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Kapitel 1 – Der Mord kommt ungelegen!

Es war einmal ein trüber Tag. Das dachte Bezirksinspektor Peter Palmayer, als er die kleine Stadtvilla betrachtete, vor der er stand. Das Haus sah für ihn aus, als wäre es soeben einem Märchen entsprungen. Und es war ein trüber Tag. Diese zwei Eindrücke ließen in ihm den Gedanken entstehen. Der Anlass, der ihn zu dem Knusperhäuschen führte, war weniger märchenhaft. Aus dem Grund schüttelte er die Vorstellung ab. Er öffnete das schmiedeeiserne Gartentor, das aus aufrecht stehenden, grün lackierten Speeren zu bestehen schien. Der restliche Zaun war auf die gleiche Weise gearbeitet und ruhte auf einem kleinen Betonsockel links und rechts vom Tor. Dahinter tat sich eine sauber gestutzte Hecke auf, die zu dieser Jahreszeit keine Blätter trug und innerhalb ihres geometrischen Schnittes wirres Geäst war. Woher sollte sie Licht bekommen, um auszutreiben, dachte Palmayer. Seit Tagen war es trüb, wie heute. Dunkle Wolken ließen die Tageszeit verschwimmen. Sie bewegten sich träge über den Himmel, unentschlossen, ob sie ihren Regen preisgeben sollten, mit dem sie prall gefüllt waren. Trotz des fehlenden Sonnenlichts war es für Jänner zu warm. Bei zehn Grad Außentemperatur reichte Palmayer sein dunkelblauer Dufflecoat, den er offen über den mittelgrauen Anzug trug. Die weinroten, handgearbeiteten Schuhe mit Budapester Muster betraten den gepflasterten Weg, der vom Gartentor zum Eingang des Bauwerkes führte, der, von der Straße aus betrachtet, an der linken Hauswand lag. Rund um das Haus war Garten, der winterlich und gepflegt aussah. Hinter dem Gebäude ratterte ein Güterzug vorbei. Zuerst hörte Palmayer ihn, wenig später sahen die blauen Augen den Bahndamm hinauf und er begann, die Wagons zu zählen. Bei vierunddreißig riss ihn sein Kollege, Gruppeninspektor Franz Wimmer, aus den Gedanken.

„Nettes Haus. Schade, dass es in keiner ruhigen Lage ist“, stellte Wimmer fest. Palmayer nickte. Nicht weit von der linken Hauswand entfernt begann das Grundstück der Nachbarn. Ebenfalls eine kleine Stadtvilla, wie alle Anwesen in der Straße im vierzehnten Wiener Gemeindebezirk. Insgesamt waren es zehn Häuschen, die sich Garten an Garten aneinanderreihten. Die Kriminalbeamten standen in der Einfahrt des zweiten Hauses. Hinter ihnen, auf der anderen Seite der schmalen Straße, zog sich ein Bau mit Gemeindewohnungen der Stadt Wien über die gesamte Länge. Krasser könnte der Gegensatz nicht sein, dachte Palmayer. Sie mussten alle Bewohner, die von ihren Gemeindewohnungsfenstern Einblick in den Garten hatten, befragen, ob ihnen Ungewöhnliches aufgefallen war. Der Bezirksinspektor seufzte und kratzte sich die dunklen Brusthaare am offenen Kragen des blauen Hemdes. Klinkenputzen. Nicht seine Lieblingsbeschäftigung. Sein Blick wanderte über die Fassade des Märchenhauses. Der Putz war in hellem Rosa gehalten. Die vier Fenster, die straßenseitig im Erdgeschoss zu sehen waren, hatten weiß gestrichene Rahmen. Über den ersten Dreien spannte sich ein schwarzes Dach mit zwei Gaupen. Ein kleines Türmchen bildete den Abschluss des oberen Stockwerks. An allen Fensteröffnungen befanden sich dunkelblaue Fensterläden, die offen standen.

Erst als Palmayer ein paar Schritte weiter in den Garten machte, bemerkte er die uniformierten Kollegen, die abwartend herumstanden. Er ging auf denjenigen zu, der dem Eingang am nächsten war. Ein Blick auf die Rangabzeichen verriet ihm, dass es sich um einen Revierinspektor handelte. Er hatte mehr als sechs Dienstjahre auf dem Buckel.

„Servus. Bezirksinspektor Palmayer“, stellte er sich dem Uniformierten vor, „Wo ist sie?“ Heute Vormittag klingelte im Kommissariat das Telefon und man teilte ihm mit, dass eine Frauenleiche gefunden worden war. Nachdem man ihm die Adresse mitgeteilt hatte, schnappte er sich den Dufflecoat und seinen Kollegen und kurz darauf stand er hier und fragte nach dem Fundort der Leiche. Der Revierinspektor betrachtete sein Gegenüber. Der Kriminalbeamte hatte dunkle Haare, erste graue fanden sich darunter, und eine hohe Stirn. Der Uniformierte schätzte ihn auf Mitte vierzig. Er deutete auf die Eingangstür. „Im Flur“, war die knappe Antwort.

„Und wer hat sie gefunden?“, fragte Palmayer weiter. „Die Putzfrau. Die ist im Wohnzimmer“, antwortete der Polizist. Mehr wollte der Kriminalbeamte nicht wissen und er sah wenig Sinn darin, den Revierinspektor mehr zu fragen.

Franz Wimmer folgte dem Kollegen, der sich Richtung Eingang aufmachte. Palmayer war sportlich-elegant gekleidet, wie Wimmer es bezeichnete. Franz war seiner Ansicht nach sportlich, ohne elegant zu sein. Die Jeans, das schwarze Ledersakko und die Turnschuhe passten zur schlanken Figur. Der blonde Bürstenhaarschnitt und der Dreitagebart ließen ihn jünger aussehen, obwohl Palmayer und ihn nicht mehr als vier Jahre trennten. Neben der Eingangstür lehnte ein Metallsarg aufrecht an der Hauswand und verdeckte die Klingel.

„Die Bestatter sind da“, sagte Wimmer, als Palmayer die Tür öffnete. Der Bezirksinspektor sah sich regem Treiben gegenüber. Hinter der Tür standen im engen Hausflur zwei Herren in schwarzen Anzügen. Ihnen gehörte scheinbar der Sarg. Palmayer begrüßte sie mit einem Nicken. Im Flur schwirrten ein paar Leute der Spurensicherung umher, erkennbar an den weißen Schutzanzügen, in denen sie ein bisschen aussahen wie die Spermien in Woody Allens Film aus den Siebzigern. „Ah, welche von der Spurenvernichtungskommission! Kommt rein!“, hörte er einen der Spurensicherer mit zynischem Tonfall sagen. Das kümmerte ihn nicht. Sein Blick fiel auf den toten Frauenkörper, der im Flur lag. Rundherum eine Blutlache. Daneben ein Ärztekoffer und ein kniender Gerichtsmediziner. Hinter der Leiche fanden sich zwei Türen rechts, eine links und eine am Ende des Ganges, der Eingangstür gegenüber. Die letzte war verschlossen und durch die anderen liefen Uniformierte und Spurensicherer hin und her.

„Servus, Doktor“, begrüßte Palmayer den Gerichtsmediziner. Wimmer hatte sich hinter ihm noch in den Flur gedrückt und die die Eingangstür verschlossen. Wenn noch ein paar Personen hinzukämen, dachte der Bezirksinspektor, müssten sie sich auf die Leiche stellen.

„Servus, Pepe“, antwortete der Mediziner. Viele seiner Bekannten und Freunde nannten Peter Palmayer Pepe. Nach den Initialen. Der Gerichtsmediziner, mit dem der Kriminalbeamte ein paar Jahre zusammenarbeitete, war einer davon. Der Doktor erhob sich. Er war nicht dick. Die Figur konnte man als stämmig bezeichnen. Seine braunen, kurz geschnittenen Haare, die hoch oben auf der Stirn begannen, wurden durch einen gleichfarbigen Kinnbart ergänzt. Er war ein paar Jahre älter als Palmayer und sie verstanden sich gut. „Und?“, fragte der Bezirksinspektor.

„Sie ist tot“, antwortete der Doktor und sah Pepe mit seinen tiefgründigen, braunen Augen an. „Echt jetzt?“, tat Palmayer verwundert. Der Gerichtsmediziner deutete auf die rechte Tür.

„Gehen wir in die Küche. Dort ist mehr Platz“, schlug er vor. Pepe nickte. Der Doktor packte seine Sachen in die Tasche und ging voraus. Palmayer und Wimmer folgten ihm. In der Kochstube grüßte Franz den Arzt. „Servus, Wimmer“, entgegnete dieser.

Die Küche beanspruchte das erste der vier Fenster, die auf die Straße zeigten, gegenüber der Küchentür. Linker Hand erstreckte sich eine Küchenzeile mit Hängekästen. Die Schränke zogen sich unter der Fensteröffnung der Wand entlang. Rechts stand ein Esstisch mit vier Stühlen, die ebenso in rustikaler Kiefer gehalten waren, wie die Küche. Die Holzart bedeckte die gesamte Einrichtung, bis hin zur Arbeitsplatte, die mit dunkelbraunen Ästen auf der honigfarbenen Kieferplatte überzogen war. Insgesamt machte der Raum einen bäuerlichen Eindruck und wären die Wände und der Fliesenboden nicht weiß gewesen, fühlte man sich erdrückt. In der Küche stand ein uniformierter Kollege und sah aus dem Fenster. Als die drei Personen die Kochstube betraten, warf er ihnen einen Blick zu und deutete Palmayer, das er noch mit ihm reden müsste.

