Читать книгу Schuschi, die kleine Kirmeslokomotive, findet ihr Glück - Monika Hermes - Страница 5

Schuschi begegnet dem unternehmungslustigen Kater Hannibal

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Weiter und weiter ging die Reise. Miranda freute sich riesig, bald wieder mit ihrer Familie vereint zu sein. Es war tatsächlich etwas ganz anderes, auf diese Art vorwärts zu kommen. Sie konnte weit in der Ferne schon die Abzweigung erahnen, die sie zu ihrer Blumenwiese brachte. Für die Zukunft hatte sie genug von Abenteuern. Ein normales Alltagsleben war jetzt genau das, was sie zu ihrem Glück brauchte. Tief atmete sie den Fahrtwind ein, der um sie pfiff.

Beschwingt fuhr Schuschi inzwischen eine breite Allee mit vielen riesigen Bäumen entlang. Das Sonnenlicht schimmerte immer noch durch die Bäume und tauchte die Allee in ein glitzerndes Lichtspiel. In den Bäumen funkelten Tropfen des spiegelnden Sonnenlichts.

Plötzlich schoss ein wild aussehender Kater von rechts hinter einem Baum hervor, sprang fauchend auf Schuschi und krallte sich am Schornstein fest. Dangel rutschte überrascht nach unten, um nicht vom Kater verletzt zu werden. Miranda konnte sich gerade noch in ihr Haus verziehen.

Auch Schuschi war völlig irritiert und bremste abrupt. In diesem Augenblick hörten sie ein sirrendes Rauschen und im nächsten Moment stießen dutzende kleiner Flieger auf Schuschi nieder, einige bohrten sich in ihren Tender neben dem Schornstein und wippten hin und her. Ein wütendes Summen ertönte um sie herum. „Du Mörder! … Du hinterhältiges Vieh! … Das lassen wir nicht zu! … Bösewicht! … Wie kannst du dich an unseren Kindern vergreifen! … Warte, wenn wir dich kriegen! … Ssssssst, grrrr, …“ „Was ist denn hier los?“ Schuschi schrie gegen den Lärm an. Für einige Augenblicke hielten die Flieger inne, um sich erneut auf den Kater zu stürzen, der verzweifelt unter Schuschi Deckung suchte. „Ich habe doch gar nichts getan. Ich war doch nur auf Mäusejagd.“ „Kann mir mal jemand erklären, was hier los ist?“, donnerte nun Schuschi lauthals.


Ein hoher Laut ertönte und der fliegende Pulk sammelte sich vor Schuschi. Einer der Flieger löste sich und flog direkt vor Schuschi hin. „Was hast du mit diesem Kerl zu kriegen? Warum schützt du ihn, obwohl er unsere Kinderchen zerquetscht hat? Wer seid ihr überhaupt?“, knurrte er. „Wir kommen hier nur einfach entlanggefahren und schon sind wir mitten in einem uns unverständlichen Getöse. Einige von euch bohren sich in mich hinein, ihr fliegt tobend um uns herum, ein Kater hetzt durch die Gegend und alles ohne Vorwarnung. Ich bin übrigens die Lok Schuschi, oben an meinem Schornstein sitzt die Regenbogenschnecke Miranda und auf mir verteilt hocken meine Freunde, die Leuchtwichte.“ Ding und Dong winkten dem erbosten Anführer freundlich zu. Dong meinte: „Der Kater hat eben etwas von Mäusejagd gefaselt. Vielleicht wäre es an der Zeit, seine Meinung zu hören. Danach könntet ihr immer noch schauen, ob er tatsächlich schuldig ist. Mein Name ist Dong und hier neben mir sitzt Ding. Und wir sind nun wirklich völlig unbeteiligt. Was soll also der Angriff auf unsere Freundin Schuschi?“

„Ich denke, wir müssen uns bei euch entschuldigen. Ich bin der Oberste dieser Truppe und heiße Noro.“ Das fliegende Wesen betrachtete die Gruppe vor sich und fuhr beherrscht weiter fort: „Ihr seid tatsächlich unglücklich hier hineingeraten. Dieser Kater da“, dabei funkelten seine Augen zornig, „hat unsere Kinder, die Heukullern, auf dem Heuboden zertreten, zerquetscht und gegen die Wand gedrückt. Sie schliefen gerade und nur durch Zufall hörten unsere Versorgungsflieger ihre tödlichen Schreie.“ „Ach, dann seid ihr Nadelflieger?“, staunte Ding. „Ja.“ Verblüfft blickte Noro zu Ding. „Ihr kennt uns? Es gibt wenige, die wissen, wer wir sind. Wo habt ihr unsere Rasse kennengelernt?“ „Oh, wir haben nur weit im Norden bei den Bergen so süße Heukullern auf einem Bauernhof kennengelernt und der Hahn Hugo erzählte uns, dass aus ihnen Nadelflieger werden.“ Und schon schilderte Ding die Begegnung am Fuße des Berges. Beeindruckt schaute Noro zu Schuschi hoch. „Ihr habt ja anscheinend vieles kennengelernt. Und da ihr unsere Heukullern kennt, könnt ihr euch sicher auch ein Bild von dem machen, was dieser Kater“, Noros Gesicht verfärbte sich vor Zorn, „mit ihnen angestellt hat.“ „Aber ich habe niemanden dort auf dem Dachboden der Scheune gesehen“, jammerte der Kater. „Ich habe nur eine Maus verfolgt, die sich auf den Boden geflüchtet hatte.“ „Und dabei hast du rücksichtslos unsere Kinder zertreten“, zischte es aus dem Pulk der Flieger.

