern.

Während die Kommandantin in den Hauptrumpf hinauf stieg, dachte sie für einen Moment mit Stolz an den Plan der Primär-Kommandantin, der nun Wirklichkeit geworden war. Es hatte vor über einem Jahr mit der Aufbringung eines zivilen Menschenschiffes begonnen, von dem man einiges über die Konstruktionen des Direktorats erfuhr. Dieses Schiff hier war jedoch kein interstellares Transportschiff, sondern einer der kampfstärksten Kreuzer des Feindes. Zum ersten Mal war die verborgene Welt in der Lage, die Waffen dieses neuen Gegners zu studieren. Doch es ging nicht nur um das Erforschen der fremden Technik. Dieses Schiff sollte in den Diensten der verborgenen Welt kämpfen und zu seiner furchtbarsten Waffe werden.

Sie verließ den Schacht im unteren der fünf Hauptdecks. Die prinzipielle Konstruktion des Kreuzers war aus den einst erbeuteten Datenbänken bekannt und es fiel keinem der Negaruyen schwer, sich im Schiff zu orientieren. Die Geheimnisse lagen vielmehr in seiner Technik und Bedienung, und trotz des Wissens, welches sich die Geschulten inzwischen angeeignet hatten, würde es nicht leicht werden, es ohne fatalen Fehler zu nutzen.

Hena-Gedar ging langsam durch den Hauptkorridor des Decks, sprach immer wieder mit Oberfrauen und Untermännern, welche die Gruppen der Dienenden führten. Die Kampfspuren und Schäden im Inneren des Kreuzers waren gering. Es hatte nur wenige bewaffnete Menschen gegeben, die hier noch hatten Widerstand leisten können. Die meisten ihrer Kämpfer waren unten, in der unteren Kuppel und Frachtschleuse umgekommen.

Sie betrat den Hauptmaschinenraum, der das gesamte hintere Drittel der Decks Eins bis Drei einnahm. Hena-Gedar winkte eine Oberfrau zu sich, die an der Uniform das Abzeichen einer leitenden Tech-Ingenieurin trug. „Berichte. Wie kommt ihr mit der Bedienung der Technik voran?“

Die Frau salutierte. „Wir kennen einen Teil der Funktionen bereits von dem zivilen Menschenschiff, welches vor einem Jahr im Raum aufgebracht wurde. Daher wissen wir, dass die Menschen bei der Technik und der Konstruktion ihrer Schiffe durchaus ähnlichen Prinzipien folgen. In einigen Bereichen scheinen sie uns voraus zu sein, in anderen erscheinen mir ihre Lösungen eher… unpraktisch.“

Persönliche Ansichten interessierten Hena-Gedar im Augenblick recht wenig. „Datenverarbeitung, Antriebe, Waffen und Lebenserhaltung… Berichte.“

„Verzeiht, Herrin, ich schweifte ab.“ Die Ingenieurin deutete eine demütige Verbeugung an. „Die Datenspeicher des Schiffsarchivs wurden von seiner Besatzung gelöscht oder sogar zerstört. Allerdings konnten wir die aus ihrem Beiboot retten und verfügen damit über die aktuellsten Sternenkarten der Menschen. Die Datenspeicher zu den Schiffsfunktionen blieben unberührt, allerdings gibt es noch Probleme, ihre Maschinensprache zu entschlüsseln. Die Menschen verwenden sogenannte tetronische Verbindungen und künstliche tetronische Intelligenz für ihre Steuerungsfunktionen. Wir können die Kernfunktionen aktivieren und rudimentäre Programme aktivieren, allerdings sind wir noch nicht in der Lage, eigene Programme in die Schiffsysteme zu übertragen. Diese Tetroniken sind übrigens erstaunlich. Sie sind deutlich schneller, als unsere eigenen eTronischen Systeme.“ Die Oberfrau bemerkte die Ungeduld ihres Gegenübers. „Ich bin mir sicher, dass wir das Schiff werden fliegen können, ehrenwerte Herrin. Die Steuerung ihres Hiromata, so nennen die Menschen ihren Schwingungsantrieb, beherrschen wir in seinen Grundfunktionen. Wir können ihn aktivieren und ziemlich genau steuern. Allerdings werden wir bei den ersten Flügen durch die Nullzeit-Schwingung mit kleinen Abweichungen rechnen müssen, bis wir alle Steuervorgänge vollendet beherrschen. Das Problem besteht nicht darin, den Schwingungsantrieb der Menschenwesen zu benutzen, sondern ihn mit den Navigationsdaten zu synchronisieren, so dass man an einem vorausberechneten Punkt aus der Schwingung kommt.“

