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>> Umweltschutz ist eine Frage von Technologie, Innovation und wirtschaftlichem Erfolg. Das ist gutes, zukunftsweisendes Geschäft. <<

Peter Löscher1

VORWORT

LET`S CHANGE A RUNNING SYSTEM

Kaum ein Leitsatz löst bei Menschen so viele positive Gefühle aus wie „Never change a running system“ oder in der Sportwelt: „Never change a winning team“. Es funktioniert etwas hervorragend! Es werden gerade wirklich erfreuliche Ergebnisse erzielt. Man hat Erfolg – man kann und darf genießen.

Erstaunlicherweise findet sich das Motto „Never change a running system“ in der englischsprachigen Welt nicht. Auch in der IT-Welt geht es nicht darum, ein störungsfrei laufendes IT-System nie zu patchen. Vielmehr sollen Systemwartungen in solchen Zeitfenstern vorgenommen werden, in dem Anwender es gerade am wenigsten aktiv benötigen.2

Selbst in der Sportwelt zeigen viele Beispiele, dass Trainer in Turnieren mit Mannschaften gerade dann besonders erfolgreich waren, wenn sie die Aufstellungen geschickt von Spiel zu Spiel veränderten.

Das ökologisch-ökonomisch und soziale System auf unserem Erdball schien im Verlauf der letzten 200 Jahre gut zu funktionieren. Ressourcen und Wachstum schienen unerschöpflich. Fortschritt und Wohlstand entwickelten sich gefühlt Hand in Hand. Gerade unser Land erlebte nach 1945 eine Zeit, die als „Wirtschaftswunder“ in die deutsche Geschichte einging.

Anfang der 70er Jahre entwickelten sich erste tiefgreifendere Bedenken, ob das Zusammenspiel von Ökonomie und Ökologie in der laufenden Form ein Zukunftsmodell bleiben kann. Vorausberechnungen ließen immer deutlicher erkennen, dass wir Menschen das in der Natur bestehende Gleichgewicht in Unordnung bringen. 1972 veröffentlichte eine Gruppe von Wissenschaftlern um Dennis und Donella Meadows eine Studie, in der sie unter der Bezeichnung „Standard Run“ die Zukunft auf Grundlage eines Modells mit Daten der Vergangenheit simulierten. Sie unterstellten, dass die Menschheit so weiter wirtschaften würde wie bislang und gelangten zum Ergebnis, dass die Zivilisation unter diesen Bedingungen innerhalb der nächsten 100 Jahre zusammenbrechen würde.

Heute steht aus wissenschaftlicher Sicht fest: Das Zusammenspiel von Ökonomie, Ökologie und Sozialem bedarf tiefgreifender Veränderungen. Zwischen exponentiellem Bevölkerungswachstum, der Ausbeutung der Rohstoffe sowie der Zerstörung des Lebensraumes und dem Verlust von Biodiversität bestehen signifikante Zusammenhänge. Entsprechende Erkenntnisse sind politisch anerkannt und zumindest in Deutschland auch bei den Menschen überwiegend angekommen. Die Anforderungen an diese Veränderungen werden inzwischen gerne in einem Begriff zusammengefasst: Nachhaltigkeit.

2019 verschafften die Fridays-for-Future-Demonstrationen dem Klimaschutz einen Schub in der öffentlichen Wahrnehmung. Auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos Anfang 2020 widmete der amerikanische Präsident dem Thema in seiner Rede zwar nur wenig Aufmerksamkeit. Das Forum stand dennoch ganz im Zeichen des Klimaschutzes. Die Corona-Pandemie wurde kurz darauf zu einem alles überstrahlenden Ereignis. Der durch die Pandemie ausgelöste Lockdown und die damit einhergehende Entschleunigung der Menschen förderte verdrängte Systemfragen an die Oberfläche. Zukunftsforscher und Wissenschaftler wiesen auf die Chance hin, die die Pandemie für ein Umdenken in ökologischer, ökonomischer und sozialer Sicht eröffnen könnte. Es wurden die Auswirkungen des Lockdowns auf die CO2-Emissionsentwicklung beobachtet. Bei der Ausgestaltung staatlicher Förderprogramme gab es aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Presse zahlreiche Stimmen, die Nachhaltigkeitsaspekte bei diesen Programmen letztlich erfolgreich einforderten.

