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Politischer Stammtisch

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Als erstes schüttete man mich zu mit Info-Heftchen über den „liberalen Gedanken“: Sinn und Zweck der liberalen Partei und deren wichtige Mitglieder, nämlich der Vorstände von Bund und Ländern, Stadt und Bezirken. Sehr interessante Lektüre.

Was mich allerdings verwunderte und irgendwie auch empörte, man wollte genaue Auskünfte über meine Einkünfte. 

>Ha, ha, ha, das glaubt ihr doch wohl nicht im Ernst- dass ich euch in meine geheimsten Eckchen reinschnuppern lasse? Schließlich kann ich euch doch nicht berichten, dass ich in meinem Haus ein, gutlaufendes, schickes >Bordellchen< habe. Wovon ich glücklicherweise die Zusatzbelastung dieser doofen Kneipe bewältigen kann<. Dachte ich und füllte den Fragebogen so aus, was ich für akzeptabel hielt. Ich gab an was die Partei etwas anging- und was nicht, verschwieg ich einfach.

Die schnelle Rückantwort war mit dem Willkommens-Gruß auch eine Beitrags-Forderung von 60 Mark jährlich.

>Na ja, das kann man ja verschmerzen< dachte ich grinsend. Außerdem lud man mich ein.

„Siehst du wohl, dass man mich ernst nimmt? Ich habe eine Einladung zum Stammtisch der LDP bekommen. Finde ich toll. Da gehe ich natürlich hin!“ posaunte ich freudig erregt und schwenkte den Brief mit dem gelb-blauen Symbol in der Luft.

Darkan zuckte gleichgültig die Schultern, dabei kommentierte er abfällig: „Stammtisch? Na denn viel Vergnügen in der Kneipe mit alten Säcken, die dicke Zigarren paffen. Was das bringen soll, da bin ich mal gespannt!“ grinste er breit.

Genervt winkte ich ab und widersprach: „Gut dass du dich auskennst und dass so schlau bist, was würde ich wohl ohne dich machen?“ spöttelte ich.

„Ein Stammtisch ist immer und überall gleich. Da wird gekungelt und gemauschelt, und jeder gibt seinen Brei zu den aktuellen Themen von sich. Bringt nix, außer vertane Zeit! Aber du kennst dich ja aus. Wirst schon sehen!“

„Besser ich versuche Was, und wenn es nur vertane Zeit kostet, als hinterm Ofen zu sitzen, und den „lieben Gott“ einen guten Mann sein lassen.“ Damit wendete ich mich verärgert ab und verließ die Wohnung. Schließlich hatte ich genug Wichtiges zu tun, sodass ich mich nicht auf weitere Diskussionen einzulassen brauchte.

Noch vor dem ersten Stammtisch-Abend überlegte ich, ob ich da wirklich alleine hingehen mochte. >Schon ein bissel blöd, so als Frau allein zu einem Stammtisch zu gehen, wenn da wirklich nur alte Männer sitzen, die sich alle schon ewig kennen<, sinnierte ich.

Aber nur einen Atemzug später erwachte mein Selbstbewusstsein, dachte ich rebellisch: >Na sag mal Ruthchen was ist denn mit dir los? Was heißt denn als Frau alleine? Hast doch bisher Alles alleine geschafft, hat dir Keiner geholfen. Wer bist du denn? Die Puffmutter und Glücksspiel-Königin- na und? Hi hi hi, wäre doch gelacht wenn dich irgendetwas oder Irgendwer bange machen könnte. Auf in den Kampf<!

„Willst du tatsächlich dahin gehen? Wenn du gerne in ner Räucherbude sitzt, kannst du das einfacher und effektiver haben, mach im Queens die Theke. Dann kannst du die Fünfzig für unseren Eddi sparen. (Unser? Eddi war nicht unser Eddi! Ich war gar nicht gefragt worden.) Qualm und dummes Gewäsch der Kerle kriegst du da massig.“ Kommentierte mein Lebensgefährte, als ich mich fürs Ausgehen fertig machte.

„Selbstverständlich gehe ich zu dem Stammtisch. Kannst ja mitgehen, wenn du mich nicht den Haien zum Fraß vorwerfen willst.“ Bot ich ihm an.