Mittlerweile hatten die festgerammten Nadelflieger ihre Rüssel aus Schuschis Blech herausgezogen und saßen verdattert auf Schuschis Tender. Strafend blickte der Oberst zu ihnen hoch. An Schuschi gewendet meinte er: „Wir sind bereit, diesen Vorfall zu diskutieren, wenn der Kater sich dann dem Urteil stellt und nicht abhaut.“ Und zu den Fliegern oben donnerte er rauf: „Seht zu, dass ihr an eure Plätze kommt.“ „Ich habe wirklich niemanden dort gesehen“, protestierte der Kater erschreckt. „Ich würde doch niemals unschuldige Wesen verletzen wollen. Aber wenn diese Gruppe hier mit beurteilen darf, was geschehen ist, werde ich abwarten. Nebenbei, ich bin Hannibal.“ Vorsichtig kroch er unter Schuschi hervor und setzte sich neben ihr rechtes Vorderrad. „Nun gut.“ Noro blickte strafend zu Hannibal herunter. „Dann erzähl aus deiner Sicht, was du getrieben hast.“

„Ich bin ein Straßenkater und war hungrig, als ich an dem Bauernhof vorbeilief. Einige Mäuse huschten zwischen den Ställen herum und ich machte Jagd auf sie. Eine besonders dicke verschwand in der Scheune. Ich hechtete hinterher. Doch sie trippelte den Balken hoch auf den Boden. Mit einem Sprung erreichte ich direkt nach ihr den Boden und raste hinter ihr her. Obwohl sie wild hin und her hüpfte, war ich ihr dicht auf den Fersen. Schon hatte ich die Krallen nach ihr ausgestreckt, als ihr angeschossen kamt und mich angegriffen habt. So schoss ich aus der Luke des Dachbodens raus und suchte das Weite. Mehr habe ich wirklich nicht getan.“ „Das ist unerhört. So rücksichtslos.“ Ein wildes Summen setzte unter den Fliegern an. „Ruhe“, donnerte Noro. Und an den Kater gewendet: „Du hast dabei jede Menge unserer Heukullern zertreten und zerquetscht. Sie haben arglos geschlafen. Was hast du dazu zu sagen?“ „Aber ich habe sie doch nicht gesehen“, stöhnte Hannibal auf. „Es tut mir entsetzlich leid. Doch im Eifer der Jagd und mit meinem leeren Magen hatte ich nichts anderes als diese dicke Maus im Blick. Ich bitte euch tausendmal um Entschuldigung, auch wenn es euch eure Kinder nicht zurückbringt.“

Hier mischte Schuschi sich ein. „Ich kann verstehen, wie wütend ihr über diese Tat seid, doch ihr dürft auch nicht vergessen, dass eure Heukullern wirklich sehr winzig und im Heu kaum zu sehen sind. Und wenn der Jagdtrieb erwacht ist, kann niemand vorsichtiges Bewegen erwarten. Vielleicht wäre es hilfreich, wenn ihr für eure Kinder auf dem Heuboden eine Nische herrichtet, in denen sie geschützter sind. Ich glaube, Hannibal hat wirklich nichts Böses im Sinn gehabt. Er wollte nur seinen Hunger stillen. Und diese Jagd ist seine Art der Futterbeschaffung.“ Nachdenklich schaute Noro geradeaus. „So betrachtet hast du wohl recht. Er hat das sicher nicht beabsichtigt. Und deine Idee mit der Schutznische ist auch nicht schlecht, Schuschi.“ „Vielleicht darf ich auch noch etwas sagen?“ Von oben ertönte Mirandas Stimme. „Ich hatte vor kurzem ein Erlebnis, das mich beinahe das Leben gekostet hätte, wenn mir nicht geholfen worden wäre.“ Und sie erzählte von dem Bau der Ameisen, dem Zusammenspiel mit den Glühlingen und von ihrer Flucht. Am Ende fügte sie hinzu: „Das Leben ist auch ein Kampf zwischen Fressen und Gefressen werden und niemand kann sich seiner Natur widersetzen. Ich könnte den Ameisen nicht einmal böse sein, denn auch sie wollen leben und ihre Kinder aufziehen. Aber ich kann vorsichtiger werden, um nicht als Beute zu enden. Eure Heukullern waren in diesem Fall auch leider nur zufällig im Weg, als Hannibal seinen Hunger stillen wollte.“

