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Die deutschen Sekten-Niederlassungen des 17. und 18. Jahrhunderts – Die Ursachen der Sekten-Auswanderung

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Die deutschen Sekten-Niederlassungen des 17. und 18. Jahrhunderts

Die Ursachen der Sekten-Auswanderung

Kein Land der Erde erlitt jemals schrecklichere Heimsuchungen, als Deutschland während des 17. Jahrhunderts. Gleich einem verheerenden Sturmwind brauste zunächst der durch religiösen Zwiespalt heraufbeschworene Dreißigjährige Krieg durch alle Gauen, und ließ sie in einem solchen Zustande gänzlicher Zerrüttung zurück, dass Deutschland im wahren Sinne des Wortes einer großen Wüste mit einigen Kulturoasen darinnen glich. In Württemberg gingen in den Jahren 1634 bis 1641 über 345.000 Menschen zugrunde. In Sachsen wurden innerhalb der beiden Jahre 1631 und 1632 943.000 Personen erschlagen oder durch Seuchen weggerafft. Die blühende Pfalz, welche vor dem Krieg 500.000 Bewohner besaß, zählte zur Zeit des Friedensschlusses nur noch 43.000, darunter bloß 200 Bauern. Im preußischen Henneberg vernichtete der furchtbare Glaubenskrieg 68, im Eisenacher Oberland 90% aller Bewohner. In Meiningen waren in 19 Dörfern von 1.773 Familien nur noch 316 übrig. Im Nassauischen gab es Orte, die bis auf eine oder zwei Familien ausgestorben waren. Man nimmt an, dass Deutschlands Bevölkerung in jener Zeit sich von 17 auf nur 4 Millionen verminderte.

Dieser entsetzlichen Einbuße an Menschenleben entsprach der Verlust an Eigentum. Nach Hunderten zählten die zerstörten Ortschaften. In Württemberg lagen 8 Städte, 45 Dörfer, 158 Schulhäuser und Pfarrhäuser, 65 Kirchen und 36.000 Wohnhäuser in Asche. 80% aller Pferde, Rinder, Schafe und Ziegen waren zugrunde gegangen. Bedeutende Teile des Reiches, die sich früher des blühendsten Wohlstandes erfreuten, blieben unbebaut, weil es an Saaten, Zugtieren und Werkzeugen fehlte, um die Felder zu bestellen. Die ganze Landwirtschaft war so zugrunde gerichtet, dass die Bevölkerung, trotzdem sie so schrecklich zusammengeschmolzen war, sich kaum zu ernähren vermochte.

Als Schleppenträgerinnen der Kriegsfurie folgten Hungersnot und Pestilenz. Von wahnsinniger Verzweiflung ergriffen, mordeten Eltern ihre eigenen Kinder, um deren Fleisch zur Sättigung zu benutzen. In Hessen und Sachsen, im Elsass und an anderen Orten hörte man von Menschenfressern, die Jagd auf Lebende machten, um sie zu verzehren.

In der Schrift „Excidium Germaniae“ heißt es: „Man wandert bei zehn Meilen und sieht nicht einen Menschen, nicht ein Vieh. In allen Dörfern sind die Häuser voll toter Leichname und Äser gelegen; Mann, Weib, Kinder und Gesinde, Pferde, Schweine, Ochsen und Kühe neben- und untereinander, von Pest und Hunger erwürget, von Wölfen, Hunden, Krähen und Raben gefressen, weil niemand gewesen, der sie begraben.“

Manche der Überlebenden, obdachlos und ohne Existenzmittel, scharten sich zu Räuberbanden zusammen, zogen sengend und plündernd von Hof zu Hof, nahmen den Bewohnern das letzte und boten den ohnmächtigen Regierungen Trotz.

Noch waren diese furchtbaren Leiden, welche der große Krieg den deutschen Landen geschlagen hatte, nicht verwunden, so kamen die Kriege gegen die Polen, Schweden, Türken und Franzosen. Nebenher gab es endlose Streitigkeiten der Reichsstände untereinander. Um das Elend voll zu machen, begingen die an verschwenderische Hofhaltung, glänzende Gelage und große Jagden gewöhnten großen und kleinen Landesherren an dem gewöhnlichen Volke die ärgsten Bedrückungen. Auf ihr Gottesgnadentum pochend und ihre Länder als persönliches Eigentum betrachtend, zwangen sie ihre Untertanen in ein entwürdigendes, von völliger Leibeigenschaft kaum noch zu unterscheidendes Knechtschaftsverhältnis.

In dieser langen Zeit des Leidens und des materiellen Elends schwand einem großen Teil des deutschen Volkes eine seiner edelsten Eigenschaften: der unternehmende kühne Mannesmut, der es seit den Tagen, wo es zum ersten Male in den Bereich der Geschichte trat, in so hoher Weise ausgezeichnet hatte. Aus dem freien deutschen Manne wurde ein ängstlicher, in sein Schicksal ergebener Spießbürger, der kaum noch Verständnis für das Entwürdigende seiner Lage besaß, sondern Trost für seine Leiden tatenlos in der Religion suchte. Aber auch das war ihm häufig erschwert. Nach dem Dreißigjährigen Kriege waren in Deutschland drei Bekenntnisse, das katholische, lutherische und reformierte, anerkannt worden. Aber ihre Anhänger und Priester befehdeten auch nach dem Kriege einander fort und fort. Besonders die an den zahlreichen Fürstenhöfen angestellten Hofgeistlichen und Beichtväter suchten auf die Landesherren Einfluss zu gewinnen und sie zu veranlassen, das von ihnen vertretene Bekenntnis zur Staatsreligion zu machen. Dies gelang in manchen Ländern, und so kam es, dass in Gegenden, deren Herrscher katholisch geblieben waren, die Lutheraner und Reformierten in der Ausübung ihrer Andachten behindert wurden; in Ländern hingegen, wo die Lutheraner oder Reformierten Oberwasser besaßen, waren die Katholiken und Reformierten oder die Katholiken und Lutheraner allerlei Bedrängnissen ausgesetzt.

In verschiedenen Teilen Deutschlands hatten sich aber auch Sekten gebildet, die sich sowohl von den Katholiken wie von den Reformierten und Lutheranern absonderten und darum sowohl von den Geistlichen wie von der Regierung verfolgt wurden, da man der immer größer werdenden religiösen Zersplitterung vorbeugen wollte.

Diese Sekten waren die Mennoniten, Labadisten, Pietisten, Herrnhuter, Schwenkfeldianer, Tunker und andere mehr. Sie strebten meist eine Wiederherstellung des schlichten, innigen Gemeindelebens an, wie es die ersten Christen geführt hatten. Da sie von berufsmäßigen Predigern nicht viel hielten und auch die Beständigkeit der Kirche als Organisation nicht anerkannten, so zogen sie sich natürlich den Zorn der Geistlichkeit zu. Den Regierungen erschienen sie verdächtig, weil sie Neigungen bekundeten, die man als gefährlich für die bestehenden Staatsformen betrachtete. Namentlich war es der von einigen Sekten vertretene kommunistische Gedanke der gemeinsam füreinander arbeitenden Brüder und Schwestern, den man nicht dulden zu dürfen glaubte. Da die Sektierer sich obendrein weigerten, Kriegsdienste und Kriegssteuern zu leisten, weil Christus das Führen des Schwertes und das Töten von Menschen verboten habe, so wandte sich der Groll der ausschließlich auf militärischer Gewalt beruhenden Regierungen gegen sie.

