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Stress im Unternehmen

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Stress ist relativ

Was als stressig empfunden wird, variiert von Mensch zu Mensch. Nicht immer liegt der Fall so eindeutig wie beim Säbelzahntiger. Wesentlich ist das Gefühl von Kontrollverlust, von Überforderung. Reize, die plötzlich auftreten, solche, die als bedrohlich empfunden werden, oder solche, die unbekannt sind, erzeugen Stress. Wenn Ihnen spätabends auf dem Nachhauseweg in einer dunklen Seitengasse plötzlich jemand in den Weg springt, wenn Ihr eben noch friedlicher Gesprächspartner sich plötzlich die Ärmel hochkrempelt und Sie dabei wütend fixiert oder wenn Sie als Sportmuffel im Managementseminar unverhofft im Kletterwald in luftiger Höhe herumturnen sollen, empfinden Sie sehr wahrscheinlich Stress. Ein Kollege hingegen, der begeisterter Freeclimber ist, wird der Übung im Kletterwald recht gelassen entgegensehen, und Vladimir Klitschko wird die Situation in der dunklen Gasse wahrscheinlich anders wahrnehmen als Mutter Beimer.

Mit Übung den Stress kontrollieren

»Stressig« ist also nicht eine Situation an sich, sondern die Bewertung der Situation durch den Einzelnen. In vielen Fällen werden Menschen sich in dieser Bewertung einig sein (Säbelzahntiger und andere ernst zu nehmende Angreifer etwa), in anderen hängt die Wahrnehmung der Situation von Vorerfahrung und Übung ab. Denken Sie beispielsweise an Ihre erste praktische Fahrstunde: Für viele Menschen waren das extrem stressige 60 Minuten, nach denen sie mit steifem Nacken und völlig erschöpft aus dem Wagen gestiegen sind. Heute können sie darüber nur noch lächeln. Die damals unbekannte Situation ist längst zur Routine geworden. Übung und Training kann also helfen, eine Stresssituation als kontrollierbar zu erleben und damit zu bewältigen. Nicht ohne Grund trainieren Piloten gefährliche Situationen immer wieder im Flugsimulator. Das lässt hoffen: Auf alle heiklen Momente, die vorstellbar oder vorhersehbar sind, kann man hintrainieren. Und dieses Training verhindert (mit ein bisschen Glück), dass das Großhirn im Falle eines Falles einen Ausflug macht.

Stressoren-Typen

Vielleicht fragen Sie sich inzwischen, was Säbelzahntiger, Klettergärten oder angriffslustige Fremde in dunklen Gassen mit Ihrem Managementalltag zu tun haben sollen. Natürlich ist die Gefahr, im Büroflur einem Raubtier zu begegnen, vergleichsweise gering. Die Stressoren in den Unternehmen sind anderer Natur, aber nicht weniger wirksam. In der Stressforschung ist man sich heute einig, dass neben »objektiven Stressoren« (wie Hitze, Kälte, Lärm, Schlafentzug, Verletzungen oder akute Gefahr) auch »subjektive« Stressoren eine starke Wirkung entfalten. Solche subjektiven Stressoren sind zum Beispiel Sorgen, ausgelöst durch eine negative Grundhaltung, oder ein stark empfundener Leistungsdruck als Folge von Perfektionismus. Dasselbe gilt für »soziale Stressoren«. »Ähnliche Konsequenzen wie Stress und Zeitdruck könnten emotionale Konflikte, Überforderung und zu große Komplexität auslösen«, warnt Rüdiger Trimpop. Der Mathematiker und Wirtschaftspsychologe Franz Reither, der ein lesenswertes Buch zum Komplexitätsmanagement verfasst hat, schlägt in dieselbe Kerbe: »Kontrollverlust und damit Stress entsteht nicht nur, wenn einem die Dinge ›aus der Hand‹ gleiten. Bereits Ungewissheit und mangelnde Vorhersagbarkeit genügen, um das besagte Gleichgewicht zu verletzen.«3

Ursachen von Stress

Stress am Arbeitsplatz entsteht also auch,

– wenn Menschen nicht wissen, wie es weitergeht,

– wenn Menschen nicht einschätzen können, was um sie herum vor sich geht,

– wenn der eigene Selbstwert durch die Entwicklung bedroht ist (beispielsweise durch Konflikte mit Vorgesetzten, Kollegen oder Mitarbeitern),

– wenn Menschen das Gefühl haben, dass sie eine Situation nicht mehr beherrschen können.

