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>> Wir brauchen heute keine generelle Überzeugungsarbeit mehr zu leisten, um Menschen davon zu überzeugen, dass die Arbeit an einer nachhaltigen Entwicklung richtig und vernünftig ist. Aber wir müssen noch viele davon überzeugen, dass es notwendig ist, vom Ziel einer nachhaltigen Entwicklung auch dann nicht abzulassen, wenn es schwierig wird und wir auf Widerstände stoßen. <<

Dr. Michal Hauff 114

2 · 50 JAHRE UN-KLIMA-POLITIK – SOLL UND HABEN

Am 24. Oktober 1945 waren die Vereinten Nationen als Nachfolgeorganisation des Völkerbundes gegründet worden, um nach dem zweiten Weltkrieg die internationale Zusammenarbeit zu fördern und Konflikte zu vermeiden. Als ein Arbeitsschwerpunkt für die UN entwickelte sich das Thema Nachhaltigkeit, in dem zunächst jahrzehntelang mühevoll ein weltweites Bewusstsein im Sinne des oben genannten Zitats aufgebaut wurde.115 Weiter gab es auch wertvolle substanzielle Erfolge, etwa bei der Bekämpfung des Ozonlochs, von Krankheiten und der Armut auf der Welt. Insbesondere im Bereich des Klimaschutzes verhinderten aber hauseigene Probleme der UN größere Fortschritte: Der Vereinbarung von Zielen und Verpflichtungen standen Multilateralismus und die fehlende Möglichkeit zu Mehrheitsentscheidungen entgegen. Zudem lag die Umsetzungsebene explizit in der Souveränität der Nationalstaaten. Damit hing das Erreichen der UN-Ziele von den Ressourcen, bestehenden Strukturen und dem Wollen jedes einzelnen Landes ab. Interessen einzelner Staaten behinderten so immer wieder die Funktion des gesamten Ordnungssystems und UN-Ideale.116

Die nachfolgenden Seiten zeigen die UN-Aktivitäten mit ihren wichtigsten Entwicklungsschritten, die das Thema Nachhaltigkeit über inzwischen fast 50 Jahre genommen hat.

Entwicklungsschritte der UN-Nachhaltigkeitspolitik


Stockholmer Klimakonferenz

Vom 5. bis 16. Juni 1972 fand in Stockholm die erste Konferenz der Vereinten Nationen zum Thema Umwelt statt. Diese Weltumweltkonferenz (UNCHE, United Nations Conference on the Human Environment) gilt als Beginn der internationalen „globalen“ Umweltpolitik. Zur Erarbeitung einer „Erklärung der Konferenz der Vereinten Nationen über die Umwelt des Menschen“ trafen sich mehr als 1.200 Vertreter aus 113 Staaten. Die verabschiedete Deklaration beinhaltete 26 Prinzipien für Umwelt und Entwicklung. Darüber hinaus wurde ein Aktionsplan mit 109 Empfehlungen verfasst, der Maßnahmen des internationalen Umweltmanagements expliziter ausführte. Mit ihrer Verabschiedung bekannten sich die Staaten zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in Umwelt- und Naturschutzfragen. Die Stockholmer Klimakonferenz war der Start für zahlreiche weitere Klimakonferenzen, Meilensteine für die Entwicklung des Klimaschutzes. Darüber hinaus leistete die Konferenz den Impuls für erste abgestimmte europäische Klimaschutzmaßnahmen sowie Aktivitäten in Deutschland.

Brundtland-Bericht

Am 4. August 1987 legte die UN-Kommission für Umwelt und Entwicklung unter dem Vorsitz von Gro Harlem Brundtland ihren Bericht mit dem Titel „Our Common Future“ vor. Mit dem später nach seinem Vorsitzenden benannten „Brundtland-Bericht“ setzte die Staatengemeinschaft das Thema „Nachhaltigkeit“ erneut auf die Tagesordnung der internationalen Diskussion. Der Bericht steht für seine beiden Definitionen der „Nachhaltigen Entwicklung“, von denen die erste Definition hohen Konsens erlangte: „Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.“ Mit dem Brundtland-Bericht wurde Grundlagenarbeit geleistet, um Menschen davon zu überzeugen, dass die Arbeit an einer nachhaltigen Entwicklung richtig und für den Erdball letztlich überlebensnotwendig ist. Der Brundtland-Bericht gilt deswegen als der Beginn des weltweiten Diskurses über Nachhaltigkeit beziehungsweise nachhaltige Entwicklung.