Sucht man heute Literatur nach den Schlagworten Unternehmen, Organisationsentwicklung, Leadership oder Agilität, so eröffnet sich eine Auswahl, die Bibliothekswände füllt. Sucht man in der deutschsprachigen Literatur hingegen mit den Schlagworten Unternehmen, Nachhaltigkeit, SDG (Sustainable Development Goals), wird der Suchende ziemlich allein gelassen. Bei viel allgemeiner Literatur zum Thema Nachhaltigkeit wird selten eine schlüssige Synthese von Ökologie und Ökonomie mit dem Schwerpunkt Transformation gesucht. Dazu passt ein Befragungsergebnis der Europäischen Investmentbank, wonach nur 28 Prozent der Deutschen glauben, dass Technologie und Digitalisierung zu den besten Lösungen des Klimaschutzes gehören. Die verbreitete kritische Haltung gegenüber einer Synthese von Ökologie und Ökonomie korreliert mit meiner Wahrnehmung in der Beratungsarbeit: Eine gewisse Offenheit für Nachhaltigkeitsaspekte in Organisationen besteht häufig, jedoch selten in Kombination mit „Aktion aus Überzeugung“. Vielmehr spürt man die Sorge der Entscheidungsträger, einen Trend zu spät aufzugreifen und dadurch einen Wettbewerbsnachteil zu erleiden. Fast immer werden Maßnahmen in schneller Form kostenmäßig quantifiziert. Dabei führen Kurzfristbetrachtungen und noch häufiger Voreingenommenheit gegenüber Veränderungen in Sackgassen. Wir werden sehen: In Wahrheit gibt es viele Entwicklungen und gute Gründe für mehr Tatkraft und Optimismus!

Simon Sinek hat mit seinem „Golden Circle“ einen Marketingansatz geschaffen, der heute auch gerne in der Projektarbeit und bei Change-Prozessen herangezogen wird. Eine stufenweise Abarbeitung des „WHY-HOW-WHAT“ stellt sicher, dass Menschen beim Start eines Veränderungsprojektes zunächst auf der Ebene der Dringlichkeit abgeholt werden, um sie dann für den Veränderungsprozess im „Wie“ und „Was“ der Umsetzung mitzunehmen. An der Idee des Golden Circle habe ich mich auch beim Schreiben dieses Buches orientiert.

Viel wurde in den letzten Jahren bereits über die Dringlichkeit notwendiger Veränderungen im Bereich der Nachhaltigkeit geschrieben – dem Why. Dabei spielte die Darlegung der hoch komplexen Vernetzung ökologischer, ökonomischer und sozialer Spannungsverhältnisse eine wesentliche Rolle. Dieses Buch will sich daher nicht zu sehr auf die Makroebene dieser Vernetzung begeben – weder in deren Darstellung, noch in deren konzeptioneller Auflösung. Stattdessen gibt es ein klar definiertes Ziel, es in den Kapiteln nicht bei Problemvertiefung zu belassen, sondern Lösungswege und Mut machende Entwicklungen zu beschreiben. Ziel ist eine Synthese aus Ökonomie und Ökologie, unter Wahrung sozialer Anforderungen. Das Hauptaugenmerk liegt also auf den Fragen: Wo wurden in der Wirtschaft die Zeichen der Zeit bereits erkannt? Wo wurden neue Ideen oder Optimierungen entwickelt, um Nachhaltigkeit substantiell und messbar voranzubringen? Welche Erkenntnisse könnten andere Organisationen anregen, neue Wege zu gehen, selbst aus ihnen zu lernen oder eigene Ideen zu entwickeln?