Stressauslösende Situationen in Unternehmen

Damit sind wir schon ziemlich nah an typischen Unternehmenssituationen und ihren Folgen für die Mitarbeiter. Unternehmen strukturieren um; dadurch verändern sich Aufgabenbereiche, aber auch Teams. Eine Fusion mit einem Mitbewerber steht an, und keiner kann abschätzen, wie sich das auf den eigenen Arbeitsplatz auswirkt. Sinkende Absatzzahlen verschärfen den Konkurrenzkampf, intern wie extern. Oft ist es schlicht die zunehmende Komplexität von Aufgaben in einer globalisierten Hightechwirtschaft, die das Gefühl von Ohnmacht und Überforderung und damit Stress auslöst. Macht man sich diese Prozesse bewusst, so lassen sich Handlungsweisen in Unternehmen mit stammhirngesteuerten Reflexen erklären.

Abhauen als Reaktion auf Stress

Da ist zum Beispiel der Geschäftsführer eines mittelständischen Maschinenbauers, der tief in der Krise steckt. Die Umsätze brechen ein, die Billigkonkurrenz aus Fernost macht schwer zu schaffen, zu allem Überfluss hat ein Großkunde den Vertrag gekündigt – eine Insolvenz scheint nicht mehr ausgeschlossen. Man sollte meinen, dass der Geschäftsführer in dieser heiklen Situation mit Volldampf an der Sanierung seines Unternehmens arbeitet. Doch stattdessen lässt er sich für ein zeitraubendes Ehrenamt gewinnen und ist kaum noch vor Ort. Er stürzt sich mit Feuereifer auf repräsentative Aufgaben und mischt aktiv in der Pressearbeit des Vereins mit – von der Bildauswahl bis zur peinlich genauen Korrektur der Satzfehler im neuesten Flyer (!) ist er sich für keine Aufgabe zu schade. Abhauen – eine klassische Fluchtreaktion, erwartungsgemäß mit wenig Erfolg. Das Unternehmen muss Insolvenz anmelden und wird von einem Wettbewerber übernommen.

Totstellen als Reaktion auf Stress

Oder nehmen Sie zahlreiche Traditionsunternehmen, die irgendwann den Zug der Zeit verpassen und sehenden Auges in den Untergang steuern. So konzentrierte Märklin sich unverdrossen weiter auf Modelleisenbahnen, als längst Playstations und Computer in die Kinderzimmer Einzug gehalten hatten und sich fast nur noch ältere Herren für die kleinen Eisenbahnen interessierten. Das Unternehmen musste Insolvenz anmelden. Auch Uhrenhersteller Junghans schaffte die Wende nicht, obwohl die Firma durch Billigkonkurrenz mehr und mehr unter Druck geriet. »Zu spät stellte die Firma von Massenware auf hochwertige Uhren um«, urteilte die Frankfurter Rundschau. Im Januar 2009 wurde das Unternehmen an einen Investor verkauft.4 Nicht eine unvorhersehbare Krise machte den Traditionsmarken den Garaus, sondern ein schleichender Prozess, vor dem die Inhaber offensichtlich die Augen verschlossen. In beiden Unternehmen wird der Vertrieb von Jahr zu Jahr sinkende Absatzzahlen gemeldet haben. In beiden Unternehmen wird die Buchhaltung schrumpfende Gewinne und irgendwann steigende Verluste verzeichnet haben. Offenbar übte sich das Management in Vogel-Strauß-Politik. Man könnte auch sagen: Totstellen – wenn ich mich nicht rühre …

Angreifen als Reaktion auf Stress

Und auch reflexhaftes Angreifen ist Managern nicht fremd. Ein Beispiel: Ein mittelständisches Medienunternehmen geht an die Börse. Der Börsengang spült zwar das erwartete Kapital in die Kasse, doch die kühn gestarteten Projekte – darunter der Einstieg ins Film- und ins Beratungsgeschäft – verschlingen Unsummen und bescheren nur magere Umsätze. Während der Aktienkurs immer weiter in den Keller geht, zettelt der zunehmend unter Druck geratene Vorstand und Mitgründer des Unternehmens zu allem Überfluss noch einen Prozess mit einem Hauptaktionär an. Aus seiner Sicht regiert ihm der zu viel ins Geschäft hinein und maßt sich damit Eingriffe an, die ihm nicht zustehen. In der Presse wird daraufhin mehr über die neuesten Entwicklungen in dieser juristischen Auseinandersetzung berichtet als über die Produkte des Unternehmens. Die Folge: Negativschlagzeilen ohne Ende, sinkende Umsätze, die Aktie stürzt weiter ab. Der Prozess, in dem es unter anderem um den Ausschluss einer Investorengemeinschaft um den Hauptaktionär von den Hauptversammlungen des Unternehmens geht, wird verloren. Am Ende wird der Vorstand entlassen. Das Unternehmen überlebt vorerst, doch der neue Vorstand muss Mitarbeiter entlassen, Programme zusammenstreichen und Kosten sparen, wo es nur geht. Das nennt man dann wohl wildes Angreifen – koste es, was es wolle.

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