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Oklahoma, 2012

Der Flug war die Hölle. Ich war zuvor noch nie bewusst geflogen und hatte panische Angst, in ein Flugzeug zu steigen.

Meine Eltern waren schon etwas erschrocken über meinen Vorschlag, nach Amerika zu fliegen. Zum Glück hatte meine Mutter Reisetabletten dabei. Schon allein in das Flugzeug zu steigen, die engen Sitzbänke vor mir zu sehen und mich bis zum kleinen Fenster vorzuarbeiten, trieb mir die Schweißperlen auf die Stirn. Ich durfte am Fenster sitzen, was mir aber auch nicht viel half. Als das Flugzeug abhob, drückte ich mich in den Sitz, krallte mich an den Armlehnen fest und hoffte, dass ich nicht bis zum Mond fliegen würde. Neben mir saßen Lukas und mein Vater, während eine Reihe vor uns Kevin, Lena und meine Mutter Platz nahmen.

Über den Wolken ließ ich die letzten Wochen noch einmal Revue passieren. Es war alles so surreal. Ich saß mit meiner Familie in einem Flugzeug und folgte den Spuren meiner leiblichen Familie in den Westen. Eigentlich total aufregend, wäre dort nicht die Unsicherheit vor dem, was kommen mochte.

Als unser Entschluss, in die Staaten zu fliegen, feststand, rief ich meinen Anwalt an und erzählte ihm von meinem Vorhaben, was ihn nicht verwunderte, denn er hatte sich schon gedacht, dass die Neugierde siegen würde. Dr. Stein hatte mir sogar einen Flug herausgesucht, den mein Vater am selben Tag noch buchte. In der Zeit waren wir noch zweimal in der Kanzlei, um die wichtigen Formalitäten wegen des Erbes zu besprechen. Da ich noch nicht volljährig war, mussten meine Eltern natürlich alles als meine Erziehungsberechtigten unterschreiben.

Langsam wirkten die Tabletten, die ich während des Fluges eingenommen hatte, und ich döste ein, bis ich in einen tiefen Schlaf fiel.

Doch nach fast zwei Stunden stiegen wir aus und mussten uns in Paris auf dem Charles De Gaulle Flughafen für fast drei Stunden aufhalten, bis es mit dem nächsten Flugzeug Richtung Detroit ging. Ich war müde, die Tabletten hatten mich ausgeknockt, so dass ich während der Wartezeit auf einem der harten Plastikstühle, mit meinem Kopf auf Lukas’ Schulter, einschlief.

Zurück im Flugzeug spürte ich, wie sich meine Muskeln entspannten. Ruhig blickte ich aus dem Fenster und war fasziniert von den Wolken, die sich wie Watte ans Flugzeug schmiegten.

Von Detroit bis nach Oklahoma nahm der Flug kein Ende. Ich nahm meinen MP3 –Player, doch fand ich kein passendes Lied, ich startete einen Film, doch waren die alle nur auf Englisch. Zwar beherrschte ich die Sprache, jedoch nicht so gut, dass ich mir einen ganzen Film ansehen konnte.

Irgendwann läutete die Sprechanlage, welche eine Ansage des Piloten ankündigte.

»Meine Damen und Herren«, sagte eine raue, aber doch charmante Stimme, »wir werden in Kürze landen. Ich bitte Sie daher Ihre Plätze aufzusuchen und den Anweisungen der Stewardessen zu folgen. Ich danke Ihnen, dass sie mit uns geflogen sind. Schönen Aufenthalt in Oklahoma City.«

Das Signal zum Anschnallen blinkte auf und das Rauschen und Klicken der Gurte übertönte das laute Triebwerk. Ich drückte mich beim Landeanflug in den Sitz und schloss die Augen.

Endlich. Der große Albatros fuhr seine Rollen aus und schlug mit einem großen Grollen auf dem Boden auf. Als das Flugzeug zum Stillstand kam, begann erneut das Läuten der Sprechanlage.

»Meine sehr geehrten Damen und Herren. Leider haben die Arbeiter ihre Mittagspause verlängert, so dass wir uns noch einige Minuten gedulden müssen. Für diejenigen, die in Eile sind, haben wir im Lagerraum noch einige Fallschirme liegen.« Die Reisenden lachten laut auf.

Am liebsten hätte ich mich abgeschnallt und meine Beine ausgestreckt, doch das Zeichen zum Anschnallen leuchtete immer noch. Ich atmete einmal tief durch und blickte aus dem Fenster.

Das Flughafengebäude war riesig und die Fensterfront glänzte in der vollen Sonne, die wie ein bulliger Schneeball am Himmel hing. Als ich mich etwas nach vorne beugte, sah ich ödes Land, wo ab und an ein Baum stand.

Am Flughafen in Hamburg hatte ich mir noch einen Reiseplaner gekauft, den ich nun aufschlug. Ich fand aber keine Fotos um den Flughafen. »Will Rogers World Airport«, flüsterte ich. Wer war Will Rogers? Gab es den Mann wirklich? Ich schlug nach. Will Rogers war ein legendärer Cowboy und Komiker, der bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war.

»Jordan. Jordan.« Meine Mutter holte mich aus meinen Gedanken, zurück ins Flugzeug.

»Ja. Wie bitte?« Ich setzte mich gerade auf, als hätte man mir einen Stock in den Po gesteckt.

»Es geht los.« Sie griff nach meiner Hand, denn mittlerweile hatten wir die Plätze getauscht. Nun saßen Angela und Lena neben mir und die Männer in der Reihe vor uns. So schnell konnte ich mich gar nicht abschnallen, so dass ich am Gurt hängen blieb und polternd auf den Boden aufschlug.

»Aua.« Dabei stieß ich ein kleines Mädchen zur Seite, die wie ein Schlosshund angefangen hatte zu weinen.

Ich schmeckte Blut auf meiner Lippe. Beim Sturz hatte ich mir die Lippe aufgeschlagen.

»Hast du dir wehgetan?« Mein Vater half mir auf.

»Nein, ich habe nur nicht aufgepasst.« Ich tastete meine Lippe ab. »Alles in Ordnung.«

»Okay, komm wir müssen uns beeilen. Das Reinigungspersonal steht schon am Eingang.« Ich nahm mein Handgepäck und folgte meiner Familie, die mit dem Strom von Passagieren zum Flughafen ging.

Im Gebäude selbst, warteten wir vor einem der vielen Förderbänder, bis unsere Koffer kamen. Menschen drängelten sich wie beim Sommerschlussverkauf vorbei, um ja die Ersten zu sein. Als würde ihr Gepäck plötzlich verschwinden. Obwohl dies ja schon des Öfteren vorgekommen war. Bei so einem langen Flug und den Zwischenstopps musste auch das Gepäck von einem Flugzeug ins nächste transportiert werden. So kam es schon mal vor, dass Gepäckstücke abhandenkamen. Dann konnte man sich nur an einen Strohhalm klammern, um es überhaupt wiederzubekommen, andernfalls fand man seine Sachen bei Ebay wieder.

»Jordan. Jordan.« Leise Laute drangen an mein Ohr und ließen mich erschauern.

»Was?« Ich blickte auf. In den letzten Stunden hatte ich viele Tagträume. Vielleicht waren dies die Nachwirkungen von den Schlaftabletten oder einfach nur der Jetlag.