Die Verfolgungen, denen die Sektierer sich infolgedessen ausgesetzt sahen, nahmen in manchen Ländern so grausame Formen an, dass viele, um der Einkerkerung oder den drohenden Leibes- und Lebensstrafen zu entgehen, sich zur Auswanderung entschlossen.

Die Anregung dazu kam durch englische und holländische Puritaner und Quäker, von denen viele gleicher Bedrängnisse wegen nach der Neuen Welt gezogen waren. Von ihnen, mit denen man Fühlung hielt, erfuhr man, dass Amerika, insbesondere Pennsylvanien, ein duldsames Land sei, wo jedermann seinen religiösen Anschauungen ungehindert leben könne und auch der Bauer darauf rechnen dürfe, des Lohnes für seine Arbeit teilhaftig zu werden.

Die Mennoniten und die Gründung Germantowns

Die ersten deutschen Sektierer, welche sich von der Scholle lösten, um in der Fremde ungehindert ihren religiösen Anschauungen leben zu können, waren Mennoniten, Anhänger des um das Jahr 1492 in dem friesländischen Dorfe Witmarsum geborenen Menno Simon. Derselbe war ursprünglich Priester der katholischen Kirche, hatte sich aber von derselben losgesagt und predigte in reformatorischem Sinne. Seinen Anhängern empfahl er Sittlichkeit, Herzensmilde und Reinheit; sich der Verfolgung Andersgläubiger, des Tragens und Gebrauchens von Waffen, ja, jeder Gegenwehr zu enthalten; auch das Klagen vor weltlichen Gerichten, das Schwören von Eiden, die Teilnahme an weltlicher Regierung und unnötigen Aufwand in Kleidung und Lebensweise zu unterlassen. Hinsichtlich der Auffassung der Gottheit Christi stimmte er mit den Wiedertäufern überein, beobachtete die Fußwaschung als religiöse Zeremonie und erteilte die Taufe nur als bloßes Symbol innerer Sinnesänderung.

Seine Anhänger, die Mennoniten, bildeten diese Grundsätze noch weiter aus. Das irdische Leben lediglich als eine Vorbereitung für das Jenseits betrachtend, sonderten sie sich, um den Versuchungen dieser Welt zu entgehen, soviel als möglich von den Gemeinwesen ab. In ihren Ehebündnissen beschränkten sie sich ausschließlich auf Mitglieder der eignen Kreise.

Da von allen Sektierern die Mennoniten den unchristlichen Charakter der Kirchen, wie des nur auf militärischer Gewalt beruhenden Staatswesens am schärfsten kritisierten und obendrein sich weigerten, Kriegsdienste und Kriegssteuern zu leisten, so wurden sie auch mit der größten Erbitterung verfolgt.

Schon der Gründer der Sekte, Menno Simon, wurde für vogelfrei erklärt. Wer seinen Kopf einliefre, sollte als Belohnung einen Karlsgulden und außerdem, welche Verbrechen er immer begangen habe, völlige Straflosigkeit erhalten. Unter diesem Bann floh Menno Simon von Ort zu Ort, vom Rhein bis zu den Ostseeländern, bis endlich im Jahre 1561 der Tod ihn seinen Verfolgern entrückte. Seine Anhänger aber mussten den furchtbaren Hass derselben vollauf verspüren. In den Niederlanden marterten die fanatischen Spanier ihrer 6.000 zu Tode; in Süddeutschland und in der Schweiz hauchten über 3.000 unter den Richtschwertern oder auf den Scheiterhaufen ihre letzten Seufzer aus. Die entsetzlichen Leiden dieser Märtyrer wurden von Tieleman Jans van Braght in einem dickleibigen Folianten „Het Bloedig Toneel of Martelaars Spiegel“, „Der blutige Schauplatz oder Märtyrer-Spiegel“ beschrieben.

Erst nach 1579 ließen die wütenden Verfolgungen in Holland und Norddeutschland nach; in anderen Ländern hingegen wurde den Mennoniten bis ins 18. Jahrhundert hinein zugesetzt. Die Anzeige eines Mennoniten wurde mit fünf Gulden belohnt; die Sektierer selber bedrohte man mit Einziehung ihres Vermögens, körperlicher Züchtigung und Gefängnisstrafe. Trotzdem bildeten sich in Lübeck, Emden, Frankfurt a. M., Krefeld und Krisheim bei Worms Mennonitengemeinden, die mit den nach ähnlichen Glaubenssatzungen lebenden Quäkern in Holland und England nicht nur geheimen Verkehr unterhielten, sondern bisweilen auch den Besuch von Predigern derselben empfingen. Einer jener englischen Quäkermissionare, welche Deutschland bereisten, war William Penn.


William Penn


Namenszug von William Penn

Auf seinen in den Jahren 1671 und 1677 unternommenen Missionsreisen kam er auch nach Krefeld, Frankfurt a. M. und Krisheim, wo er vor den dortigen Mennonitengemeinden predigte und bei all seinen Hörern einen tiefen, nachhaltigen Eindruck hinterließ.

Penns Vater, ein Admiral in englischen Diensten, hatte seinem Sohne eine auf 16.000 Pfund Sterling lautende Forderung an die Regierung hinterlassen. William entschloss sich, an Stelle baren Geldes eine bedeutende Strecke Landes anzunehmen, die in Nordamerika, westlich vom Delaware, lag. Zum Gedächtnis an seinen Vater und im Hinblick auf den ungeheuren Waldreichtum des Landes nannte William Penn sein Besitztum Pennsylvanien.

Der Verfolgungen seiner Glaubensgenossen gedenkend, beschloss er, dieses Besitztum zu einem Zufluchtsort für alle zu machen, die in Europa wegen ihres Glaubens bedrängt wurden. Nachdem er durch seinen berühmten Vertrag mit den Indianern bei Schackamoxon Pennsylvanien zu einer wirklichen Stätte des Friedens gemacht hatte, veröffentlichte er eine in englischer, deutscher und holländischer Sprache gedruckte Beschreibung von Pennsylvanien. Die deutschen Ausgaben erschienen in Amsterdam und Frankfurt unter dem Titel: „Eine nachricht wegen der Landschaft Pennsylvania in America, welche jungstens unter dem Großen Siegel in Engelland an William Penn Sambt den Freiheiten und der Macht so zu behörigen guten Regierung derselben nötig, übergeben worden.“

Diese Schrift enthielt zugleich die Einladung an alle wegen ihrer religiösen Anschauungen Verfolgten, nach der jenseits des Ozeans errichteten Freistätte zu kommen. Die Einladung wurde von den Mennoniten in Frankfurt, Krefeld und Krisheim freudig aufgenommen, zumal die Bedingungen, unter welchen Penn Grundstücke zum Kauf anbot, äußerst günstig waren. Er verkaufte je 5.000 Acker für 100 Pfund Sterling und 100 Acker für 40 Schilling neben Zahlung einer Erbpacht von 1 Schilling für 100 Acker. Wer nicht kaufen wollte, konnte bis zu 200 Acker Land für einen jährlichen Zins von 1 Penny den Acker pachten.

