Читать книгу Hölle vs Himmel - reiner nawrot - Страница 8

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Die große Götterrunde war zusammengetreten. Von der Führung bis zu den Praktikanten hatten sich fast alle im himmlischen Gewölbe versammelt. Schon seit Stunden ging es darum, ob und wie die Forderung der Schwarzen erfüllt werden konnte. Die Kartoffelmenge zu erhöhen wäre kein Problem. Schon seit Jahrhunderten beteten zwar die Menschen um gute Ernten, waren ihren jeweiligen Göttern aber auch nicht allzu böse, wenn es mal wieder eine deftige Missernte gab. Im Gegenteil. Sie brachten dann in ihren Tempeln den Göttern erst recht und sogar noch größere Opfer dar, was die natürlich dankbar annahmen. Tagelang hatte man dann zu tun, die geopferten Gaben sicherzustellen. Massenweise Obst, Getreide, Brot und Plätzchen mussten aus den Tempeln abtransportiert werden, und der literweise dazwischen genossene Wein erleichterte die Arbeit auch nicht gerade, zumal Kopfschmerztabletten nicht zu den Opfergaben zählten. Es war schon eine ziemliche Plackerei.

Die jedenfalls so ab und zu stattgefundene „Missernte“ der Kartoffeln wurde dann bei den Schwarzen abgeliefert und anschließend herrschte wieder bei allen für eine Weile Ruhe. Diesmal sah die Sache allerdings anders aus. Die neuen Forderungen von Champagner und Austern machten der Logistikabteilung der Weißen zu schaffen. Ihr bisheriger Leiter war daraufhin zurückgetreten, weil er die zugesagten Mengen für unmöglich lieferbar hielt. Sein Nachfolger Maakucken dagegen, ein Halbgott der auch die dementsprechende Größe hatte, überzeugte die Anwesenden mit seinem neuen Konzept, das er „Aktives Handeln“ nannte und der Versammlung gerade in wesentlichen Punkten vortrug.

„Wir dürfen also nicht mehr nur wie bisher den passiven …sozusagen begleitenden Part übernehmen, sondern sollten künftig in allen Situationen a k t i v und aggressiv voranschreiten …stetige aktive Präsenz sozusagen.“

Dazu ballte er beide Fäuste und ließ sie vor seinem Brustkorb in schneller Folge auf und nieder wippen, als würde er mit Gewichten üben. Die eher weinerlich-ängstliche Stimmung, die sich nach Vertragsabschluß bei den Weißen breit gemacht hatte, welkte bei solch einer zur Schau gestellten Entschlossenheit natürlich schnell dahin, und verflüchtigte sich restlos. Mit jedem weiteren Satz Maakuckens, der aber auch ein begnadeter Redner war, wurden die Gesichter der Anwesenden zuversichtlicher.

„Austern zu liefern …als ob das etwas Unmögliches wäre. Wachsen denn nicht täglich neue heran? Geben sich die fleißigen Fischer bei der Ernte der Austern nicht alle erdenkliche Mühe? Und sorgen sie nicht dafür dass die dann umgehend in alle Welt transportiert werden? Wie sollten aber die Götter über j e d e n dieser Transporte ihre schützende Hand halten …?“

Dabei guckte er theatralisch hilflos in die Runde und erntete neben vielen immer noch verständnislosen Blicken auch erstes gehässiges Grinsen. Nach der wohlkalkulierten Kunstpause fuhr er aber umso entschlossener fort.

„Wer wollte denn dafür bürgen, dass nicht plötzlich …Zack …ein verirrter Blitz, eine Monsterwelle oder auch ein plötzlich aufkommendes Unwetter solch ein Transportschiff am Weiterschwimmen hindert? Oder ein Flugzeug vielleicht nicht mehr fliegen lässt …sind wir Götter denn unfehlbar? Naaahein …“

Behutsam den Kopf schüttelnd guckte er mit gespielter Empörung in die Runde, in der sich nun doch immer mehr Begeisterung breit machte. Immer wieder waren jetzt Satzfetzen wie etwa „Möönsch das isses …genau, warum eigentlich auch nicht“ aus der Menge zu hören.

Maakucken hob nun seine Stimme und wurde mit jedem Wort lauter.

„Und können wir es dann zulassen, dass die armen Tiere im Bauch eines gesunkenen Wracks in für sie unwirtlichen Wassertiefen eingeschlossen sind und sinnlos dahinscheiden oder in im Wald herumliegenden Flugzeugtrümmern austrocknen …fern der Heimat und ihrer geliebten Familien …?“

Die letzten Worte peitschte er förmlich heraus, wobei er seine Stimme dramatisch vibrieren ließ, was eigentlich immer gut die Emotionen bediente und auch diesmal seine Wirkung nicht verfehlte. Viele sprangen in der tumultartigen Stimmung auf und reckten ihre Arme in die Luft, unterstützt von einem wilden Stimmengewirr.