„Sind diese tetronischen Systeme denn wirklich so kompliziert?“

„Wir müssen ihre Codierungen entschlüsseln und verstehen, Herrin, und in der Kürze der verfügbaren Zeit...“ Die Ingenieurin zögerte kurz. „Ich schlage vor, möglichst viele Funktionen dieses Schiffes durch unsere eigenen Steuerungseinheiten regeln zu lassen. Wir können die tetronischen Elemente abklemmen oder umgehen und unsere tragbaren eTroniken anschließen.“

„Ich verstehe. Doch werden ihre Systeme mit unseren Steuerungseinheiten funktionieren?“

„Ich bin mir sicher, dass sie, wenigstens in ihren Grundfunktionen, kompatibel sind.“

„Gut. Tauscht die tetronischen Steuerungseinheiten aus oder umgeht sie, sofern wir dafür ausreichend eigene Steuerungseinheiten verfügbar haben.“

„Es wird deinem Wunsch entsprechend geschehen, Herrin. Die Lebenserhaltungssysteme des Schiffes funktionieren einwandfrei. Ich sprach vorhin übrigens mit einem unserer Lebensbewahrer. Er teilte mir mit, wir könnten auf die Vorräte hier an Bord zurückgreifen, da unser Metabolismus weitgehend dem der Menschen entspricht.“ Die Frau zögerte erneut. „Ich wage dennoch keine Prognose bezüglich des Geschmacks und der Verdaulichkeit.“

Hena-Gedar wippte nachdenklich auf den Fersen. „Die Primär-Kommandantin würde es mir nicht danken, wenn unsere Besatzung wegen Magenkrämpfen ausfällt. Wir werden besser unsere eigenen Vorräte von der Solaan herüber bringen lassen.“

Die Kommandantin verließ den Maschinenraum mit seinen geschäftigen Technikern und beschloss, sich nun direkt auf die Brücke zu begeben. Im Hauptkorridor des Oberdecks, der nach vorne zur Offiziersmesse, den Offiziersquartieren, der Brücke und dem Bugbereich führte, gab es ebenfalls kaum Kampfspuren. Ein paar Blutlachen wurden entfernt, Einschüsse von Impulspistolen dahingehend überprüft, ob sie Schäden an Kabeln oder Versorgungsleitungen in Decken oder Wänden hervorgerufen hatten.

Inzwischen befanden sich fast dreihundert Negaruyen an Bord, davon eine volle Sturmabteilung der Kampftruppe, die das Schiff schützte. Die Mehrheit stellte jedoch die Besatzung des Menschenschiffes. Hena-Gedar gehörte als Kommandantin zu dieser neuen Besatzung und so stolz sie auch auf diese Aufgabe war, so litt sie zugleich auch unter ihr, denn sie gehörte nunmehr zu den Geschulten und Veränderten.

Welche äußere Veränderung dies vor allem betraf, wurde Hena-Gedar wieder einmal bewusst, als sie die Brücke des Kreuzers betrat und hier Primär-Kommandantin Desara-dal-Kellon vorfand.