Mehrere Mitglieder der Frankfurter Gemeinde traten zu der sogenannten „Frankfurter Gesellschaft“ zusammen und erwarben 25.000 Acker. Die Krefelder Gemeinde sicherte sich 18.000 Acker. Beim Abschluss des Kaufvertrages bedienten die Frankfurter sich eines jungen Rechtsgelehrten, namens Franz Daniel Pastorius.


Franz Daniel Pastorius


Namenszug von Pastorius

Derselbe war am 26. September 1651 zu Sommerhausen in Franken geboren. Nach Beendigung seiner Studien auf den Universitäten Straßburg, Basel und Jena hatte er eine längere Reise durch Deutschland, Holland, England, Frankreich und die Schweiz gemacht und war im November 1682 nach Frankfurt gekommen, wo er in Beziehungen mit der dortigen Pietistengemeinde trat.

„Weilen ich nun“, so erzählt Pastorius in seinen Aufzeichnungen, „alldar von meinen Bekannten Pennsylvanien zum öfteren sehr rühmen hörte und verschiedene Relationsschreiben davon zu lesen bekam, auch einige Gott fürchtende Menschen sich bereits dorthin zu transportieren entschlossen und allschon zusammengepackt hatten, entstund eine nicht geringe Begierde bey mir, in ihrer Gesellschaft mit über zu segeln und daselbst nach überdrüssig gesehenen und gekosteten europäischen Eitelkeiten nebenst ihnen ein still und christlich Leben zu führen. Verehrte und schickte derowegen meine Bücher u. s. w. an meinen Bruder Joh. Samuel und erlangte endlich nach mehrmaliger Briefwechselung meines verehrten Vatters Verwilligung sammt 250 Reichsthalern, worauf ich dann nach Krisheim reisete und mich sofort ganz reisefertig machte.“

Am 2. April fuhr Pastorius von Frankfurt den Rhein hinab, verweilte kurze Zeit in Köln und begab sich dann nach Krefeld, wo er mit mehreren Mitgliedern der dortigen Mennonitengemeinde Unterredungen hatte und von denselben erfuhr, dass sie gleichfalls bereit seien, nach Pennsylvanien überzusiedeln. Pastorius versprach, für ihre Ankunft alles vorzubereiten und begab sich über Rotterdam und London nach Gravesend, von wo er am 6. Juni mit dem Schiff „AMERICA“ nach Philadelphia segelte. Als er dort am 20. August landete, bestand dieser „Ort der Bruderliebe“ erst aus wenigen notdürftig hergerichteten Blockhütten.

„Das Übrige war Wald und Gestrüpp, worin ich mich mehrere Male verlor. Was für einen Eindruck solch eine Stadt auf mich machte, der ich eben London, Paris, Amsterdam und Gent besucht hatte, brauche ich nicht zu beschreiben.“

Dem Beispiel der Bewohner dieser Ansiedlung folgend, erbaute Pastorius sich ein bescheidenes, für die erste Unterkunft genügendes Häuschen, dessen Fensteröffnungen er, da Glas nicht zu haben war, mit ölgetränktem Papier verklebte. Altem deutschem Brauch folgend, setzte er über die Haustür den von ihm ersonnenen Spruch:

„Parva domus sed amica bonis, procul este profani.“

„Klein ist mein Haus, doch Gute sieht es gern,

Wer gottlos ist, der bleibe fern.“ –

Mit William Penn häufig verkehrend und von diesem hochgeschätzt, erwartete Pastorius in seinem kleinen Nothause die Ankunft der Krefelder Einwanderer.

Von der Krefelder Gemeinde hatten sich zunächst 13 Familien zur Übersiedlung nach Pennsylvanien entschlossen. Es waren die Familien von Hermann, Abraham und Dirk (Dietrich) op den Graeff, Lenert (Leonhard) Arets, Tünes (Anton) Kunders, Reinert (Reinhard) Tisen oder Theißen, Wilhelm Strepers, Jan (Johann) Lensen, Peter Keurlis oder Kuirlis, Jan Simens, Johann Bleickers, Abraham Tünes oder Tünies und Jan Lüken oder Luyken. Zusammen bildeten diese Personen eine Schar von 33 Köpfen.

Am 18. Juni befanden sich die Auswanderer in Rotterdam, gingen von dort nach England und schifften sich am 24. Juli 1683 auf der „CONCORD“ in Gravesend zur Überfahrt nach Amerika ein. Entlang der Küste Englands ging die Fahrt äußerst langsam vonstatten, denn man behielt dieselbe drei Wochen lang in Sicht. Nach weiteren 49 Tagen erblickten die Reisenden die Gestade der Neuen Welt und betraten am 6. Oktober (dem 16. Oktober gegenwärtiger Zeitrechnung) den Boden derselben.

Von Pastorius und Penn freudig begrüßt, schritten die deutschen Pilger nach kurzem Verweilen zur Auswahl eines geeigneten Platzes für die zu gründende Niederlassung. Man entschied sich für einen zwei Stunden von Philadelphia in der Nähe des Schuylkillflusses gelegenen Landstreifen, auf dem William Penn „am 24. Octobris durch Thomas Fairman 14 Lose oder Erbe abmessen ließ, umb welche oberwähnte 13 Familien am 25. dito durch Zettel das Los zogen und sofort anfingen, Keller und Hütten zu machen, worinnen sie den Winter nicht sonder große Beschwerlichkeiten zubrachten. Den Ort nannten wir Germantown, welches der Teutschen-Statt bedeutete. Etliche gaben ihm den Beynamen Armentown, sindemahl viel der vorgedachten Beginner sich nicht auf etliche Wochen, zu geschweigen Monaten, provisioniren kunnten. Und mag weder genug beschrieben noch von denen vermöglicheren Nachkömmlingen geglaubt werden, in was Mangel und Armuth, anbey mit welch einer Christlichen Vergnüglichkeit und unermüdetem Fleiß diese Germantownship begunnen sey.“

Zunächst hatten die deutschen Ansiedler einen schweren Kampf gegen die schier unbezwingliche Wildnis zu führen, die sich dicht an ihre Hütten drängte, und deren Ende gen Westen hin noch kein Weißer erreicht hatte. „Man wende sich“, so schrieb Pastorius an seine in Deutschland zurückgebliebenen Angehörigen, „hin, wo man wolle, da heißet es: ‚Itur in antiquam sylvam’, und ist alles mit Holtz überwachsen, also dass ich mir offt ein paar Dutzet starke Tyroler gewünschet, welche die dicke Aychen-Bäume darnieder geworffen hätten.“ In diesem Kampf mit der Wildnis bedurfte es, wie Pastorius an einer anderen Stelle gesteht, „gedachten William Penns offtmaliger dringender Assistenz, zumal wir wegen ermangelnder sattsamer Experienz in solcherlei Sachen vieles gethan haben, was wir hernach theils selbst ändern, theils der klügeren Nachfahren Verbesserung anbefehlen müssen.“