Daher konzentrieren sich die nachfolgenden Kapitel recht schnell auf die SDG-Ziele und Themenfelder, in denen Unternehmen bereits Pionierarbeit geleistet und besondere Erfolge erzielt haben. Es finden sich eine Reihe von Beispielen interessanter Firmen, die ihr langjährig bewährtes Geschäftsmodell grundlegend geändert haben und dabei erfolgreich sind. Weiterhin werden innovative Unternehmen beschrieben, die mit neuen Geschäftsmodellen attraktive Nischen besetzt haben und gerade sehr spannende Entwicklungen nehmen. Das wird auch wiederkehrend mit Aktienkursentwicklungen der Unternehmen verglichen. Damit soll deutlich werden: Der Change in die Nachhaltigkeit muss nicht zusätzliche Last in einem für viele Unternehmen ohnehin schon ambitionierten Wettbewerbsumfeld sein. Es finden sich vorausdenkende, kreative Gesellschaften, die den Change in die Nachhaltigkeit schon vor Jahren entdeckt und angepackt haben. Mit teils tiefgreifender, wertebasierter Arbeit wurde die Strategie der Unternehmen modifiziert, neu ausgerichtet oder die Strategie war vom Start weg von Nachhaltigkeit geprägt. Diese Unternehmen profitieren heute von mutigen Entscheidungen und konsequent umgesetzten Veränderungen. Es sind wirtschaftlich erfolgreiche Firmen, die mit hoher Kompetenz und Professionalität nachhaltig Ertrag und Arbeitsplätze schaffen. Ihnen gelingt die Verbindung von Ökonomie, Ökologie und Sozialem, den drei Säulen, die auch den SDG zugrunde liegen. Solche Unternehmen und auch dieses Buch sind zwar keine Blaupause für einen Transfer in eine nachhaltige Wirtschaft. Als Vorbilder stellen sie aber unter Beweis, was der ehemalige CEO Peter Löscher der Siemens AG formulierte: „Umweltschutz ist eine Frage von Technologie, Innovation und wirtschaftlichem Erfolg. Das ist gutes, zukunftsweisendes Geschäft.“ Im Kern geht es also darum, Ideen von gelebter Nachhaltigkeit zu transportieren und insbesondere Vordenkern unserer Wirtschaft eine Plattform zu geben. Der Aufbau der nachfolgenden Seiten folgt somit der Idee:

Let`s change a running system!

Bei Licht betrachtet haben wir unter Berücksichtigung aller ökonomischen, ökologischen und sozialen Wechselwirkungen aktuell nur noch ein vordergründig funktionierendes System. Notwendig sind Veränderungen in fast allen Bereich des Lebens und der Wirtschaftswelt: Der Energieerzeugung und Mobilität, bei Produkten, Dienstleistungen und Konsumverhalten. Es muss gelingen, Unternehmen, Beschäftigte und Konsumenten für neue Wege zu gewinnen.

Am einfachsten haben es Produkte, die unter dem Label Nachhaltigkeit vertrieben werden, wenn der Konsument den persönlichen Nutzen ganz konkret erlebt und sich mit ihm im besten Falle sogar sehr identifizieren kann. In eigener Person habe ich das erlebt, als wir vor drei Jahren eine Solaranlage auf unserem Hausdach installieren und diese zur Tankstelle eines Elektroautos werden ließen. Unsere Jüngste (15 Jahre) kommentierte auf der ersten gemeinsamen Fahrt mit dem rein elektrisch betriebenen Fahrzeug: „Das ist ja schöner als Fliegen!“ Die Elektromobilität muss und wird unter Nachhaltigkeitsaspekten noch entscheidende Weiterentwicklungen durchlaufen. Doch schon heute teile ich eine Erfahrung mit anderen Nutzern: Wer das Fahren im Elektroauto erlebt hat, wird auf keinen Verbrenner mehr umsteigen. Auf dem eigenen Dach erzeugter grüner Strom als Antriebsmittel anstelle von Benzin vermittelt ein gutes Gefühl.

Dieses Buch sucht zwar immer wieder den Blickwinkel von Unternehmen. Ganz im Sinne richtig verstandener Agilität steht aber die Perspektive des Verbrauchers stets Pate. Zwar sind es die großen digital ausgerichteten Konzerne, die in den letzten Jahren viel Macht gewonnen haben. Es wird aber deutlich werden: Im Verhältnis zu vielen anderen Leistungserbringern hat die Digitalisierung auch Verbrauchern mehr Macht in die Hand gegeben, die sie zuvor so nicht hatten. Besonders in der jungen Generation ist darüber hinaus die „Sehnsucht nach einer gesunden Welt“ spürbar. Insgesamt steigt die Nachfrage nach vertrauenswürdigen Unternehmen, die die Erwartung von Konsumenten erfüllen, sich dem Thema Nachhaltigkeit zu stellen.