»Sag mal, wo bist du bloß mit deinen Gedanken?« Meine Mutter strich mir eine Strähne hinters Ohr.

Ich nahm meinen Koffer vom Band, der jetzt schon seine dritte Runde drehte.

Als wir in die Eingangshalle traten, blickte uns eine Traube von Menschen entgegen. Einige winkten hysterisch, andere hielten Schilder mit Namen hoch. Sie alle warteten auf die Reisenden, die entweder zu Besuch, auf Geschäftsreise oder einfach nur nach Hause kamen.

Da keine Großraumtaxen vor dem Flughafen standen, teilten wir uns auf.

Ich setzte mich zu Lena auf die Rückbank, meine Mutter auf den Beifahrersitz.

Verstohlen blickte sie in den Rückspiegel und beobachtete, wie die beiden Fahrer mit meinem Vater plauderten. Vermutlich erzählte er ihnen, in welches Hotel wir einchecken wollten.

Wir hatten uns für ein Hotel in der mittleren Preisklasse entschieden, welches im Internet sehr gute Bewertungen bekommen hatte.

Während der Fahrt blickte ich hinaus. Unzählige Autos brausten an uns vorbei. Hupend überholte das zweite Taxi, in welchem unser Vater, Kevin und Lukas saßen. Beide Taxen waren quietschgelb, wie im Fernsehen, nur hübscher. Warum musste ich alles mit amerikanischen Serien oder Filmen vergleichen?

Die Fahrt dauerte ungefähr zwanzig Minuten, bis die Autos vor einem großen Gebäudekomplex hielten, welches abwechselnd in Eigelb und Bordeauxrot gestrichen worden waren.

Unser Vater bezahlte und half dem Fahrer die schweren Koffer aus dem Auto zu hieven.

Ich rüttelte Lena an der Schulter. Die Reise war so ermüdend, dass sie eingeschlafen war. Der Jetlag hing uns allen noch in den Knochen, doch hatte ich mir vorgenommen, wach zu bleiben, denn sonst würde ich die Nacht über nicht schlafen können.

Nachdem wir von einer Blondine mit großen Brüsten und breiten Hüften unsere Schlüssel bekamen, folgten wir einem Flur, der uns bis zu den Fahrstühlen brachte. Dort konnte ich meinen Koffer abstellen und einmal durchatmen. Lena gähnte, meine Mutter drückte auf den Knopf, für den dritten Stock. Die Fahrstuhltüren sprangen auf und wir betraten einen weiteren Flur. Es war dunkel, die Beleuchtungen an den Wänden waren aus, doch die Zimmer waren farbenfroh und sauber, die Matratze weich und im Bad gab es sogar eine Badewanne.

Zuhause badete ich kaum, deshalb überlegte ich, ob ich lieber ein Bad nehmen sollte, anstatt mich auf dem Bett auszuruhen. Da würde ich sowieso nur einschlafen und wie Lena in einem Traumgeflecht herumirren.

Deshalb ließ ich genug Wasser in die Wanne und glitt hinein, ohne die Oberfläche zu kräuseln, und schloss genussvoll die Augen, als die Wärme mich wie in einem Kokon einnahm. Ich muss gestehen, dass ich eingedöst war und erst erwachte, als es an der Tür klopfte.

»Moment.« Ich kletterte aus der Wanne, warf mir einen Bademantel über und lief in den Flur, um die Tür zu öffnen.

Lena!

»Hey, was machst du denn hier? Wo ist Kevin?« Ich blickte an ihr vorbei.

»Der schläft. Kann ich reinkommen?« Sie schob sich an mir vorbei in den Wohnbereich und steuerte den großen Lehnstuhl an.

»Setz dich doch.« Ich schloss die Tür und ging zu meinem Koffer.

»Du hast gebadet. Das ist cool. Zuhause haben wir keine Badewanne.«

Ich suchte mir Unterwäsche und einen Jogginganzug. »Hat euer Bad keine Wanne?« Ich ging mit den Sachen zurück ins Bad, schlüpfte in meine Kleidung und kämmte mir in Windeseile die Haare, um sie danach lufttrocknen zu lassen.

»Ich hab mir gedacht, wir könnten zusammen in die Stadt fahren und ein paar Sehenswürdigkeiten ansehen. Kevin schläft, von Lukas weiß ich nichts und deine Eltern haben sich auch zurückgezogen. Morgen wollen wir ja erst nach Midwest City. Also haben wir noch den Nachmittag vor uns. Ich versuche jetzt wach zu bleiben, um in der Nacht schlafen zu können.« Sie grinste.

Oh, mein Gott. Hält Lena auch mal die Luft an? Seit unserem Treffen in meinem Zimmer taute sie regelecht auf und plapperte ohne Punkt und Komma.

Zurück im Wohnbereich setzte ich mich aufs Bett.

»Hier, ich habe einen Flyer auf unserem Zimmer gefunden. Wir könnten uns das Wildwest - Museum ansehen.«

»Ich weiß nicht. Ich glaube, ich werde lieber hierbleiben.« Ich nahm den Flyer. »Außerdem weiß ich nicht, wie wir dort hinkommen. Und, sieh her.« Ich deutete auf die Route. »Du kannst sehen, dass es nicht weit von Midwest City liegt. So würde ich eher vorschlagen, dort morgen oder den Tag darauf hinzufahren.«

»Okay.« Lena zog einen Schmollmund. »Dann gehe ich jetzt wieder zurück zu Kevin. Wir sehen uns morgen früh.«

»Lena, warte doch. Sei nicht beleidigt.«

»Nein, bin ich auch nicht.« Damit verschwand sie aus meinem Zimmer und ließ mich mit einem schlechten Gewissen zurück.

Ich zog die Vorhänge zu und beschloss mir über den morgigen Tag Gedanken zu machen. Dr. Stein hatte uns telefonisch mit Mr. Ralph Norris bekannt gemacht, ebenfalls ein Anwalt. Er war bis zum Ende der Familienanwalt meiner Großeltern. Ihm war es zu verdanken, dass ich gefunden worden war und mein rechtmäßiges Erbe antreten durfte. Über die Jahre war Ralph Norris eine Art Ersatzkind von Mary-Ann und Brian geworden. Deswegen war es ihm persönlich auch sehr wichtig, die einzige Verwandte, also mich, zu finden. Morgen früh würden wir uns mit ihm hier im Hotel treffen und alles Weitere besprechen, doch bis dahin wollte ich mich ausruhen.

Mr. Norris saß schon an unserem Tisch, als meine Eltern mit mir am nächsten Morgen ins Restaurant kamen. Die Sonne schien durch die großen Fenster und erhellte den Raum, durch die Boxen an den Wänden erklang eine beruhigende Melodie. Als er uns erkannte, stand er auf und kam auf uns zu. Dabei nahm er seinen Hut ab, der ihn wie Sherlock Holmes hatte aussehen lassen. Durch sein lichtes Haar schien seine weißliche Kopfhaut. »Hallo, ich bin Ralph«, sagte er und reichte zuerst mir, dann meiner Mutter und meinem Vater die Hand. »Ist es nicht ein wunderschöner Tag? Ich liebe diese Jahreszeit, wenn einem die Sonne den Tag versüßt.« Er schloss kurz seine Augen. »Setzt euch, setzt euch.« Er schob mir einen Stuhl zurecht. »Es ist so aufregend, dir endlich ins Gesicht sehen zu können. Du siehst deiner Mutter so ähnlich.« Ralph setzte sich mir gegenüber.

