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Die Mährischen Brüder oder Herrnhuter

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Die Mährischen Brüder oder Herrnhuter

Im Gegensatz zu den bisher genannten Sekten, die als Verfolgte nach Nordamerika kamen, erschienen im Jahre 1735 Angehörige der großen Missionssekte der Mährischen Brüder oder Herrnhuter als freiwillige Sendboten. Die aus den hussitischen Bewegungen in Böhmen und Mähren hervorgegangenen Mährischen Brüder strebten gleich ihrem am 6. Juli 1415 zu Konstanz dem Flammentod verfallenen Stifter Johann Hus die Wiederherstellung der ursprünglichen Einfachheit und Reinheit der Apostolischen Kirche an.

Während der ganzen Dauer des 17. Jahrhunderts aufs fürchterlichste verfolgt, fanden sie zusammen mit Angehörigen der Böhmischen Brüder und der Sekte der Schwenkfelder endlich im Jahre 1723 eine Zufluchtsstätte auf den Besitzungen des berühmten Pietisten Graf Nikolaus Ludwig von Zinzendorf.


Graf Nikolaus Ludwig von Zinzendorf

Derselbe gründete im Jahre 1727 in Sachsen das Dorf Herrnhut, welches als Stammgemeinde der Herrnhuter weltbekannt wurde.

Die Herrnhuter verbanden gewisse klösterliche Einrichtungen mit christlichem Familienleben. Daneben fassten sie den Entschluss, durch eifrige Missionstätigkeit unter heidnischen Völkern für die Ausbreitung des Reiches Gottes zu wirken.

In dieser Absicht begaben sich bereits im Jahre 1732 zwei Brüder nach Westindien, um auf der Insel St. Thomas die dorthin verkauften Negersklaven zum Christentum zu bekehren. Im Frühling 1735 kamen zehn andere Herrnhuter unter der Führung des Professors A. G. Spangenberg nach Georgia, um ihr Leben der Bekehrung der dortigen Schwarzen und Indianer zu weihen. Sie ließen sich in der Nähe der von den Salzburgern gegründeten Ortschaft Ebenezer nieder, bauten am Ogeghenfluss eine Schule und begannen sofort mit ihrer Missionstätigkeit. In dieser wurden sie bereits im folgenden Jahre durch 25 andere Brüder unterstützt, die unter Leitung des Bischofs David Nitschmann aus Herrnhut kamen.

Aber ihre christliche Aufopferung fand keineswegs den Beifall der nichtdeutschen weißen Ansiedler. Diesen war an der Bekehrung und Aufklärung der Neger und Rothäute, die man kaum als Menschen betrachtete, aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen nichts gelegen. Ebensowenig hatte für sie das Gelübde der Sektierer, niemals Waffen zu tragen, eine Bedeutung.

Als nun zwischen den Kolonisten von Georgia und den in Florida ansässigen Spaniern ein Krieg ausbrach und die Herrnhuter sich weigerten, an demselben teilzunehmen, sahen sie sich solchen Misshelligkeiten ausgesetzt, dass sie die Kolonie verließen und nach Pennsylvanien zogen. Hier bauten sie am Ufer des Lehighflusses eine bescheidene Blockhütte, in der die Brüder im Jahre 1741 gemeinsam die Feier des Weihnachtsfestes begingen. Bei ihnen befand sich Graf Zinzendorf selbst, der aus Deutschland herübergekommen war, um an der Gründung neuer Missionen mitzuwirken. Er war es auch, der an jenem durch fromme Gesänge verschönten Abend den Ort, wo die neue Niederlassung entstehen sollte, Bethlehem taufte.

