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Kapitel 2

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Es war sehr beeindruckend, erstmals amerikanischen Boden zu betreten. Sofort merkte ich, dass ich in einer anderen Welt war. Ein stämmiger farbiger und sehr um militärische Korrektheit bemühter „Immigration-Officer“ in schwarzer Uniform mit Statuszeichen auf den Schultern und Emblemen seiner Behörde an den Jackenärmeln, der sprach, als würde er auf einem Kaugummi herumkauen, empfing uns im Flughafen-Terminal. Er schien jeden, der vor seinen Schalter trat, zunächst einmal als illegalen Immigranten, potentiellen Straftäter oder gar Terroristen zu betrachten. Geduldig beantwortete ich alle seine Fragen:

»Haben Sie die Absicht, dauerhaft in den USA zu bleiben? Beabsichtigen Sie terroristische Anschläge oder Straftaten zu verüben? Welche Bindungen haben Sie zu und in ihrem Herkunftsland?«, wollte er unter anderem wissen. Ob er wirklich glaubte, ein potentieller Terrorist würde ihm auf Nachfrage seine Pläne oder Absichten beichten?

Nach den Einreiseformalitäten, dem Auschecken und dem Abholen des Gepäcks verließen wir das Flughafengebäude. Beim ersten Blick außerhalb des Gebäudes hatte ich das Gefühl, in der Filmkulisse eines amerikanischen Films oder einer Serie zu stehen. Wuchtige amerikanische Straßenkreuzer, wie man sie damals nur selten in Europa sah, und zahlreiche, etwas „überfüttert“ wirkende Amerikaner weißer wie dunkler Hautfarbe prägten den ersten Eindruck. Solche Bilder kannte ich bisher nur aus amerikanischen Fernsehserien oder Filmen. Die Organisation hatte einen Bustransfer zum Hilton Hotel nach New Jersey arrangiert, in dem wir unsere erste Nacht in den USA verbringen würden. Vom Flughafen Newark aus sollte es am nächsten Tag mit einem Inlandsflug nach Detroit weitergehen. Die Busreise eröffnete einen interessanten ersten Einblick in den Alltag New Yorks. Der Bus quälte sich inmitten langer Blechlawinen über die zum Teil fünf- oder sechsspurigen Highways in Richtung New Jersey. Von einer Brücke hatten wir einen grandiosen Blick auf die Skyline Manhattans. Man mag es kaum glauben, aber – im Hotel angekommen - waren wir alle viel zu müde, um New York an diesem Tag noch „zu erobern“. Sooft hatte ich davon geträumt, durch die imposanten Straßenschluchten New Yorks zu wandeln, die beeindruckende Grand Central Station zu besuchen, das Empire State Building und die Twin Towers des World Trade Centers zu erklimmen und nun machte die Müdigkeit mir erst einmal einen Strich durch die Rechnung. Aber ich war mir sicher, dass ich vor der Abreise aus den USA noch einige Wochen in New York verbringen würde. Deshalb ging ich an diesem Abend guten Gewissens mit den anderen nur noch ins Hotelrestaurant, wo wir unsere ersten, richtig amerikanischen Bürger zu uns nehmen wollten. Der Genuss wurde allerdings durch unglaublich lange Wartezeiten getrübt. Chris rief dem Kellner immer wieder verärgert zu:

»Hey! Ich dachte Burger wären „fast food“, „fast“ bedeutet „schnell”!«

Es ist bis heute der Burger, auf den ich am längsten in meinem Leben gewartet habe - mehr als eineinhalb Stunden warteten wir und das im „Mutterland der Burger und des fast food“… Erschöpft von der langen Reise gingen alle früh zu Bett. Am nächsten Morgen weckte uns strahlender Sonnenschein und aus dem Hotelfenster hatten wir – über ein Parkdeck hinweg - einen sehr beeindruckenden Blick auf die entfernte Skyline Manhattans. Sie sah fast märchenhaft aus im warmen, sanften Morgenlicht. Nach dem Frühstück verabschiedete ich mich von John, der nun nicht mit uns nach Detroit, sondern nach Chicago fliegen würde. Wir tauschten Camp-Adressen und die Adresse von Johns Bruder aus und vereinbarten, uns in einer Camp-Pause in Chicago bei Johns Bruder zu treffen.