„Was gibt’s, Inspektor?“, fragte Pepe. Ein junger Kollege, ein Indianer, wie sie die Abgänger der Grundausbildung nannten. Der Polizist holte einen kleinen Notizblock hervor und ohne weitere Worte begann er, vorzulesen:

„Die Tote ist Dr. Silke Lechner. Zweiundfünfzig Jahre. Sie hatte einen Dienstausweis des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl bei sich. Auf den Visitenkarten, die wir ebenfalls bei ihr gefunden haben, steht, dass sie Direktorin ist. Und sie ist verheiratet. Zumindest stehen im Wohnraum Fotos mit einem Mann. Entdeckt hat sie die Putzfrau. Sie kommt an zwei Tagen in der Woche vorbei. Sie ist jetzt im Wohnzimmer und geschockt. Eine Spanierin. Ich vermute, illegal angestellt.“ Damit war der Vortrag des Inspektors beendet. Palmayer nickte seinem Kollegen Wimmer zu. Der machte einen Schritt zum Indianer, legte ihm die Hand auf die Schulter und meinte: „Gute Arbeit, junger Mann. Jetzt lassen sie uns bitte einen Moment mit dem Doktor sprechen.“ Er schob ihn zaghaft aus der Küche und schloss die Küchentür.

„Rede du mit der Putzfrau“, sagte Pepe zu Wimmer. „Echt?“, antwortete dieser überrascht. Sollte er nicht beim Gespräch mit dem Doktor anwesend sein? „Ich erzähle dir nachher alles. Wie du mir. Spart Zeit.“, entgegnete Palmayer. Daraufhin verließ Wimmer die Küche und ließ Pepe mit dem Arzt zurück.

„Und?“, fragte der Polizist den Gerichtsmediziner. „Das Opfer ist weiblich. Attraktiv für ihr Alter. Ich vermute, sie war am Weg in die Arbeit, weil sie ein Nadelstreifkostüm anhat. Weitere Rückschlüsse sind dein Bereich.“, er grinste, „Sie ist überrascht worden, als sie sich die Schuhe an- oder auszog. Ihr wurde von hinten die Kehle aufgeschlitzt. Mit einem scharfen Gegenstand. Ich denke, mit einem Messer. Der Mörder hat sie auf den Boden fallen lassen und sie ist ausgeblutet. Es ist nicht lange her. Heute Morgen, kurz bevor die Putzfrau sie gefunden hat.“ Pepe kratze sich nachdenklich die Brusthaare. „Sie hat Glück gehabt. Ein paar Minuten früher und der Mörder wäre ihr gegenübergestanden“, sinnierte er. „Kann sein. Ich lasse die Leiche jetzt überstellen, wenn du sie nicht mehr brauchst. Näheres kann ich dir nach der Obduktion sagen.“ Palmayer sah auf. „Gut. Mach das. Und schick mir den Revierinspektor in die Küche, wenn du rausgehst.“ „Mach ich“, antwortete der Doktor und verließ die Kochstube.

Pepe zog sein Mobiltelefon aus der Innentasche des Sakkos und suchte die Nummer von Claudia Baumgartner. Die junge Kollegin machte zurzeit eine Ausbildung zur Kriminalbeamtin und half Palmayer und Wimmer im Innendienst mit Recherchearbeit und ihren EDV-Kenntnissen. Nach dem ersten Klingeln war sie am Apparat. „Baumgartner“, meldete sie sich. „Hallo, Claudia. Pepe. Tu mir bitte einen gefallen. Finde alles Wissenswerte über eine Dr. Silke Lechner, wohnhaft im vierzehnten Bezirk, heraus. Sie ist Direktorin im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Vor allem, ob sie Angehörige hat und wie ich die erreichen kann“, führte Palmayer aus. „Dr. Silke Lechner. Ist gut“, wiederholte Claudia. Sie war beim Telefonieren kurz angebunden. Das konnte man nicht in jeder Situation von ihr behaupten. Sie war in der Lage zu tratschen und schnell und gründlich zu arbeiten. Pepe legte auf, ohne sich zu verabschieden. Mit Sicherheit kam bald das nächste Telefonat mit ihr.

In diesem Moment betrat der Revierinspektor die Küche. Der großgewachsene Mann füllte den Türrahmen komplett aus. „Sie wollten mich sprechen?“, sagte er. „Kommen sie herein. Sie waren einer der ersten am Tatort?“, fragte Pepe. „Das stimmt, wir erhielten den Funkspruch um zehn Uhr fünfunddreißig. Wir haben gleich alle informiert und ich veranlasste, dass eine großräumige Suche nach verdächtigen Personen durchgeführt wird. Die Leiche schien frisch“, erzählte der Revierinspektor. „Gute Arbeit. Haben sie eine Befragung der Nachbarn arrangiert? Ob jemand den Mörder gesehen hat?“, Pepe hoffte, dass er sich das lästige Klinkenputzen ersparen konnte. Das erwähnte er gegenüber dem Uniformierten nicht. Wegen der Dringlichkeit musste die Befragung sofort durchgeführt werden, und Indianer gab es genug. „Habe ich“, sagte der Polizist, „Alle sind noch nicht zurück. Bisher gibt es keine Ergebnisse. Ich verfasse darüber einen ausführlichen Bericht.“ Davon war Pepe überzeugt. Er konnte sich Schöneres vorstellen, als eine Darstellung in bestem Beamtendeutsch von einem wortkargen Revierinspektor zu lesen. Es war besser, als bei jedem Nachbarn klingeln zu müssen. „Lassen sie mir den Bericht umgehend zukommen“, sagte Pepe. Damit war sein Gespräch mit dem Uniformierten beendet. Beide gingen aus der Küche. Der Revierinspektor verließ das Haus und bezog Position neben dem Eingang. Palmayer wollte zum Kollegen im Wohnzimmer stoßen, als im Flur sein Handy klingelte.

Es war Claudia. Sie berichtete, dass Dr. Lechner keine nahen Verwandten hatte, außer ihrem Mann, einem pensionierten Sektionschef des Justizministeriums. Sie gab ihm die Mobiltelefonnummer durch. Pepe bedankte sich und legte auf. Er atmete tief ein. Eine Direktorin des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und ein ehemaliger Sektionschef aus dem Justizministerium. Das entwickelte sich zu einer heiklen Angelegenheit.

Die Bestatter waren derweil neben ihm im Flur damit beschäftigt Frau Dr. Lechner in den Metallsarg zu hieven, den sie zwischenzeitlich hereingebracht hatten. Einen kurzen Moment sah er ihnen zu wie sie die, nach der Aussage des Doktors, attraktive Frau, zusammenfalteten, damit sie in den schmalen Container passte. Kein schönes Ende dachte Pepe. Das Opfer hatte schulterlange, dunkle Haare und war hübsch für ihr Alter. Wenn man von dem langen Einschnitt entlang des Halses absah. Und der blutdurchtränkten Kleidung, die nicht mehr fürs Büro geeignet war. Der Doktor war kein Kostverächter und versuchte ab und zu mit Claudia zu flirten, wenn er seine Berichte vorbeibrachte. Mit wenig Erfolg bei der vierundzwanzigjährigen. Dass dem Gerichtsmediziner die Attraktivität einer Leiche auffiel, gab Palmayer zu denken. Einer der Bestatter warf einen losen Schuh in den Sarg, der andere steckte am Fuß des Opfers. Die Vermutung des Doktors stimmte. Sie wurde beim Anziehen oder Ausziehen des Schuhwerks überrascht. Der Mörder hatte sie ihre Tätigkeit nicht fertigmachen lassen. Die Bestatter deckten die Frau mit dem Deckel des Sarges zu. Sie versuchten die Eingangstüre zu öffnen. Die krachte gegen den Metallsarg, der im Weg stand. „Scheiß eng hier“, fluchte einer der Männer im dunklen Anzug. Palmayer musste in die Küche zurückweichen, damit die beiden Herren den Sarg nach hinten schieben und die Tür öffnen konnten. Pepe wandte sich ab. Er tippte die Nummer von Herrn Lechner in das Telefon, drückte auf den grünen Knopf und wartete.

„Lechner“, meldete sich eine Stimme am anderen Ende der Leitung. „Guten Tag, Herr Lechner. Spreche ich mit Herrn Dr. Walter Lechner, Gatte von Frau Dr. Silke Lechner?“, begann Palmayer das Telefonat. Er hasste es, Leuten schlechte Nachrichten zu überbringen. Am Telefon war es ihm noch unangenehmer. Er wollte ihn hier haben und befragen, es hinter sich bringen. „Das bin ich. Ist was mit meiner Frau?“, fragte die Stimme am Mobiltelefon. Sie klang gelassen, obwohl er aufgrund der formellen Frage, ob er der Gatte des Opfers war, beunruhigt war. „Mein Name ist Peter Palmayer. Ich bin Ermittler des Landeskriminalamtes. Ich befürchte, dass ich schlechte Nachrichten für sie habe.“, sagte Pepe. „Was ist passiert?“, fragte Lechner. Jetzt nahm die Nervosität in der Stimme zu. „Es ist besser, sie kommen nach Hause. Ich werde sie hier erwarten.“ „Bin unterwegs“, kam es aus dem Telefon. Der Gatte des Opfers legte auf.