Mit der Zeit wurde das Aussehen der Ortschaft doch ein wohnliches. Sie war durch eine breite, von mehreren Querstraßen durchschnittene und auf beiden Seiten mit Pfirsichbäumen besetzte Straße in zwei Hälften geteilt. Ein kleines hölzernes Kirchlein erstand 1686. Die Wohnhäuser lagen inmitten großer Blumen- und Gemüsegärten, deren fruchtbarer Boden die auf ihn gewendete Mühe so reich lohnte, dass man mit den gewonnenen Erzeugnissen sowohl den Bedarf der Bewohner decken wie auch den Markt von Philadelphia versorgen konnte. Ja, nach mehreren Jahren konnte man den Überfluss an Getreide und Vieh nach Barbados verhandeln „umb Brandwein, Syrup, Zucker und Salz“.

Mit den Eingeborenen, die Pastorius als „starke, hurtige und gelenke Leute“ schildert, die „sich einer aufrichtigen Redlichkeit befleißigen, genau über ihren Versprechen hielten und Niemanden betrogen oder beleidigten“, kam man gut aus. Man unterhielt sogar mit ihnen einen einträglichen Handel. „Der wilden Leute ihre Kaufmannschaften“, so erzählt Pastorius weiter, „ist von Fischen, Vögeln, Hirschhäuten und allerlei Pelzwerk von Bibern, Ottern, Füchsen, u. s. w. Bisweilen vertauschen sie's gegen Getränk, bisweilen verkauffen sie's umb ihr Landgeld, welches nur langlichte an Faden angeschnürte Corallen aus Meer-Muscheln geschliffen (Wampumperlen) theils weis, theils braunlecht.“ Das im Handel mit den Indianern erworbene Pelzwerk verschiffte man nach England.

Fleiß, Sparsamkeit und Genügsamkeit bildeten die Tugenden, durch welche die Ansiedler von Germantown sich auszeichneten und die Achtung aller Umwohner erwarben. Besondere Sorgfalt wendeten sie auf den Anbau von Flachs und Wein, die hoch in Ehren gehalten wurden. Der Flachs hatte Bedeutung, weil die Krefelder Leineweberei betrieben. Dies Gewerbe setzten sie in der Neuen Welt fort und stellten allerlei Zeuge her, die wegen ihrer Güte und Haltbarkeit überall willige Abnehmer fanden. Als Rheinländer waren sie Freunde des Frohsinns und wussten den Wein als Quelle desselben zu schätzen. So währte es nicht lange, dass sich um die Fenster und Türen ihrer Hütten schwertragende Reben rankten, andere sich zu schattigen Lauben verbanden.


Das Siegel von Germantown

Gewiss war es ein sinniger Gedanke, dass Pastorius beim Entwurf eines Ortssiegels in dasselbe ein Kleeblatt zeichnete, dessen drei Blätter den Weinstock, den Flachs und die Weberei darstellen sollten, was durch die Umschrift: „Vinum, Linum et Textrinum“ („Wein, Lein und Webeschrein“) Ausdruck fand. Dadurch wurde zugleich die Mission der Deutschen in Amerika, die Förderung des Ackerbaues, des Gewerbes und des heiteren LebensGenusses in der glücklichsten Weise angedeutet.

Welch glückliche Stunden mögen die Väter der deutschen Auswanderung in Germantown verlebt haben, wenn sie abends nach vollbrachter Arbeit auf den nach heimischer Art zu beiden Seiten der Haustür angebrachten Bänken saßen, von Bienen umsummt, von Tauben umflattert und vom Wohlgeruch der Blumen umwallt, die den aus Deutschland mitgebrachten Sämereien entsprossen! Wie oft mögen sie da der fernen Heimat gedacht haben, in der sie nur Kümmernisse und Verfolgung erlebt hatten, die ihnen aber trotzdem heilig und teuer blieb! Die Anhänglichkeit an dieselbe bekundeten sie, indem sie drei neue Ortschaften, die der Zuwachs später notwendig machte, Krefeld, Krisheim und Sommerhausen tauften.

Unter den alltäglichen Arbeiten vergaßen die Bewohner der deutschen Stadt nicht die Pflege des Geisteslebens. Den Mittelpunkt desselben bildete Pastorius, der die Errichtung einer Schule durchsetzte und persönlich eine Abendklasse leitete, in der er den reichen Born seines Wissens allen erschloss, die auf Vertiefung ihrer Kenntnisse bedacht waren. Der in jeder Beziehung merkwürdige Mann fand neben der Erledigung seiner Berufspflichten auch noch Zeit, schriftstellerisch tätig zu sein. Von seiner Vielseitigkeit und Gemütstiefe zeugt gewiss die Tatsache, dass er nicht weniger als 43 Bände mit Aufsätzen über Rechtskunde, Naturwissenschaft, Geschichte, Landwirtschaft, Theologie, Gedichten, Sinnsprüchen und philosophischen Betrachtungen füllte. Wie warm in seinem Herzen echte Liebe für das Vaterland und für seine Landsleute glühte, geht aus seinem berühmten, in lateinischer Sprache geschriebenen „Gruß an die Nachkommen“ hervor, mit dem er das Grundbuch von Germantown eröffnete. Der um die deutsch-pennsylvanische Geschichte hochverdiente Oswald Seidensticker, dessen Hauptwerk „Die Gründung von Germantown“ eine Perle echter, gemütstiefer Geschichtsschreibung ist, um die jedes Volk das Deutschamerikanertum beneiden dürfte, übersetzte denselben folgendermaßen: „Sei gegrüßt, Nachkommenschaft! Nachkommenschaft in Germanopolis! Und erfahre zuvörderst aus dem Inhalt der folgenden Seite, dass deine Eltern und Vorfahren Deutschland, das holde Land, das sie geboren und genährt, in freiwilliger Verbannung verlassen haben – oh, ihr heimischen Herde! – um in diesem waldreichen Pennsylvanien, in der öden Einsamkeit minder sorgenvoll den Rest ihres Lebens in deutscher Weise, d. h. wie Brüder, zu verbringen. Erfahre auch ferner, wie mühselig es war, nach Überschiffung des Atlantischen Meeres in diesem Striche Nordamerikas den deutschen Stamm zu gründen. Und du, geliebte Reihe der Enkel, wo wir ein Muster des Rechten waren, ahme unser Beispiel nach; wo wir aber von dem so schwierigen Pfade abwichen, was reumütig anerkannt wird, vergib uns; mögen die Gefahren, die andere liefen, dich vorsichtig machen. Heil dir, Nachkommenschaft!


Pastorius' Gruß an die Nachkommenschaft.

Kopie der im Grundbuch von Germantown befindlichen Originalniederschrift.