Montrealer Protokoll

Im Montrealer Protokoll verpflichteten sich die Unterzeichnerstaaten mit Wirkung ab dem 01.Januar 1989 zur Reduzierung und schließlich zur vollständigen Abschaffung der Emission von chlor- und bromhaltigen Chemikalien, die das Ozon in der Stratosphäre zerstören. Das Montrealer Protokoll beruht auf dem Vorsorgeprinzip und ist ein Meilenstein im Umwelt-Völkerrecht. Heute zeigen Messungen, dass sich das Ozonloch über der Antarktis etwa seit dem Jahr 2000 allmählich schließt. Hält dieser Trend an, geht die Welt-Organisation für Meteorologie davon aus, dass das Ozonloch um das Jahr 2050 Geschichte sein wird.117

Kyoto-Protokoll

Im Mai 1992 wurde in New York ein Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) mit der Zielsetzung vereinbart, eine von Menschen verursachte Beeinträchtigung des Klimasystems zu verhindern. Die globale Erwärmung und ihre Folgen sollten durch Verminderung von Treibhausgas-Emissionen verlangsamt beziehungsweise gemildert werden. Das Abkommen wurde unter der Bezeichnung „Kyoto Protokoll“ bekannt, weil fünf Jahre später – am 11. Dezember 1997 – auf der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Kyoto eine Zusatzerklärung unterschrieben wurde, in der erstmals völkerrechtlich verbindliche Zielwerte für den Ausstoß von Treibhausgasen in Industrieländern vereinbart wurden. Teilnehmende Industrieländer verpflichteten sich, ihren jährlichen Treibhausgas-Ausstoß innerhalb der sogenannten ersten Verpflichtungsperiode (2008–2012) um durchschnittlich 5,2 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu reduzieren.

Bis Anfang Dezember 2011 wurde das Kyoto-Protokoll von 191 Staaten sowie der Europäischen Union ratifiziert. Für Schwellen- und Entwicklungsländer gab es keine festgelegten Reduktionsmengen. Mit den USA, China und Indien unterschrieben allerdings die Staaten mit den größten Emissionen das Kyoto-Protokoll nie; Kanada gab Ende 2011 seinen Ausstieg aus dem Abkommen bekannt.

Millenniums-Entwicklungsziele

Im September 2000 entschlossen sich die Vereinten Nationen auf ihrem Millenniumsgipfel, durch klar definierte Ziele und Vorgaben den Kampf gegen Armut, Hunger, Krankheit und Umweltzerstörung aufzunehmen. Eine Arbeitsgruppe aus Vertretern der Vereinten Nationen, der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds und des Entwicklungsausschusses Development Assistance Committee der OECD formulierten acht Millennium Development Goals (MDG), abgeleitet aus der Millenniumserklärung des Gipfels. 2001 veröffentlichte die UN die acht MDG zusammen mit Indikatoren zur Messung des Erreichten. Alle 193 Mitgliedsstaaten der UNO beschlossen einstimmig, die MDG bis 2015 umsetzen zu wollen. In rückblickender Betrachtung wurde zwar Kritik am Erfolgsgrad geäußert. Fakt ist aber, dass im Umsetzungszeitraum in einigen Zielen gute Fortschritte erzielt wurden: 118

• Die Kindersterblichkeit (Ziel 4) wurde um 50 Prozent gesenkt.

• Bei der Müttersterblichkeit (Ziel 7) war zwar eine Reduktion um 75 Prozent angestrebt, immerhin ging die Müttersterblichkeit seit 1990 aber um 45 Prozent zurück.

• Im Bereich der schweren Erkrankungen konnte Malaria insbesondere durch den Einsatz von von 900 Millionen Bettnetzen um 37 Prozent eingedämmt werden. Im Jahr 2000 gab es noch kaum Kinder, die unter Bettnetzen im Schlaf vor Moskitostichen geschützt wurden. Auch neue HIV-Erkrankungen konnten in der Zeit von 2000 bis 2013 um 40 Prozent gesenkt werden.

• 9 von 10 Kindern erhalten inzwischen eine Schulausbildung – eine Steigerung der Zahl von Schulkindern um 50 Millionen.

• Bei der Bekämpfung extremer Armut und Hunger (Ziel 1) wurde eine signifikante Verbesserung erreicht. Von 1990 bis 2015 hat sich die Anzahl der Menschen, die weniger als 1,25 Dollar am Tag zur Verfügung haben, von 47 auf 14 Prozent reduziert. Allerdings wurden diese Werte durch Fortschritte in China (von 61 auf 4 Prozent) getrieben, die wenig auf UN-Aktivitäten zurückgehen. In Afrika ging die Quote nur um 28 Prozent zurück.