Pepe ging ins Wohnzimmer. Herr Lechner brauchte ein paar Minuten, bis er hier eintraf. Derweil konnte er sich mit seinem Kollegen austauschen. Der saß auf einer braunen, englischen Ledercouch und hielt einen Notizblock in der Hand. Er versuchte die gestammelten, in schwachem Deutsch gesprochenen Worte der Putzfrau schriftlich festzuhalten. Der Raum vermittelte einen anderen Eindruck als die rustikale Küche. Die beiden Chesterfield Sofas waren die einzig schwer wirkenden Möbelstücke im Wohnzimmer. Ansonsten war es hell eingerichtet. Palmayer vermutete, dass es sich bei der modernen Schrankwand, die an der linken Seite des Zimmers stand, um Ahorn handelte. Die Schränke rahmten einen großen Flachbildfernseher ein. Gegenüber der Tür, durch die Pepe gekommen war, befand sich eine Reihe Terrassentüren, an denen sich zwei Spurensicherer zu schaffen machten. An der rechten Wand standen zwei Kommoden, ebenfalls Ahorn, und dazwischen eine Tür in einen weiteren Raum, die verschlossen war. Ein groß gewachsener Ficus ergänzte das Ensemble in der rechten hinteren Ecke des Zimmers. Palmayer ging ein paar Schritte und setzte sich neben Wimmer, dessen Sofa zwei Sitzplätze bot und den Blick in den Garten und in weiterer Folge auf den Bahndamm ermöglichte. Vor ihnen stand ein Couchtisch mit Glasplatte. Auf dem Möbelstück befanden sich eine Vase mit gelbroten Tulpen und ein Buch. Pepe schenkte dem zunächst keine Aufmerksamkeit. Er schaute sich um. Rechts neben dem Tisch war eine zweite Couch, von der man auf den Flachbildschirm sah. Dieses Sofa bot drei Personen Platz, derzeit saß eine darauf. Zwischen den Sofas war ein kleiner Beistelltisch in dunkelbraun, auf dem eine Stehlampe mit hellem Schirm stand.

Franz Wimmer sah seinen Kollegen an und blickte im Anschluss auf den Block. Er musste ablesen: „Das ist Clarinda Hermosa Alvarez Sanchez, die Haushälterin der Lechners. Siebenundvierzig. Sie arbeitet seit zwei Jahren hier und in anderen Haushalten. In Spanien haben sie und ihr Mann keine Arbeit mehr gefunden und sind hierhergekommen. Ihr Mann betätigt sich als Ausfahrer bei einer Bäckerei. Sie ist geringfügig angemeldet.“ Nicht illegal beschäftigt dachte Palmayer. Da waren bei der Beurteilung der Situation durch den jungen Inspektor Vorurteile eingeflossen. Pepe betrachtete die kleine, dicke Frau mit den rabenschwarzen Haaren, die sie zu einem Dutt hochgesteckt hatte. Sie hatte ein rotes Kostüm mit weißer Bluse an und war über und über mit goldfarbenem Modeschmuck behangen. Eine blütenweiße Strumpfhose, schwarze Schuhe mit niedrigem Absatz und ein Lippenstift, der in der gleichen Farbe leuchtete wie das Kostüm, rundeten die Erscheinung ab. Elegant im Rahmen der Möglichkeiten, dachte Palmayer, mit einem Schuss südländischer Übertriebenheit. Er sah ihr in die schwarzen Augen, die normalerweise Freude versprühten und glänzten. Pepe stellte sich eine resolute, spanische Mamma vor. Jetzt saß sie neben ihrem Regenmantel, den sie auf dem Sofa abgelegt hatte, und knetete nervös ihre Hände. Ihre Augen waren trüb, wie das Wetter. „Sie fanden Frau Lechner?“, fragte Palmayer.

„Si. Ich gefunden habe Frau Lechner.“, Clarinda war den Tränen nahe. „Sie am Boden gelegen hat. Im Vorzimmer. Ich wollte kommen putzen das Haus. Habe aufgesperrt und da war alles Blut. Alles Blut.“ Sie begann zu schluchzen. Wimmer kramte in der Tasche seines Ledersakkos und holte eine Packung Papiertaschentücher hervor. Eines davon zog er heraus und gab es der Haushälterin. „Gracias“, murmelte sie, wischte sich die Tränen ab und bezog das Taschentuch in das Kneten der Hände mit ein. Pepe ließ Clarinda einen Moment. Er fragte weiter: „Wann war das?“ „Ich beginne um zehn. Es war zehn, aproximadamente.“ Palmayer überlegte. Um zehn Uhr fünfunddreißig bekam der Revierinspektor den Notruf. Das passte. „Was ist ihnen noch aufgefallen? Haben sie jemanden bemerkt, war noch irgendjemand hier?“, fragte Pepe weiter. Wimmer notierte die Aussage auf seinem Notizblock. Clarinda sah kurz auf. „Nein, nada. Nichts. Das Blut. Alles voller Blut.“ Sie begann, erneut zu schluchzen. Pepe tippte Wimmer auf den Oberschenkel. Er erklärte die Befragung damit für beendet. Im jetzigen Zustand war der Haushälterin nicht mehr zu entlocken. Sie konnten die Spanierin später ins Kommissariat bestellen, wenn es Fragen gäbe. Palmayer flüsterte seinem Kollegen zu, dass er das große Nationale, die vollständigen Daten einer Person, samt Adresse, Beruf und Telefonnummer, aufnehmen solle. Vorher sollte Franz sie nach draußen begleiten. Wimmer stand auf und half Clarinda. Er nahm ihren Regenmantel und sie verließen das Wohnzimmer. Pepe hörte, wie die Frau einen erneuten Schluchzanfall bekam, als sie durch den Flur aus dem Haus gingen. Alles voller Blut, dachte Palmayer, das wird dem Hausherren zu schaffen machen. Eine blöde Stelle, der Hausflur. Die Haushälterin wird das wegmachen müssen, außer der Gatte des Opfers zeigte Herz und bestellte eine Reinigungsfirma.

Der Kriminalbeamte verweilte auf dem Sofa. Er wartete auf Dr. Lechner. Eine Zeit lang beobachtete er die Spurensicherer, die sich mit den Terrassentüren beschäftigten und dort Fingerabdrücke abnahmen. Sein Blick fiel auf den Couchtisch und das dort liegende Buch. Was hatte es auf dem Tisch verloren? War es die aktuelle Lektüre des Opfers? Er nahm es. Es hatte einen weinroten Umschlag und mit großen, gelben Buchstaben war das Wort „BUCH“ darauf gedruckt. Ein eigenwilliger Titel dachte Pepe. Darunter der Name des Autors. Riccardo Rilli. Er kannte ihn nicht. Der Polizist klappte das Buch auf und blätterte es durch. Seltsam dachte er, ein paar Seiten waren bedruckt, der Rest leer. Gerade wollte er die ersten Zeilen lesen, als ihn einer der Spurensicherer unterbrach.

„Entschuldigen sie. Ich denke, sie möchten wissen, dass es sich mit ziemlicher Sicherheit um einen Einbruch handelt.“ Palmayer sah auf. Das war interessant. „Die Terrassentür wurde aufgebrochen. Sie war gekippt. Der Täter hatte leichtes Spiel. Die Einbruchspuren sind deutlich zu erkennen. Wir haben jede Menge Fingerabdrücke sicherstellen können, die wir erst auswerten müssen. Ich vermute, dass viele davon von den Hausbesitzern oder der Haushälterin stammen.“ Pepe nickte. „Danke. Das ist hilfreich.“ Ein einfacher Einbruch. Palmayer senkte den Blick, der erneut auf das Buch fiel. Es zog ihn magisch an. Er musste es lesen. Hier war weder die Zeit, noch der Ort das zu tun. In diesem Augenblick hörte er Stimmen aus dem Flur. „Um Gottes willen!“, rief ein Mann im Vorzimmer. Dr. Lechner war eingetroffen. Ohne darüber nachzudenken steckte Pepe unbemerkt das Buch in seine schwarze, lederne Umhängetasche, die er, wenn er das Haus verließ, zu jeder Zeit bei sich trug. Er ging in den Flur.

Vor Palmayer stand ein älterer Herr mit grauen Haaren, die er zu einem ordentlichen Scheitel frisiert hatte. Das säuberlich rasierte Gesicht war blass und die hellgrauen Augen geweitet. Mit seinen schwarzen Maßschuhen weilte er in der angetrockneten Blutlache. Er zitterte. Neben dem Mann stand Wimmer, der tröstend auf ihn einredete. „Beruhigen sie sich. Kommen sie weiter. Sie sollten sich hier nicht aufhalten“, sagte der Kriminalbeamte. Wimmer hatte keine Erfahrung, wie er mit dem älteren Herrn, bei dem es sich um den Ehemann handelte, umgehen sollte. Palmayer griff ein, packte Dr. Lechner an den Schultern und wartete, bis er ihn ansah. Er schob ihn sanft zu sich und weiter in den Wohnraum. „Kommen sie, Herr Dr. Lechner. Setzen sie sich ins Wohnzimmer“, redete Pepe auf ihn ein. Als er den Mann auf das Sofa gesetzt hatte, wandte er sich an seinen Kollegen, der den beiden gefolgt war. „Bring bitte Dr. Lechner ein Glas Wasser aus der Küche.“ Wimmer drehte sich um und verschwand. Der Gatte des Opfers saß Richtung Terrassentür und Pepe nahm den Platz, den die Haushälterin zuvor besetzt hatte. Er stützte seine Ellbogen auf die Knie und sah den Herrn an.