In der Folgezeit wurde Bethlehem nicht bloß der Hauptsitz der Herrnhuter, sondern auch der Ausgangspunkt ihrer ganzen Missionstätigkeit in Amerika. Schon innerhalb der nächsten 20 Jahre kamen über 700 Herrnhuter hierher, um an den frommen Werken mitzuhelfen. Die erste Verstärkung langte im Juni 1742 unter Bischof Spangenberg an. In den Annalen der Gemeinde wird von ihr als der „First Sea Congregation“ gesprochen. Ihr folgte im November 1743 die zweite Kongregation, darunter 30 junge Ehepaare, welche kurz vor ihrer Abreise in Herrnhut den Bund fürs Leben geschlossen hatten. Ein Teil dieser Neulinge wurde in der benachbarten Niederlassung Nazareth untergebracht, die man von dem Engländer Whitefield kaufte. Ein dichter Urwald trennte die beiden Ortschaften. Aber die Männer schlugen mit der Axt einen Pfad durch die Wildnis und begannen dann an beiden Orten mit dem Aufbau fester Wohnstätten und Bethäuser. In ihrer Tätigkeit strebten die Herrnhuter, sich von der Außenwelt möglichst unabhängig zu machen. Sie strichen eigenhändig die zum Hausbau benötigten Ziegel, brannten Kalk und bereiteten den Mörtel. Außer Getreide und Obst zogen sie Hanf und Flachs, züchteten Vieh und fertigten aus der gewonnenen Wolle ihre eigenen Kleider. Sie gerbten die Häute der geschlachteten Tiere und verarbeiteten dieselben zu Schuhen und Stiefeln. Sie brauten ihr eigenes Bier, machten Stärke und Mehl, richteten Färbereien, Bleichereien, Baumwollspinnereien ein, desgleichen Werkstätten, in denen sie sämtliche beim Landbau und zum Ausüben der verschiedenen Industrien nötigen Werkzeuge und Maschinen herstellten. Die gröberen Arbeiten und das Bestellen der Felder lagen den Brüdern ob. Die Schwestern besorgten den Haushalt und das Anfertigen der Kleider. Unermüdlich regten sich die fleißigen Hände. Das Surren der Spinnräder verstummte nur an solchen Tagen, wo die Glocke zur Andacht oder zu einem gemeinschaftlichen Liebesmahl rief.

Innerhalb weniger Jahre entwickelte sich Bethlehem zu einer Musterniederlassung. An Stelle der ursprünglichen Blockhütten traten bequeme Steinhäuser von einfacher aber malerischer Bauart. Die breiten Straßen wurden peinlich sauber gehalten. Rings um die Ortschaft dehnten sich lachende Felder, deren Saaten reiche Ernten ergaben.


Ansicht von Bethlehem im Jahre 1830

Das ganze Leben der Herrnhuter entsprach der biblischen Mahnung: „Betet und arbeitet, damit ihr nicht in Anfechtung fallet!“

Um der letzteren vorzubeugen, unterlag der Verkehr der Geschlechter strengen Regeln. Sowohl die Knaben und Mädchen wie auch die unverheirateten Jünglinge und Jungfrauen wohnten in abgesonderten Häusern, wo sie den von den Ältesten der Gemeinde erlassenen Vorschriften unterstanden. Die Jungfrauen durften nicht an der Behausung der Junggesellen, diese wieder nicht an der Wohnung der „Schwestern“ vorübergehen. Begegneten sie einander auf der Straße, so war es nicht erlaubt, einander anzusehen. Die Schwestern durften den Namen keines Bruders erwähnen, und so wuchsen beide Geschlechter auf in völliger Unkenntnis voneinander. Erreichten Jünglinge und Mädchen das heiratsfähige Alter, so sorgten die Gemeindevorsteher dafür, dass geeignete Paare sich ehelich verbanden. Die solchen Bündnissen entspringenden Kinder blieben bis zum vollendeten zweiten Jahre unter der Obhut der Eltern, mussten dann aber der Gemeinde übergeben werden, welche die weitere Erziehung übernahm.

Durch Bezug der besten Erzeugnisse der deutschen Literatur hielt man mit dem Vaterlande Fühlung. Mit besonderer Vorliebe pflegte man Musik, beschränkte sich aber nicht auf die Wiedergabe der herrlichen Reformationslieder, sondern bemühte sich, auch die schwierigen Werke hervorragender Tonkünstler in mustergültiger Weise aufzuführen.