Heil dir, deutsches Brudervolk! Heil dir auf immer!“

Der lateinische Originaltext lautet:

A ex argumento in sequentis paginae primibus observa, Parentes ae Majores Tuos Alemaniam Solum quod eos genuerat, alueratque diu, voluntario exilio deseruisse, (oh! Patrios Focos!) ut in Silvosa hac Pennsylvania, deserta Solitudine, minus soliciti residuum Aetatis Germane, h. e. instar Fratrum, transigerent. Porro etiam inde addiscas, quantae molis erat, exant lato jam mari Atlantico, in Septentrionali isthoc Americae tractu, Germanam condere gentem. Tuque Series dilecta Nepotum! ubi fuimus exemplar honesti, nostrum imitare exemplum; Sin autem a semita tam difficili aberravimus, quod poenitenter agnoscitur, ignosce; Et sic te faciant aliena pericula cautam. Vale Posteritas! Vale Germanitas! Aeternum Vale!

Bereits im Jahre 1691 erhielt Germantown städtische Gerechtsame. Dass die Bewohner Pastorius zum Bürgermeister erwählten, war der Ausdruck der von allen gegen ihn empfundenen Dankbarkeit. Zugleich bekleidete er das Amt eines Friedensrichters. Als er am 2. Juni ein Ratsbuch beschaffte, eröffnete er dasselbe mit einigen seinen Gerechtigkeitssinn kennzeichnenden Sprüchen.

„Lasset die Forcht des Herrn bey Euch seyn und nehmet nicht Geschenke. Beleidigt keine Wittib noch Waisen. Schaffet dem Armen Recht und helffet dem Elenden und Dörftigen. Richtet recht zwischen Jedermann; sehet keine Person an, sondern höret den Kleinen wie den Großen. In euren Wahltagen setzet zu Häuptern übers Volk redliche, weise, erfahrene und verständige Leute, die wahrhafftig und dem Geitze feind sind.“

Wie wohl würde es um die amerikanische Nation stehen, wenn alle Richter sich bestrebten, gleich einem Pastorius solchen Grundsätzen gerecht zu werden.

Als Richter hatte Pastorius kaum etwas zu tun. Mitunter vergingen Monate, ehe er Anlass fand, einen Bewohner von Germantown in eine gelinde Geldstrafe zu nehmen. Seidensticker, welcher die Gerichtsakten von Germantown einer Durchsicht unterzog, nennt dieselben trocken und langweilig, fügt aber hinzu: „Glücklich die Gemeinde, deren Gerichts-Annalen langweilig sind!“

Unzweifelhaft ist auch eine Großtat der ersten deutschen Ansiedler in Amerika auf den hochherzigen Pastorius zurückzuführen: der erste in der zivilisierten Welt erhobene Protest wider die Sklaverei, die unfreiwillige Knechtschaft. Die Einfuhr von Negersklaven in die an der Ostküste von Nordamerika gelegenen holländischen und englischen Kolonien wurde bereits seit Anfang des 17. Jahrhunderts betrieben, ohne dass die für allgemeine Menschenrechte eintretenden Puritaner und Quäker den Menschenhandel als eine Ungerechtigkeit empfanden. Erst als William Penn für seine Provinz den „Frame of Government“ entwarf, und das Dokument seinem Freunde Benjamin Furley, einem in Rotterdam geborenen Quäker, der zugleich Agent der Frankfurter Gesellschaft war, zur Begutachtung vorlegte, hatte dieser ihm den Vorschlag unterbreitet: „Lasst keine Schwarze direkt eingeführt werden. Und wenn solche aus Virginien, Maryland oder sonst woher mit Familien kommen, welche dieselben früher irgendwo kauften, so lasst dieselben (wie nach der Verfassung von West Jersey) nach acht Jahren frei erklären.“

Aber die Handelsgesellschaft, welcher Penn angehörte, und die gleich allen anderen Kolonisten englischer und holländischer Abkunft Sklaven hielt, wollte diesem Vorschlag Furleys nur so weit entgegenkommen, dass sie in eine Freilassung ihrer Sklaven nach 14jähriger Dienstzeit derselben willige, wenn dieselben sich verpflichteten, nach erfolgter Freilassung zwei Drittel aller Erzeugnisse des ihnen zugewiesenen Landes an das Warenhaus der Gesellschaft abzuliefern, anderenfalls sie in dienendem Verhältnis bleiben müssten.

Den Deutschen, welche in ihrer eigenen Heimat den Druck der Obrigkeit schwer empfunden hatten, schien die Sklaverei höchst ungerecht, indem sie gegen die Lehren der christlichen Religion verstoße. Deshalb beschäftigten sie sich sehr lebhaft mit dieser Frage und ließen ihren von Pastorius in englischer Sprache niedergeschriebenen Protest im Februar 1688 der Monatsversammlung der Quäker verlesen. Das denkwürdige Schriftstück hat verdeutscht folgenden Wortlaut:

„An die Versammlung bei Richard Worrells.

Hier folgen die Gründe, warum wir gegen den Handel in Menschenleibern sind. Ist irgendjemand, der in gleicher Weise behandelt, das heißt verkauft und zeitlebens als Sklave gehalten werden möchte? – Wie zaghaft und schwachherzig gebärden sich viele auf See, wenn ihnen ein fremdes Schiff begegnet, – fürchtend, es möge ein türkisches sein, und sie möchten gefangengenommen und in der Türkei als Sklaven verkauft werden. Wohlan, ist euer Verfahren besser als das der Türken? Im Gegenteil, es steht denen weit übler an, welche vorgeben, Christen zu sein. Denn wir hören, dass die meisten Neger gegen ihren Willen und gegen ihre Zustimmung hierhergebracht werden, und dass viele von ihnen gestohlen wurden. Nun, obgleich sie schwarz sind, können wir doch nicht einsehen, dass dieser Umstand irgendwelche größere Berechtigung verleiht, sie als Sklaven zu halten, als wenn man es mit weißen Menschen zu tun hätte. Man sagt, wir sollten allen Menschen ohne Unterschied des Geschlechts, der Rasse oder Hautfarbe, so begegnen, wie man selbst behandelt zu werden wünscht.

Doch sind die, welche Menschen rauben und jene, welche sie kaufen und verkaufen, nicht alle gleich? – Hier herrscht Freiheit des Glaubens, was recht und vernünftig ist. Aber hier sollte auch Freiheit des Körpers herrschen, ausgenommen für Übeltäter, was ein andrer Fall ist. Aber wir protestieren dagegen, Leute wider ihren Willen herzubringen. In Europa sind viele ihres Glaubens wegen unterdrückt. Hier dagegen sind die, welche wegen ihrer schwarzen Farbe unterdrückt werden.

Wir wissen, dass die Menschen keinen Ehebruch begehen sollen. Aber manche machen sich dieser schweren Sünde in andrer Form schuldig, indem sie Frauen von ihren Männern trennen und anderen überliefern. Manche verhandeln obendrein die Kinder dieser armen Geschöpfe an andere Leute.


Der Protest der Deutschen von Germantown gegen die Sklaverei. Nach der in der Gesellschaft der „Freunde“ zu Philadelphia aufbewahrten Originalhandschrift.


