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Marvin und Sieglinde

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Marvin spielte im Garten mit seinem Ball. Er wollte mal ein großer Fußballer werden, darum übte er fleißig, kickte den Ball immer gegen die Mauer und probierte dann, den zurückprallenden Ball sofort wieder zurückzuschießen. Das funktionierte auch meistens ganz gut. Als er versuchte mitzuzählen, kam er auf 12 Versuche, die hintereinander klappten, ohne, dass der Ball ihm wegsprang.

Marvin lebte in Bodenhausen, einem kleinen Ort am Rande des Grünwaldes. Er war neun Jahre alt und ging in die vierte Klasse. Zur Schule zu gehen, war nicht seine Lieblingsbeschäftigung und die Hausaufgaben, die empfand er als ganz schön lästig. Wichtiger war es für ihn, Fußball zu spielen, Fußball, er war ganz sicher, war überhaupt das Wichtigste im ganzen Leben.

Aus dem Wohnzimmer hörte er die Mutter rufen: »Marvin, hör bitte auf damit, den Ball immer vor die Mauer zu schießen.«

Denn erstens nervte es sie ganz schön, wenn dieses ständige Klatschen des Balles zu hören war und außerdem wurde die Wand davon nicht schöner. Überall waren die Abdrücke des Balles zu sehen.

»Wie oft habe ich dir das schon gesagt!«, konnte Marvin noch hören, als er zum letzten Mal vor den Ball trat. Wahrscheinlich durch den Schreck, dass Mutter ihn mal wieder erwischt hatte, traf er den Ball nicht richtig und in hohem Bogen flog der über die Mauer und verschwand.

»So ein Mist«, fluchte Marvin. Er wusste genau, hinter dieser Mauer war eine riesige Fläche voller Unkraut und er ahnte, dass der Ball mit Sicherheit im dicken Gestrüpp verschwunden sein würde.

»Ich höre ja schon auf!«, rief er in Richtung der geöffneten Terrassentür. »Bin gleich wieder da.«

Marvin rannte aus dem Garten. Um hinter die Mauer zu kommen, musste er nur ein kurzes Stück die Straße hinunter. Dort endete die Mauer und er konnte drum herumlaufen.

Als er um die Ecke bog, lag vor ihm eine große Wiese, auf der das Unkraut hoch wucherte. So hoch, dass man Marvin kaum noch erblicken konnte, wenn er darin verschwand. Am Ende dieser Wiese lag der Grünwald. Das war ein wunderschöner, großer Wald, mit alten, hohen Bäumen. Stundenlang konnte man darin umherlaufen, ohne, dass man an das andere Ende gelangte.

Eigentlich hatten ihm die Eltern verboten, alleine in den Grünwald zu gehen. Obwohl er sich sonst nicht immer an alle Verbote hielt, dieses aber, das befolgte er. Er hatte nämlich durchaus ein wenig Angst vor dem großen Wald, denn darin sollte es auch ganz viele Tiere geben. So hatten es ihm die Eltern erzählt.

Marvin dachte nur kurz an den Grünwald und wollte sich dann auf die Suche nach seinem Ball begeben, als er ein Geräusch wahrnahm, das sich wie ein Zischen anhörte. Erschrocken blieb er stehen und lauschte. Da, wieder dieses Zischen, das aus der Richtung kam, in der er seinen Ball vermutete.

Vorsichtig bog er ein paar Disteln zur Seite und zwängte sich weiter durchs Gestrüpp. Denn neugierig war er schon.

»Was kann denn da so zischen?«, fragte er sich und schaute sich in alle Richtungen um.

An der Stelle, an der jetzt stand, war das Unkraut viel niedriger als an den anderen Stellen, es reichte gerade bis an seine Knie und er konnte viel weitersehen.