Darki lachte laut, winkte ab und spöttelte: „Haie? Aber solche, die ihre Zähne rausnehmen können. Ha, ha, ha, der Biss ist nicht tödlich, der kann nicht einmal verletzen. Nee, danke, geh mal schön alleine. Viel Spaß!“

Was hätte ich von meinem Lebensgefährten anderes erwarten können? Außer >kiffen, Playstation mit seinem jüngeren Bruder spielen und zu saufen, was seit er Kneiper war, immer öfter vorkam< hatte Darkan ja keine Interessen. Nicht Fußball oder irgendeine andere Freizeitbeschäftigung interessierte ihn, selbst manchmal in irgendeinem türkischen Cafe dummes Zeug labern kam auch selten vor. Also warum fragte ich überhaupt?

Das Restaurant >Alt Düsseldorf< lag in der Fußgängerzone gleichen Namens des Ortsteil Ohligs. Es war ein gutbürgerliches Lokal, das über eine recht ordentliche Speisekarte verfügte, und außerdem einen großen Thekenbetrieb für die normalen Gäste bot, es hatte sogar einen großen runden Stammtisch, etwas abseits des anderen Geschehens.

Schon als ich suchend durch das Lokal schritt und dann zögernd auf den Stimmtisch zusteuerte, fühlte ich, dass sämtliche Blicke der Anwesenden auf mich gerichtet waren.

Zu meinem Entsetzen musste ich feststellen, dass mein Lebensgefährte tatsächlich recht hatte. Ich sah nicht nur alte Männer dampfend und qualmend an dem Stammtisch sitzen, sondern ausgerechnet einen Bestimmten, den ich nur zu gut kannte. Der Möbelhändler Stoffelhahn war offenbar auch LDP-Mitglied. Wie peinlich.

Alle sechs Herren blickten erstaunt auf, als ich vor dem Tisch stand und mich kess vorstellte: „Guten Abend zusammen, die Herren. Entschuldigen Sie die Störung, bin ich hier am LDP- Stammtisch des Bezirks Merscheid-Ohligs richtig?“

Als die Männer alle erstaunt nickten, fuhr ich einfach fort: „ Mein Name ist Ruth Woods, ich bin neues Mitglied in der Partei und gehöre wohl zu Ihrem Bezirk. Darf ich mich setzen?“

Ausgerechnet der Möbelmann half mir über das peinliche Schweigen seiner Stammtisch-Brüder hinweg, er forderte mich auf: „Klar- darfst du, komm setz dich zu mir Mädchen. Aber das >Sie< lass mal weg. Wir duzen uns hier alle, schließlich sind wir ja alle einer Meinung. Schön dass du bei uns eingetreten bist, herzlich willkommen.“

Zwar war ich ganz erleichtert, dass die Vorstellung so einfach über die Bühne gegangen war, aber anderseits hatte ich die Gelegenheit festzustellen, dass Orkan wirklich recht gehabt hatte.

Alles alte Zigarren qualmende Säcke, und was noch viel schlimmer war, tatsächlich wurde nur gekungelt und gemauschelt.

„Sach ens, häste nen günstigen Elektriker bei der Hand? Ich hann in meinem Lager Probleme mit der Elektrik.“

„Klar, da sach ich mal meinem Neffen Bescheid. Der ist jung, frisch von der Meisterschule, der kann Aufträge gut gebrauchen. Aber keine Bange, der Junge ist echt fit und für dich macht der nen guten Preis, wenn ich ihm das sage.“

„Aber sach ens Stoppi, ich brauch für ein möbliertes Apartment ein paar günstige Möbelstücke, bevor ich neu vermieten kann. Du verkaufst doch auch Gebrauchte? Ich brauch nen Kleiderschrank, ein Bett, am besten ein 1,40ziger, und noch ein kleines Sofa. Und was man so braucht. Der Raum ist nicht sehr groß, deshalb muss das schon alles erst ausgemessen werden, kannst du nit die Tage mal rumkommen, du kannst dat sicher besser als ich.“

„Ja, mach ich, ich ruf dich vorher an.“

Das war die >politische Diskussion< in kommunalem Kreis. Die >eine Hand - wäscht die Andere - Politik<.

So ging das mindestens eine Stunde lang, dass mir bereits die Ohren glühten vom Geschiebe der Liberalen.

Ich konnte nur staunen und mich insgeheim schämen, dass ich meinen Lebensgefährten als Dummkopf hingestellt hatte.

Zwar hatte es mich sehr gefreut, dass dieser vertraute Kreis mich so freundlich aufgenommen hatte, doch war mein vorheriger Kontakt mit LDP- Mitgliedern ganz anderer Natur gewesen.

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