Mit dem Bus ging es dann zum Flughafen und von dort aus mit dem Flugzeug nach Detroit. Dort wurden Nolan, Chris und ich schon von Jack erwartet, der sich uns als „all around kind of guy“ („Mädchen für alles“) von Camp Osprey Valley vorstellte. Jack war nett, wirkte etwas gedankenverloren, sprach mit einem typisch lang gezogenen amerikanischen Akzent und lachte viel. Er war von kräftiger Statur, schätzungsweise Ende zwanzig, sein Lächeln und sein halbseitig gescheiteltes, dunkelblondes kurzes Haar erinnerten allerdings mehr an einen leicht streberhaften „High-School-Boy“ als an einen erwachsenen Mann. Er trug ein blaues Paar Jeans, braun-beigefarbene Turnschuhe und ein dunkelblaues Sweatshirt, auf dem vorne im Brust- und Bauchbereich das Symbol eines fliegenden Fischadlers und halbrund darüber der Schriftzug „Camp Osprey Valley“ prangte. Wir verstauten unser Gepäck, stiegen in den schwarzen Van und fuhren los. Chris war erstaunt über die unzähligen Fast-Food-Restaurants, an denen wir auf dem Highway vorbeikamen, „Wendy´s“, „Mc Donalds“, „Taco Bell´s“, „Hardee´s“, „Burger King“, „Kentucky Fried Chicken (KFC)“ und wie sie noch alle hießen.

Chris fragte Jack: »Welches ist denn das beste Burger-Restaurant?«

Jack erwiderte: »Das ist abhängig vom persönlichen Geschmack, der eine mag seinen Burger lieber gegrillt, der andere lieber gebraten oder mit einer speziellen Burger-Soße etc. Eine allgemeine Empfehlung kann ich deshalb nicht abgeben. Ihr müsst schon alle probieren!«, meinte er lachend.

Nach mehreren Stunden Fahrt und einem „Food-Stop“ bei einem Taco-Bell-Schnellrestaurant, in dem ich zum ersten Mal in meinem Leben mexikanisch aß, kamen wir endlich in Hoxley an. Der Ort lag buchstäblich „in the middle of no-where“. Mit Spannung näherten wir uns dem Camp. Von einer langen kerzengeraden Landstraße bogen wir schließlich in eine circa fünfhundert Meter lange, bogenförmig verlaufende Einfahrt zum Camp ein, die in einem Abstand von fünf bis zehn Metern von Bäumen umsäumt war. Auf einem dunklen hölzernen Schild begrüßte uns der Schriftzug „Willkommen im Camp Osprey Valley“.

Jack parkte den Van auf einem Parkplatz vor dem Hauptgebäude des Camps. Ich war froh, den Wagen endlich verlassen zu können, denn die zweitägige Reise steckte mir ganz schön in den Knochen und ich empfand ein starkes Bedürfnis, mich einmal so richtig zu recken und zu strecken. Es war ein lauer Sommerabend, die Gebäude des Camps waren in sanftes, orangefarbenes Sonnenlicht getaucht. Ein wohlriechender Duft von frisch gemähtem Gras drang zu uns herüber. Über dem Gelände lag eine angenehme Stille. Alles wirkte ruhig und friedlich, fast schon ein bisschen verschlafen. Im zentralen Bereich des Camps befanden sich mehrere Gebäude. Da gab es zum einen das beigefarbene Haupthaus mit Flachdach, das auf der linke Seite von einem mannshoch eingezäunten Sportfeld und auf der rechten von einem hölzernen Anbau, in dem sich eine Kletterhalle befand, eingerahmt wurde. Zum anderen war dort auch ein - leicht in einen Hang neben dem Haupthaus gebautes - Küchen- und Kantinengebäude, vor dem sich ein kleiner Außenpool befand und schließlich in einiger Entfernung ein hölzerner, L-förmiger Unterkunftsbau mit flachem Walmdach, in dem sich neben Schlafräumen auch die Krankenstation des Camps befand. Abseits dieses Baus und hinter dem Hauptgebäude befanden sich in etwa hundert Metern Entfernung, zum Teil durch Baumreihen getrennt, noch weitere größere Gebäude, die wir zu Beginn unseres Aufenthalts kaum wahnahmen, deren Funktion sich uns aber später noch erschließen sollte.