»Da vorne müsste eigentlich der Ball sein«, dachte er und blieb erschrocken stehen, weil jetzt das Zischen ganz deutlich vor ihm zu hören war. Als er ein wenig weiter nach links schaute, glaubte er zu sehen, dass sich die Halme des Grases und des Unkrauts bewegten. Jetzt war es ihm doch etwas mulmig zumute und er rührte sich nicht mehr vom Fleck.

Da, jetzt sah er es ganz deutlich, das Gras bewegte sich, irgendetwas kam langsam direkt auf ihn zu. Er wollte sich gerade herumdrehen und wegrennen, als er wieder das Zischen vernahm und eine Stimme sprach ganz leise.

»Zischsch, hallo, zischsch, du, bleib stehen, zischsch.«

Wie angewurzelt blieb Marvin stehen und er zitterte am ganzen Körper, als er entdeckte, dass da eine Schlange sich langsam durch das Gras wand.

Und wieder sprach die Schlange zu ihm: »Zischsch, du brauchst keine Angst zu haben, zischsch, ich werde dir nichts tun. zischsch, ich brauche deine Hilfe, zischsch.«

Langsam erholte sich Marvin von seinem Schrecken, denn die Schlange lächelte ihn an und sah dabei gar nicht zum Fürchten aus.

»Du kannst ja sprechen.« kam es leise aus seinem Mund, doch die Schlange hatte ihn genau verstanden.

Etwas verärgert sagte sie: »Natürlich kann ich sprechen. Alle Tiere können das. Glaubt ihr Menschenkinder denn, dass nur ihr eine Sprache habt?«

»Ich habe aber schon oft Tieren zugeschaut, aber die konnten doch nicht sprechen. Die Kühe machen »Muh«, Pferde wiehern, Hunde bellen, aber richtig sprechen können die doch nicht.« widersprach er der Schlange.

»Doch«, sagte die Schlange, »wir sprechen alle, nur die Menschen können das nicht verstehen.«

»Und wieso kann ich dich jetzt verstehen?«, wollte Marvin von der Schlange wissen. »Und wieso zischt es jetzt nicht mehr, wenn du sprichst?«

»Schlangen, zumindest die meisten von uns, sind Magier, wir können Menschen verzaubern. Und das machen wir mit unserem Zischen. Wenn wir ganz bestimmte Zischlaute von uns geben, dann erreichen wir, dass Menschen unsere Sprache verstehen und sich mit uns unterhalten können.

Nachdem du mich jetzt verstehen kannst, brauche ich auch nicht mehr zu zischen.«

»Und das soll wirklich funktionieren?« fragte Marvin ungläubig.

»Ja, natürlich, es funktioniert doch, du kannst dich doch mit mir unterhalten.«

Marvin schaute immer noch ziemlich ungläubig.

»Ja, dich verstehe ich und du mich, aber wie ist es mit den anderen Tieren?«

Bevor die Schlange antworten konnte, zuckte Marvin erneut zusammen, denn über ihm hörte er eine Stimme die rief.

»Flieg weiter nach rechts, das ist der kürzere Weg!«

Und eine andere Stimme antwortete: »Ich weiß, aber dahinten gibt es mehr Mücken!«

Er blickte nach oben und sah zwei Schwalben, die über ihn hinwegflogen. Irritiert schaute er die Schlange an.

»Waren das die zwei Schwalben, die da miteinander geredet haben?«

»Natürlich«, lachte die Schlange, »das waren die Schwalben. Ich sagte doch, du verstehst jetzt die Sprache der Tiere.«

»Etwa alle Tiere, auch mein Meerschweinchen und die Katze vom Nachbarn?«

»Ja, alle Tiere, also besser gesagt, fast alle. Insekten, also Käfer und Fliegen oder auch Spinnen, die kannst du nicht verstehen, die verstehen wir auch nicht, die haben eine völlig andere Sprache. Aber sonst, alle Säugetiere, alle Vögel und natürlich Schlangen und Eidechsen, die wirst du jetzt verstehen können. Ach so, ich vergaß, mit den meisten Lebewesen im Wasser kannst du auch nicht reden, nur mit Delfinen und mit Walen«

