Читать книгу In Arizona wartet der Galgen: Wichita Western Sammelband 7 Romane - Pete Hackett - Страница 11

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Seit zwanzig Jahren war John Matthews der Sheriff von Rawlins. Man hatte ihm den Job damals angetragen, weil er schnell genug mit dem Colt gewesen war, um ein paar schießwütige Revolverhelden aus der Stadt zu jagen.

Das war Matthews’ erste und bisher einzige Heldentat gewesen. Rawlins war eine sehr kleine und ziemlich arme Gemeinde, die sich einen Deputy nicht leisten konnte. Aber Matthews hatte keine Probleme damit gehabt, den Job allein zu verrichten. In der Gefängniszelle, die sich in einem Gebäude mit seinem Büro und der Sheriffwohnung befand, fanden hauptsächlich betrunkene Cowboys eine Möglichkeit, ihren Rausch auszuschlafen.

Seit damals, als Matthews zum Sheriff gemacht worden war, hatte es in Rawlins kaum ein Ereignis gegeben, das der Erwähnung wert gewesen wäre – bis zum heutigen Tag, an dem man die Bank um einen guten Teil ihres Bargeldes erleichtert hatte!

Ein paar Hühnerdiebe, Streitigkeiten zwischen Ranchern um einen Wasserlauf, Cowboys, die ihren Lohn im örtlichen Saloon vertranken und anschließend über die Stränge schlugen – das waren die Dinge, mit denen sich Matthews in den letzten Jahren vornehmlich beschäftigt hatte.

Eigentlich hatte er den Job nur ein paar Jahre machen wollen, um sich dann etwas anderes zu suchen. Er hatte keinesfalls vorgehabt, in einer Stadt wie Rawlins alt zu werden. Schließlich gab es anderswo mehr zu sehen, Aufregendes zu erleben …

Aber es war anders gekommen.

Matthews hatte unterdessen einen Bauchansatz bekommen, und seine Haare waren mehr und mehr ergraut.

Ich werde alt!, durchfuhr es ihn – nicht zum erstenmal! – während er an der Spitze des Suchtrupps daherritt, die Augen angestrengt auf den sandigen Boden gerichtet, um dort nach Hufspuren zu suchen. Mit der Linken hielt er die Zügel seines Rappen und als er mit der Rechten den Colt berührte, den er im Holster trug, überlegte er: Ich bin ziemlich aus der Übung mit dem Ding!

Sicher, er war vermutlich immer noch schneller als die meisten Cowboys der Umgegend. Aber würde es noch ausreichen, um es mit den flüchtigen Bankräubern aufzunehmen?

Ich weiß nichts über sie!, durchzuckte es ihn. Vielleicht sind es nur dahergelaufene Strauchdiebe aus der Umgegend, die sich einmal an einem ehrgeizigeren Ziel versucht haben; ehemalige Cowboys vielleicht, die ihren Job verloren haben.

Dann war er ihnen überlegen, auch wenn seine letzte und einzige Bewährungsprobe schon zwanzig Jahre zurücklag.

Aber was, wenn es sich um Profis handelte? Leute, deren Geschäft es war zu schießen …

John Matthews hatte dieses Gefühl jahrzehntelang nicht gekannt, aber jetzt kroch es ihm kalt den Rücken hinauf: die Angst!

Ich darf nicht an mir selbst zweifeln!, versuchte er sich einzureden.

Er wusste, dass die Erwartungen hoch waren, die die Bürger von Rawlins an ihn stellten. Sie warteten von ihm, dass er mit den Bankräubern kurzen Prozess machte, so wie er es damals mit den Revolverhelden gemacht hatte…

Aber er wusste nicht, ob er immer noch der Matthews von damals war.

„Sieht so aus, als wären sie in Richtung Three Little Rocks geritten!“, brummte Matthews, nachdem sein geübtes Auge die Spuren studiert hatte.