Oh, die ihr solche Dinge tut, überlegt, ob Ihr in der gleichen Weise behandelt werden möchtet, und ob es sich mit wahrem Christentum verträgt. Ihr überbietet Holland und Deutschland in solchen Dingen. Es bringt euch in allen europäischen Ländern in Verruf, wenn sie dort hören, dass die Quäker hier Menschen in der gleichen Weise wie das Vieh verkaufen. Aus diesem Grunde zeigen manche keine Neigung, hierherzukommen. Denn wer könnte solches Tun verteidigen oder befürworten? Wir können es nicht; es sei denn, dass ihr uns überzeugt, dass Christen ein Recht haben, so zu handeln. Sagt, was könnte uns Schlimmeres widerfahren, als wenn Menschen uns rauben oder stehlen wollten, um uns von unseren Angehörigen zu trennen und als Sklaven in fremde Länder zu verkaufen? Einsehend, dass dies nicht die Art ist, in der wir mit uns verfahren sehen möchten, protestieren wir gegen diesen Menschenschacher. Und wir, die wir bekennen, dass es ungesetzlich ist, zu stehlen, müssen es gleichfalls unterlassen, Dinge zu kaufen, von denen wir wissen, dass sie gestohlen wurden. Wir sollten dagegen helfen, dass dieser Raub und Diebstahl unterdrückt werden. Die Sklaven aber sollten aus den Händen ihrer Räuber erlöst und in gleicher Weise freigegeben werden, wie in Europa. Dann wird Pennsylvanien einen guten Ruf erlangen, wohingegen es jetzt dieser Ursache wegen in anderen Ländern berüchtigt ist. Wir sollten dies umso mehr tun, als die Europäer begierig sind, zu erfahren, in welcher Weise die Quäker ihre Provinz regieren. Viele dieser Europäer beneiden uns. Wenn dies aber wohlgetan ist, was wäre dann vom Übel?

Falls es diesen als dumm und hinterlistig verschrienen Sklaven einmal in den Sinn käme, sich zu vereinigen und für ihre Freiheit zu kämpfen und dann ihre Herren und Herrinnen in der gleichen Weise zu behandeln, wie diese sie behandelten, werden dann diese Herren und Herrinnen zum Schwert greifen und diese armen Sklaven bekämpfen? Manche würden, wie wir glauben, nicht zögern, dies zu tun. Aber hätten diese Neger nicht ebensogut das Recht, für ihre Freiheit zu kämpfen, als wie Ihr das Recht zu haben glaubt, sie als Sklaven zu halten?

Nun erwägt diese Angelegenheit wohl, ob sie gut oder böse ist. Falls Ihr es für recht befindet, die Schwarzen in solcher Weise zu behandeln, so bitten und ersuchen wir euch hiermit liebevoll, uns darin zu belehren, was bis heute nie zuvor getan wurde, nämlich, dass es Christen ziemt, so zu verfahren. Einstweilen werden wir uns über diese Angelegenheit zufriedengeben, und gleichfalls unsere guten Freunde und Bekannte in der Heimat beruhigen, für welche es ein Schrecken und Abscheu ist, dass Menschen derart in Pennsylvanien behandelt werden.

Dies ist von unsrer Versammlung in Germantown, abgehalten am 18. des 2. Monats 1688. Zu übergeben an die Monatsversammlung bei Richard Worrells.

Garret Hendericks. Derick up de Graeff. Francis Daniell Pastorius. Abraham up den Graeff.“

Die Monatsversammlung der Quäker fand das Dokument zu wichtig, als dass sie sich für zuständig hielt, einen Beschluss zu fassen. Sie überwies das Schriftstück der „Vierteljahrsversammlung“, die dasselbe aus den gleichen Gründen am 4. April an die „Jahresversammlung“ weitergab. Diese drückte sich am 5. Juli mit der Erklärung um die heikle Frage herum: „Es wurde hier eine von mehreren deutschen Freunden verfasste Schrift eingereicht, welche die Frage der Gesetzlichkeit oder Ungesetzlichkeit des Kaufs und Haltens von Negern betrifft. Man kam dahin überein, dass es dieser Versammlung nicht zustehe, ein positives Urteil über diese so viele andere Dinge berührende Frage abzugeben. Aus diesem Grunde unterließ man es, auf die Angelegenheit einzugehen.“

Damit wurde das denkwürdige Schriftstück zu den Akten gelegt. Erst volle 155 Jahre später wurde es von dem Geschichtsforscher Nathan Kite wieder aufgefunden und am 13. Januar 1844 in der Quäkerwochenschrift „Friend“ zum Abdruck gebracht. Das Original, ein stark verwitterter Bogen in Folioformat, befindet sich noch heute im Besitz der Quäkergesellschaft der Friends in Philadelphia.

Wenngleich der menschenfreundliche Pastorius die Abschaffung der Sklaverei nicht erlebte, so durfte er sich doch versichert halten, dass seine Anregung einst Früchte tragen werde. Bereits im Jahre 1711 kam in Pennsylvanien ein Gesetz zur Annahme: „An act to prevent the Importation of Negroes and Indians into the province.“ Es wurde zwar von der englischen Regierung sofort für ungültig erklärt, aber schon 1715 begannen die Quäker ernstlich sich gegen den überseeischen Sklavenhandel auszusprechen. 1730 gingen sie schon so weit, das Kaufen importierter Sklaven zu missbilligen.

Unterdessen war, was an dem edlen Pastorius sterblich, längst zu Staub zerfallen. Er schied gegen Ende des Jahres 1719 aus dem Leben und wurde auf dem alten Quäkerfriedhof von Germantown begraben. Kein Nachweis ist vorhanden, an welcher Stelle die Gebeine des edlen Mannes ruhen, von dem sein berühmter, ihm im Tode vorausgegangener Zeitgenosse und Freund William Penn einst sagte: „Vir sobrius, probus, prudens et pius, spectatae inter inculpataeque famae“; „Nüchtern, rechtschaffen, weise und fromm, ein Mann von allgemein geachtetem und unbescholtenem Namen“.


Altes Haus in Germantown, in dem der Protest gegen die Sklaverei verfasst

und geschrieben wurde. Nach einer alten Zeichnung.

Auch nach Pastorius' Tode flossen die Jahre in Frieden über die deutsche Stadt hinweg. Keine Indianerkämpfe, Religionsstreitigkeiten oder Parteifehden wurden hier ausgefochten. Mit den benachbarten Quäkern, denen sich viele Mennoniten von Germantown förmlich anschlossen, unterhielt man die beste Fühlung. Zuwanderung aus Deutschland und den benachbarten Kolonien ließ das Städtchen Germantown rasch emporblühen. Von diesem Zuwachs erwies sich keiner so wertvoll wie die Einwanderung eines aus Laasphe in Westfalen stammenden Mannes, Christoph Saur, der im Jahre 1727 in Germantown anlangte.