• Unterernährung von Menschen konnte auf unter zehn Prozent der Weltbevölkerung gedrückt werden.

Maßgeblich für die erreichten Fortschritte war ein höherer Geldeinsatz. Bis 2015 stiegen die zur Verfügung stehenden Einsatzmittel von 81 auf 135 Milliarden Dollar.

Kyoto II

Vom 26. November bis 8. Dezember 2012 fand die UN-Klimakonferenz in Doha, Hauptstadt des arabischen Emirats Katar, statt. Es war die 18. Konferenz der Vertragsstaaten der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (COP 18) und gleichzeitig das achte Folgetreffen im Rahmen des Kyoto-Protokolls.

In Doha gelang es, eine Nachfolgeregelung für die Zeit nach der ersten Verpflichtungsperiode 2008 bis 2012 aus dem Kyoto-Protokoll zu finden. Tatsächlich wurden nach Überwindung vieler Hürden Reduktionsbeiträge für die Jahre 2013 bis Ende 2020 gefunden. Russland, Japan und Neuseeland erklärten allerdings ihren Austritt. 119

Pariser Abkommen

Am 12. Dezember 2015 wurde in Paris auf der internationalen Klimakonferenz, auch „COP 21“ genannt, das Pariser Abkommen beschlossen. Es sollte in der Nachhaltigkeitsentwicklung ein entscheidender Meilenstein werden. Nach vielen Jahren intensiver Verhandlungen verpflichteten sich alle Staaten, die Weltwirtschaft auf klimafreundliche Weise zu verändern. Über die Regelungen im Kyoto-Protokoll hinaus verpflichteten sich erstmals alle Industriestaaten, Treibhausgas-Emissionen zu senken. Der Vertrag von Paris enthielt gegenüber den Vorverträgen auch eine neue Logik. Die Staaten definierten nicht mehr, was sie erreichen, sondern, was sie unbedingt verhindern wollen: Einen ungebremsten weiteren Anstieg der Erderwärmung – bis zum Ende des Jahrhunderts soll diese deutlich unter 2 Grad, eher unter 1,5 Grad bleiben (auf der Basis von 1990). Das brächte die reelle Chance, die Erde in einem Zustand zu bewahren, wie ihn die Menschheit kennt. Aus dem Pariser Abkommen folgte nicht, welcher Staat welche Menge an CO2 einsparen sollte. Mit der Ratifizierung verpflichteten sich die Unterzeichner aber völkerrechtlich, Maßnahmen zur Erreichung des übergeordneten Ziels zu ergreifen. Anders als noch im Kyoto-Protokoll haben danach fast alle Staaten eigenständig nationale Klimaschutzziele definiert. Das Abkommen verpflichtet die Regierungen dazu, alle fünf Jahre neue, stets ambitioniertere Ziele vorzulegen. Was damals noch wie ein aktivistisches Postulat klang, ist mittlerweile real: Seit 2019 gibt es immer mehr Länder, die bis 2050 klimaneutral werden wollen, darunter die gesamte Europäische Union, Kanada und Japan. Die Realität hat den Vertrag damit sogar überholt: Die Vertragsregelung lautete, dass die Staaten „in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts« klimaneutral werden müssten.120 Das wäre auch 2099 noch der Fall gewesen. Das Pariser Abkommen enthielt ein weiteres wichtiges Element: Ärmere Länder werden finanziell sowie durch Wissens- und Technologietransfer dabei unterstützt, ihre Maßnahmen zum Klimaschutz umzusetzen.121

Global Compact

Der Global Compact – oder auch United Nations Global Compact – ist ein weltweiter Pakt, der zwischen Unternehmen und der UNO geschlossen werden kann, um die Globalisierung sozialer und ökologischer zu gestalten. Die Teilnahme am Global Compact lässt sich durch einen kurzen Brief an den UN-Generalsekretär begründen. Darin erklärt ein Unternehmen seinen Willen, sich um die Einhaltung definierter sozialer und ökologischer Mindeststandards zu bemühen. Die Grundsätze dieser Mindeststandards bestehen aus zehn Prinzipien. Die ersten Prinzipien verpflichten etwa zur Einhaltung von Menschenrechten, Ausschluss von Kinderarbeit oder Beseitigung von Diskriminierung bei der Einstellung und Arbeit. Für deutsche Unternehmen bedeuten diese Aspekte im eigenen Land glücklicherweise keine neuen Herausforderungen, wohl aber bei internationalem Agieren, etwa in Lieferpartnerschaften mit anderen Unternehmen. Im eigenen Land verlangen hingegen die Prinzipien sieben bis zehn Aufmerksamkeit: Unternehmen sollen

7. im Umgang mit Umweltproblemen dem Vorsorgeprinzip folgen,

8. Initiativen ergreifen, um größeres Umweltbewusstsein zu fördern,

9. die Entwicklung und Verbreitung umweltfreundlicher Technologien beschleunigen,

10. gegen alle Arten der Korruption eintreten, einschließlich Erpressung und Bestechung.