»Wirklich?«

»Hier, such dir etwas aus.« Papa reichte mir die Frühstückskarte, obwohl er wusste, dass ich Buffet wollte. »Ja, danke, aber ich nehme vom Buffet.« Ich gab ihm die Karte zurück.

»Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit des Tages«, sagte Ralph und deutete zum Buffet. »Das Essen ist hier vorzüglich, besonders für Gäste des Hauses, denn sie bekommen natürlich einen Sonderpreis.« Er blinzelte.

»Ralph, hast du ein Foto von meiner Mutter?«

Die Kellnerin kam und nahm die Bestellung unserer Getränke auf.

»Nicht hier, aber im Haus gibt es mehr als genug Fotos. Gerne bin ich bereit, dir alle Fragen zu beantworten. Deine Großeltern waren meine Ersatzfamilie.«

»Begleitest du uns denn?«, fragte meine Mutter und bedankte sich, als die Kellnerin eine Thermoskanne Kaffee auf den Tisch stellte.

»Ja, selbstverständlich. Dr. Stein hat mir erzählt, dass ihr noch zwei Söhne habt.«

»Das ist richtig.« Mein Vater schenkte sich ein. »Sie sind auch hier im Hotel. Mein Sohn Kevin hat sogar seine Freundin mitgebracht. Doch wollten wir das erste Gespräch klein halten.«

»Eine Großfamilie ist immer etwas Schönes.«

»Dr. Stein hat dir viel von uns erzählt.« Mama trank einen Schluck Kaffee und strich sich über die Nasenspitze.

»Eigentlich nicht viel. Wir haben uns mehr über das Wichtige unterhalten. Ich hatte ihm alle Formulare zugemailt und er mir mit der Unterschrift versehen zurück. Das ging ja alles recht fix, obwohl ich die Erbermittlungsagentur einschalten musste. Es war schwer, dich zu finden, aber ich bin sehr froh.«

»Ja, ich auch.« Der Geruch von Bacon stach mir in die Nase und ich entschuldigte mich, um das Buffet unsicher zu machen. Ich nahm von jedem Teller eine Kleinigkeit, zum Schluss sogar eine kleine Schüssel mit Frühstücksflocken. Würstchen, Spiegeleier mit Bacon und Pancakes mit Ahornsirup. Bei so vielen leckeren Sachen konnte ich nicht widerstehen.

»So, ich bin wieder da.« Ich schob mir den Stuhl zurecht, und schnitt den Pancake klein, um ihn danach tief in den Ahornsirup zu tauchen. »Mm, lecker.«

»Ja, das amerikanische Frühstück.« Ralph nippte an seinem Kaffee und ich hatte das Gefühl, dass er die Augen nicht von mir nahm.

Eine halbe Stunde später trafen wir Kevin, Lukas und Lena in der großen Lobby.

Ralph begrüßte sie höflich. Mittlerweile hatte er seinen Hut wieder aufgesetzt und einen Mantel angezogen, der zwar dünn, doch viel zu warm für dieses Wetter war. Ich trug ein gestreiftes T-Shirt und eine Dreiviertelhose mit Ballerinas.

»Ich habe einen großen Van, in dem wir alle Platz finden. Ich fahre euch zum Autoverleih und von dort folgt ihr mir einfach.« Unser Vater setzte sich auf den Beifahrersitz, während die Jungs hinter ihnen Platz nahmen und wir Mädchen uns im hinteren Teil des Autos auf die Schlingelbank setzten.

Ralph fuhr sehr langsam, ob es beabsichtigt war oder ob er immer die Straßen entlangkroch, war mir ein Rätsel. Ich öffnete das Fenster und hatte sofort einen leicht sandigen Geschmack im Mund, also schloss ich es wieder.

Wieso macht er die Klimaanlage nicht an?

Als mir der Schweiß wie Suppe von der Stirn tropfte, schloss ich die Augen und hoffte, dass wir bald da wären. Wer weiß, wärmer konnte es ja wohl nicht werden.

Als wir in den Leihwagen stiegen, schaltete Papa sofort die Klimaanlage an und Mama suchte verzweifelt die Frischhaltetücher in ihrer Tasche. »Oh Mann, ist das heute warm.« Sie reichte Lena und mir ein Tuch. »Hier, damit könnt ihr euch etwas frischmachen.«

»Ich weiß gar nicht, wie Ralph das in seinem Mantel aushält«, sagte ich.

»Das möchte ich auch wissen. Vielleicht hat er ja keine Wärmeempfindung oder keine Schweißdrüsen.« Lena fächerte sich mit ihrem Flyer Luft zu.

»Mm, vielleicht.«

Mein Vater fuhr in eine Straße mit einem Wendehammer und hielt auf einer Auffahrt mit einem weißen Garagentor und einer amerikanischen Flagge im Vorgarten gleich hinter dem Van.

Es war das Haus auf dem Foto, ein Bungalow!

Ralph stieg aus und kam auf uns zu. »Bevor wir reingehen…« Er holte ein Schlüsselbund aus seiner Manteltasche. »möchte ich dir den Schlüsselbund geben. Dieser da, ist der Haustürschlüssel.« Er deutete auf einen Schlüssel mit roter Silikonhülle. »Dort sind alle Schlüssel, die zu diesem Haus gehören. Es wurde nichts ausgeräumt oder verändert. Ich hatte gedacht, dass du dir alles so ansehen möchtest, wie sie es hinterlassen haben.«

Ich nickte stumm. Mein Herz hämmerte und meine Füße fühlten sich an wie Blei. Wenn ich durch diese Tür gehen würde, dann öffnete ich das Tor zu meiner Vergangenheit. Ich könnte Dinge erfahren, die mir den Boden unter den Füßen wegziehen könnten, doch war es für einen Rückzieher zu spät. Die Formulare waren unterschrieben und das Haus gehörte mir. Da ich aber noch nicht volljährig war, sollten meine Eltern bis dahin mein Erbe verwalten. Erst fand ich das ungerecht, doch nachher war ich froh, dass mein Vater den ganzen Papierkram übernahm und ich nur ab und zu unterschreiben musste.

Ich öffnete die Tür und wir fanden uns in einem geräumigen Wohnzimmer mit angrenzender großer Wohnküche wieder. Es war altmodisch eingerichtet, alte, vielleicht schon antike Schränke standen an den Wänden und eine große dunkelbraune Vitrine, passend zu dem Rest der Möbel, stand in der Küche.

»Einmal in der Woche kommt Señora Diaz und macht hier ein bisschen sauber. Staub wischen, lüften.«

»Das klingt gut.« Ich beobachtete, wie Ralph seinen Mantel abnahm und auf die Garderobe hängte. Er trug ein schwarzes T-Shirt mit dem Logo der Band Kiss. Seine Arme waren mit einem weißen Verband verbunden. »Was ist denn mit dir?«, fragte Lena.

»Ich habe eine Sonnenallergie. Der Verband kühlt meine Arme. Ich liebe die Jahreszeit, doch für meinen Körper ist sie tödlich. Darüber bin ich auch sehr traurig. Der Mantel verdeckt meine Haut, der Kragen meinen Hals und der Hut mit der Krempe mein Gesicht.«

»Oh, das tut mir sehr leid.« Sie ging zu Kevin, der nach ihrer Hand griff.