Immer nachdenklicher wurde Noro. „Wir beraten uns.“ Schon flog er zu seiner Truppe und ein Summen und Sirren begann. „Ob sie es begriffen haben? Ich habe ehrlich nichts Unrechtes getan“, flüsterte Hannibal. „Lass uns abwarten. Sie können das nicht ignorieren.“ Tröstend schaute Schuschi auf Hannibal hinunter. Nach einer Weile schwirrte Noro wieder aus der Menge hervor und begann: „Auch wenn es schrecklich ist, müssen wir euren Ansichten zustimmen. Hannibal konnte wohl wirklich nichts für die Verwüstungen, die er auf seiner Jagd angerichtet hat. Doch wir werden ihm nicht erlauben, weiterhin in dieser Gegend zu bleiben. Er könnte wieder aus Versehen Unheil anrichten. Deswegen muss er sofort dieses Gebiet verlassen und darf niemals hierher zurückkommen. Und deine Idee, Schuschi, werden wir aufgreifen. Unsere Brut soll umgehend einen sichereren und geschützten Platz bekommen.“ „Ich werde sofort weiterziehen“, beteuerte Hannibal. „Und ich werde auch anderen Katzen von den Heukullern berichten, so dass sie eventuell ein wenig vorsichtiger werden könnten. Doch versprechen kann ich diesbezüglich nichts, sofern es andere angeht. Nur für mich selber kann ich reden. Wenn der Jagdinstinkt erwacht, fällt alles andere weg.“ „Das ist zumindest ein Versuch. Wer unsere Kinder bemerken kann, wird sicher etwas weniger rücksichtslos vorgehen. Auch wenn einige nicht dieser Meinung sind und eine Strafe verlangten, werden wir dich nun ziehen lassen. Aber lass dich nie wieder hier blicken.“ Damit drehte er sich um und alle Nadelflieger schwirrten davon.

„Puh, das war knapp. Ich bin euch sehr dankbar, dass ihr mir beigestanden habt. Hier wollte ich sowieso nicht bleiben. Mein Ziel ist das Meer.“ „Komm doch mit uns, wenn du magst“, meinte Schuschi. „Wir wollen Miranda nach Hause zu ihrer Familie zurückbringen. Danach ist unser Weg noch offen. Was ist übrigens ein Meer?“ „Ihr kennt das Meer nicht? Oh, da habt ihr bisher etwas verpasst. Das Meer ist riesig. Ihr könnt sein Ende nicht sehen. Es ist traumhaft schön, wenn die Sonne sich in den Wellen spiegelt und die Weite schier unermesslich scheint. Doch es ist auch gefährlich. Diese Wellen, die wunderschön aussehen, können sich turmhoch aufrichten und alles zerschlagen. Die Seen und Flüsse sind nichts dagegen. Wenn ihr wirklich möchtet, bin ich gern euer Reisegefährte und zeige euch alles, was ich kenne.“ Alle stimmten begeistert zu und stellten sich nacheinander vor. Hannibal sprang ins Fahrerhaus und stellte seine Vorderpfoten auf das Fenster, um hinaussehen zu können. Puschel setzte sich neben ihn und schon konnte die Reise weitergehen.

Es dauerte gar nicht lange, bis sie die Abzweigung erreichten. Nun ging es über Stock und Stein immer querfeldein. Vor sich erkannten sie schon die bunten Blumen der großen Wiese. Kurz bevor die dorthin kamen bat Miranda Schuschi, nun sehr vorsichtig zu fahren, um niemanden zu verletzen. „Hier kommen nie Autos oder ähnliches her, so dass keiner meiner Freunde mit deiner Schnelligkeit rechnet.“ Endlich erreichten sie die Wiese. Doch weit und breit war niemand zu sehen. „Hier werde ich euch verlassen“, bedauerte Miranda. „Ich habe keine Ahnung, wo sich die einzelnen befinden. Wie ihr seht, ist dieses Gebiet riesig. Da muss ich schauen, wann ich auf eine der Gruppen treffe.“ „Aber klar doch. Das verstehe ich“, erwiderte Schuschi. „Schließlich wollen wir nicht noch jemanden verletzen.“ Herzlich verabschiedeten sich alle von Miranda. Mit einem letzten Blick zurück verschwand Miranda schließlich zwischen den Gräsern. „Ich hoffe, dass sie recht schnell ihre Familie findet und ein glückliches, langes Leben vor sich hat“, sprach Schuschi ihrer aller Gedanken aus, während sie eine Kurve fuhr und den Weg zurück zu Abzweigung einschlug.

Nachdem sie die Abzweigung wieder passiert hatten, jauchzte Hannibal fröhlich: „Nun geht es ans Meer. Ihr werdet begeistert sein.“ Munter fuhr Schuschi in den Sonnenuntergang hinein.


Schuschi, die kleine Kirmeslokomotive, findet ihr Glück

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