Nicht an Gelehrsamkeit, sicher aber an Vielseitigkeit war er dem edlen Pastorius über. Sagt doch eine handschriftliche Notiz von ihm: „Er ist ein sehr ingenieuser Mann, ein Separist, der auf die 30 Handwerke ohne Lehrmeister erlernet. Denn als ein Schneider ist er dahin nach Amerika gereiset und nun ein Buchdrucker, Apotheker, Chirurgus, Botanicus, groß und klein Uhrmacher, Schreiner, Buchbinder, Concipient der Zeitungen, der sich alle seine Buchdruckerwerkzeuge selbst verfertigt; ziehet auch Bley und Drat, ist ein Papiermüller, u. s. w.“

In keiner seiner vielen Beschäftigungen erzielte Christoph Saur so große und nachhaltige Erfolge wie in der Druckerei.

Die nach Pennsylvanien gekommenen deutschen Sektierer verfassten zahlreiche religiöse Erbauungsschriften, die sie in Philadelphia bei Andreas Bradford, Samuel Keimer und Benjamin Franklin drucken ließen. Sie mussten es sich allerdings gefallen lassen, dass ihre Andachtsbücher mit lateinischen Lettern gedruckt wurden, da gotische Typen bisher nicht nach Amerika gebracht waren. Seidensticker zählt in seiner Monographie: „German printing in America“ eine ganze Reihe solcher mit römischen Typen gedruckten Bücher auf. Welchen Wert die amerikanischen Drucker auf die Kundschaft der Deutschen legten, geht daraus hervor, dass Bradford im Jahre 1730 einen deutschen Kalender erscheinen ließ unter dem Titel: „Der Teutsche Pilgrim, mitbringend seinen sitten Calender. Auf das Jahr nach der gnadenreichen Geburt unseres Herrn und Heylands Jesu Christ MDCXXXI.“

Benjamin Franklin wagte sich sogar an die Herausgabe einer deutschen Ausgabe seiner „Pennsylvania Gazette“. Er kündigte dieselbe am 11. Juli 1732 mit folgenden Worten an: „Am nächsten Samstag wird die Philadelphische Zeitung, ein Blatt in Hochdeutsch, herausgegeben werden. Dieselbe wird alle vierzehn Tage Samstags erscheinen. Auf dem Lande wohnende Subskribenten können sie um zehn Uhr in Empfang nehmen. Anzeigen werden vom Drucker der Zeitung wie auch von Herrn Louis Timothee, Sprachlehrer angenommen, welcher dieselben übersetzt.

Diese Zeitung war mit römischen Lettern gedruckt. Eine Kopie der zweiten Nummer vom 24. Juni 1732 befindet sich in den Sammlungen der Historical Society of Pennsylvania. Gleich an der Spitze dieser Zeitung lässt Franklin sich folgendermaßen vernehmen: „Wiewohl ich geglaubt hätte, dass sich unter denen teutschen Einwohnern dieses Landes mehr Liebhaber sollten gefunden haben, die dieses zumahl vor junge Personen so nützliche Werk, die Ausgabe der Zeitungen nehmlich, befördern, und dazu mit anstehen würden; so erstreckte sich doch die Anzahl derer, die sich dazu unterschrieben haben, vor jetzt nicht über 50. Nichtsdestoweniger habe ich auf meiner Seiten nicht ermangeln wollen, damit einen Anfang zu machen, der Hoffnung lebend, dass sich noch mehrere einfinden werden, selbiges zu befördern, sonsten ich mich genöthigt sehen würde, bald wieder damit aufzuhören.“

Da diese Ermunterung ohne Wirkung blieb, so stellte Franklin den Druck der „Philadelphischen Zeitung“ wieder ein. Die geringe Teilnahme der deutschen Bevölkerung an diesem Unternehmen erklärt sich dadurch, dass Franklin wiederholt Äußerungen getan hatte, aus denen starke Abneigung gegen alles Deutsche hervorleuchtete.

Dem scharfen Blick Christoph Saurs entging es nicht, dass er sich eine lohnende Existenz gründen könne, wenn er in Germantown eine Druckerei eröffne und bei der Vervielfältigung der von seinen Landsleuten verfassten Schriften gotische Lettern verwende, die aus alter Gewohnheit von den Deutschen bevorzugt wurden. Wie richtig er rechnete, beweist die Tatsache, dass fortan fast alle Werke der deutschen Sektierer in und um Germantown bei ihm verlegt wurden.

Die Frage, ob Saur auch die ersten deutschen Lettern nach Amerika brachte, ist noch offen. Die Ansicht Seidenstickers, dies sei der Fall gewesen, wurde neuerdings durch den Fund eines im Besitz des Herrn Julius Sachse in Philadelphia befindlichen, mit gotischen Lettern gedruckten Büchleins hinfällig, das die Jahreszahl 1728 trägt.

Seidensticker erwähnt in einem für den „Deutschen Pionier“ geschriebenen Aufsatz über „Deutsch-amerikanische Inkunabeln“ mehrere Überlieferungen, wie es in Germantown zur Einrichtung einer deutschen Druckerei gekommen sei. Nach einer derselben hätten die aus Westfalen stammenden Tunker eine Druckerpresse nebst Lettern von ihren in der Heimat zurückgebliebenen Glaubensgenossen zugeschickt erhalten. Einer anderen Überlieferung zufolge habe der Tunker Jacob Gaus Presse und Lettern mitgebracht, um für die deutschen Sekten in Pennsylvanien religiöse Schriften zu drucken. Da er dazu nicht geschickt genug gewesen sei, habe er den Apparat müßig stehen lassen, der später von Christoph Saur erworben worden wäre.

Unzweifelhaft nahm die deutsche Druckerei in Nordamerika erst mit Saur ihren Aufschwung. Er ergriff den neuen Beruf mit förmlicher Begeisterung, überzeugt, durch die Gründung einer deutschen Druckerei ein gottgefälliges Werk zu verrichten. So schrieb er in einem vom 17. November 1738 datierten Brief:

„Womit finde ich Worte, den guten Gott zu loben? Ich bin ihm hoch verpflichtet! Mein Alles sey zu seinem Dienst und Verherrlichung seines Namens! Dieses war in Schwachheit meine Begierde und Verlangen vor das viele Gute, so mir die Zeit meines Hierseyns und meines gantzen Lebens wiederfahren. Darum habe ich auch gewünschet, eine deutsche Druckerei im Lande mir anzulegen, die mir ... gekauft und hierher befördert. Nun könnte man kein bequemer Vehiculum finden, solches durchs ganze Land bekannt zu machen, als zuerst einen Calender zu drucken.“

Dieser Kalender erschien unter dem Titel:

Der Hoch-Deutsch Amerikanische Calender auf das Jahr nach der gnadenreichen Geburt unseres Herrn und Heylands Jesu Christi 1739.