„Ich muss ihnen mitteilen“, begann Pepe, „dass ihre Frau Opfer eines Gewaltverbrechens geworden ist.“ Dr. Lechner sah auf den hellen Parkettboden. Er saß, ebenso wie Palmayer, mit leicht gespreizten Beinen da und hatte die Ellbogen auf die graue Wollstoffhose gestützt. Über dem gestreiften Hemd trug er einen blauen Blazer mit Goldknöpfen und seinen hellbeigen Ballonseidenmantel, den er noch nicht abgelegt hatte. „Ist das ihr Blut im Flur?“, fragte Lechner und sah den Kriminalbeamten an. „Das ist es.“, bestätigte Pepe. „Ist sie?“ Der Ehemann wollte die tragische Möglichkeit des Ablebens seiner Frau nicht aussprechen. Er ließ die Frage unvollendet. Palmayer wusste, was der Mann meinte. Er sagte: „Sie ist Tod.“ Der ältere Herr musste mit den Tatsachen konfrontiert werden. „Wie ist das passiert?“, fragte Lechner weiter. „Soweit wir herausgefunden haben, wurde eingebrochen. Wir vermuten, dass der Täter ihre Frau überrascht hat. Oder sie ihn. Genaues wissen wir noch nicht. Wir arbeiten daran. Sie wurde mit einem scharfen Gegenstand, es könnte ein Messer gewesen sein, getötet. Das muss erst bestätigt werden.“ Lechner nickte. Er wusste, dass es noch zu früh für Einzelheiten war. Er hatte im Berufsleben mit polizeilichen Ermittlungen zu tun gehabt. Als Beobachter. Dass es ihn eines Tages beträfe, hatte er nicht gedacht. „Ermitteln sie. Und fassen sie den Täter.“, sagte er verständnisvoll und mit Nachdruck. In den Augen spiegelten sich Trauer, Ungläubigkeit und Wut. Ein Ausdruck, den Palmayer gut kannte. In seiner Laufbahn beim Landeskriminalamt hatte er öfter schlechte Nachrichten überbringen müssen. Er musste dem Mann Fragen stellen. Das ließe sich nicht vermeiden. In diesem Moment kam Wimmer mit einem Glas Wasser ins Wohnzimmer. Er gab es Lechner, der sich bedankte, kurz nippte und es auf den Couchtisch stellte. Palmayer beobachtete, ob dem älteren Herrn das Fehlen des Buches auffiel. Entweder war er zu aufgebracht um es zu bemerken, oder es ging ihm nicht ab, weil es woanders hingehörte. Franz Wimmer setzte sich neben seinen Kollegen und zückte erneut den Notizblock. Er notierte alles, was gesagt wurde. Für den späteren Bericht, wie er erklärte, wenn Pepe ihn darauf ansprach. Palmayer schrieb die Aussagen aus dem Gedächtnis. Sich die wesentlichen Einzelheiten zu merken, gehörte für ihn zum Berufsbild des Kriminalbeamten. Er war auf solche Hilfsmittel nicht angewiesen. Als Wimmer bereit war, fuhr Pepe fort.

„Herr Dr. Lechner, ist es in Ordnung, wenn ich ihnen ein paar Fragen stelle?“, leitete er das Gespräch ein. „Fragen sie“, antwortete der Mann. „Was machten sie und ihre Frau heute? Wie sah ihr Tag aus?“, war die erste Erkundigung. Die Antwort war: „Wir haben nichts Außergewöhnliches gemacht, für einen Freitag. Silke, meine Frau, sollte in der Arbeit sein. Sie geht spät weg, weil sie erst um neun beginnt. Um diese Zeit bin ich unterwegs. Ich gehe täglich in den Lions Club, für den ich mich engagiere. Ich bin dort für Seniorenarbeit zuständig. Mit achtundsechzig ist das ein angemessener Arbeitsbereich, wie ich finde. Nach der Pensionierung suchte ich mir eine Beschäftigung, die ich machen wollte, bis meine Frau pensioniert ist. Sie ist erst zweiundfünfzig.“ Palmayer nickte. Er war nicht darauf aus Lechner zu verbessern. Seine Frau WAR erst zweiundfünfzig. Jetzt wird es nichts mehr mit Reisen oder einem gemeinsamen Engagement im Club, dachte Pepe.

„Ihre Frau arbeitete im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Ist das richtig? Was machte sie dort?“, hackte Palmayer ein. „Das kann ich Ihnen nicht sagen, um ehrlich zu sein. Wir sprachen wenig über die Arbeit, da vieles unter Geheimhaltung gefallen ist, an die wir uns hielten. Bevor wir dem Partner Dinge vorenthalten mussten, haben wir lieber nicht darüber geredet“, antwortete Lechner. „Ist ihnen bekannt, ob sie aufgrund ihrer Tätigkeit Feinde hatte?“, wollte Pepe wissen. „Wieso Feinde? Ich dachte, es wäre ein Einbruch?“, war der Ehemann überrascht. „Wir müssen allen Möglichkeiten nachgehen.“, erklärte der Kriminalbeamte. „Ich verstehe. Zu ihrer Frage: Meines Wissens hatte Silke keine Feinde. Arbeitsbedingt kann es sein, dass sie sich in bestimmten Bereichen keine Freunde gemacht hat. Wie bei ihnen. Sie als Polizeibeamter kennen das, vermute ich.“ Palmayer nickte. Sie mussten im beruflichen Umfeld recherchieren. Er hielt es für unwahrscheinlich, dass sich der Täter dort fände.

„Sie sagten, dass ihre Frau später als sie das Haus verlässt. Wann ist das?“ Pepe grenzte durch diese Information die Tatzeit ein. „Ich gehe gegen Sieben weg. Ich frühstücke bei einem Bäcker mit einem kleinen Kaffee in der Nähe des Clubs. Dort gibt es gute Marillen Plunder. Es könnte sein, dass ich gerade einen gegessen habe, als das Unglück passierte.“ Er machte eine Pause, die Pepe zuließ. Der Mann äße im Leben keinen Plunder mehr, dachte der Polizist. Lechner fasste sich und fuhr fort: „Meine Frau verlässt das Haus gegen acht, damit sie um neun im Büro ist.“ Um zehn wurde sie gefunden. Um acht wollte sie das Haus verlassen und wurde überrascht. Die Tatzeit war zwischen acht und zehn. Eher um acht, ließ Palmayer die Gedanken schweifen. Er nickte, wie um diese Überlegungen zu bestätigen. Er schaute zu seinem Kollegen. Der klappte das Notizbuch zu. Wimmer hatte keine Fragen mehr, genauso wenig wie er. Und lange hält Lechner nicht mehr durch, dachte Pepe. „Gut, das war es fürs Erste. Halten sie sich bitte zu unserer Verfügung. Die Kollegen werden noch an sie herantreten, um ihre Personalien aufzunehmen. Sobald die Spurensicherung fertig ist, lassen wir sie in Ruhe. Wir beide dürfen uns jetzt verabschieden.“ Alle drei standen auf. Lechner gab den Polizisten die Hand und bedankte sich. Pepe sprach ihm sein Beileid aus. Wimmer und er grüßten und verließen das Haus.

„Der Mann war gefasst“, sagte Wimmer, als sie in den Garten traten und zum schmiedeeisernen Gartentor gingen. „Ich glaube, es hat ihn getroffen. Er hat sich zusammengerissen. Da suchst du dir eine Frau, die sechzehn Jahre jünger ist, um nicht einsam zu sein, und verlierst sie wegen jemand, der sie umbringt. Für null.“ Mit einem „Hm.“ stimmte Wimmer dem Kollegen zu. „Meinst du, der Mord hat mit ihrem Job beim Bundesamt zu tun?“, fragte der Gruppeninspektor Pepe, als sie den Dienstwagen, einen dunkelroten Skoda Superb, erreichten. „Eher unwahrscheinlich. Viele werden es denken. Zuallererst die Presse. Für die ist das ein gefundenes Fressen“, antwortete Palmayer. „Apropos Fressen. Ich hab Hunger. Besorgen wir uns Essen.“, fuhr er fort. Wimmer stimmte zu und sie öffneten die Autotüren, als Pepes Handy klingelte. Er hatte den schrillen Klingelton, der die alten Telefone nachahmte. Er war unüberhörbar. Palmayer sah auf das Display. Claudia Büro stand darauf. Pepe nahm das Gespräch an. „Was gibt’s?“, fragte er. „Hier ist Claudia“, kam die junge Stimme vom anderen Ende der Leitung. „Du wirst es nicht glauben, Pepe, mich hat gerade eine Frau Dannemann-Wagner angerufen. Ihres Zeichens Landespolizeidirektorin von Wien. Sie will dich umgehend in ihrem Büro sprechen. Keine Ahnung warum.“ Palmayer war nicht erstaunt. Er hatte sich gedacht, dass der Fall Wellen schlüge. Die Direktorin des Bundesamts war keine kleine Beamtin und das Amt war eine nachgeordnete Behörde des Innenministeriums. Desselben Ministeriums, dem die Landespolizeidirektion angehörte. Und in letzter Konsequenz er. Dass die Wellen derart hoch waren, hatte er nicht vermutet. „Gib mir die genaue Zimmernummer meiner obersten Chefin“, sagte er ins Telefon. Das Essen musste warten, dachte er.