„Glaubst du, die reiten einfach so in die Stadt hinein, gehen in einen Saloon, mieten sich ein Hotelzimmer …?“

Das war O’Conner, dem der Drugstore von Rawlins gehörte und der mit Rechnungen und Bilanzen sicherlich um einiges besser umgehen konnte als mit der hoffnungslos veralteten Büchse, die in seinem Sattelholster steckte.

„Warum sollten sie nicht?“, fragte Matthews. „Sie waren maskiert, niemand hat sie erkannt, die Zeugenaussagen zu ihrer Kleidung sind so unpräzise, dass sie fast auf jeden passen!“

Der Sheriff schüttelte den Kopf. „Tja, wenn die Kerle morgen bei dir in den Drugstore kämen, um sich Proviant für eine längere Reise zu besorgen – es würde dir nichts Ungewöhnliches auffallen!“

„Wir müssen sie kriegen!“, meinte O’Conner kämpferisch.

Der Tatendrang bei dem sonst eher stillen und zurückhaltenden Kaufmann wunderte Matthews nicht. Schließlich gehörte ein guter Teil der Bankeinlagen ihm.

Nicht mehr lange und die Sonne wird untergehen!, überlegte der Sheriff dann. Und wenn die Nacht erst angebrochen war, würden die Männer kaum noch die Hand vor Augen sehen können …

Plötzlich empfand Matthews die Anwesenheit des Suchtrupps als äußerst unangenehm. Er konnte nicht sagen, weshalb eigentlich; ob O’Conners Ungeduld dieses Gefühl in ihm ausgelöst hatte oder ob es an etwas anderem lag …

Der Gedanke an ein Versagen, an eine Niederlage gegen die Bankräuber, von denen sich die Spur möglicherweise irgendwo verlieren würde, hatte ihn bereits den ganzen Weg über geplagt.

Aber wenn diese Männer, die ihn jetzt begleiteten, wenn sie ihm auch kaum eine wirkliche Hilfe sein konnten, die ihm all die Jahre über vertraut hatten, Zeugen seiner Niederlage würden …

Es schauderte Matthews bei diesem Gedanken, und er beschloss, die Männer nach Hause zu schicken.

Die Dämmerung hatte sich wie grauer Spinnweben über das Land gelegt, während die gerade hinter dem Horizont verschwundene Sonne ihre letzten Strahlen aussandte.

Zwei Stunden war es her, seit Matthews die Männer fortgeschickt hatte, und nun lag Three Little Rocks vor ihm.

Er wusste, dass die Bankräuber hier waren. Er hatte die Hufspuren ihrer Pferde bis hierher verfolgt. Nun allerdings vermischten sie sich mit denen von unzähligen Reitern, Fuhrwerken und auch Fußgängern …

Wahrscheinlich werde ich unverrichteter Dinge zurück nach Rawlins reiten müssen!, erkannte John Matthews realistisch die Möglichkeiten, die er in dieser Sache hatte. Aber alles in ihm sträubte sich gegen diesen Gedanken.

In Three Little Rocks führte ihn sein Weg zunächst zu Buddy Silverman’s Saloon, denn dort vermutete er um diese Zeit seinen Freund Ed Norman, den hiesigen Sheriff.

Als Matthews sein Pferd angebunden und die Schwingtüren passiert hatte, musste er jedoch feststellen, dass Sheriff Norman noch nicht dort war. Dafür saß an der Theke – mit hochrotem Kopf und schon ziemlich betrunken – ein anderer Bekannter. Matthews ließ sich einen Whisky geben und gesellte sich zu dem Zecher.

„Hallo, Sam“, sagte er, während er das Glas hob und ihm zuprostete.

Sam Field rülpste ungeniert. Als er sich dann nach Matthews umsah, wankte er zunächst etwas nach hinten, und dann traten ihm die Augen aus den Höhlen und quollen hervor, als wollten sie in kürzester Zeit die Größe von Billardkugeln erreichen.