Das Schwesternhaus der Herrnhuter in Bethlehem, Pennsylvanien

Die Liebe zu Musik und Gesang lebte so kräftig in aller Brust, dass Bischof Spangenberg eines Tages schrieb: „Niemals, seitdem die Welt geschaffen, wurden so liebliche und fromme Lieder für Hirten, Ackerleute, Schnitter, Drescher, Spinnerinnen, Näherinnen, Wäscherinnen und andere Arbeiter erfunden und gesungen als hier. Man könnte aus solchen Gesängen ein ganzes Buch zusammenstellen.“

Während so ein Teil der Brüder und Schwestern der Gemeinde dauernde Heimstätten schufen, zogen andere hinaus in die völlig unbekannte Wildnis, um unter den Ureinwohnern das schwierige Missionswerk zu beginnen. Es erheischte seitens derjenigen, die sich ihm unterziehen wollten, hervorragende Eigenschaften: Mut, Ausdauer, Geduld, Vorsicht und beispiellose Hingabe. Schon die Reise und der lange Aufenthalt in der Wildnis stellten an die Körperkraft die größten Anforderungen. Daneben mussten Entbehrungen aller Art und zahllose unbekannte Gefahren ertragen werden. Ferner galt es, die Feindschaft und Abneigung der den Bleichgesichtern voll Argwohn gegenüberstehenden Indianer zu überwinden und ihr Vertrauen zu gewinnen, was nur in engem Verkehr mit ihnen geschehen konnte, indem man in ihren Dörfern lebte, ihre Gewohnheiten annahm und ihre Sprache erlernte. War das gelungen, so galt es die noch schwierigere Aufgabe zu lösen, die Jahrtausende alten religiösen Anschauungen der Indianer durch die ihnen kaum verständlichen Lehren des Christentums zu ersetzen.

Zu diesen Schwierigkeiten gesellten sich andere, die niemand vorausgesehen hatte: der geheime oder offne Widerstand gewissenloser weißer Händler, welche die Indianer mit Branntwein versorgten und dieses gewinnbringende Geschäft durch die zur Nüchternheit mahnenden Missionare gefährdet glaubten. Zu alledem kam endlich noch die Eifersucht der englischen Landeskirche, welcher die Missionsarbeit der Herrnhuter ein Dorn im Auge war.

Will man ein treues Bild all dieser von den Herrnhutern zu überwindenden Widerwärtigkeiten gewinnen, so braucht man nur Loskiels „Geschichte der Mission der Evangelischen Brüder unter den Indianern in Nordamerika“ (Barby 1789), zu lesen. Sie enthält unter anderem die Erlebnisse jener Herrnhuter, welche die in dem Dorf Schekomeko lebenden Mohikaner bekehrten.

Schekomeko lag in der Kolonie New York, östlich vom Hudson. Der Herrnhuter Christian Heinrich Rauch war der erste, welcher sich unter den hier wohnenden Wilden niederließ. Als er ihnen das Wesen Gottes zu erklären suchte, lachten sie ihm ins Gesicht und verspotteten ihn. Erst nach wochenlangen Bemühungen gelang es, zwei Mohikaner, die mit den Weißen bereits häufiger in Berührung gekommen waren, für die christlichen Lehren empfänglich zu machen. Das erbitterte die anderen so, dass sie drohten, den Missionar zu ermorden. Aber dieser blieb nicht nur standhaft, sondern suchte durch die beiden Bekehrten auf deren Stammesgenossen noch kräftiger einzuwirken.

Vornehmlich Tschup, der ältere Mohikaner, zeigte sich darin sehr geschickt. Wollte er seinen Stammesgenossen etwas recht deutlich machen, so bediente er sich der Bilderschrift. So zeichnete er beispielsweise auf ein Stück Baumrinde ein Herz, aus welchem auf allen Seiten Zacken und Stacheln hervorgingen und sagte: „Seht, so ist ein Herz, in dem der böse Geist wohnt; alles Böse kommt von innen heraus.“ Mit solchen Darstellungen machte Tschup einen stärkeren Eindruck, als der Missionar mit seinen Reden.

Allmählich gelang es, unter den Mohikanern Anhänger für den christlichen Glauben zu gewinnen. Es entstand der Keim zu einer kleinen Gemeinde, die im August 1742 den Besuch des Grafen Zinzendorf empfing sowie den Beistand zweier andrer Brüder, der Missionare Büttner und Mack erhielt.

Je mehr die Zahl der Bekehrten wuchs, desto häufiger wurden aber auch die Zeichen der Missgunst, womit die in den benachbarten Ansiedlungen wohnenden Weißen die Bemühungen der Herrnhuter beobachteten. Die Brüder erfuhren durch die Indianer, dass man ihnen eine Menge Rum versprochen habe, wenn sie die Missionare totschlagen wollten. Gleichzeitig hörten sie von allerhand in den Ansiedlungen umlaufenden Verdächtigungen. Die Herrnhuter seien verkappte Papisten und französische Spione, welche das Land auskundschaften und mit Hilfe der Indianer bei der ersten passenden Gelegenheit den Franzosen in die Hände spielen wollten.