Die Oberbefehlshaberin der Flotte der verborgenen Welt trug die schlichte hellblaue Borduniform. An der linken Brustseite war das Wappen der verborgenen Welt zu sehen. Zwei Hände, die sich sehnsüchtig einem Stern entgegen streckten. Am Kragen schimmerten die drei Sterne, die den hohen Rang auswiesen. Desara war ohne Zweifel eine begehrenswerte Frau, mit einem ebenmäßigen Gesicht, in dem die hellblauen Augen mit ihren silbernen Pupillen dominierten. Das blonde Haar trug sie kurz, so dass es wie eine Kappe eng am Kopf anlag.

Sie saß im Sessel des Captains, flankiert von ihren vier persönlichen Leibgardisten, welche Kampfanzüge trugen. Die Männer führten Impulslaser und Raketengewehr sowie eine kleine Neuro-Peitsche. Ein breiter hellroter Streifen führte von der rechten Schulter zur linken Hüfte und zeigte, dass sie das Recht besaßen, uneingeschränkte tödliche Gewalt auszuüben, ohne hierüber Rechenschaft ablegen zu müssen. Dies galt auch für Gewalt gegenüber Frauen, was außergewöhnlich war. In der Hierarchie der verborgenen Welt, in der die Frauen das Sagen hatten, war es nicht selten, dass ein sehr fähiger Dienender den Rang eines Untermannes erreichte. Diese Vier hingegen waren sogar in den eines Obermannes aufgestiegen. Ihre Gesichter wirkten ausdruckslos, doch die Bewegung ihrer Augen verriet stete Wachsamkeit, selbst hier, wo Desara von Negaruyen umgeben war, die sie durchweg verehrten und bereit waren, ihr Leben für sie zu geben.

Desara-dal-Kellon wartete die Meldung ihrer Kommandantin ab, schlug die Beine übereinander und musterte ihr Gegenüber mit einem angewidert wirkenden Blick. „Du bist abgrundtief hässlich, Hena.“

Hena-Gedar litt selbst unter der Entstellung. So wie alle Geschulten, die zu Veränderten geworden waren. „Deinem Wunsch entsprechend, verehrte Herrin.“

„Das ist wohl wahr.“ Desara lächelte sanft. „Du bringst ein großes Opfer und das verdient meine Anerkennung. Dir, den anderen Veränderten und diesem Schiff wird es zu verdanken sein, wenn wir den langen Krieg gewonnen haben.“ Die Primär-Kommandantin erhob sich und schritt langsam um Hena herum, wobei sie immer wieder nickte. „Hässlich und perfekt. Du siehst mit der gezüchteten Menschennase tatsächlich wie ein Menschenweib aus. Wenn du nachher die Uniform ihrer Kämpfer trägst, wird niemand in Zweifel ziehen, dass du auch tatsächlich eine von ihren Kreaturen bist.“

Die Männer und Frauen an den Konsolen der Brücke trugen bereits die Uniformen der menschlichen Streitkräfte und sie alle waren Veränderte. Es schien, als werde die Brücke noch immer von der ursprünglichen Besatzung genutzt. Zwischen den Veränderten bewegten sich unveränderte Negaruyen, die in ihre Arbeiten vertieft waren. Die Brücke des eroberten APS-Kreuzers D.S. Nanjing war hell erleuchtet. Die meisten Abdeckungen und Wartungsschächte der Konsolen waren geöffnet und die Negaruyen waren noch immer dabei, die in so vielen Dingen fremdartige Technik der Menschen zu studieren und zu begreifen.