*

Die Landespolizeidirektion Wien war in der Wiener Innenstatt, am Schottenring, einem Teilabschnitt der Ringstraße. Der Skoda parkte sich in der Nebenfahrbahn direkt vor dem riesigen, blockartigen Gebäude ein. In die Tiefgarage zu fahren war Pepe zu umständlich, zumal er den Besuch kurz halten wollte. Palmayer und Wimmer standen vor dem dunkelgrauen Eingangsbereich, der, wie die ganze Fassade im untersten Geschoss, aus Granitplatten bestand. Zwischen dem Untergeschoss und dem ebenso grauen Himmel ragte das Gebäude sechs Stockwerke in die Höhe und die helle Vorderseite konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um eine Bausünde aus den späten Sechzigerjahren handelte. Ein Block aus Stahlbeton. Nach dem Eintreten wiesen sie sich als Kriminalbeamte aus, womit sie sich den Sicherheitsvorkehrungen weitestgehend entziehen konnten. Ein Wachbeamter nahm ihre Dienstwaffen und tastete die beiden Polizisten ab. Nach seiner Arbeit händigte er ihnen die Waffen aus. Es war, um der Pflicht Genüge zu tun. Keine echte Überprüfung. Wie Pepe von Claudia wusste, befand sich das Büro der Direktorin im vierten Stock. Sie nahmen den Aufzug, der sie zur gewünschten Etage brachte. Nach dem Aussteigen informierte sich Wimmer auf einem Plan, der gegenüber der Aufzugstüre hing, in welche Richtung sie mussten. Bald hatten sie das richtige Zimmer gefunden.

Palmayer klopfte und trat ein. Vor ihm eröffnete sich ein karges Büro mit alten, grauen Schränken, vollgestopft mit Akten. Mitten im Raum standen zwei Schreibtische, von denen einer unbesetzt war. Am zweiten Pult saß eine junge Dame, Anfang zwanzig, die ihre rot gefärbten Haare kurz geschnitten hatte und die beiden Eindringlinge mit grünen Augen musterte. Sie war schlank und trug Jeans und eine Bluse, die farblich zur Augenfarbe passte. Ohne ihre große Nase wäre sie von Pepe als hübsch befunden worden. „Guten Tag“, grüßte der Kriminalbeamte, „Ich bin Bezirksinspektor Palmayer und das ist mein Kollege Gruppeninspektor Wimmer. Wir sollen zur Landespolizeidirektorin kommen.“ „Einen Moment bitte“, antwortete die junge Dame. Sie stand auf, öffnete die Tür in den Nebenraum, verschwand kurz und kam gleich darauf zurück. Sie blieb neben der geöffneten Tür stehen. „Die Frau Direktorin erwartet sie. Treten sie ein“, sagte sie und deutete den Kriminalbeamten hineinzugehen. Die bedankten sich und spazierten in das Büro der Direktorin. Hinter ihnen schloss die Frau die Tür.

Das Zimmer war nicht karg eingerichtet, wie das, aus dem sie kamen. Die Mauern waren pastellgelb gestrichen und kurz vor dem Übergang zur Zimmerdecke war ein dünner, goldfarbener Streifen angebracht, der das Gelb der Wände vom Weiß der Decke trennte. Das Büro erstreckte sich über drei Fensterlängen. Links neben der Tür war eine hellbeige, lederne Sitzgarnitur samt einem Couchtisch aus dunklem Holz. Auf einem Beistelltisch in der Ecke stand ein kleiner Flachbildfernseher. Rechts nahm ein riesiger Besprechungstisch die gesamte Länge des Raumes ein. Dieser hatte, wie der Couchtisch, eine dunkelbraune Tischplatte. In der linken, hinteren Ecke waren ein paar Kästen, die aus beige gefärbten Türen und einem dunklen Korpus bestanden. Davor der Schreibtisch, an dem die Landespolizeidirektorin saß. Der Tisch fügte sich mit seiner braunen Platte und dem beigefarbenen Sichtschutz vor den Beinen der Direktorin perfekt in die Einrichtung ein. Das Büro wirkte neu, sauber und aufgeräumt.

„Einen Moment. Nehmen sie auf der Couch Platz. Ich bin gleich bei ihnen“, sagte die Frau hinter dem Schreibtisch, die auf der Tastatur des Computers herumhämmerte und nicht vom flachen Monitor aufsah. Sie unterbrach ihr Tippen und strich sich mit den Französisch manikürten Fingernägeln durch den blondgefärbten Pagenschnitt. Soweit Pepe wusste, war sie erst vor drei Jahren zur Direktorin bestellt worden. Er hatte ihren Lebenslauf in der internen Polizeizeitung der Landespolizeidirektion gelesen. Sie hatte eine übliche Polizeiausbildung im Bildungszentrum der Sicherheitsexekutive genossen und während der anschließenden Praxisjahre nebenbei Rechtswissenschaften studiert. Im Anschluss hatte sie die Ausbildung zur leitenden Beamtin, die Offiziersschule, gemacht. Pepe erinnerte sich, dass sie nach dem Abschluss einen dieser neumodischen Titel bekommen hat. Nicht Magistra oder Doktorin. Es war Bachelor of Arts in Police Leadership. Eine fleißige Frau, hatte Palmayer gedacht. Und jetzt kam ihm der Gedanke erneut. Er setzte sich auf die beige Couch, ohne den Dufflecoat abzulegen. Die Umhängetasche platzierte er neben sich, ohne den Gurt von den Schultern zu streifen. Wimmer nahm benachbart Platz und zückte gewohnheitsmäßig seinen Notizblock. Ihnen gegenüber standen zwei Ledersessel. Auf einen bewegte sich die Landespolizeidirektorin zu, nachdem sie ihre Arbeit am Computer beendet hatte.

Die Mittvierzigerin trug Uniform. Eine strenge, dunkelblaue Jacke mit Goldknöpfen und Stehkragen, die tailliert geschnitten war und eine beachtliche Oberweite erahnen ließ. Die Patten der beiden Brusttaschen betonten dies noch mehr. Pepe versuchte, sich davon nicht ablenken zu lassen und musterte sie weiter. Am Oberarm prangte das Polizeiabzeichen und am Kragen zierten goldene Rangabzeichen mit einem silbernen Akanthusblatt und einem stilisierten, ebenfalls silbernen Bundesadler die Jacke. Diese Distinktionen wiesen sie als Landespolizeidirektorin aus. Goldfasan fiel Palmayer ein. Manche Polizisten benannten leitende Beamte wegen ihrer goldenen Rangabzeichen nach dem Vogel. Unter der Jacke trug sie ein schwarzes Hemd mit Krawatte. Aufgrund des hohen Stehkragens sah man den perfekt gebundenen Knopf, der Rest war verdeckt.

Die Direktorin streckte den beiden Beamten die Hand hin, worauf sich Palmayer und Wimmer erhoben, ihr die Hand schüttelten und sich offiziell vorstellten. „Ich begrüße sie. Mein Name ist Dannemann-Wagner. Schön, dass sie es einrichten konnten“, sagte sie, nachdem die Kriminalbeamten ihre Nachnamen genannt hatten. Sie war dezent geschminkt. Nude-Look nannte man das, glaubte Pepe sich zu erinnern. Sie wirkte streng. Nicht unfreundlich, was in erster Linie den braunen Augen zu verdanken war, die Wärme ausstrahlten.

„Das Gespräch brauchen sie nicht mitzuschreiben“, sagte Dannemann-Wagner und zeigte auf den Notizblock Wimmers, der ihn sofort im Sakko verstaute. Die drei Gesprächspartner setzten sich und die Direktorin zog den zur Uniform gehörenden knielangen Rock, der im selben Dunkelblau gehalten war wie die Jacke, in eine Position, die nicht aufreizend sein sollte. Schwarze Strumpfhosen und Schuhe derselben Farbe mit niedrigem Absatz bildeten das untere Ende des Ensembles.

„Wie ich zu meinem Bedauern erfahren habe, wurde Silke Lechner heute ermordet“, begann sie. Die Direktorin kam gleich zur Sache. Palmayer bestätigte das. „Was fanden sie bisher heraus?“, fragte Dannemann-Wagner weiter.

