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Kapitel 6

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Der Tag, an dem Constance nicht zurückkam

Es war ein unauffälliger Morgen wie tausende andere davor auch schon, als Arno Kaffee machte, aus dem Fenster sah und überlegte, wie er einem seiner engeren Freunde, dem frechen Philosophen, der zuerst Maler sein wollte, dann Architekt, dann wieder Philosoph und schließlich dann doch wieder Maler, eine aufs Maul hauen konnte. Aber ohne dass dessen künstliches Gebiss Schaden genommen hätte, weil er ihn, Arno, in letzter Zeit ständig großkotzig nur mit „Junge“ anzusprechen pflegte, nach Vorbild dessen verdammter preußischer Verwandten, die ihn, Arno, einen Dreck kümmerten, und er ihm in letzter Zeit bei jeder sich bietenden Gelegenheit einen Klaps auf den Hinterkopf zu geben anschickte, diesen seltsamen Vorgängen, offensichtlich Ergebnis einer möglicherweise überstrapazierten Freundschaft, galt es, dringend Einhalt zu gebieten und ihn vorzuwarnen, seine Prügelphilosophie in Zukunft unterlassen zu wollen, weil es durchaus ganz leicht sein könnte, dass er ihm in einem unbeherrschten Augenblick einen, trotz seiner zarten Hand, kräftigen linken Schwinger aufs Kinn versetzen mochte, an dessen Folgen möglicherweise beide zu leiden gehabt hätten, Arno an einem gebrochenen Mittelhand- oder Fingerknochen und er, der Philosoph, möglicherweise an einem ziemlich ramponierten Kinn.

Überdies hätte dies das Ende einer Jahrzehnte langen Freundschaft bedeutet, und das wollte Arno wiederum auch nicht, also nahm er sich vor, den schmissigen Philosophen in nächster Zeit ganz einfach nicht mehr aufzusuchen, denn ihre Beziehung hatte sich in gewisser Weise sehr einseitig zu entwickeln begonnen, sodass eine vorübergehende Trennung wohl das Beste wäre. Die Frage war bloß, wie Constance sich in dieser Sache verhalten würde, denn sie pflegte ein bisher ungetrübtes Verhältnis zu diesem Herrn.

Just an diesem Morgen also rief Constance aus Paris an und teilte Arno mit seltsam befremdeter Stimme mit, dass sie nicht mit dem Mittagsflugzeug kommen würde, weder heute, noch morgen und in nächster Zeit überhaupt nicht, was Arno, der tagelang nicht nur wie ein Irrer aufgeräumt, sondern auch gewaschen und gebügelt hatte, ziemlich in innere Aufruhr brachte, sodass er angespannt, und nachdenklicher als zuvor über die noch unbehandelten Böden fegte, das Geschirr in den Spüler knallte, die Fenster, um zu lüften, sperrangelweit aufriss und danach Tag und Nacht offen ließ und schließlich, völlig außer Atem und in Schweiß gebadet, seinen Freund Caro anrief, um, nachdem dieser nicht ans Telefon ging, wie ein Irrer in die Garage zu laufen, das Auto zu besteigen und in Richtung Stadtgrenze los zu brausen, wo er diesen mit hundertprozentiger Sicherheit in seinem Stammheurigen anzutreffen hoffte.

Erst als er eine der zahllosen Ampeln bei Rot überfuhr, von einem freundlichen Autofahrer darauf aufmerksam gemacht mit den Worten – Du Arschloch! - wurde ihm bewusst, dass er schon längere Zeit nicht bei der Sache war, und ihm war, als würde sein Fahrzeug von einer fremden Macht seinem Ziel entgegen gesteuert. Geistesgegenwärtig riss er das Steuer noch rasch zur Seite, um einen Auffahrunfall zu vermeiden. Verunsichert blickte er in den Rückspiegel. Gott sei Dank, keine Polizei in der Nähe, nur der erhobene Mittelfinger des Lenkers hinter ihm, disziplinierende Instanz quasi. Auch egal, dachte Arno und nahm sich vor, von nun an konzentrierter zu fahren und er begann, gewisse Bedenken gegen sich selbst zu erheben, ob es verantwortbar sei, jemanden wie ihn noch anderen Verkehrsteilnehmern zuzumuten, wie er sich gleichzeitig auch darüber wunderte, dem unfreundlichen Dahinter in seiner überdimensionalen Abgas schleudernden Allradkarre nicht gleich gekontert zu haben, was er ja sonst immer lautstark zu tun pflegte, überhaupt wenn jemand schon so ein teures Modell fuhr und er von einem solchen Fahrer zu allem Übel auch noch gedemütigt wurde.

