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Parteien-Erfahrung

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Erfahrungen mit der LDP hatte ich schon vor meinem Einstieg in das Gastro-Gewerbe sammeln können, und die waren sehr positiv.

Nur durch Zufall war mir eine Broschüre der Theodor-Heuss-Stiftung in die Hände gekommen, die mir diverse Möglichkeiten eröffnete, an interessanten Seminaren teilzunehmen. Diese Seminare boten vielerlei politische Bildungs- und Informations-Kurse, bei denen man nebenbei ein erholsames Wochenende mit Vollpension genießen konnte, und das erstaunlicherweise für kleines Geld.

Als erstes fiel mir ein Angebot ins Auge, mit dem Titel: >Rhetorik für Frauen<. Das war doch genau das Richtige für mich. Es kostete nur neunzig Mark, was ich natürlich gleich in Angriff nehmen wollte. Kurz entschlossen füllte ich das angeheftete Anmelde-Formular aus und schickte es ab.

Weder nach einer Partei-Zugehörigkeit noch nach Einkommen wurde gefragt, lediglich übliche persönliche Daten und Beruf. Was sollte ich als Beruf angeben? Ich hatte keinen. Und woher meine Einnahmen kamen konnte ich ja schlecht schreiben, außerdem waren meine Mieteinnahmen als Hausbesitzerin sicher auch nicht interessant. Also blieb nur Hausfrau, denn das war neutral und glaubhaft.

Ein paar Tage später erhielt ich die Teilnahme-Bestätigung mit einem herzlichen Willkommensgruß versehen und der Teilnehmer-Liste. Als ich die Liste kurz überflog stutzte ich. Hinter den Teilnehmer-Namen standen die Berufsbezeichnungen, und die lauteten: Heilpraktikerin, Apothekerin, Lehrerin, Kauffrau, Pharma-Referentin, Studentin, Steuerberaterin, und einsam hinter meinem Namen: Hausfrau. Wie beschämend peinlich war das denn?

Mein Lebensgefährte lachte sich kaputt, als er das las und frotzelte: „Wie? Du hast nicht geschrieben: Puffmutter? Ha, ha, ha, warum so schamhaft, Ruthchen? Bist doch sonst so kess!“

„Ach halt doch die Klappe!“ knurrte ich beleidigt. „Und- was solls? Hausfrau ist auch ein ehrenwerter Beruf! Außerdem bin ich ja nur die Vermieterin des Puffs, mit der Führung hab ich doch nix zu tun. Wieso also Puffmutter?“

Am Tag des Beginns kam ich zeitig am Nachmittag in Gummersbach an. Die Theodor-Heus-Akademie war leicht zu finden, etwas außerhalb zwar, aber in ein großes Parkähnliches Gelände eingebettet, mit schmiedeeisernem Tor an der Einfahrt, glich es einem alten riesigen Gutsgebäude, vor dessen Portal ein imposantes Messingschild den Inhalt der Institution bekundete.

Das Innere des Gebäudes kam einem Vier-Sterne-Hotel gleich. Schon die Eingangshalle war gediegen eingerichtet, mit Empfangstheke und schweren Polstersesseln. Eine breite Treppe führte zu den Seminarräumen. In der Regel gab es 2 Bett-Zimmer, aber wenn man wollte konnte man ein Einzelzimmer bekommen, was mit einem Aufpreis verbunden war.

Allerdings waren diese Wochenend-Seminare so preiswert, dass der kleine Zuschlag nicht der Rede wert war. Deshalb hatte ich das in Anspruch genommen, denn mit einer fremden Person wollte ich mir kein Zimmer teilen.

Bei der liberalen politischen Bildungs-Einrichtung, in der Theodor-Heuss Akademie, hatte ich sehr nette, aufgeschlossene Menschen kennen gelernt.