Diese absurden Behauptungen wurden mit solcher Bestimmtheit verbreitet, dass die Behörden der Kolonie sich beunruhigt fühlten. Sie luden die Missionare unzählige Male zum Verhör vor, schleppten sie von einem Richter zum andern, endlich sogar vor den Gouverneur. Der Umstand, dass die Herrnhuter, den Satzungen ihrer Gemeinschaft entsprechend, sich weigerten, den ihnen abgeforderten Treueid gegen das englische Königshaus zu schwören, wurde von ihren Widersachern in der schlimmsten Weise ausgebeutet. Sie erwirkten bei der gesetzgebenden Körperschaft der Kolonie eine Verordnung, wonach alle Personen, die aus irgendeinem Grunde sich weigerten, den Eid der Treue zu leisten, des Landes verwiesen werden sollten. Durch eine zweite Verordnung wurde den Herrnhutern als verdächtigen Personen verboten, ihr Bekehrungswerk fortzusetzen.

Müde dieser Belästigungen, – Welch engherziger Geist die Behörden erfüllte, ergibt sich aus folgender Rechtfertigung, welche der damalige Gouverneur der Kolonie New York als Antwort auf eine vom Grafen Zinzendorf bei der Regierung in London eingereichten Beschwerde im Mai 1746 einsandte. Dieselbe lautet: „Seit einiger Zeit wird die Kolonie von verdächtigen Subjekten und strolchenden Predigern heimgesucht, welche das Volk verführen und sich für besser als andere halten. Sie stehen sogar im Verdacht, päpstliche Emissäre zu sein und Aufstände unter Seiner Majestät getreuen Untertanen zu beabsichtigen. Sie wollen die Indianer und Neger bekehren; als ob man Menschen trauen könnte, die sich mit Schwarzen abgeben. Diese Mährischen Brüder haben sich vor allem in Pennsylvanien festgesetzt, wo das Übergewicht der Deutschen bereits so groß ist, dass sie bald die englische Bevölkerung verdrängen werden. Sie machen jetzt auch in unserem Staat Proselyten, sind dabei ehrgeizige, eitle Menschen, welche, statt bei dem erlernten Handwerk zu bleiben, den Pfarrer spielen und mit ihren unverständlichen Lehren die Massen bethören. Vor ihnen muss man sich ganz besonders hüten. In Schekomeko ließen sich einzelne Herrnhuter dauernd nieder, heirateten Indianerinnen und erregten dadurch den Argwohn sowie die Eifersucht der benachbarten Weißen. Wir fürchten umso mehr, dass sie die Indianer verführen möchten, als sie ohne Erlaubnis der Behörde ins Land kamen und dem König den Treueid nicht leisten wollen. Daraus geht hervor, dass sie Böses im Schilde führen, dass sie verkappte Papisten sind und dass ihnen recht geschehen ist auf Grund des königlichen Befehls, wonach kein Weißer unter dem Vorwand der Bekehrung der Indianer unter diesen wohnen darf.“ (Documentary History of the State of New York, 1022-1027.) – während welcher einer der Brüder sieben Wochen lang in Haft gehalten wurde, entschlossen sich die Herrnhuter endlich, mit den bekehrten Indianern nach Pennsylvanien überzusiedeln. In der Nähe von Bethlehem legten sie im Jahre 1746 das Indianerdorf Gnadenhütten an, wo die Rothäute unter der Leitung der Herrnhuter sich dem Ackerbau widmeten. Für religiöse Zwecke diente ein aus Baumrinde gezimmertes Kirchlein. Auch baute man zwei Schulen, in denen die indianische Jugend je nach ihrem Geschlecht von herrnhutischen Brüdern und Schwestern Unterricht empfing. Im Jahre 1749 zählte Gnadenhütten bereits 500 Bewohner.


Der Herrnhuter Missionar David Zeisberger predigt den Indianern im Quellgebiet des Ohio. Nach einem Gemälde von Christian Schüssele.

Ähnliche Misshelligkeiten wie die Brüder in Schekomeko erlebte der Missionar David Zeisberger unter den Delawaren und Irokesen. Er hatte bei denselben freundliche Aufnahme gefunden, wurde aber im Jahre 1756 von einem weißen Schnapshändler bei den Onandagas schrecklich misshandelt.