Sustainable Development Goals

Die seit 2016 wirksame Agenda 2030 mit ihren 17 Sustainable Development Goals (SDG) ist ein politisches Manifest für die Gestaltung der Welt – also auch für die jetzt noch verbleibenden gut acht Jahre des Zielzeitraumes. Die 17 SDG sind für Industrie- und Entwicklungsländer gleichermaßen verpflichtend. Sie bilden einen Handlungsplan für alle drei Arbeitsbereiche der Vereinten Nationen – Frieden und Sicherheit, Entwicklung sowie Menschenrechte – und fassen die sozialen, ökonomischen und ökologischen Dimensionen nachhaltiger Entwicklung zusammen.122 Die SDG gelten also für alle Nationen, Institutionen, Organisationen und Unternehmen: Es geht um solche Veränderungen unserer Welt, die sicherstellen, dass Menschen und Planet gedeihen können. Die Auswirkungen extremer Wetterereignisse werden bekämpft. Menschenrechte erhalten Priorität, Ungerechtigkeiten werden benannt und auf die Notwendigkeit der Stärkung von Frauen hingewiesen. Die Agenda thematisiert die einander bedingenden Ursachen von Armut, Hunger, Pandemien, Ungleichheit, Umweltzerstörung, Klimawandel, Zwangsmigration, Gewalt und Extremismus.

Seit 2005 bilden Germanwatch und das NewClimate Institute jährlich einen globalen Klimaschutz-Index über Fortschritte bei der ökologischen Nachhaltigkeit. Der Index umfasst ein Ranking der 57 größten CO2-Emittenten weltweit, auf die 90 Prozent der globalen energiebedingten Emissionen entfallen. Inhaltlich spiegelt der Index die Entwicklung von fünf Aspekten: Treibhausgas-Emissionen (40 Prozent der Gesamtwertung), erneuerbare Energien (20 Prozent), Energieverbrauch (20 Prozent) und Klimapolitik (20 Prozent) und inwieweit das jeweilige Land in den genannten Bereichen adäquat handelt, um die Pariser Klimaziele erreichen zu können. Alle untersuchten Länder befinden sich noch nicht auf einem mit den Pariser Klimazielen kongruenten Pfad; die ersten drei Plätze des Index bleiben daher unbesetzt. Spitzenreiter sind Schweden und Dänemark auf den Plätzen 4 und 5, Deutschland belegt Platz 23.122a Immerhin verzeichnen mehr als die Hälfte der 57 größten Emittenten sinkende Emissionstrends. Die große Mehrheit der Staaten strebt den Abschied von fossilen Energien an: Der globale Kohleverbrauch geht deutlich zurück, der weltweite Ausbau der erneuerbaren Energien kommt gut voran. Auch wollen viele Staaten die Unterstützung für die von der Klimakrise besonders Betroffenen verbessern. Nur eingeschränkt oder gar nicht galt dies zuletzt für die USA (Platz 57), Brasilien, Australien oder Saudi-Arabien. Von diesen Staaten mit starker Kohle-, Öl-, und Agrar-Lobby ging eher Widerstand gegen die Klimaziele aus.

Im Gesamtergebnis erwies sich der kleinste gemeinsame Nenner der gut 190 Staaten bislang als nicht ausreichend, um die Klimakrise aufzuhalten. Im Gegenteil: Die Dinge haben sich zugespitzt. Der Veränderungsdruck ist jetzt so hoch, dass wohl nur noch 10 bis 20 Jahre verbleiben, um extrem einschneidende Folgen für die Menschheit abzuwenden.

Mit Blick in die Zukunft und auf die Agenda 2030 mit den SDG türmen sich aus Sicht von Skeptikern hohe Hürden:

• zunehmende Ungleichheit zwischen Völkern und innerhalb von Völkern,

• immer größere Armut und Kriege mit Flüchtlingsströmen,

• eine immer noch fortschreitende Schädigung des Ökosystems,

• weiteres Wirtschaftswachstum als Ursache einer fotschreitenden Schädigung des Ökosystems,

• ein zinsbasiertes Finanzsystem, Nährboden für die Schere zwischen arm und reich.

Wir werden auf all diese Punkte zurückkommen.

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