Dieses Buch spricht Leser an, die die Notwendigkeiten und Hürden des Transformationsprozesses in eine CO2-neutrale Welt durchdenken und besser verstehen wollen: über Daten, Fakten, technische Hintergründe, Zusammenhänge und im engeren Sinne des Wortes „Wissenswertes“ zum Thema Nachhaltigkeit. – Nachdem ich in den letzten zehn Jahren Einblicke in Unternehmen verschiedener Branchen gewonnen habe, wurde mir deutlich: Es bleibt noch viel Spielraum für nachhaltiges Wirtschaften. Insofern wendet sich dieses Buch im Besonderen an Begeisterte:

• An begeisterte Entscheidungsträger in Organisationen, die sich im „Großen“ – der Strategie des Unternehmens – einbringen können. Eine ganzheitlich nachhaltige Ausrichtung eines Anbieters schafft für Verbraucher Bindungen und fördert seine Kaufentscheidungen. Daher zahlt sich eine Nachhaltigkeitsstrategie für das Unternehmen selbst als Investition in die eigene Zukunft aus.

• An begeisterte Mitarbeiter in Organisationen, die dort als Umsetzer und Multiplikatoren für Nachhaltigkeit tätig sind. Die Beispiele der Praxis dieses Buches sollen Impulse und Rückhalt geben.

• Zwar hat nicht jeder Mitarbeiter in Organisationen den gleichen „Wirkungshebel“ auf das Kerngeschäft. Die Organisation und ihre Mitarbeiter sind aber auch selbst Konsumenten. Deswegen haben letztlich alle Mitarbeiter die Chance, mit guten Ideen und deren Umsetzung im eigenen Bereich Nachhaltigkeit zu fördern.

Bei allen Veränderungen von Organisationen ist das „Wie“ der Umsetzung für den Erfolg entscheidend. Das gilt auch für die Transformation in nachhaltige Prozesse und Produkte. Daher wird im abschließenden Teil des Buches den folgenden Fragen nachgegangen:

• Wie gelingt ein „glaubhafter Aufschlag“ der Unternehmensleitung?

• Ist die Ausrichtung der Organisation auf Nachhaltigkeitsaspekte in der Strategie verankert?

• Gibt es eine Roadmap, die den gesamten Veränderungsprozess steuert und in der Organisation wachhält, bis er selbsttragend ist?

• Wird die Notwendigkeit der Veränderung gut vermittelt?

• Werden die richtigen Mitarbeiter für ein verantwortliches Team gewonnen?

• Wie wird eine Wirkungs- und Wesentlichkeitsanalyse erstellt?

• Gibt es Nachhaltigkeitsziele, die mit anderen unternehmerischen Zielen gleichrangig verfolgt werden?

Sehr geachtet habe ich darauf, in allen Kapiteln polarisierende Formulierungen zu vermeiden. Das Thema Nachhaltigkeit leidet seit seiner Entstehung unter widerstreitenden „Ideologisierungen“, die der Sache nicht zuträglich sind. Fortschritte und Erfolge werden sich schneller einstellen, wenn von allen Beteiligten stets die Sachebene gesucht und gewahrt wird. Schuldzuweisungen und Streit über das Ausmaß von Fehlentwicklungen kosten Zeit und vernebeln Lösungswege. Es muss im Kern darum gehen, auf die Maßnahmenebene zu gelangen und dort messbare Erfolge zu erzielen.

Immer wieder wird es um die wichtige Frage gehen, wie wir in Deutschland im erforderlichen Umfang unseren Beitrag zu den Zielen des Pariser Klimaschutzabkommens beisteuern können. Grundlegend dafür ist eine Quick-Win-Matrix, die eine Einordnung ermöglicht, mit welchen Maßnahmen, Ressourcen und leistungsfähigen Playern wir die höchste CO2-Reduktion erzielen können – bei gleichzeitig geringstmöglichen Einschränkungen unternehmerischer oder individueller Freiheitsrechte.

Schon an dieser Stelle kann vorweggenommen werden: Gleichgültig, ob in der Nahrungsmittel-, Energie-, Fahrzeug-, Kleidungs-, Elektronikindustrie oder in der Finanzwirtschaft – es gibt keine Branche, die nicht den Veränderungsdruck aus dem „Zielfeld“ Nachhaltigkeit spürt. Dabei ist gleichgültig, ob dieser Druck vom Bundesverfassungsgericht, der Politik, Kunden, Investoren oder von der Straße ausgeht. Es hat sich ein gesellschaftlicher Trend herausgebildet. Unternehmen werden Nachhaltigkeit bezüglich Risiken und Kosten anders bewerten müssen. Es ist ein Thema, das bleiben wird. Umso mehr lohnt es, sich seines jetzt anzunehmen.

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