Im Jahre 1772 drang Zeisberger als einer der ersten Weißen in das heutige Ohio vor, und gründete am Tuscarawasfluss das große Indianerdorf Schönbrunn.

Von hohem Interesse sind die Verordnungen, welche dieser ersten christlichen Niederlassung in Ohio gegeben wurden. Sie lauten:

1 Wir erkennen und verehren keinen anderen Gott als ihn, der uns erschaffen und mit seinem kostbaren Blut erlöset hat.

2 Der Sonntag ist der Ruhe nach der Arbeit und dem Gottesdienst geweiht.

3. Wir wollen Vater und Mutter ehren und in Alter und Not unterstützen.

4 Ohne Erlaubnis unsrer Lehrer ist niemandem die Niederlassung unter uns gestattet.

5 Diebe, Mörder, Trunkenbolde, Ehebrecher und Wüstlinge werden nicht unter uns geduldet.

6 Wer an Tänzen, heidnischen Opfern und Festen teilnimmt, ist von unsrer Gemeinde ausgeschlossen.

7 Ebenso, wer bei der Jagd heidnische Zaubersprüche anwendet.

8 Alle Gaukelkünste, Lügen und Tücken Satans seien verbannt.

9 Unseren Lehrern wollen wir Gehorsam erzeigen, ebenso den Nationalhelfern (so wurden solche Indianer geheißen, die sich durch gesitteten Lebenswandel besonders auszeichneten), die ernannt sind, Ordnung in- und außerhalb der Stadt aufrecht zu halten.

10 Trägheit, Verleumdung und Gewalttätigkeiten seien aus unserer Mitte verbannt. – Wir wollen in Frieden und Eintracht wohnen.

11 Wer eines anderen Herde, Güter oder Effekten schädigt, soll Schadenersatz leisten.

12 Ein Mann soll nur ein Weib haben, es lieben und für es und ihre Kinder sorgen. Zugleichen soll ein Weib nur einen Mann haben und ihm gehorchen. Es soll für die Kinder Sorge tragen und reinlich sein in allen Dingen.

13 Rum oder geistige Getränke dürfen nicht nach unserer Stadt gebracht werden. Kommen Fremde oder Händler mit solchen an, so sollen die Helfer diese Dinge in Besitz nehmen, sorgfältig aufbewahren und sie ihnen erst bei der Abreise wieder zustellen.

14 Kein Einwohner soll bei Händlern Schulden machen oder Güter in Kommission nehmen für Händler ohne Zustimmung der Nationalhelfer.

15 Ohne Erlaubnis des Kirchenvorstandes oder der städtischen Verwalter darf niemand sich auf Reisen oder einen langen Jagdzug begeben.

16 Ohne Erlaubnis und den guten Rat ihrer Eltern dürfen junge Leute sich nicht verheiraten.

17 Wenn die städtischen Helfer oder Verwalter die Hilfe der Einwohner zu öffentlichen Bauten und Arbeiten, wie Versammlungsorte und Schulen, für Klären und Einzäunen von Land und dergleichen fordern, so sollen sie Gehorsam finden.

18 Alle für das Gesamtwohl notwendigen Beiträge sollen freudig geleistet werden.

Diesen Verordnungen wurden später noch die folgenden hinzugefügt:

19 Wer in den Krieg gehen, das heißt Menschenblut vergießen will, kann fürder nicht unter uns wohnen.

20 Wer von Kriegern Kriegsartikel kauft mit dem Vorwissen, dass dieselben gestohlen oder erplündert, muss uns verlassen. Denn es ist dieses nicht anders, als eine Ermutigung zu Mord und Diebstahl.

Diese Verordnungen, die alljährlich in öffentlicher Versammlung verlesen wurden, weckten in den Bewohnern jenes Gefühl der Solidarität, das später auch für die Ansiedlungen der Weißen in jenen Gegenden bezeichnend und für die kulturelle Entwicklung der Vereinigten Staaten von so außerordentlicher Bedeutung werden sollte.

Das tägliche Leben in den christlichen Indianerdörfern glich, wie nicht anders zu erwarten, dem der Herrnhuter in Bethlehem. Die im Ackerbau und in Handwerken unterrichteten Indianer erwiesen sich meist als sehr gelehrige Schüler. Auch für Musik und Künste zeigten sie sich empfänglich.