„Wir kommen gerade vom Tatort. Es ist noch zu früh, um über Ergebnisse zu informieren. Die Spurensicherung und der Gerichtsmediziner müssen noch ihre Berichte abliefern. Der erste Eindruck ist, dass es sich um einen Einbruch handelt, bei dem der Einbrecher überrascht wurde.“

Die Direktorin nickte. „Das ist eine Möglichkeit“, sagte sie, „Lassen sie uns, rein hypothetisch, darüber hinaus denken. Der Mord könnte als Einbruch getarnt worden sein.“ Palmayer und Wimmer zogen gleichzeitig die Braunen in die Höhe. „Es klingt weit hergeholt. Silke Lechner könnte mächtige Feinde gehabt haben. Gerade jetzt kommt es einigen Subjekten gelegen, dass die Leitung des Bundesamts neu besetzt werden muss.“ Pepe ließ sich an die Lehne der Couch zurückfallen. „Und die schrecken nicht vor einem Mord zurück?“, fragte er. „Das ist zu befürchten“, meinte die Direktorin. „Es steht eine Diskussion über die Abwicklung von Asylverfahren an und Frau Lechner vertrat bei der Frage zu den Koordinierungsmaßnahmen bei der unfreiwilligen Rückkehr und der Kompetenzaufteilung zwischen Bundesamt und Fremdenpolizei einen Standpunkt, der nicht populär war. Er war am besten Weg, umgesetzt zu werden.“ Palmayer stülpte die Unterlippe vor und begann sich an den Brusthaaren zu kratzen. „Wollen sie andeuten, dass unter Umständen die Behörde darin verwickelt ist?“ Dannemann-Wagner schlug ihre schlanken Beine übereinander. „Ich will damit auf nichts anspielen. Die Ermittlungen sind ihre Angelegenheit. Ich weise sie auf die momentanen Gegebenheiten hin.“ Wimmer mischte sich in das Gespräch ein: „Wenn die Fremdenpolizei ihre Finger im Spiel hat, ist das eine große Sache und man sollte die Interne einschalten.“ Die Direktorin winkte mit einer Handbewegung ab. „Es ist noch viel zu früh. Das ist weniger als eine Vermutung. Das ist eine Option. Ich will nicht, dass diese Angelegenheit aufgebauscht wird. Ermitteln sie und machen sie sich ein Bild. Lassen sie keine Möglichkeit aus! Die Sache ist von höchster Bedeutsamkeit!“ Palmayer beugte sich vor und stützte die Ellbogen auf seine Knie. Hier war was faul, das spürte er. Er sah die Direktorin fragend an: „Für wen ist sie von großer Wichtigkeit?“ Dannemann-Wagner lächelte. „Ihnen kann man nichts vormachen. Gut. Man sagte mir, dass sie eine gute Spürnase haben. Sie merken, dass hier mehr auf dem Spiel steht und mein Auftrag, sie zu unterweisen, von höchster Stelle an mich herangetragen wurde. Den hohen Persönlichkeiten kommt der Mord ungelegen, da sie dieselbe Linie vertreten, die Frau Lechner vertrat. Jetzt steht die Reform auf wackeligen Beinen. Ich wurde angehalten, einen meiner besten Mitarbeiter mit diesem Fall zu betrauen. Und das sind sie, wurde mir berichtet.“

Pepe lehnte sich zurück. „Wie kommen sie gerade auf mich?“, fragte er. „Sie haben sich mittels eines schnellen, gut recherchierten Ermittlungserfolges einen Namen gemacht. Gleiches erwarte ich jetzt von ihnen.“, antwortete die Direktorin. Palmayer erinnerte sich. Es war zehn Jahre her, als er sich mit vollem Einsatz in die Arbeit vertiefte. Die Lösung des damaligen Falles schien ihm wichtig. Er war kurz zuvor von seiner Jugendliebe Sabrina geschieden worden und hatte das Bedürfnis, sich zu beweisen. Damit er von sich glauben konnte, in irgendetwas gut zu sein, wenn er es im Führen einer Ehe nicht war. Und er war gut. Der Erfolg hatte ihm die Beförderung vom Gruppeninspektor zum Bezirksinspektor eingebracht. War er noch gut? Bissig und motiviert? Die Direktorin schien es zu glauben. Und wenn die Vermutungen der Vorgesetzten stimmten, waren sie einer großen Sache auf der Spur. Zu groß für ihn?

Palmayer war einen Moment zu lange in Gedanken versunken. Er bemerkte, dass ihn die Direktorin und sein Kollege erwartungsvoll anstarrten. Er riss sich zusammen und setzte sich aufrecht hin, was der Ledercouch ein quietschendes Geräusch entlockte. „Gut. Wir stellen Ermittlungen in diese Richtung an“, sagte er, um irgendetwas zu sagen. „Wenn es ein politisch motiviertes Verbrechen war, brauchen wir mehr Hintergrundinformationen.“, ergänzte Pepe. Dannemann-Wagner nickte. „Ermitteln sie im beruflichen Umfeld. Erkundigen sie sich im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nach ihrer Arbeit. Wenn sie Unterstützung brauchen, können sie sich an mich wenden.“ Palmayer bedankte sich und sah seinen Kollegen an. Zeit zum Aufbruch. Die beiden Polizisten erhoben sich. Die Direktorin tat es ihnen gleich. „Ich erwarte vollen Einsatz. Das muss ich nicht extra sagen“, meinte Dannemann-Wagner, „Ein schneller Erfolg ist absolut wichtig und ich wünsche eine umfassende und umgehende Berichterstattung über die Fortschritte. Ich leite in dem Fall die Ermittlungen.“ Mit diesen Worten war die Unterredung beendet und Palmayer verließ mit Wimmer das Büro der Direktorin, nachdem sie sich freundlich verabschiedet hatten. Im Vorzimmer wünschten sie der jungen Dame einen schönen Tag und begaben sie sich zum Aufzug.

In der mit silbernen Platten ausgekleideten Kabine des Fahrstuhls standen die Kriminalbeamten nebeneinander. Außer ihnen war niemand im Lift, als Wimmer zu sprechen begann. „Dass sich die Landespolizeidirektorin in laufende Ermittlungen einmischt. Das ist nicht die normale Vorgehensweise.“ Pepe nickte. „Stimmt. Sie befürchten scheinbar eine große Sache dahinter. Hohe Persönlichkeiten. Ich vermute, direkt vom Innenministerium“, antwortete Palmayer seinem Kollegen. „Das Bundesamt und die Fremdenpolizei sind dem Ministerium unterstellt. Wollen sie was vertuschen?“, fragte Wimmer. Die Aufzugstüre öffnete sich und Pepe legte Franz die Hand auf die Schulter. Er drückte leicht das Schulterpolster des Ledersakkos. „Daran will ich nicht denken. Wir wären die Verlierer. Wir müssten ermitteln, damit gegenüber der Öffentlichkeit glaubhaft dokumentiert werden kann, dass in allen Richtungen Nachforschungen angestellt wurden. Wir dürften nicht das Geringste herausfinden. Am Schluss müsste es ein einfacher Einbruch gewesen sein.“

Sie verließen die Landespolizeidirektion und gingen Richtung Auto, als in Palmayers Anzugssakko das Handy klingelte. Er blieb vor der an der Granitfassade angebrachten Gedenktafel stehen, die an das achtzehnhunderteinundachtzig abgebrannte Ringtheater und das daraufhin an der Stelle erbaute Sühnehaus erinnerte. Das Haus wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Erst neunzehnhundertneunundsechzig wurde die jetzige Landespolizeidirektion auf dem Grundstück errichtet. Jetzt kramte Pepe auf diesem geschichtsträchtigen Platz in den Innentaschen hektisch nach dem Mobiltelefon. Er hatte lange gebraucht, um das Telefon herauszuholen. Das hinderte ihn nicht, sich die Zeit für einen Blick auf das Display zu nehmen. Dr. Mayr stand darauf. „Der Staatsanwalt“, berichtete Peter seinem Kollegen und drückte auf die grüne Annahmetaste. „Palmayer“, meldete er sich. Eine ganze Zeit lang lauschte Pepe dem Anrufer. Während Pepe telefonierte, nahm sich Wimmer die Zeit die Gedenktafel zu lesen. Er zog sich das Ledersakko über der Brust zu. Normalerweise war er nicht kälteempfindlich. An einem trüben Tag wie heute wäre eine Jacke oder ein Mantel angemessen gewesen. Das Lauschen Pepes am Telefon wurde öfter durch ein „Aha.“ von Palmayer unterbrochen. Ein „In Ordnung.“ beendete das Gespräch. Pepe wandte sich an Wimmer. „Wir müssen zum Staatsanwalt. Er hat uns Wichtiges mitzuteilen“, sagte er dem Kollegen. Der seufzte. „Wenn wir noch bei anderen vorsprechen, kommen wir nicht zum Ermitteln“, meinte Franz. Pepe lacht laut auf. Es stimmte, der Fall schien seine Kreise zu ziehen. „Und nicht zum Essen“, ergänzte Pepe. Sie stiegen in ihren dunkelroten Dienstwagen und machten sich auf den Weg zum Staatsanwalt.

*

Der Weg führte die beiden Kriminalbeamten von der Ringstraße in die Landesgerichtsstraße im achten Wiener Gemeindebezirk, genannt Josefstadt. Dort hatte die Staatsanwaltschaft ihren Sitz. Dr. Josef Mayr war ihr zuständiger Anwalt, der normalerweise die Führung der Ermittlungsverfahren übernahm und aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse die Anklage erhob. Bevor er einer der über dreihundert Staatsanwälte in Österreich wurde, war er mehrere Jahre als Richter tätig, was ein Ernennungserfordernis für seinen derzeitigen Beruf darstellte. Er hatte schnell vom Gericht in die Staatsanwaltschaft gewechselt, sodass er mit siebenunddreißig ein junger Vertreter des Standes war.

