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Vergangenheit, die nicht vergehen will

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Angebliche Hexen und Hexer gibt es heute noch, und sie werden noch so unbarmherzig verfolgt wie vor 400 Jahren. Die Lektüre seriöser Tages- und Wochenzeitungen wirft ein Schlaglicht auf erschütternde Schicksale: „Vielleicht konnte Abraham Madibeng Phasha gerade noch sehen, dass die ersten Steine, die ihn trafen, aus der Hand seines Neffen kamen, bevor er blutend in den Sand fiel und unter den Geschossen der Umstehenden starb. Vielleicht hat er seine Mörder noch um Gnade gebeten – die meisten von ihnen waren seine Nachbarn in dem kleinen Bauerndorf Mahlabela im Norden Südafrikas. Aber vielleicht hat der 52-Jährige damals, im Februar 1993, auch gar nicht mehr versucht, sein Leben zu retten, weil er wusste, dass es sinnlos war. Schließlich war das Urteil gefällt: Tage zuvor war die verstümmelte Leiche von Phashas Bruder Moses gefunden worden. Und der Inyanga, der traditionelle Heiler und Wahrsager des Dorfes, hatte nach Befragung des Orakels nicht nur den Namen des Mörders, sondern auch sein Motiv verkündet: Er habe Brudermord begangen, um aus Teilen des Körpers Muti herzustellen. Muti ist Zulu und heißt Medizin. Abraham Madibeng Phasha, sprach der Wahrsager, sei ein Hexer, er schade der Gemeinschaft – ein Schuldspruch, der das Todesurteil bedeutete.“ (Die Zeit, 02/2001). Dies ist kein Einzelfall. Die Frankfurter Rundschau berichtete am 12. 7. 2001 davon, dass in der Demokratischen Republik Kongo 800 Männer und Frauen als Hexen durch einen wütenden Mob getötet wurden. Hexerei erklärt noch heute in Afrika viele Formen von Unglück oder Benachteiligung.

Die Ursachen dafür liegen weit zurück. Studien seit den 30er-Jahren haben die grundlegende Bedeutung von Magie und Hexenglauben in paganen („heidnischen“) Kulturen Afrikas und Asiens verdeutlicht. Magie besteht demnach aus rituellen Praktiken, mit denen man die natürliche und soziale Umwelt zu beherrschen glaubt. Der Hexenglaube hat dabei vor allem die Funktion, Unglück zu erklären, das auf andere, „natürliche“ Weise nicht verstehbar ist.

Magie, Hexenglaube und Hexenverfolgung stellten also keine Besonderheit des christlichen Europa, schon gar nicht des Mittelalters dar. Sie sind vielmehr ein Völker und Zeiten umspannendes Kulturphänomen. Aufklärung und wissenschaftliches Weltbild scheinen es ausgerottet zu haben, aber das Wiederaufblühen der Verfolgung in Afrika zeigt die Vitalität der alten Geister.

Trotzdem: Von der Obrigkeit organisierte Massenverfolgungen von Hexen und Hexern gab es nur in der europäischen und gerade auch in der deutschen Geschichte.

Dieses Buch soll auf der Grundlage des Standes der Geschichtswissenschaft einen kurzen, gut verständlichen Überblick über diesen Irrweg Europas geben, beginnend mit den Wurzeln in der Antike, fortschreitend über die Ausformung im Mittelalter, den Höhepunkt in der Frühen Neuzeit bis zum Abklingen im 18. Jahrhundert.

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