In Gemeinschaft mit Zeisberger wirkten die Missionare Johann Georg Jungmann, Johann Ettwein, Johann Heckewelder, Johannes Roth u. a. Sie gründeten später in dem fruchtbaren Tal des Muskingum die christlichen Indianerdörfer Gnadenhütten, Salem und Lichtenau. In diesen von Mohikanern und Delawaren bewohnten Stätten wurden die ersten weißen Kinder in Ohio geboren, in Gnadenhütten am 4. Juli 1773 dem Missionar Roth ein Sohn, am 16. April 1781 in Schönbrunn dem Missionar Heckewelder eine Tochter.

Später entstanden noch die Missionen Friedenshütten, Gnadental und Schamokin-Gnadenhütten.

Gnadenhütten erlangte während des Unabhängigkeitskrieges eine traurige Berühmtheit. Es wurde Schauplatz wahrhaft barbarischer Gräueltaten, die von weißen Grenzbewohnern hier verübt wurden. Böswillige Menschen hatten ausgesprengt, die christlichen Indianer seien an einigen von den Wyandots verübten Mordtaten beteiligt gewesen. Ohne diesen Verleumdungen auf den Grund zu gehen, überfiel eine unter der Führung des Obersten David Williamson stehende Bande von Mordbrennern den Ort Gnadenhütten, und schlachtete daselbst am 5. März 1782 93 indianische Bewohner ab, darunter zahlreiche Frauen und Kinder. Mit den Skalpen der Getöteten zogen die Mörder triumphierend in Pittsburg ein, ohne dass einer der Barbaren wegen der verübten Gräuel von den Behörden zur Rechenschaft gezogen worden wäre.

Zeisberger flüchtete mit einer kleinen, dem Blutbad entronnenen Schar von Indianern nach Michigan. Hier gründete er am St. Clairsee das Dorf Neu-Gnadenhütten. Später, nachdem die Zeiten ruhiger geworden und der Bundeskongress den christlichen Indianern als Sühne für die an ihnen begangenen Schandtaten 10.000 Acker Landes geschenkt hatte, kehrte Zeisberger an den Muskingum zurück und gründete auf den den Indianern angewiesenen Ländereien das Dorf Goschen. Zeisberger starb hier am 7. November 1908 im Alter von 87 Jahren, von denen er 60 unter den Urbewohnern Amerikas zugebracht hatte.


Johann Heckewelder

Er sowohl wie Heckewelder hinterließen zahlreiche literarische Werke, darunter Lehr- und Wörterbücher der Sprache der Onondagas, Delawaren und Mohikaner. Desgleichen höchst anschauliche Schilderungen ihrer eigenen Erlebnisse, die wegen der in ihnen niedergelegten Beobachtungen wahre Fundgruben für den Freund der Völkerkunde bilden.

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Die Einwanderung der deutschen Sektierer hatte für die amerikanischen Kolonien, insbesondere für Pennsylvanien, zur Folge, dass sie sich weit kräftiger als alle anderen entwickelten. Pennsylvanien verlor dadurch auch am raschesten den streng puritanischen Charakter, der den Neu-Englandkolonien solange anhaftete. An Stelle der dort herrschenden Unduldsamkeit und Strenge waltete bei den deutschen Sektierern weitgehende, freundlich geübte Toleranz. Für ihre freiere, freudigere Lebensauffassung zeugte namentlich die Pflege, welche sie der Musik, dem Gesang und der Geselligkeit zuteilwerden ließen.

Im großen Ganzen kann man die schönen Worte, welche der berühmte Historiker Bancroft auf die nach Georgia eingewanderten Salzburger anwendete, mit vollem Recht auf alle während des 17. und 18. Jahrhunderts nach Amerika gekommenen deutschen Sektierer ausdehnen:

„Sie waren ein edles Heer von Märtyrern, die in der Kraft Gottes auszogen und im Glauben an das Evangelium unter den größten Schwierigkeiten und heftigsten Verfolgungen triumphierten. Sie scharten sich um kein anderes Panier als um das des Kreuzes, und keine anderen Führer schritten ihnen voran, als ihre geistlichen Lehrer und der Herzog ihrer Seligkeit.“


Der Friedhof der Herrnhuter zu Bethlehem

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Rudolf Cronau: Drei Jahrhunderte deutsches Leben in Amerika - Teil 2

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