»Ach, das ist schon in Ordnung. Ich habe es ja nicht erst seit gestern.« Er winkte ab. »Also, wie gefällt es dir?«

»Also, mir gefällt die Kochinsel«, gestand Mama und fuhr mit dem Finger über die Arbeitspatte.

»Mir gefällt es auch.« Genau genommen war ich überwältigt von der Gemütlichkeit des Hauses. Ich fühlte mich sofort heimisch und wollte so viel wie möglich über meine leibliche Familie erfahren.

»Hier auf dem Kaminsims stehen Familienfotos, auch welche von deiner Mutter.« Ralph deutete zum Kamin.

Meine Beine kribbelten, als wären sie eingeschlafen, und ich hatte Mühe, einen Fuß vor den anderen zu setzen.

»Hier ist sie.« Ralph gab mir einen Bilderrahm mit einem kleinen, leicht verzerrten Foto. Eine Frau mit dunklen Haaren, Augenringen und erschöpftem Lächeln. Auf dem Arm hielt sie ein kleines Bündel, in dem ein Baby lag und die Augen geschlossen hatte.

»Weißt du, wer das ist?«

»Mm, nein.«

Hinter mir erschien Lukas. Ich spürte seinen Atem in meinem Nacken. »Das bist bestimmt du, Jordan.« Er kaute Kaugummi und machte gerade eine Blase, um sie danach platzen zu lassen.

»Vielen Dank auch.« Damit hatte er diesen magischen Moment gerade zerstört.

»Das stimmt. Deine Mutter durfte dich nach der Geburt kurz auf den Arm nehmen, bevor dich deine Adoptiveltern bekamen.«

»Wer hat das Foto gemacht?«

»Das war ich.« Ralph räusperte sich.

»Und warum hat sie mich abgegeben? Warum haben mich meine Großeltern nicht aufgenommen?«

»Sue-Ann wollte nicht, dass ihre Eltern von der Schwangerschaft erfuhren. Sie kam eines Nachts zu mir, denn sie wusste, dass ich sie nicht zurückbringen würde.«

»Wohin zurück?« Ich zog die Stirn kraus.

»Puh.« Ralph kratzte sich am Nacken. »Es ist so, Sue-Ann war drogenabhängig. Mary-Ann und Brian hatten immer wieder versucht sie in eine Klinik zu stecken. Sie brauchte Hilfe, doch entließ sie sich immer wieder selbst. Sue-Ann brach den Kontakt ab.«

»Oh, das ist sehr traurig.« Ich schluckte. So eine Geschichte hatte ich natürlich nicht erwartet. »Und was geschah dann?«

»Hey, Jordan, wir sehen uns ein bisschen um«, hörte ich Stimmen hinter mir, die ich nur mit einem Nicken beantwortete.

»Wollen wir uns kurz setzen?« Ralph deutete auf die Couch, die so weich war, dass sie mich fast verschluckte. Angela gesellte sich dazu.

»Eines Nachts stand Sue-Ann im vierten Monat schwanger vor meiner Tür.« Ralph kratzte sich an der Nase. Er wirkte nervös, vielleicht musste er sich deshalb überall kratzen? »Na ja, sie brauchte meine Hilfe, also bat ich sie herein und stellte ihr mein Bett zur Verfügung.«

Ich zog die Augenbrauen hoch.

»Ich schlief natürlich auf der Couch«, sagte er abwehrend und hob die Hände.

»Und meine Großeltern schöpften keinen Verdacht?«

»Nein, überhaupt nicht. Es war fast schon unheimlich, denn ich bin kein guter Lügner«, sagte er. »Ich hatte gehofft, dass sie mich durchschauen würden und mich auf mein komisches Verhalten ansprechen würden.« Ralph setzte sich auf die andere Couch uns gegenüber und faltete die Hände ineinander. »Doch sie taten es nicht.«

»Und warum hat sie mich denn weggegeben?« Ich strich mit meinem Finger über das Bild. Das Glas war glatt und kühl.

»Du musst verstehen, dass Sue-Ann nichts hatte. Sie hatte kein Geld, keinen Wohnsitz. Sie schlief mal hier und mal dort. Wo es günstig den nächsten Schuss gab.« Ralph hielt inne und beobachtete mich. Ein Strudel von wirren Gefühlen wirbelte an mir vorbei. Ich stieß einen Seufzer aus, blinzelte, um mir die Tränen zu verkneifen, und versuchte gleichzeitig stark zu wirken. Doch meine Schale knackste, bröckelte und fiel langsam zu Boden. Eine Träne löste sich und rann mir die Wange hinab. Es konnte doch nicht stimmen? Warum nur habe ich mich dafür ausgesprochen, das Erbe anzunehmen? Ich wollte das alles nicht mehr, nichts mehr hören, nichts mehr sehen. Am liebsten wäre ich hinausgelaufen und mit dem nächsten Flieger zurück nach Hause. Doch natürlich wusste ich, dass dieser Wunsch im Moment nicht mal annähernd möglich war.

Als ich die Haustür aufgeschlossen hatte, öffnete ich das Tor zu meiner Vergangenheit und somit die verbundenen Verluste meiner leiblichen Familie. Das hätte ich alles vorher bedenken müssen und nun war es zu spät. Ich wischte mir die Träne weg. Meine Mutter legte mir eine Hand auf die Schulter und streichelte sie, sagte aber nichts. Vielleicht wusste sie nichts zu sagen, denn ich weinte hier schließlich um eine Frau, die ich gar nicht kannte, die mich aber geboren hatte.

»Ich weiß, dass es schrecklich für dich sein muss, erst jetzt, da alle verstorben sind, etwas über deine leibliche Familie zu erfahren. Deine Mutter wollte nur das Beste für dich, deshalb hat sie dich weggegeben. Zuerst musstest du einen Entzug machen, bevor sie dich zu einer Familie vermitteln konnten.«

Ich war drogenabhängig? Ich schluckte und dachte darüber nach. Natürlich, wenn meine Mutter abhängig war, war ich es bis zum Tag meiner Geburt auch. »Wie, wie war sie denn so?«

»Bevor sie drogenabhängig wurde, war sie ein ganz normaler Mensch. Sie war beliebt, herzlich und liebte Bücher und Geschichten. Ein falscher Freundeskreis und sie kam aus dem Sumpf nicht mehr heraus.«

»Sie mochte Bücher?«

»Ja, unheimlich gerne. Deine Großmutter hatte das Zimmer von Sue-Ann so gelassen, wie sie es verlassen hatte. Jetzt gehört es dir, so dass du dir gerne gleich alles selbst ansehen darfst.«

»Mm, wie lange kennst du meine Familie denn schon?« Ich reichte das Bild an meine Mama weiter.

»Schon sehr lange.«

»Mochtest du Sue-Ann?«

»Ja, doch. Ich versuchte nach deiner Geburt noch Kontakt zu ihr zu halten, doch sie verschwand wieder. Zuletzt kam nur noch der Anruf von Brian, dass man Sue-Ann tot aufgefunden hatte.«

»Also haben die Drogen sie getötet?«

»Ja.« Ralph blickte mich nicht an. »Eine Überdosis.«

»Oh Gott.« Mir blieb der Kloß im Hals stecken, obwohl ich mir schon gedacht hatte, dass sie an einer möglichen Überdosis gestorben war. Meine Mutter legte das Bild auf den Tisch und nahm mich in den Arm.