Gleichzeitig aber zweifelte er an der Angemessenheit seines Benehmens, dachte an bestimmte Situationen der letzten Zeit im Zusammenhang mit jener Gesellschaft, in der er sich, wenn er nicht gerade „eremitierte“, die meiste Zeit befand, immer dann, wenn er mit seinen unpassenden Aussagen provozieren wollte, auch in Briefen etwa, in Gesprächen oder sonst eben. Denn manches, was er in solchen Situationen ohne viel nachzudenken einfach nur so dahin sagte, oder schrieb, war noch dazu oftmals notorisch verwirrend, wie - wie Vorträge eines Einzelgängers, ja, so kam es ihm jetzt vor. Und auf seine Frage, was denn so plötzlich dazwischen gekommen wäre, hatte Constance einfach gesagt, Liebling, mach‘ dir keine Gedanken, es ist nichts, was dich beunruhigen sollte, es hat nichts mit dir zu tun und so weiter. So etwas hatte sie noch nie gesagt.

Weder mit diesem Unterton in der Stimme, der mitschwang, wie, ich sag‘ dir nicht, was los ist, lass mich einfach in Ruhe, noch mit diesen Worten. So kurz angebunden hatte er sie noch nie erlebt. Beinah fremd war sie ihm vorgekommen. Irgendetwas musste da passiert sein, das schien ihm völlig klar. Aber was bloß? Der einzige, der ihm jetzt helfen konnte, schien Caro zu sein. Warum, verdammt noch einmal, konnte er ihn nicht erreichen? Wozu hatte man denn Freunde, wenn sie nicht ans Telefon gingen? Dem machte es nichts aus, wenn er, Arno, manches Mal wirres Zeug daher redete, auch nicht, wenn er hin und wieder gar nichts sagte. Dafür plauderte Caro umso mehr. Notfalls auch mit sich selbst. Das war Ok so. Arno verband eine gewisse Sicherheit damit. Mit Constance war das etwas anderes. Sie kannte seine Launen, seine exzentrischen Eskapaden, wenn er etwa in einem Restaurant einen zähen Lammbraten oder ein Steak, das nicht durch war, mit den Worten – take this old cow away - zurückschickte oder so. Dann ging sie zwar nicht sofort darauf ein, was auch immer das Beste gewesen war, sowohl für sie beide als auch für das anwesende Publikum.

Doch kaum zu Hause angekommen brach sie darüber einen oft heftigen Streit vom Zaun und schleuderte ihm Vorwürfe an den Kopf, derer er sich kaum erwehren konnte. Was er sich einbilde, und wer er zu sein glaubte? Schließlich konnte Arno ja manchmal liebenswert und charmant sein, auch wenn er es nicht immer gleich zeigte, und wenn Constance sich seiner Eigenschaften bewusst wurde, selten zwar, doch immerhin, dann schnurrte sie friedlich wie ein Kätzchen, strich auffallend milde gestimmt um ihn herum und versuchte ihn in dieser Stimmung, meist erfolgreich, zu verführen. Immerhin versprach sein Dazutun in dieser Angelegenheit wiederum Frieden für einige Tage, wobei Arno dieses Wort in seiner etymologischen Bedeutung von Befriedigung herleitete, war ihm dieser Friede doch einiges wert, denn er bürgte schließlich dafür, ihm zwei drei Abende in seinem Lieblingsbräu zu gestatten, ohne daheim sonderlich abzugehen. Wäre Constance nicht stets so beschäftigt gewesen, so konnte sie ihn in dieser Zeit ohnehin nicht gebrauchen, um nicht zu sagen, er galt für diese Zeit als absolut entbehrlich, um nach Verstreichen einer gewissen Frist für dasselbe Spiel wieder zur Verfügung stehen zu müssen.

Das ging schon seit Jahren so und gehörte zum unverrückbaren Zeremoniell dieser Ehe. Obwohl er, Arno selbst, fand, dass er es mit sich ganz und gar nicht leicht hätte, andere auch nicht mit ihm, wäre vor allem nicht da sein ständiger Drang zur Perfektion gewesen, etwas also, was ihn ganz besonders kompliziert machte im Umgang mit anderen Menschen, besonders wenn es darum ging, im Team zu arbeiten, oder gar gemeinsame Ziele erreichen zu müssen, wobei ihn ganz besonders sein Unvermögen peinigte, Hierarchien anzuerkennen oder gar Vorgaben zu akzeptieren. Also darin war er ganz schlecht, denn immer schon hatte er mit dem Gefühl gelebt, für seinen unsteten und vor Ideen sprühenden Geist nie den nötigen Freiraum gefunden zu haben.

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