»Was ist denn mit einem Hai?« »Nein, mit einem Hai geht es nicht, sprach die Schlange, Haie haben auch eine eigene Sprache.«

Marvin war völlig sprachlos. »Und das ist jetzt für immer? Kann ich mich jetzt für immer mit den Tieren unterhalten?« Innerlich dachte er schon an den nächsten Urlaub auf dem Bauernhof und auch der Besuch im Zoo ging ihm durch den Kopf

»Nein, das geht nur für eine bestimmte Zeit«, sprach die Schlange.

»Das ist aber sehr unterschiedlich. Wie lange das bei dir wirkt, das weiß ich nicht.«

Marvin versuchte seine Gedanken im Kopf zu sortieren.

»Das ist aber blöd«, ärgerte er sich, »dann ist heute Abend, wenn ich wieder bei meinen Eltern bin alles wieder vorbei?«

»Ja, das könnte sein, wie lange es bei dir andauert, das weiß ich nicht. Aber wenn wir uns wieder treffen und ich zische, dann geht es wieder von vorne los und du kannst wieder mit uns reden.«

»Na, das ist ja ein dolles Ding«, entfuhr es Marvin, »da werden meine Eltern aber staunen, wenn ich ihnen davon erzähle.«

»Ich gebe dir einen guten Rat«, sprach die Schlange jetzt sehr energisch, »erzähle keinem Menschen davon. Es wird dir ohnehin niemand glauben und außerdem, ist es dann vorbei. Wenn ein Mensch das Sprachgeheimnis der Tiere verrät, verliert er die Fähigkeit, sich mit uns zu verständigen völlig.«

»Und warum hast du mir jetzt etwas vorgezischt und mich eingeweiht?«

»Weil wir glauben, dass du uns helfen kannst.«

»Wer ist wir?«, wollte Marvin wissen.

»Wir, das sind die Tiere im Grünwald, wir brauchen deine Hilfe.«

Marvin schaute ungläubig auf die Schlange herunter, die vor ihm im Gras lag.

»Wie kann ich euch denn helfen?«

»Das ist eine lange Geschichte. Wir sind sicher, du kannst uns helfen.« Jetzt wurde der Blick der Schlange sehr ernst: »Bitte hilf uns, sag nicht NEIN!«

»Ja, aber wie?«, fragte Marvin erneut.

»Wenn du uns helfen willst, komm morgen zu uns in den Grünwald. Wenn die Sonne so steht, dass der Schatten des großen Baumes dort.«

Die Schlange deutete mit ihrem Körper auf die Buche, die in mitten der Wiese stand, »in Richtung des Grünwaldes zeigt, dann warten wir auf dich, dort am Eingang des Waldes. Bitte komm, sag ja.«

Marvin erinnerte sich an das Verbot der Eltern, aber inzwischen hatte ihn die Neugier wieder gepackt und er nickte.

»Gut, ich komme. Und ich kann mich dann mit allen Tieren unterhalten?«

»Ja, das kannst du, du wirst schon sehen. So, ich will jetzt auch wieder zurück in den Wald. Also, bis morgen.«

»Auf Wiedersehen Schlange«, rief Marvin.

»Ich heiße Sieglinde«, sprach die Schlange drehte sich herum und glitt in leichten Bögen Richtung Grünwald davon.

»Mach's gut Sieglinde«, rief er ihr hinterher, »ich heiße Marvin.«

»Ich weiß«, antwortete die Schlange, aber das konnte Marvin nicht mehr hören, denn die Schlange war schon zu weit weg.

Als Marvin gerade gehen wollte, wäre er fast über seinen Ball gestolpert, er nahm ihn auf und ihm wurde klar, dass er den beinahe vergessen hätte.

Marvins Abenteuer

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