»Meine Kleine, es tut mir alles so leid.« Dann küsste sie mich auf die Wange.

»Ja, mir auch.« Vielleicht war die jetzige Situation besser für mich. Ich kannte niemanden von meiner leiblichen Familie. So konnte ich keine persönliche Bindung aufbauen und auch nicht so einen tiefen Schmerz empfinden wie Ralph, der sie all die Jahre gekannt hatte.

»Wie geht es dir denn? Wie kommst du mit der Situation zurecht?« Ich schniefte.

»Mir geht’ s gut. Ich war am Boden zerstört, denn sie waren wie eine Familie für mich. Schon damals, als Sue-Ann und später Mary-Ann von uns gingen, brach etwas in mir. Ich.« Ralph schluckte. »ich bereue es immer noch, dass ich ihnen nach Sue-Anns Tod nicht von dir erzählt habe. Deine Mutter hat dir sogar noch deinen Namen gegeben, das war eine ihrer Bedingungen.«

»Und wie erfuhren sie dann von mir?«

»Das Foto lag bei Sue-Anns persönlichen Sachen, die sie von der Polizei bekamen.«

Wenn ich dachte, es könnte nicht schlimmer werden, zerbrach eine weitere Nachricht meinen Wunschtraum. »Hast du ihnen dann von dem Wissen, was du die ganze Zeit mit dir herumgetragen hast, erzählt?«

»Ja. Ich habe ihnen erzählt, dass ich wusste, dass Sue-Ann schwanger war, und ein kleines Mädchen namens Jordan zu Welt gebracht hatte. Ich erzählte ihnen ebenfalls, dass ich Sue-Ann versprochen hatte ihnen nichts zu erzählen. Natürlich waren deine Großeltern furchtbar wütend. Zu Recht.«

»Haben sie dir vergeben?« Ralph tat mir sehr leid, schließlich hatte er niemanden mehr. Ich hingegen noch meine Adoptivfamilie, die ja mehr oder weniger meine richtige Familie war. Während ich auf eine Antwort von Ralph wartete, stand ich auf und ging zurück zum Kaminsims. Dort fand ich ein Foto von vier Personen im Vorgarten des Bungalows. Zwei Frauen und zwei Männer. Die jüngeren beiden waren mir bekannt und die Älteren mussten Mary-Ann und Brian sein.

»Bist du das?« Ich drehte mich um und zeigte das Bild Ralph. »Ja, das hier bin ich, das sind Sue-Ann und deine Großeltern. Und ja, sie haben mir, nach einer eingehenden Beratung, vergeben.«

»Wann entstand das Foto? Sie sehen so glücklich aus.«

»Ja, das waren wir auch zu dem Zeitpunkt. Wir hatten Sue-Ann gerade von der Klinik abgeholt. Sie hatte ihren ersten Entzug hinter sich. Zu dem Zeitpunkt hatte sie sich so viel vorgenommen, so viel Gutes, verstehst du?«

»Ja, es tut mir so leid. Ich hätte sie so gerne gekannt.« Ich gab Mama das Foto.

»Ihr seid ja immer noch hier.« Mein Vater tauchte hinter der Couch auf. »Es gibt zwei Schlafzimmer, ein Bad und ein Nähzimmer. Und die Terrasse wird dir gefallen, Angela.«

»Ja, Mary-Ann hat Blumen geliebt. Brian meinte, dass sie erst im Frühjahr richtig aufblühte. Deshalb hat er immer darauf geachtet, dass die Blumen perfekt waren.« Ralph stand auf und zog sich sein T-Shirt glatt.

»Wir kommen gleich«, sagte meine Mama und legte ihre Hand kurz auf die ihres Mannes.

»Wollen wir denn auch einmal in die Schlafräume gehen? Nachher kannst du mir gerne weitere Fragen stellen.« Ralph legte sich seinen Mantel über den Arm und führte uns an der Küche vorbei in einen schmalen Flur, von wo aus vier Türen den Weg in weitere Zimmer freigaben.

»Möchtest du zuerst in Sue-Anns Zimmer?«, fragte er mich und ich folgte ihm zu einer der hinteren Türen. »Bitte, nach dir.«

Dankend nickte ich und ging voraus. Es war klein und spartanisch eingerichtet. Ein Bett, ein Schrank und eine Couch mit einem kleinen Tisch. An den Wänden hingen Regale, die wirkten, als würden sie die Wand halten und nicht andersherum. Bücher über Bücher, chronologisch geordnet.

»Wow.« Ich staunte nicht schlecht, Ralph hatte recht gehabt. »Das sind aber viele Bücher.«

»Ja, das sagte ich doch bereits.« Er stellte sich mit verschränkten Armen neben die Tür. »Und das Beste ist, sie gehören alle dir.«

Ich überlegte, wie ich die ganzen Bücher in meinem kleinen Zimmer unterbringen sollte, doch da fiel mir ein, dass ich es vielleicht gar nicht musste. Das Haus war so gemütlich, dass ich gleich hierbleiben könnte. Zumindest in meinem Traum, denn die Realität sah anders aus.

»Möchtest du erst einmal die anderen Zimmer sehen, bevor du dir die Bücher genauer ansiehst?«

»Ja, doch, gerne.« Ich folgte Ralph erneut. Im Schlafzimmer meiner Großeltern war es warm. Ein alter Ohrensessel stand in einer Ecke, ein Quilt war ordentlich über das Bett gelegt worden. Ein großer Kleiderschrank stand an der Wand hinter der Tür. Hier war es auch klein, aber gemütlich. Sowieso waren die Zimmer hinten im Haus allesamt kleiner, dafür der Wohnraum ebenso größer.

Weiter ging es ins Badezimmer mit einem riesigen Spiegel, der über zwei Waschbecken hing, einer Toilette, einem Bidet, einer kleinen Dusche und einer Eckbadewanne mit seniorengerechtem Einstieg.

»Das Badezimmer hatten sie ein Jahr vor Mary-Anns Tod umbauen lassen und keine Kosten gescheut. Brian war ein sparsamer Mensch, doch lebten die beiden so bescheiden, dass sie sich endlich mal ein wenig Luxus im Bad gönnten. Ich habe ihnen dabei geholfen.«

»Das sieht wirklich schön aus.« Ich bestaunte die schönen braunen Fliesen, die als Akzente an den Armaturen befestigt waren. Dazu ergaben die weißlichen mit Rautenmuster eine schöne Nuance.

»Das gefällt mir auch«, sagte Mama, die hinter mir ins Bad kam.

»Das freut mich. Wir haben wirklich lange gesucht, bis wir etwas Passendes gefunden haben, das beiden gefiel. Leider hatte Mary-Ann ja nicht lange etwas davon«, fügte er hinzu.

»Ja, woran ist sie gestorben?«

»Die Ärzte sagen, es war Herzversagen.« Er kratzte sich an der Nase. »Aber ich bin mir sicher, dass sie am gebrochenen Herzen gestorben ist. Sie hat ihre Tochter so sehr vermisst, dass ihr nicht mal Brian helfen konnte.« Er verstummte.