Desara deutete auf den Sitz neben dem Kommandosessel. „Setze dich zu mir, Hena-Gedar, und genieße einen Moment des Triumphes. Wir müssen reden.“ Die Primär-Kommandantin wies in einer ausholenden Geste um sich. „Dies ist nun dein Schiff. Es ist das Werkzeug unseres Sieges und ich weiß, dass du es unter meinem Befehl gut führen wirst. Du und die anderen Geschulten kennen seine prinzipiellen Funktionen. Ihr werdet es fliegen, steuern und navigieren können.“

„Das werden wir, Herrin, doch es wird noch Zeit benötigen. Ein Transportschiff zu fliegen ist etwas anderes, als ein Kriegsschiff. Ich sprach im Maschinenraum mit einer unserer Ober-Technikerinnen. Es gibt große Probleme die Steuerung der Schiffsfunktionen fehlerfrei auszuführen. Die Maschinensprache der Menschenwesen ist codiert und ich habe die Vermutung, dass die Techniker daran zweifeln, sie fehlerlos entschlüsseln zu können. Natürlich hat die Ober-Technikerin dies nicht zugegeben,… Sie kennt die Strafe für Versagen…, doch sie schlug vor, die Steuerelemente dieses Schiffes gegen unsere eigenen auszutauschen.“

Das Gesicht von Desara verfinsterte sich für einen Augenblick. „Anschabb“, fluchte sie leise. „Ich verstehe. Was ist deine Meinung? Du musst dieses Schiff ja letztlich fliegen.“

„Es wird gelingen, ehrenwerte Herrin, doch es wird dauern, bis wir es perfekt beherrschen und es kann zu Fehlern kommen.“

„Ich schätze deine Offenheit, Hena-Gedar. Ich bin erfreut, dass ich die richtige Kommandantin wählte. Sobald wir von dieser Welt entkommen sind, werden du und die anderen Veränderten genügend Zeit bekommen, euch mit allem vertraut zu machen. Mit diesem Schiff und mit der Sprache und den Riten der Menschenwesen. Diese Beute muss wieder zu einem Schiff der Menschen werden. Zumindest muss jeder dies glauben.“ Desara lächelte und dieses Lächeln erinnerte an das Blecken des Gebisses eines Raubtieres. Sie wandte sich einer Negaruyen zu, die vor der Waffenkontrolle saß. „Waffenmeisterin, wirst du die Waffen bedienen können?“

Die Frau, die einer Menschenfrau zum Verwechseln glich, machte eine vage Bewegung, die Zweifel ausdrückte. „Die Waffen der Menschen können, ebenso wie unsere, manuell und eTronisch gesteuert werden. Das Prinzip ihrer manuellen Steuerung entspricht weitestgehend dem unseren. Allerdings pflichte ich der Aussage bei, dass es Probleme mit der tetronischen Steuerung geben wird. Ich empfehle ebenfalls, diese zu umgehen und eigene Systeme zu verwenden. Möglicherweise sind unsere Komponenten jedoch nicht mit allen Funktionen der Menschenwaffen kompatibel. Die Ansteuerung ihrer Schnellfeuerkanonen, Raketenwaffen und Energiegeschütze kann ich entsprechend programmieren, allerdings befürchte ich, ihre schweren Hauptwaffen nicht einsetzen zu können. Ihr Prinzip, der Ladevorgang und die Zielberechnung sind uns noch unbekannt.“

„Du meinst ihre „Rällganns?“

„So bezeichnen die Menschenwesen die zweiläufigen Geschütze in den großen Kuppeln“, bestätigte die Waffenoffizierin.

„Was ist daran so kompliziert? Sie scheinen mir unseren neuen Kanonen zu ähneln.“

„Im Prinzip mag dies stimmen, Herrin, doch der Aufbau der Waffen lässt Vorsicht anraten. Während alle anderen Waffen dieses Schiffes über eine einzelne Tetronik gesteuert werden, verfügen diese Rällganns über drei Tetroniken. Eine direkt an der Waffe selbst, eine zweite am Ende der dreikantigen Läufe und eine dritte befindet sich innerhalb des Projektils. Das Projektil besteht eigentlich aus einem massiven Metallstück ohne Explosivladung, allerdings mit einem zusätzlichen Antriebselement. Ich vermute, dass die drei Tetroniken miteinander synchronisiert werden müssen, um ein Ziel zu erfassen und zu zerstören.“