„Sie, Sheriff?“ Sam Field rülpste nochmals. „Was machen Sie denn hier?

Sie sind doch Sheriff in Rawlins, wenn ich mich nicht irre …“ Dann kicherte er.

„Sie irren sich nicht, Sam …“

Der Alkohol ist immer Fields Problem gewesen, überlegte Matthews. Daran schien sich nichts geändert zu haben.

Field hatte früher einen Job auf der Saunders-Ranch, ganz in der Nähe von Rawlins, gehabt. Niemand anderes als der gutmütige Jake Saunders hätte einem notorischen Säufer wie Sam Field einen Job gegeben. Seine Gutmütigkeit brachte Saunders ein paar Jahre später in Geldschwierigkeiten, und leider waren die Menschen, mit denen er zu tun hatte, weit weniger großzügig als er es ihnen gegenüber gewesen wäre. Saunders machte Pleite, seine Ranch wurde versteigert, und natürlich hatten die neuen Besitzer kaum ein Interesse daran, einen Mann wie Sam Field für sich arbeiten zu lassen, der manchmal morgens schon so betrunken war, dass er unmöglich auf einem Pferd sitzen konnte …

Danach hatte Matthews Field aus den Augen verloren. Es musste ihm verhältnismäßig gut gehen, dachte Matthews, als er die Flasche näher betrachtete, die vor Field auf der Theke stand. Champagner aus Frankreich… Diese Flasche hatte einen langen Weg hinter sich, bis sie in den Regalen von Buddy Silverman’s Saloon gelandet war. Und ihr Preis musste auf diesem Weg zu einer stolzen Summe angewachsen sein!

„Sie können sich so etwas leisten, Sam?“

„Klar, kann ich. Warum auch nicht?“ Er zog eine Grimasse, suchte an seinem Glas zu nippen und goss sich statt dessen den Inhalt übers Hemd.

„Haben Sie Arbeit?“

Auf einmal war Field ganz ruhig, seine Glupschaugen bildeten sich zurück, und er schien für einen Moment fast nüchtern zu sein.

Natürlich hatte er keine Arbeit, Matthews brauchte Fields Antwort gar nicht abzuwarten.

„Aber Sie haben genug Geld, um sich einen solchen Tropfen leisten zu können!“

Da war ein Unterton in Matthews’ Stimme gewesen, der Sam Field mit einem Mal vorsichtiger werden ließ. Er hob die Augenbrauen, verzog die Gesichtsmuskeln und rieb sich an den Schläfen.

„Warum wollen Sie das wissen, Sheriff?“

Anstatt ihm eine Antwort zu geben, packte Matthews ihn mit der Rechten am Kragen, während er mit der Linken einen Packen von Geldscheinen aus Fields zerschlissener Jacke holte.

Matthews knallte das Geld vor Field auf den Schanktisch. Es wurde von einem Papierstreifen der Bank von Rawlins zusammengehalten.

„Sehen Sie sich das an, Sam!“, schrie Matthews, während die anderen Gespräche im Schankraum mehr und mehr verstummten, verhieß Matthews’ aufgebrachter Ton doch möglicherweise ein interessantes Schauspiel, das niemand versäumen wollte!

„Das ist mein Geld!“, sagte Field schwach.

„Ach, ja? Wirklich Ihr Geld, Sam?“ Matthews packte ihn erneut beim Kragen. „Sehen Sie sich den Packen genau an! Diese Scheine kommen von der Bank in Rawlins!“

„Na und? Ich habe sie dort abgehoben!“

„Ich wette mit Ihnen um tausend Dollar, Sam, dass Sie in Rawlins nie ein Bankkonto besessen haben!“

„Ich …“

„Es ist doch mehr als merkwürdig: In Rawlins wird die Bank ausgeraubt und wenig später taucht Geld, das eindeutig von dort stammt, bei einem Herumtreiber auf!“

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