Irgendwie hatte ich bei Ralph ein komisches Gefühl im Bauch. Wie konnte ein Anwalt, auch wenn er ein guter Freund war, so viel über die Jamesons wissen?

Ralph hatte uns von seiner Beziehung berichtet, doch ein Puzzleteil passte noch nicht ins Bild. Vielleicht war ich im Moment auch nah am Wasser gebaut und so wurde jeder Satz und jedes Wort auf die Goldwaage gelegt.

»Wie hast du meine Familie kennengelernt?«

»Es war kurz vorm College. Ich wurde erst später ihr Anwalt. Erst war ich nur der Zeitungsjunge, der täglich die Zeitung gebracht und ihnen einen schönen Tag gewünscht hatte. Man kam ins Gespräch, sie luden mich ein, backten mir zum Geburtstag einen Kuchen. All solche Dinge, dabei erfuhren sie, dass meine Eltern schon früh gestorben waren, und nahmen mich herzlich in ihrer Familie auf. Meistens kam ich morgens und ging abends wieder nach Hause.«

»Weißt du denn, wer mein leiblicher Vater ist?« Die Frage beschäftigte mich schon, seit ich das Haus betreten hatte.

»Nein, wie gesagt, Sue-Ann kam schon schwanger zu mir. Von dem Erzeuger hatte sie nie ein Wort erwähnt. Ist das denn wichtig?«

Ich runzelte die Stirn. »Natürlich.« Dass Ralph so reagierte, hatte ich nicht von ihm erwartet. Irgendwas musste er mir doch verschweigen. »Oder bist du mein Vater?«, platzte es aus mir heraus.

»Jordan, was soll das?« Mama kam auf mich zu.

»Was denn? Ralph hatte mir doch gesagt, dass ich ihn alles fragen darf. Und es ist mir wichtig, dass ich alles erfahre, was er weiß.« Ich gestikulierte wild mit meinen Armen.

»Bitte, Jordan. Sei mir nicht böse. Ich weiß es wirklich nicht. Es muss irgendein Mann sein, der mit Sue auf der Straße gelebt hatte.« Er zuckte mit den Schultern. Ich nahm ihm die Antwort trotzdem nicht ab. »Wollen wir nicht ins Nähzimmer gehen?«

»Können wir machen.« Ich zog einen Schmollmund und trottete hinter ihm her. Ich war mir so sicher, dass er mehr wusste, als er mir erzählte.

»Deine Großmutter hat wunderschöne Sachen gemacht. Den Quilt im Schlafzimmer zum Beispiel.«

»Schade, dass ich sie nicht kannte. Vielleicht hätte sie mir auch etwas genäht.«

»Sicher, davon gehe ich aus. Du, Jordan.« Er nestelte an seinem Mantel, der immer noch über seinem Unterarm hing, herum. »Es tut mir wirklich leid. Ich hätte gedacht, dass ich dir alle Fragen beantworten kann, doch dem ist wohl nicht so.«

»Stimmt.« Ich blickte in den Handarbeitsraum. Dort befand sich ein großer Schreibtisch, der damals wohl als Nähtisch fungiert hatte, denn die Nähmaschine stand jetzt auf einer der Kommoden. »Eine Frage habe ich noch. Wie alt bist du?«

»Ich bin 55 Jahre.« Ralph fuhr sich durchs Haar. »Hab mich gut gehalten, oder?«

»Ja, könnte sein.« Ich runzelte die Stirn.

Das Verhältnis zwischen uns kühlte sich rapide ab und Ralph wurde langsam ungeduldig.

»Ich zeige euch noch den Garten. Er ist wunderschön.«

Eine große Terrasse mit zwei Liegestühlen, die eingeklappt unter einer großen Plane in der Ecke standen, Blumen sprossen aus Töpfen und Vögel zwitscherten von den Bäumen im Garten. Der Rasen war akkurat gemäht und im kleinen Froschteich spiegelten sich die Sonnenstrahlen.

Lena und Kevin knutschten unter dem Apfelbaum und Lukas stand mit unserem Vater im Schatten und begrüßte uns. »Da seid ihr ja endlich.«

»Ja, tut mir leid. Es hat etwas gedauert.«

»Jordan hatte viele Fragen, was sehr verständlich ist.« Ralph zog seinen Mantel an und trat in die Sonne. »Leider konnte ich ihr nicht alle Fragen beantworten. Wer zum Beispiel ihr leiblicher Vater ist.«

»Ist das denn wichtig für dich, Jordan? Sei doch froh, dass du überhaupt irgendetwas von deiner leiblichen Familie erfahren hast und dass es so gute Dinge sind.« Papa kam auf uns zu.

»Gut? Meine leibliche Mutter ist tot, meinen Vater kennt keiner und meine Großeltern sind auch verstorben. Ich hätte sie gerne mal kennengelernt.« Ich verschränkte die Arme vor der Brust.

»Sicher, aber du hast doch uns.« Mein Vater kam auf mich zu und nahm mich in den Arm. »Alles andere schaffen wir auch noch.«

Ich schloss die Augen, als ich in seinen Armen lag.

»Andere Kinder haben niemanden, wissen nicht, woher sie kommen. Du weißt es jetzt.« Er nahm mein Kinn, so dass ich ihm in die Augen blickte. »Und sei nicht so, denk an deine Mutter«, flüsterte er mir zu und deutete zu Mama. Was musste ihr wohl die ganze Zeit im Kopf herumgeistern? Ob sie Angst davor hatte, mich zu verlieren? Es ist doch wichtig, was ich jetzt habe, und nicht, was ich hätte haben können. Vergangenheit ist nun mal vergangen. Von Bedeutung ist nur, was mir die Zukunft bringt.

Ich ging zu meiner Mutter und nahm sie ebenfalls in den Arm. »Wollen wir einen Tee trinken? Wir können doch schauen, was Brian noch so auf Vorrat hat.« Ich trabte voran in die Küche und suchte in den Schränken nach Tee. Schnell wurde ich fündig und stellte fest, dass er noch nicht abgelaufen war. Hier in Amerika musste ich etwas umdenken, denn die Amerikaner schrieben das Datum anders als wir in Deutschland. 8/3/2012 bedeutet 3. August 2012.

Der Kessel war in einem Schrank unter der Kochinsel und pfiff schnell, nachdem ich den Herd angeschaltet hatte.

Zucker gab es reichlich und das Teeservice in einem der alten Schränke wurde von Lena, die fertig geknutscht hatte, aufgedeckt.

Alle nahmen an dem runden Esszimmertisch Platz und schenkten sich Tee ein. Dazu reichte ich den Zucker und die Teelöffel.

»Erst einmal sollten wir Ralph danken«, sagte unser Vater. »Danke für die freundliche Aufnahme hier in Oklahoma und für die nette Betreuung.«

»Ja, danke«, murmelte ich und nippte an meinem Tee. Was sollte ich sonst sagen? Ich fühlte mich immer noch unbehaglich und hatte immer noch dieses komische Gefühl gegenüber Ralph.

»Gern geschehen. Wie ich schon sagte, war mir das ein großes Anliegen. Mary-Ann und Brian konnten ihre Enkelin nicht kennenlernen, aber dafür lernt Jordan einen Teil von ihnen kennen. Auch wenn sie schon verstorben sind«, fügte er noch schnell hinzu.