Sie parkten vor dem der Landesgerichtsstraße namensgebenden Gebäude. Neben der Staatsanwaltschaft beherbergte der Bau aus dem neunzehnten Jahrhundert das Landesgericht und die Justizanstalt Josefstadt, von den Wienern liebevoll Landl genannt. Wenn Palmayer hierher kam, fiel ihm eine kleine Anekdote ein. Gerüchten zufolge sollen die ersten Häftlinge, die in der Justizvollzugsanstalt einsaßen, der Bauführer und der Dachdecker des Landls gewesen sein, die falsche Abrechnungen vorgelegt hatten, um Geld zu ergaunern. Sie haben in ihrem eigenen Bauwerk eingesessen. Probegesessen, könnte man sagen. Heute hielten sich in der Justizanstalt, unter anderen, Personen auf, die Pepe und Wimmer dorthin gebracht hatten. Das im historischen Stil erbaute Graue Haus, wie es die Wiener Bevölkerung nannte, war ein großer, fünfstöckiger Bau. Mit seinen geraden Linien und den kantigen Türmen, die an den Ecken des Gebäudes den sechsten Stock bildeten, erinnerte es trotz der Verzierungen an der hellen Fassade an eine Burg. Der Dienstwagen stand nahe dem grünen Metalleingangstor, durch das die beiden Polizisten eintraten. Hier mussten sie Sicherheitsüberprüfungen über sich ergehen lassen, bevor sie in die oberen Stockwerke durften, wo sie Dr. Mayr erwartete.

Palmayer und Wimmer betraten hintereinander das kleine Büro, das gegenüber dem Eingang ein Fenster hatte. Links davon sah man einen Schiebetürschrank, rechts einen Rollcontainer, auf dem sich ein Drucker befand. Der Schreibtisch war quer im Raum aufgestellt, sodass man vom Sitzplatz aus die Eingangstür im Blick hatte. Der Staatsanwalt saß nicht, sondern stand hinter seinem Tisch und begrüßte sie mit einem kurzen „Hallo.“ Er sortierte Papiere, die auf der Schreibtischplatte verteilt waren. „Nehmt Platz“, sagte Mayr und deutete auf den kleinen Besprechungstisch, der vor dem Schreibtisch, direkt neben der Eingangstür, stand. Mit einem hohen, schlanken Garderobenschrank links unweit der Tür war das Inventar komplett. Alle Holzmöbel waren Kirschholz furniert und machten gegenüber der Einrichtung der Landespolizeidirektorin einen bodenständigen Eindruck. Die weißen Wände des hohen Raumes waren mit modernen Kunstdrucken behangen, die das Büro aufwerten und die den Kunstsinn des Staatsanwaltes verdeutlichen sollten.

Die beiden Polizisten setzten sich auf die filigran wirkenden, schwarzen Besucherstühle, die auf dünnen, silberfarbenen Metallbeinen standen. Den Notizblock ließ Wimmer eingesteckt. Seiner Einschätzung nach war dieses Gespräch nicht zum Mitschreiben. Mayr umrundete den Schreibtisch und gesellte sich zu den Polizisten. Sie schüttelten sich die Hand, wobei Palmayer und Wimmer das Aufstehen andeuteten. Der Staatsanwalt trug einen modernen, dunklen Anzug, von dem Pepe glaubte, dass er ihn absichtlich eine Nummer zu klein gekauft hatte. Das ist die heutige Mode, dachte er. Er bevorzugte den klassischen, weiteren Schnitt. Mayr öffnete sein Sakko, als er sich setzte, was den Blick auf die gestickten Initialen unter der Brusttasche des hellblauen Maßhemdes frei gab. Das Hemd hatte einen Haifischkragen. Diese Kragenform mochte Pepe genauso wenig, wie die zu eng wirkenden Anzüge. Sie bedingten einen dicken Krawattenknopf, den Mayr mit seiner gelben Krawatte mit blauem Paisley Muster gebunden hatte. Der schlanke, sportliche Anwalt wirkt wie aus dem Ei gepellt, dachte Palmayer. Er machte auf Pepe einen unsympathischen Eindruck, obwohl er, wenn es darauf ankam, hinter seinen Ermittlern stand. Das durfte Peter in der Vergangenheit öfter feststellen.

„Sie waren heute am Tatort des Mordes an Frau Dr. Silke Lechner, Direktorin des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl“, stellte Mayr fest. „Waren wir“, sagte Pepe und zog an seinem Dufflecoat, der sich beim Setzen nach oben geschoben hatte. „Und was gibt es zu erzählen?“, fragte der Staatsanwalt. Palmayer zuckte mit dem Schultern. „Nichts. Wir warten auf die Berichte. Gesehen hat keiner was. Nach der ersten Bestandsaufnahme handelt es sich um einen Einbruch mit Überraschungseffekt.“, führte der Bezirksinspektor aus. „Verstehe.“, flüsterte Mayr. Er strich sich durch die glatten, mit Gel zurückfrisierten, schwarzen Haare. „Könnte sein“, fuhr der Anwalt fort, „Mich kontaktierten ein paar hohe Herrn. Sie haben Bedenken. Sie vermuten, dass mehr hinter dieser Tat steckt.“

Die Herren schienen in letzter Zeit umtriebig zu sein, dachte Palmayer. Er lächelte, was ihm einen scharfen Blick aus den hellgrünen, stechenden Augen des Staatsanwaltes einbrachte. Daraufhin verkniff sich Pepe solche Gefühlsregungen. Bei einem Mord grinste man nicht. „Und was?“, fragte er Mayr.

Der Jurist schlug die Beine übereinander. Seine schwarzen, glatten Schuhe glänzten frisch geputzt. „Es könnte sich um eine politisch motivierte Tat handeln“, sagte Mayr. Das hatte ihm die Direktorin heute ebenfalls erzählt. Der Anwalt sprach weiter: „Es wäre möglich, dass das organisierte Verbrechen daran beteiligt ist. Es gibt spezialisierte Schleuser, die in Österreich nicht erwünschte Subjekte einschleusen und versuchen, ihren Aufenthalt zu legalisieren. Es fließen Bestechungsgelder zu bestimmten Menschen. Das Opfer wollte die Vorgehensweise bei der Abschiebung reformieren. Die Personen, die bisher für die Legalisierung verantwortlich zeichneten und bestochen wurden – beweisen konnten wir das bis zu dem Zeitpunkt nicht – wären ausgetauscht worden. Es ist denkbar, dass die Tat die Neuordnungen stoppt und als Drohung gegen Personen, welche die Reformen begrüßen, gesehen wird. Diesen Befürwortern kommt der Mord ungelegen.“ Erneut konnte sich Peter ein Schmunzeln nicht verkneifen. Der Staatsanwalt strafte es diesmal nicht mit einem bösen Blick, sondern erkundigte sich: „Was gibt es da zu grinsen, Palmayer?“

„Das hörte ich heute Nachmittag an anderer Stelle“, sagte Pepe. „Was?“, fragte Mayr. „Der Mord kommt ungelegen!“, antwortete der Kriminalbeamte. „Echt? Und wo?“, wollte der Staatsanwalt wissen. Palmayer sah Wimmer an. Er war darauf aus, sich die Bestätigung zu holen, dass er Mayr von ihrem Besuch bei der Landespolizeidirektorin erzählen konnte. Sein Kollege nickte. Früher oder später erführe der Staatsanwalt davon. „Von einer Frau Dannemann-Wagner“, sagte Pepe. „Der Landespolizeidirektorin?“, rief Mayr überrascht aus, „Was hat die damit zu tun?“ Die beiden Polizisten erzählten von ihrem Gespräch mit der Direktorin und dass sie die Ermittlungen führen werde.

„Naja“, sagte Mayr, „Ich weiß nicht, was die Direktorin mit diesem Fall zu tun haben soll. Die Untersuchung leite von Gesetzes wegen ich.“ Seine Stimmung war im Keller. „Ich will über alle Fortschritte informiert werden. Ihr könnt gern die Direktorin informieren, wenn sie das will. Sie könnte die eine oder andere gute Idee beitragen. Wir ziehen am gleichen Ende des Stranges, hoffe ich.“ Palmayer hatte befürchtet, dass es einen Konflikt zwischen den beiden gab. Wenn sich einer in die Kompetenzen des anderen einmischte, musste es krachen. „Wir werden alles erdenkliche Tun, um den Fall zu lösen“, wirkte Pepe beruhigend auf den Staatsanwalt ein. Mayr strich sich über sein glattrasiertes Kinn. „Das werden sie“, sagte er sichtlich ruhiger, „Der Fall muss schnell gelöst und gut recherchiert werden. Die Anklage muss hieb- und stichfest sein, vor allem, wenn einflussreiche Organisationen als Täter in Frage kommen.“ „Verlassen sie sich auf uns“, sagte Pepe in einem Anfall von Selbstvertrauen. Er war nicht mehr davon überzeugt, dass es ein leichter Fall wurde.

Die drei Gesprächspartner erhoben sich gleichzeitig. Es war alles gesagt worden und die Kriminalbeamten zogen fort. Bei der Verabschiedung gab der Staatsanwalt den Beamten noch folgende Worte mit auf den Weg: „Mit einem schnellen und guten Ergebnis ist eure Karriere einen großen Schritt weiter. Ich vertraue darauf.“ Die beiden Sätze ließen die Polizisten unbeantwortet stehen.

Auf dem Weg zum Ausgang überlegte Palmayer, ob der Staatsanwalt die Beförderung ernst meinte, oder ob er es gesagt hatte, um die Polizeidirektorin auszustechen und sich als Leiter der Ermittlungen bei den Polizisten zu festigen. Er könnte denken, dass sie ihm mit der Aussicht auf ein Vorwärtskommen eher zuarbeiteten, als der Direktorin. Pepe war es egal. Er behandelte beide gleich, ließe ihnen dieselben Informationen zukommen. Sie sollten das untereinander ausmachen. Er musste den Fall lösen, egal was herauskam.