„Ich verstehe.“ Desara dachte kurz nach. „Wir werden versuchen, diese Rällganns zu ergründen. Vorerst werden wir mit den anderen Waffen auskommen.“

„Das Schiff verfügt über Raketenrohre in Bug und Heck, und über ursprünglich acht versenkbare Waffentürme. Jeder Turm beinhaltet eine Raketen-, Energie- und Projektilwaffe.“

„Ursprünglich?“

„Die Menschenwesen setzten die unteren beiden Hecktürme gegen unsere angreifenden Sturmabteilungen ein und man war gezwungen, sie zu zerstören.“

„Damit entsteht ein toter Winkel in der Schiffsverteidigung.“

„Ja, Herrin, das trifft zu.“

„Nun, es ist deine Aufgabe, dies zu berücksichtigen.“

Ein Dienender, der vor einer der Konsolen am offenen Wartungsschacht hockte, erstarrte plötzlich. Dann richtete er sich auf und beugte sich über die oben befindlichen Kontrollen. Schließlich wandte er sich Hena-Gedar zu. „Herrin, die Drohne der Menschen empfängt ein Signal und antwortet.“

„Was für eine Drohne?“, erkundigte sich die Schiffsführerin überrascht.

Desara antwortete an Stelle des Mannes. „Die Menschenwesen waren klug. Sie haben eine Funkdrohne in den Orbit hinauf geschickt, um Verbindung mit ihresgleichen aufzunehmen.“

„Was soll daran klug sein? Wir hätten dies ebenso getan, um eine Botschaft zu übermitteln.“

Die Primär-Kommandantin sah ihre Stellvertreterin missbilligend an. „Die Menschen haben nicht nur eine Botschaft übermittelt, sondern eine Kommunikationslinie aufgebaut. Als sie erkannten, dass jede Funkverbindung durch den Nebel massiv behindert wird, haben sie eine Funkdrohne gestartet und sie durch ein Kabel mit ihrem Schiff verbunden.“

Hena-Gedar kreuzte verneinend die Arme vor der Brust. „Das ist unmöglich.“

„Unterschätze die Menschen nicht. Es ist ihnen gelungen ein ausreichend langes Kabel herzustellen. Wir haben es nur durch Zufall entdeckt, als wir die Außenhülle des Schiffes auf Schäden untersuchten. Glücklicherweise konnte ich verhindern, dass man es sofort entfernt, denn es konnte für mich keinen Zweifel geben, dass die Menschen Verstärkungen schicken werden, um nach diesem Schiff zu forschen. Diese Verstärkungen werden natürlich versuchen, Kontakt zu diesem Schiff aufzunehmen. Offensichtlich sind diese soeben eingetroffen und haben die Boje angefunkt.“

Desara-dal-Kellon aktivierte ihr Funkgerät. „Schleuse? Lassen Sie sofort das Kabel der Funkdrohne mit einem Feuerkletterer zerstören.“

Hena verstand. „Das Verbindungskabel würde sie zur Position unseres Schiffes führen.“

„Gut, dass du diese Gefahr doch noch erkannt hast“, raunte Desara.

Die so glimpflich Gerügte nickte. „Der Feuerkletterer wird das Kabel trennen und sich an ihm hinauf fressen, bis er die Funkdrohne erreicht. So bleibt nichts, was zu uns weist.“

„Die Menschenwesen wissen, dass wir hier unten sind, aber nicht, wo wir uns befinden“, antwortete Desara sichtlich zufrieden. „Wir unsererseits wissen, dass sie nun eingetroffen sind und auch, wohin sie sich zwangsläufig bewegen werden. Das gibt uns die Gelegenheit zu einer angemessenen Begrüßung. Dienender der Kommunikation, kontaktiere die Solaan. Sie soll ihre zielsuchenden Raketen starten.“

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