»Ja, das denke ich auch.« Unsere Mutter rührte ihren Tee um.

»Verkauft ihr das Haus jetzt?«, fragte Lena, die sich über die gesamte Besichtigung ruhig verhalten hatte.

»Verkaufen?« Ralph verschluckte sich fast an seinem Tee, so dass Lukas ihm kräftig auf den Rücken schlug. »Entschuldigt.« Ralph nahm eine Serviette und wischte sich den Mund trocken. »Ihr wolltet das Haus verkaufen?«

»Nun ja, wir wohnen in Deutschland. Das ist nicht gerade um die Ecke, so dass wir hierherziehen könnten.« Meine Eltern tauschten einen Blick.

»Aber das könnt ihr nicht machen. Die ganzen Sachen, die Dinge hier.«

»Ich weiß, dass dir die Sachen viel bedeuten. Wir werden uns da sicher einig.« Ich biss mir auf die Unterlippe. Dieser Satz kam mir schwer über die Lippen, denn ich wollte, dass er aus dem Haus verschwand.

»Weißt du, dass ich nach dir gesucht habe, weil ich mir sicher war, dass du das Haus deiner Großeltern behalten würdest?«, sagte Ralph. Er hatte seine Hände fest um die Teetasse gelegt, so dass die Handknöchel weiß hervortraten.

Wie konnte ich ihm erklären, dass mir die Sachen nicht so viel bedeuteten wie ihm? Ich kannte diese Familie, mit denen ich blutsverwandt war, doch überhaupt nicht. Und nun sollte ich mich an Dingen erfreuen, die ich noch niemals zuvor zu Gesicht bekommen hatte? Es war alles so merkwürdig. Ich erlebte gerade eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Ich trauerte um die Menschen, die ich nicht kennenlernen konnte, doch war ich mit keiner ihrer Habseligkeiten verbunden. Bei Ralph war es anders. Er kannte sie, ich verstand ihn, doch musste ich das tun, was für mich und meine Familie am besten war. »Ich kann dich verstehen.« Hilfesuchend blickte ich zu meiner Mutter.

»Ich denke wir sollten erst einmal ankommen, dann können wir immer noch darüber sprechen. Jetzt trinken wir erst mal unseren Tee.«

»Das ist gut.« Ralph schenkte sich nach.

»Du, Ralph, gibt es hier irgendwo noch ein paar Fotos? Ich würde mir gerne noch welche ansehen«, fragte ich. Ralph sprang auf und ging hinüber zu der Kommode. Eigenartig, er bewegte sich hier, als würde ihm das Haus gehören, als hätte er hier gewohnt. Ich fuhr mir mit der Hand über die Stirn.

»Hier, ich wusste doch, dass Brian einige Alben versteckt hat.« Ralph legte mir ein Fotoalbum auf den Tisch. »Musst du mal hineinschauen. Ich weiß nicht, aus welchem Jahr die stammen.« Ralph setzte sich, bis sein Handy läutete. Er suchte in seinem Mantel, den er nach der Führung zurück an die Garderobe gehängt hatte, und entschuldigte sich mit einem Nicken in die hinteren Räume.

Ich öffnete das Album und mir fiel ein großer Umschlag entgegen, auf dem mein Name stand.

»Was ist das denn?«, fragte ich und sah mich nach Ralph um. Schnell reichte ich ihn meiner Mama, die ihn in ihre große Tasche steckte.

Ralph kam zurück. »Es tut mir leid. Ich muss leider los.« Er leerte seine Teetasse und zog seinen Mantel an. Dann blieb er an der Tür stehen. »Ich muss gehen«, wiederholte er nochmal.

Was erwartete er von uns? War das jetzt eine Aufforderung, das Haus zu verlassen?

»Ja, dann wünschen wir dir noch einen schönen Tag. Warte, ich bringe dich zur Tür.« Unser Vater stand auf, tauschte einen Blick mit seiner Frau und ging hinüber zu Ralph.

»Ja, danke.« Ralphs Stimme brach. Er wurde nervös und kratzte sich wieder an der Stirn. »Dann also bis morgen.« Er setzte seinen Hut auf und ging hinaus. Papa schloss die Tür.

»So, endlich!«

»Danke, irgendwie ist er unheimlich geworden.« Ich strich mir mit den Händen über die Oberarme.

»Ja, deswegen telefoniere ich gleich nochmal mit Dr. Stein und frage, was er von Ralph hält, und als Zweites lassen wir noch heute jemanden kommen, der uns die Schlösser hier im Haus austauscht. Garage, Haustür und die Terrassentür.« Papa suchte in seinem Portemonnaie nach der Visitenkarte von Dr. Stein.

»Bevor du anrufst, schau mal auf die Uhr. Wir sollten erst morgen früh bei ihm anrufen. In Deutschland ist es bestimmt schon nach acht. Ich habe den Zeitunterschied nicht im Kopf«, sagte ich und blickte auf die Uhr.

»Ja, gute Idee.«

Es läutete an der Tür.

Mir lief ein Schauer den Rücken hinunter.

»Oh, hoffentlich ist das nicht Ralph«, sagte Lena und blickte Kevin an, der die Hand über ihre Schulter gelegt hatte. Lukas sprang auf und ging hinüber.

»Sei nett, Lukas«, mahnte unser Vater, der ebenfalls zur Tür ging.

»Hallo«, sagte eine ältere Dame mit Lockenwicklern in den Haaren. »Ich bin Dolores Grimes, aber nenne mich Dolores. Ich war eine gute Freundin von Mary-Ann und wohne direkt gegenüber. Ich habe gesehen, dass ihr vorhin mit Mr. Norris ins Haus gegangen, aber nicht wieder mit ihm herausgekommen seid.« Sie blickte über ihre Schulter. »Da habe ich mir Sorgen gemacht.«

»Das ist aber nett, dass du nach uns siehst.« Thomas öffnete die Tür etwas weiter, so dass wir die Dame von unseren Plätzen begrüßen konnten.

»Oh, da sind ja die Damen des Hauses.« Sie winkte uns zu. Ich hatte Mühe, sie zu verstehen.

»Darf ich dich zum Tee einladen? Übrigens, das ist mein Sohn Lukas, meine Frau Angela, mein Sohn Kevin mit Freundin Lena und meine Tochter Jordan.« Papa deutete zum Esstisch. »Und ich bin Thomas.«

Die Dame ging zu mir hinüber, legte ihre Hand unter mein Kinn und begutachtete mein Gesicht. »Du bist also die verschollene Jordan«, murmelte sie. »Ich wusste, dass du zurückkommen würdest.«

Sie setzte sich neben mich auf den Stuhl von meinem Vater und nahm meine Hände in ihre. »Du bist so wunderschön, wie die Knospe einer Rose.«

»Oh, danke.« Ich spürte, wie mir das Blut in die Wangen lief. Lena kicherte hinter vorgehaltener Hand. Mama stand auf, um neues Wasser aufzukochen.