Jack zeigte uns unser Zimmer im L-förmigen Unterkunftsgebäude, in dem wir drei die nächsten Tage untergebracht sein würden. Das beige-gelb getünchte Zimmer war recht einfach im „Jugendherbergsstil“ mit Etagenbetten, sogenannten „Bunk Beds“, ausgestattet. Im Nachbarraum befanden sich zwei jeweils als Kabinen voneinander abgetrennte Toiletten, eine Gemeinschaftsdusche mit drei nebeneinander im Abstand von etwa einen halben Meter aus der Wand ragenden Duschköpfen sowie ein großes, langgezogenes Waschbecken aus Aluminiumblech, an dem sich drei bis vier Personen gleichzeitig waschen konnten. Über dem Becken hing ein großer rahmenloser Spiegel. Nachdem wir unser Gepäck abgelegt und uns ein bisschen frisch gemacht hatten, gingen wir hinüber zum Haupthaus. Dort lernten wir die Leiterin des Camps, Laura, ihren Ehemann Bob, den Technikverantwortlichen John, den für Finanzen verantwortlich zeichnenden Mitch sowie zehn andere, überwiegend amerikanische Camp Counselor kennen.

Laura sprach Chris, Nolan und mich sehr freundlich an:

»Hallo, meine lieben Camp Counselor aus Übersee! Wir freuen uns, dass ihr zu uns gekommen seid! Das ist wunderbar! Möge Gott mit euch sein. Hattet ihr alle eine gute Anreise?«

Wir bedankten uns für die freundlichen Worte und den angenehmen Empfang und erzählten von unserer Reise zum Camp, die bei uns allen sehr gut verlaufen war. Es wurden alkoholfreie Kaltgetränke sowie Kaffee und Tee gereicht. Neu war für mich, dass es keine Milch zum Kaffee gab, sondern ausschließlich „Kaffee-Weißer“, ein recht ekelerregendes beigefarbenes Chemiepulver, das ich damals aus Deutschland noch nicht kannte. Nach kurzen Begrüßungsfloskeln und etwas oberflächlichem „Small-Talk“ zwischen den Betreuern, bildeten alle Anwesenden schließlich auf Initiative Lauras einen Kreis und stellten sich einzeln kurz vor. Da gab es neben Jack, der uns vom Flughafen in Detroit abgeholt hatte, noch Ansani, einen farbigen Amerikaner mit ganz kurz geschorenen Haaren, der sehr fröhlich und offen wirkte und mir auffiel, weil er eine Art Brandzeichen am linken Oberarm trug. Anwesend war auch Joyce, ein dunkelbrauner Lockenkopf mit dunklen Augen und kleinen Sommersprossen unterhalb der Augenpartie, die fast immer über das gesamte Gesicht strahlte. Überdies waren dort noch Amy, die groß und kräftig gebaut war und mit ihrem blonden, kurzen Pagenhaarschnitt etwas jungenhaft wirkte, sowie Lorraine die recht klein und von schmaler Statur war, welliges dunkles, schulterlanges Haar hatte und deren starren, ernsten und kritischen Blick ich immer als unangenehm empfand. Besonders nett begrüßt wurde ich von Claire, einer stets Augen rollenden, etwas verführerisch dreinblickenden, großgewachsenen, langhaarigen Blondine. Schließlich waren noch zugegen: Sharon, eine Psychologie-Studentin von kräftiger Statur, die durch ihre blonde Löwenmähne und ihre beeindruckenden blauen Augen auffiel, Jamie, groß und schmal gewachsen, der mit seinen dunkelblonden Haaren, die am Hinterkopf lang, vorne und an den Seiten eher kurz gehalten waren, und durch seine militärisch anmutende Kleidung wie ein Heavy-Metal-Gitarrist oder -drummer aussah. Zugegen waren an diesem Abend auch noch:

- Rick, ebenfalls groß gewachsen und schlank, der, obwohl schon mächtig seines dunkelbraunen Haupthaars beraubt, nie auf seinen breiten Mittelscheitel verzichtet hätte,

- Marvin, ein großer und schlanker Farbiger, der mich ein bisschen an die Bilder erinnerte, die ich aus der Schule von „Malcom X“, einem amerikanischen Menschenrechtsaktivisten aus den 1960er Jahren, kannte,

- Barbara – genannt „Barb“ - eine etwas pummelige Studentin mit Brille und kurzen, dunkelblonden Haaren sowie

- Christine, eine Counselorin belgischer Herkunft, die mit ihrer schwarzen Brille, ihrer drallen Figur, ihren rotblonden Haaren sowie ihrem, an eine Stewardess erinnernden Kleidungsstil einen gewissen „Sekretärinnen-Touch“ hatte.

