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II. Was einem sofort auffällt 1. Die vielen Bibelstellen

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Wer den Heidelberger Katechismus in die Hand nimmt, bemerkt schon beim ersten flüchtigen Durchblättern die vielen Bibelstellen am Rand. Ursprünglich standen sie sogar mitten im Text. Daran wird deutlich, dass sich dieses Buch – im Unterschied etwa zu einem Roman – nicht als ein Produkt der literarischen Fantasie versteht, sondern als ein Text, der von einem anderen Text, eben dem der Bibel, herkommt. Ja, der nichts anderes will, als eben die Botschaft der Bibel weitergeben.

Das erinnert an einen der Grundsätze, die für alle Reformatoren wichtig waren: sola scriptura – allein die Schrift. Gemeint war damit, dass sich alle Aussagen des Glaubens eben von der biblischen Botschaft herzuleiten, sich vor ihr zu verantworten haben. Luthers berühmtes Wort auf dem Reichstag zu Worms „Hier stehe ich, ich kann nicht anders …“ war z. B. mitnichten ein Anzeichen seiner notorischen Widerspenstigkeit, sondern Ausdruck seiner Bibeltreue: „Weil mein Gewissen in Gottes Wort gefangen ist, so kann und will ich nichts widerrufen ...“ In Gottes Wort gefangen. Sola scriptura, allein die Schrift.

Dieses sola scriptura bestimmt nun auch den Heidelberger Katechismus von der ersten bis zur letzten Frage. Für den Leser haben die vielen Bibelstellen also den Vorteil, die Aussagen des Katechismus selber anhand der Bibel überprüfen zu können. Auch das entspricht grundsätzlicher reformatorischer Grundhaltung: Um zu Aussagen des Glaubens zu kommen, brauche ich nicht zuerst irgendeine kirchliche Instanz, die mir sagt, was ich zu glauben oder nicht zu glauben habe, sondern ich kann als mündiger Christ mir jederzeit selber über der aufgeschlagenen Bibel ein Urteil bilden.

Dass es dabei unter Christenmenschen manchmal auch zu Meinungsverschiedenheiten kommen kann, wissen wir. Aber muss das unbedingt immer ein Nachteil sein? Im Judentum etwa hat die lebendige und mitunter auch sehr kontroverse Auslegung der Heiligen Schrift eine lange Tradition. Sie wird dort als Ausdruck der Lebendigkeit des Wortes Gottes empfunden. Davon können wir lernen. Manchmal wünschte ich mir, auch in unseren Gottesdiensten, wieder mehr ein gemeinsames, lebendiges Ringen um das rechte Verstehen der biblischen Texte. Wo steht denn geschrieben, dass man bei verschiedenen Meinungen sich gegenseitig gleich zu Feinden erklären muss?

Und was den Heidelberger Katechismus angeht, so könnten die vielen Bibelstellen uns doch anregen, gemeinsam darüber ins Gespräch zu kommen, was es mit diesen Texten überhaupt auf sich hat, und auch, ob der Katechismus mit Hinweis auf diese Stellen immer richtig liegt. Auch der Heidelberger ist nicht vom Himmel gefallen, sondern am Ende auch nicht mehr als ein – sicher überaus respektabler – Versuch, die Bibel besser zu verstehen. Ob wir sie immer besser verstehen als er, auch das mag vorläufig dahingestellt sein.

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