»Mary-Ann war so glücklich, als sie von dir erfuhr, denn auch wenn sie ihre Tochter verloren hatte, würde sie ein neues Leben in ihren Armen halten können. Ihr habt ja keine Ahnung, was sie in diesem Moment gefühlt haben musste, als sie gleich im nächsten Augenblick zu hören bekam, dass Sue-Ann dich zur Adoption freigegeben hatte.« Die Dame nahm dankend die volle Teetasse entgegen und füllte sich eine Ladung Zucker hinein. »Sie haben dich gesucht, wirklich. Doch nicht gefunden. Brian hatte sogar einen Detektiv beauftragt.«

Diese Neuigkeit flatterte wie ein verirrter Schmetterling in meinem Bauch herum, doch wusste ich nicht, wie ich es verdauen sollte.

»Darf ich dich etwas fragen?«

»Aber natürlich, mein Schätzchen. Alles, was du willst.« Sie setzte sich gerade auf und wartete.

»Ich würde gerne wissen, in welchem Verhältnis meine Großeltern zu Ralph Norris standen.«

»Ralph Norris.« Dolores schnalzte mit der Zunge.

»Denkst du, wir sollten die Schlösser austauschen lassen?«, fragte mein Vater in die Stille.

»Aber unbedingt.« Sie drehte sich eine verlorene Haarsträhne, so kurz sie auch war, zurück in den Lockenwickler. »Er ist ein furchtbarer Mensch. Es tut mir leid, was ihm in der Vergangenheit passiert ist, doch dafür kann niemand etwas. Er war regelecht besessen von einer intakten Familie, doch als er erfuhr, dass Sue-Ann falsche Freunde gefunden hatte, war er nicht zu bremsen. Er suchte sie und steckte sie mehrmals in eine Einrichtung, die ihr helfen sollte. Doch manchen Menschen kann man nicht helfen. Mary-Ann hatte ihm nie verziehen, als er eines Tages zu ihnen kam und ihnen von dir erzählte.« Sie deutete auf mich. »Da sie seit jenem Tag abweisend zu ihm war, wurde er oft laut, wenn er zu Besuch war, und Brian komplimentierte ihn hinaus. Ab und zu kam auch die Polizei«, flüsterte sie.

»Er hat sie doch nicht angegriffen, oder?« Meine Augen wurden größer.

»Nein. Um Gottes Willen. Sie liebten ihn, doch konnte er Sue-Ann nicht ersetzen. Hinter seinem Rücken holten die beiden den Detektiv. Ich glaube, dass Ralph eifersüchtig war. Sie hatten Angst vor ihm.«

»Und deshalb sagten sie nichts von der Suche nach mir?«

Dolores nickte. »Ja, davon bin ich überzeugt. Er wollte immer nur eine intakte Familie, ein Teil der Familie sein. Nun da Sue-Ann nicht mehr am Leben war, hatte er sich ausgemalt, die Nummer eins sein zu können. Doch sie erfuhren von dir und die Dinge nahmen ihren Lauf.«

»Das ist ja alles sehr spannend«, sagte Lena und lehnte sich an Kevins Schulter. Dieser beobachtete seit einigen Stunden stumm das Geschehen.

»Und wenn Sie mich fragen, hatte er gehofft, dass Brian ihn in seinem Testament bedenkt. Doch bei der Testamentseröffnung wurdest nur du benannt.« Sie trank einen weiteren Schluck und hielt unserer Mama die leere Teetasse hin. Danach häufte sie sich wieder Zucker in die Tasse. »Ich war ja da. Einer musste alles beobachten.« Ihre Fingerknöchel waren so dünn, dass die Adern bläulich durchschimmerten.

»Aber wir dachten, er ist Anwalt.« Ich runzelte die Stirn.

Dolores Lachen hallte durch den Raum. Ihre Hand auf dem Bauch. »Anwalt, hat er euch das erzählt? Grundgütiger«, sagte sie, als wir nickten. »Er wollte mal Anwalt werden, doch was er wirklich beruflich macht, weiß ich nicht. Und das will was heißen.« Sie hob den Zeigefinger. »Es wird gesagt, dass Brian viel Geld hatte. Vielleicht versucht er, durch dich etwas Geld zu erlangen. Man muss manchmal nur auf die Tränendrüse drücken.«

»Dann frage ich mich, wie er in Kontakt mit Dr. Stein kam, wie er an die Schlüssel kam. Die wurden ihm doch sicher nicht einfach so übergeben.«

»Mm?« Dolores rieb sich die Nase. »Sicher nicht und das gesparte Geld hat Brian sicher nicht im Haus.«

»Es reicht, ich rufe Dr. Stein an. Vielleicht schläft er ja noch nicht.« Mein Vater nahm sein Handy und ging mit der Visitenkarte nach hinten in den Flur.

Derweil rief Dolores von ihrem Haus aus einen Bekannten an, dessen Sohn Schlosser war.

Er sollte alle Schlösser austauschen.

Natürlich konnte er nicht sofort zu uns kommen, aber er versprach nach Feierabend vorbeizukommen.

Dolores unterhielt uns in der Zwischenzeit. Sie konnte nicht mehr an sich halten. Die Worte sprudelten wie das Wasser aus der Quelle aus ihr heraus.

Als mein Vater mit blassem Gesicht und einem geröteten Ohr zurückkam, blickten wir ihn neugierig an.

»Was ist denn los?«, fragte meine Mama.

»Ralph ist ein Betrüger. Eine Anwaltskanzlei aus Oklahoma hatte mit der Erbermittlungsagentur in Deutschland Kontakt aufgenommen. Wir haben uns an Dr. Stein gewandt, der sich wiederum an die Erbermittlungsagentur gewandt hat. Bis dahin ist alles klar.« Papa setzte sich und schob die Tasse von Ralph in die Tischmitte. »Ralph Norris muss davon Wind bekommen haben und sich ins System gehackt haben. So kam er an unsere Daten und die Daten von Dr. Stein oder aber er ist in die Anwaltskanzlei eingebrochen und hat dort Akten gestohlen oder kopiert. Na ja, auf jeden Fall hat er sich als Anwalt ausgegeben und alles mit Dr. Stein besprochen.«

»Hat Dr. Stein sich denn gar nicht gewundert, warum er plötzlich von einem fremden Anwalt angerufen wurde?«

»Nein, denn Ralph hat ihm seine Visitenkarte per Mail geschickt und dort stand, dass er ein Mitarbeiter von der Kanzlei in Oklahoma sei. Aber wir müssen uns keine Sorgen machen. Dr. Stein wollte gleich mit der Kanzlei sprechen und für morgen einen Termin ausmachen. Er wird uns dann benachrichtigen.«

»Und was ist mit den Daten? Ich meine, sind wir überhaupt im richtigen Haus? Oh, Gott.« Mama sprang auf und fuhr sich seufzend mit der Hand durchs Haar.

»Ja, die wichtigen Sachen liefen alle über die Erbermittlungsagentur, so dass Ralph keine Chance hatte, an das Geld oder an irgendwelche Dokumente heranzukommen. Die Schlüssel musste er wohl schon gehabt haben. Wir sollen jetzt mal gucken, ob irgendwas fehlt, doch wie sollen wir das machen, wenn wir noch nie hier waren?«

»Ich helfe euch. Ich hab Brian an den Tagen besucht, als Ralph nicht da war. Vielleicht sollten wir in den hinteren Räumen nachgucken.«

»Ja, gleich. Vorher möchte ich noch etwas nachsehen.« Dann zog ich den Umschlag aus der Tasche meiner Mutter und öffnete ihn.

Alle Blicke richteten sich auf mich.

Die Seelen der Indianer

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