„Jawoll …genau …passieren kann doch immer mal was …“

Zufrieden mit der Reaktion erhob er stillegebietend seine Arme, was aber nur langsam wieder für Ruhe sorgte. Einen Augenblick ließ er das wieder eingetretene Schweigen noch wirken, um dann mit ruhigen wohlgesetzten Worten die Saat zu legen.

„Das Wrack s e l b e r können wir natürlich nicht mehr retten …aber uns der armen schutzlosen Austern anzunehmen …dazu verpflichtet uns allein schon unsere Moral und nicht zuletzt unsere hervorgehobene Stellung.“

Bravo-Rufe waren zu hören. Demütig, vielleicht aber auch nur um sein zufriedenes Grinsen zu verbergen, senkte er den Kopf und genoss den von ihm erwarteten und jetzt auch tatsächlich einsetzenden Jubelsturm. Allmächtiger, der per Videokonferenz zugeschaltet war, schien nicht ganz zufrieden. Ihm war der Vortrag etwas zu reißerisch geraten und das sagte er auch zum Schluss. Weil er aber mit seiner Meinung ziemlich allein dastand, wollte er kein Spielverderber sein, zumal sich alle Beschaffungsprobleme auf diese Weise ja anscheinend lösen ließen.

So wurden am Ende der Versammlung die beiden Praktikanten Beet Zumier und Ferr Eertmich damit beauftragt, erst einmal die ausgehandelte Probekiste Champagner für die Schwarzen zu besorgen. Weil die beiden kurz vor ihrer Ernennung zum Gottesanwärter erhebliche Schwächen gezeigt und in einer Situation völlig versagt hatten, sollten sie mit dieser Maßnahme die Chance zur Rehabilitation erhalten. In einem kleinen unterentwickelten Land, indem Mensch und Tier noch fast gleichberechtigt nebeneinander lebten, hatten sie nämlich einen Hilferuf der Menschen offensichtlich gänzlich überhört oder vielleicht auch nur völlig falsch interpretiert. Auf alle Fälle waren sie durch Gebete aufgerufen, bei einer Wahl ein wenig Einfluss zu nehmen, hatten aber am Ende irgendwie die Teilnehmer verwechselt. Das Ergebnis sah dann jedenfalls so aus, dass plötzlich ein siebenjähriger Tiger Bürgermeister war und sich anschließend auf merkwürdige Weise die Einwohnerzahl täglich reduzierte. Erst als die Dorfbewohner darüber lauthals ihre Götter verfluchten, wurde Allmächtiger auf die Situation aufmerksam. Durch ein schnell ausgeführtes Not-Wunder vertrieb er den Bürgermeister aus dem Amt zurück in den Dschungel und gab der schon arg dezimierten Dorfgesellschaft damit ein kleines bisschen ihres Glaubens zurück. Und nun sollten die beiden Pechvögel, sozusagen als letzte Chance, die Aufgabe mit dem Champagner lösen. Woher und wie sie ihn besorgen würden, blieb völlig ihnen überlassen. Die einzige Auflage lautete: Kein Blut und keine Gewalt.

Während die anderen Versammlungsteilnehmer nun langsam auseinander gingen um sich wieder ihren Aufgaben zu widmen, klinkten sich Beet Zumier und Ferr Eertmich mit ihrem Kommunikationswürfel ins UWW (Universe Wide Web) ein.

Sie hatten die Aufgabe zwar akzeptiert, im Moment aber noch keinen blassen Schimmer woher sie den Champagner bekommen sollten. Als erstes ließen sie deshalb ein Suchprogramm laufen und erfuhren so, dass Champagner nur in einer bestimmten Region hergestellt wurde. Fast waren sie schon bereit, dieser Gegend einen Besuch abzustatten und vielleicht unter Mitwirkung des abgesetzten Bürgermeisters, der ihnen noch einen Gefallen schuldig war, eine Kiste des Edelstoffes zu konfiszieren, als Beet Zumier auf eine Stelle des Monitors zeigte.

„Guck doch, Champagner …und gar nicht mal so weit von hier. Aber im Wasser …? wird der Kram denn im Wasser hergestellt?“

Das Suchprogramm zeigte blinkend den Fundort einer kleinen Menge an, die eventuell gerade der gesuchten Kiste entsprechen könnte. Ferr Eertmich stand als erster auf.

„Na dann los …sehen wir uns dort mal um.“

*

Hölle vs Himmel

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