Alle Camp Counselor waren Anfang bis Mitte zwanzig, außer Marvin, der so um die vierzig gewesen sein musste. Neben Laura, Bob und John, die etwa Mitte bis Ende dreißig gewesen sein mochten, gehörte – wie erwähnt - auch noch Mitch zum Camp Management. Er war für die Finanzen und das Equipment des Camps zuständig und war mir – vielleicht aufgrund seines stark schielenden Blickes - immer etwas unheimlich. Nach einigen Minuten wurden wir aufgefordert, mit den Anwesenden einen Kreis zu bilden, indem wir uns gegenseitig auf Schulterhöhe unterhakten. Dann wurde ein Gebet gesprochen:

»Danke „Herr”, dass du uns diese Counselor aus Übersee geschickt hast! Wir benötigen ihre Hilfe wirklich dringend!«

Ich musste schmunzeln, dachte dann aber, dass es ja nicht schlecht sein könne, als „von Gott gesandt“ betrachtet zu werden. Sodann fuhr Laura mit dem Gebet fort: »…und bitte „Herr“, schicke uns mehr Geld, denn wir müssen neues Equipment für unsere Kanu-Touren anschaffen«.

Das kam mir dann doch etwas eigenartig vor, Gott um Geld zu bitten. Chris und ich schauten uns an und einen Moment lang wussten wir nicht, ob wir in Lachen ausbrechen sollten, aber die Atmosphäre war so ernsthaft, dass wir versuchten, unser Lachen zu unterdrücken, um die Gefühle der Anwesenden nicht zu verletzen. Später erfuhr ich, dass das Camp sich im Wesentlichen über Spenden finanzierte, Gott war im Gebet also um mehr Spenden gebeten worden. »Nun ja, wenn es hilft, warum nicht?«, dachte ich. Nach einem kollektiven „Ämen“ und einer kurzen Pause erläuterten Bob und Laura uns den Fahrplan für die nächsten Wochen:

»Es werden viermal Kinder und Jugendliche in Gruppen für jeweils zehn Tage ins Camp kommen. Dazwischen werdet ihr immer vier Tage „frei“ haben«, erläuterte Laura.

»Jetzt werdet ihr erstmal eine Woche an einem Kurs teilnehmen, bevor ein freies Wochenende folgt«, fuhr Bob fort.

»Am darauffolgenden Montag werden dann die ersten Kinder für einen zehntägigen Aufenthalt ins Camp kommen. Anschließend werdet ihr wieder vier Tage zur freien Verfügung haben, bevor die nächste Gruppe Kinder im Camp eintreffen wird«, ergänzte Laura. Als Laura und Bob alle Fragen beantwortet hatten, wurden wir zum Abendessen gebeten. Im sanften Rot der Abendsonne gingen wir alle hinüber in das Kantinengebäude, wo wir die Mahlzeit zu uns nahmen. Die Reichhaltigkeit des Angebots war erstaunlich. Es gab „klassische“ amerikanische Fast-Food-Gerichte wie Hamburger, Hot Dogs und Pommes Frites, die als „French Fries“ bezeichnet wurden, aber auch Gemüse, Nudeln, Reis, diverse Fleischsorten sowie eine große Salatbar. Nach dem Essen forderte uns Laura auf, noch gemeinsam mit ihr und den anderen den Abend zu verbringen. Obwohl wir schon ziemlich müde waren, kamen wir der Aufforderung nach. Es wurde erzählt, gesungen und gebetet. Da Chris, Nolan und mir noch die Reisestrapazen in den Knochen steckten, verabschiedeten wir uns früh und gingen – nach einem kurzen Anruf bei den Eltern zuhause - zu Bett. In den Betten liegend, tauschten wir uns noch über das Erlebte und die gewonnenen neuen Eindrücke aus. Schmunzelnd und etwas spöttisch sagte ich zu den beiden:

»Ich kann es kaum glauben! „Danke Herr, dass du uns diese Betreuer aus Übersee geschickt hast!“ Jungs, wir sind von Gott gesandt – na, wenn das nicht toll ist?«

Chris und ich lachten laut. Nolan war eher zurückhaltend und wirkte etwas nachdenklich. Insgesamt war es ein guter Tag, dachte ich kurz vor dem Einschlafen - die lange Reise hatten wir gut überstanden und von den Leuten im Camp waren wir sehr freundlich aufgenommen worden, alle waren sympathisch und aufgeschlossen.

Summer Camp Amerika

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