Bis zum Dienstwagen schwiegen Palmayer und Wimmer. Das erste Wort kam beim Einsteigen in den dunkelroten Skoda von Pepes Kollegen und war: „Essen?“ Sie hatten noch nichts gegessen und bei Peter machte sich Hunger bemerkbar. „Auf jeden Fall“, antwortete er, „Fahren wir zuerst ins Kommissariat und holen Claudia ab. Ich lade euch ein und wir können uns beim Essen auf den gleichen Wissensstand bringen.“ „Du ladest ein?“, tat Wimmer überrascht, „Das ist ein Wort.“

*

Sie fuhren in den fünfzehnten Wiener Gemeindebezirk, Rudolfsheim-Fünfhaus, in die Tannengasse. Dort hatten sie ihr Büro im Koat, im Kommissariat, das für die Bezirke vierzehn und fünfzehn zuständig war. Das Büro teilte sich den Eingang mit der Polizeiinspektion an der Hausecke des glatten, typischen Wiener Wohnblocks der mittleren Fünfzigerjahre. Über der Eingangstür des hellgelb gestrichenen Hauses hing gut sichtbar das blaue Schild mit der weißen Aufschrift Polizei. Es wurde dunkel und kleine Tropfen zeichneten sich auf der Windschutzscheibe des Dienstwagens ab. Es roch nach bevorstehendem Regen. Nachdem Palmayer den Skoda eingeparkt hatte, betraten sie die Inspektion und grüßten die uniformierten Kollegen, die hier ihren Dienst versahen. Im hinteren Bereich führte eine Treppe in den ersten Stock. Das Kommissariat lag direkt über den Räumlichkeiten der Polizeiinspektion und war von den Wohnungen des riesigen Gebäudes baulich abgetrennt. Über die Stufen gelangte man zu einem hellgrau gestrichenen Flur, von dem zu beiden Seiten Türen in die einzelnen Räume führten. Im Flur standen ein Kaffeeautomat und ein Automat, der kleine Snacks spendete. Daneben ein niedriger Schrank, auf dem der einzige Gemeinschaftsdrucker die Arbeit verrichtete. Das Büro von Palmayer, Wimmer und Baumgartner lag am linken hinteren Ende des Flurs. Ohne anzuklopfen traten die beiden Kriminalbeamten ein.

„Hallo Claudia!“, grüßte Pepe überschwänglich. Ihm folgte sein Kollege Wimmer in das hellgrau gestrichene Büro. Nachdem dieser die Kollegin begrüßt hatte, nahm er an einem der drei grauen Schreibtische Platz. Die Tische befanden sich in der Mitte des Raumes, zu einem Dreieck angeordnet, sodass sich die drei Ermittler ansehen konnten, wenn alle auf ihren Sesseln saßen. In im freien Zentrum des Dreiecks stand ein großer Gummibaum, der sich vergeblich darum bemühte, für Wohnlichkeit zu sorgen. Wimmers Schreibtisch war in einer Linie mit der Eingangstür und er blickte Richtung der beiden Fenster, die dem Büro und dem Gummibaum zu Licht verhalfen. Sofern die Sonne schien. Heute brannten die langen Neonleisten an der Decke des Raumes, welche die natürliche Lichtquelle ersetzten. Der Tisch von Pepe stand rechts neben der Tür und er schaute in die linke hintere Ecke des Zimmers, wo zwei Türme aus grauen Schiebetürschränken aufgebaut waren, die bis zur Zimmerdecke reichten. Sie waren offen und gaben den Blick auf ein buntes Treiben aus Aktenordnern frei. Ein Farbklecks im tristen Büro. Claudias Schreibtisch ergänzte das Dreieck und sie schaute auf die Tür, durch die sie ihre Arbeitskollegen hereinkommen gesehen hatte. „Na, grüß Gott, Kollegen!“, sagte sie fröhlich. Die in einem frechen Kurzhaarschnitt frisierten, braunen Haare wippten bei jeder Bewegung. Sie hatte gerade am Computer gearbeitet und lehnte sich in ihrem schwarzen Bürostuhl zurück. Pepe legte die Umhängetasche auf seinen Schreibtisch und zog den Dufflecoat aus, den er auf den links neben der Tür stehenden Kleiderständer hängte. „Wie lange willst du hier bleiben?“, kommentierte Wimmer das Geschehen. „Habt ihr noch was vor?“, warf Claudia ein. „Ich habe Hunger und Pepe lädt uns zum Essen ein“, grinste Franz seine Kollegin an. Er hatte die Ellbogen auf den Schreibtisch gestützt und klopfte mit dem Daumennagel nervös auf die Unterlippe. Die Turnschuhe wippten unter dem Tisch auf und ab. „Pepe lädt uns ein?“, fragte die Ermittlerin ungläubig. „Es stimmt, ich lade euch ein“, bestätigte Palmayer, der sich an seinen Schreibtisch gesetzt hatte. „Das muss man ausnutzen“, sagte Claudia mit einem Lächeln und im selben Moment stand die schlanke, junge Frau. Sie hatte eine weiße Bluse und blaue, enge Jeans an. Sie federte auf den roten Ballerinas auf und ab. „Langsam“, meinte Pepe und gab ihr ein Zeichen, sich zu setzten, „Wir haben heute viel erlebt. Wir verraten dir das am besten beim Essen. Zuerst erzählst du uns, was du herausgefunden hast. Was hat dein Computer ausgespuckt?“

Claudia Baumgartner war für die Recherchearbeit zuständig und die EDV-Spezialistin. Wenn es im Rechner irgendetwas zu finden gab, fand sie es. Die Ermittlerin zog eine Augenbraue hoch. Ihre braunen Augen wandten sich dem Computermonitor zu. „Noch nicht viel“, begann sie, „Ich glaube, nichts, was ihr nicht wisst. Das Opfer, Frau Dr. Silke Lechner war Direktorin des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl. In letzter Zeit hat es Zeitungsberichte über sie gegeben. Sie hielt den derzeitigen Ablauf der Zurückweisungen von Asylanten für schlecht. Der Fremdenpolizei sprach sie mangelnde Kompetenz aus. Ich glaube, sie wollte in diesem Bereich ordentlich Aufräumen.“ Palmayer nickte. „Das wissen wir. Ein paar halten den Mord für ein politisches Verbrechen. Davon später. Der Lokalaugenschein spricht eher für einen Einbruch. Das könnte eine Tarnung sein. Was noch?“

Claudia zuckte mit den Schultern. „Die familiären Verhältnisse kennt ihr. Es gibt den Ehemann. Er ist der einzige Erbe. Keine sonstigen Verwandten.“ „Der hat nichts mit der Tat zu tun, denke ich“, mischte sich Wimmer ein. „Wir dürfen keinen Umstand außer Acht lassen, Franz. Das hat uns die Landespolizeidirektorin mit Nachdruck gesagt!“, meinte Pepe. Erneut zog Claudia eine Braue hoch: „Die Direktorin?“ „Das erzählen wir dir beim Essen“, gab Palmayer zurück, „Was noch?“ „Wir müssen noch die Berichte der Spurensicherung und des Gerichtsmediziners abwarten, ob sich daraus was ergibt“, antwortete Claudia. „Und einen Rapport von einem Revierinspektor über die Erstbefragungen der Nachbarn. Wäre nett, wenn du ihn lesen könntest.“, sagte Pepe. Wimmer grinste. „Was ist daran lustig?“, fragte die junge Frau. „Dr. Aigner war am Tatort. Er wird den Bericht eigenhändig vorbeibringen“, meinte Franz und winkte provozierend mit den Augenbrauen. „Ach, lass mich mit dem Gerichtsmediziner in Ruhe. Der könnte mein Vater sein!“, entgegnete Claudia. „Na bitte, er ist noch keine fünfzig“, sagte Pepe. „Bald. Und ich bin vierundzwanzig. Das geht sich aus.“, sie tat eingeschnappt. Dr. Aigner versuchte, bei jedem Besuch mit ihr zu flirten. Wimmer und Palmayer konnten das verstehen. Ihre Kollegin war hübsch. Über die Monate, die sie für sie arbeitete, bildete sich zwischen den dreien eine Kollegenschaft und Freundschaft heraus, die weit von irgendwelchen Flirts entfernt war. Am Anfang hielt Claudia die Anbahnungsversuche des Mediziners für einen Scherz. Mittlerweile ging er ihr auf die Nerven. Warum gerade er ihren Fällen gerufen wurde? Es gibt nette Kolleginnen in der Gerichtsmedizin, die besser für ihn geeignet wären als sie, dachte die Ermittlerin.

„Zurück zum Thema“, schloss Claudia das Gespräch, „Obwohl es nicht mehr viel zu sagen gibt, außer, dass ich euch Verzeichnisse vorbereitet habe. Listen der Nachbarn mit Namen und Kontaktadressen und Zusammenstellungen der Kollegen des Opfers.“ „Danke dir“, sagte Palmayer, „Die sehen wir uns morgen an.“ Wimmer sprang auf: „Gehen wir jetzt essen?“ „Brechen wir auf“, meinte Pepe, der ebenfalls aufstand. Während er sich den Dufflecoat anzog, half Franz seiner Kollegin in die rote Lederjacke, die zu ihren Schuhen passte. „Wenn mich der Fall noch öfter vom Essen abhält“, begann Wimmer, „kommt der Mord mir ungelegen.“ Palmayer lachte. „Was hat das zu bedeuten?“, fragte die junge Frau. „Das erzählen wir dir beim Imbiss“, sagte Pepe, der sich die Tasche umhängte und seinen Kollegen die Tür aufhielt.

BUCH

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