Er enthielt neben den üblichen Mitteilungen allerhand nützliche Belehrungen über Pflanzenkunde, Gesundheits- und Krankheitspflege, Geschichte, Länder- und Völkerkunde und dergleichen mehr. Dem Kalender folgte noch im selben Jahre ein von den Klosterbrüdern zu Ephrata zusammengestelltes, 792 Seiten umfassendes Gesangbuch. Dasselbe war „allen in der Wüsten girrenden und einsamen Turteltäublein“ gewidmet und trug den wunderlichen Titel: „Zionitischer Weyrauchs-Hügel oder Myrrhen-berg, worinnen allerley liebliches und wohlriechendes, nach Apotheker-Kunst zubereitetes Rauch-Werk zu finden.“

Es bezeugt gewiss den Wagemut Saurs, dass er, nachdem dieses Werk kaum fertig war, schon zur Herausgabe einer deutschen Zeitung schritt. Dieselbe erschien am 20. August 1739, hatte vier doppelspaltige Seiten von 13 Zoll Höhe und 9 Zoll Breite und trug den Titel: „Der Hoch-Deutsch Pennsylvanische Geschichtsschreiber oder Sammlung wichtiger Nachrichten aus dem Natur- und Kirchenreich.“

Dieser Erstling der deutsch-amerikanischen Zeitungspresse sollte dem ursprünglichen Plan des Herausgebers zufolge viermal im Jahre erscheinen. Die Zeitung schlug aber gleich mit ihrer ersten Nummer so gut ein, dass Saur sich entschloss, sie jeden Monat erscheinen zu lassen. Im Jahre 1748 konnte sie bereits halbmonatlich erscheinen. Drei Jahre später belief sich die Auflage bereits auf 4.000 Exemplare, die über das ganze östliche Pennsylvanien Verbreitung fanden.

Es bedarf kaum der Erwähnung, dass Saur seine Zeitung nicht nur druckte, sondern auch selbst zusammenstellte. Er befleißigte sich dabei der größten Gewissenhaftigkeit. Nichts war ihm so peinlich, als wenn in seine Zeitung Nachrichten hineingerieten, die sich später als falsch erwiesen.

Für die Uneigennützigkeit Saurs im Verkehr mit seinen Abnehmern zeugt die Tatsache, dass er, obwohl dieselben statt der ursprünglich angekündigten vier Nummern jährlich zwölf erhielten, den Subskriptionspreis von 3 Schillingen (40 Cents) unverändert beibehielt. Daran wurde auch nicht gerüttelt, als später das Blatt halbmonatlich und endlich als „Germantowner Zeitung“ wöchentlich herauskam. Als Grund hierfür gab Saur die Erklärung, dass den größeren Auslagen für Zusammenstellen, Druck und Papier auch größere Einnahmen aus den Anzeigen gegenüberständen und dass ein ehrlicher Mann sich nicht doppelt bezahlt machen dürfe.

Im Jahre 1742 schritt Saur zu dem in Anbetracht damaliger Verhältnisse erstaunlichen Unternehmen, eine deutsche Bibel zu drucken, wozu er neue Typen aus Frankfurt a. M. bestellte. Bereits im Sommer 1743 konnte der 1272 Seiten starke Quartband den Subskribenten ausgeliefert werden, wobei Saur das Exemplar um zwei Schillinge billiger als den ursprünglich auf 14 Schillinge festgesetzten Preis abgab. „Für Arme und Bedürftige“, so kündigte er in seiner Zeitung an, „ist kein Preis“.


Titelblatt der ersten mit deutschen Lettern in Amerika gedruckten Zeitung.

Für die Geschichte der Buchdruckerkunst in Amerika ist die Saursche Bibel insofern von besonderer Wichtigkeit, als sie die erste in europäischer Sprache auf der westlichen Erdhälfte hervorgebrachte Bibel ist. Ihr ging nur eine im Jahre 1663 in der Sprache der Massachusettsindianer gedruckte Bibel voraus, welche von dem Missionär Eliot hergestellt war. Eine englische Bibelausgabe erschien in Amerika erst 40 Jahre nach der deutschen.


Titelblatt der ersten in Amerika gedruckten deutschen Bibel.

In den Jahren 1763 und 1776 veranstalteten die Söhne Saurs noch zwei Neuauflagen der Bibel. Der Gesamtverlag umfasste, bevor im Revolutionskrieg schweres Unglück über die Saursche Familie hereinbrach, 150 Werke des verschiedensten Inhalts. Saurs Druckerei befand sich in einem höchst bescheidenen Hintergebäude seines in Germantown gelegenen Wohnhauses. Leider mussten beide Gebäude in der Mitte des vorigen Jahrhunderts einem Neubau weichen. Dem eifrigen Betreiben des wackern Druckers Christoph Saur ist die Errichtung der Germantown Academy zu danken, die im Jahre 1761 eröffnet wurde und noch heute besteht. Ihr Lehrpersonal bestand zunächst aus einem deutschen und einem englischen Lehrer, sowie einem Hilfslehrer.


Christoph Saurs Wohnhaus und Druckerei

Dass im Jahre 1690 in Germantown auch die erste Papierfabrik in Amerika errichtet wurde, möge nebenbei bemerkt sein.

So knüpfen sich an den Namen Germantown mancherlei Vorgänge, die nicht bloß für die Geschichte des Deutschtums in Amerika, sondern überhaupt für die Kulturgeschichte der Neuen Welt von hervorragender Bedeutung sind. Kein Historiker, der es unternehmen wollte, die kulturelle Entwicklung Amerikas, insbesondere der großen transatlantischen Republik, zu schildern, dürfte versäumen, Germantowns und seiner Gründer zu gedenken.

Germantown blieb nicht die einzige Mennonitenniederlassung der Neuen Welt. Durch den Erfolg ihrer Glaubensgenossen angeregt, kamen bald andere Mennoniten aus Deutschland, England und der Schweiz. Besonders stark war ihr Zuzug während der Jahre 1709, 1717 und 1726. Ihr Hauptsitz wurde der pennsylvanische Kreis Lancaster, von wo die Mennoniten sich später über andere Teile Pennsylvaniens sowie über West-Virginien, Virginien, Ohio, Tennessee, Indiana und Illinois ausbreiteten.

Nach 1730 erhielt die Sekte wenig Zufluss aus Europa. Erst in den Jahren 1873 bis 1878 schnellte ihre bereits 60.000 betragende Kopfzahl um nahezu 100.000 empor. Dieser gewaltige Zuwachs bestand aus Mennoniten, die im 18. Jahrhundert nach Westpreußen und später, um der Militärpflicht zu entgehen, nach Russland ausgewandert waren, wo man ihnen nicht nur volle Glaubensfreiheit, sondern auch Befreiung vom Militärdienst und Kriegssteuern zugesichert hatte. Als die russische Regierung im Jahre 1871 diese Freiheiten aufhob, verkauften die Sektierer ihre blühenden Wohnsitze, um nicht genötigt zu sein, durch das Tragen von Mordwaffen gegen ihr Gewissen handeln zu müssen. Sie wandten sich nach den noch wenig besiedelten, in ihrem landwirtschaftlichen Charakter den südrussischen Steppen ähnlichen Staaten Kansas, Nebraska, Minnesota, Dakota und Kanada, wo sie, deutsches Wesen und deutsche Sprache treu bewahrend, durch Fleiß, rechtschaffenes Leben sowie durch ihre Erfolge die Achtung aller Amerikaner erwarben.

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Rudolf Cronau: Drei Jahrhunderte deutsches Leben in Amerika - Teil 2

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