Dabei durfte ich erfahren, dass man in diesen Kreisen gleich als dazugehörig angesehen wurde, auch wenn man kein Partei-Mitglied war. Danach fragte Niemand, obwohl allgemein bekannt war, dass diese Seminare jedem Bürger zugänglich waren. Man setzte einfach voraus, wer daran teilnimmt muss der Partei in irgendeiner Weise nahe stehen.

Zwar hatte ich zu diesem Zeitpunkt keineswegs die Absicht der Partei beizutreten, dennoch stand mir die Liberalität näher als andere Partei-Formen und –Zwecke. Und hier konnte ich meine Rhetorik-Fähigkeiten testen und lernte noch Leute aus ganz Deutschland kennen, unterschiedlicher Herkunft, Position und Interessen.

Bei Beginn des Seminars erschienen die Teilnehmerinnen alle in legerer Kleidung, Jeans mit Pulli oder Trainings-Anzügen, sodass ich völlig overdresst war. Ich hatte mich Geschäftsmäßig mit Hosenanzug und Bluse gekleidet und damit total vergriffen, was jedoch niemand beachtete oder gar bemängelte.

Für die Begrüßungs-Runde wurden die Stühle in einem Kreis aufgestellt und die Seminar-Leiterin (eine Dipl-Psychologin) begrüßte uns und bat uns, uns vorzustellen, und zu sagen was wir uns von dem Seminar versprechen.

Zum Glück war ich nicht die Erste, also hatte ich die Gelegenheit mitzubekommen, dass alle ihren Vornamen, das Alter und was sie erwarteten erklärten. Dazu viel über sich selbst laberten, was nicht dahin gehörte.

Ich atmete tief durch und nahm mir insgeheim vor, auf dummes unnützes Zeug zu verzichten. Ich war als letzte dran.

„Guten Tag zusammen, ja- ich heiße Ruth, bin 48 Jahre jung und erwarte außer Anregungen zum Aufbau von effektiven Verkaufsgesprächen, eigentlich nur ein schönes Wochenende unter netten Leuten.“ War meine kurze, knappe Aussage.

Den kräftigen Applaus hatte ich gar nicht erwartet, aber da ich als Einzige Applaus bekam, bestärkte es mich darin, dass auch eine einfache Hausfrau aus der grauen Masse hervorstechen konnte. 

Es wurde wirklich ein schönes, erholsames, lustiges und lehrreiches Wochenende, das in einer so vertrauten Gemeinschaft verlief, als habe man sich schon seit Jahren gekannt.

Wir lernten Einzel- und Paar- Vorträge zu halten- erlernten dabei kleine Tricks, wie man sich Notizen machte, die man lesen konnte ohne nervös zu wirken, indem man auf Karten übersichtliche Punkte notierte, aber kein dünnes Papier nahm. Auch wie man sich beim Paar-Vortrag die >Bälle< zuspielte, indem man Stichworte vereinbart, und wie man sicher wirkte, auch wenn man nervös war.

Ein besonders lustiges Training war die >Zungenbrecher< Übung, wobei jede Teilnehmerin einen speziellen Zungenbrecher zugeteilt bekam, den sie immer wieder laut wiederholen musste. Dabei gingen wir alle durcheinander, aneinander vorbei durch den Raum, sagten laut und deutlich den gleichen Satz, dabei durften wir uns aber nicht aus dem Konzept bringen lassen. Das war sehr lustig, wobei ich noch das Glück hatte, einen einfachen Satz zu haben: >gerne eß ich Essig- eß ich Essig im Salat>. Selbst schnell gesprochen hatte ich mich nicht einmal verhaspelt. War easy.

Die nächste Übung war zwar lustig, aber auch peinlich, denn wir gingen dafür in die große Empfangshalle, wo ankommende und abreisende Gäste durch liefen, sowie Manche während ihrer Pause in den Polster-Garnituren saßen.

Die Seminar-Leiterin hatte uns beauftragt, oben vor der breiten 4 Stufen-Treppe stehen zu bleiben, uns tief zu verbeugen und laut und deutlich zu sagen: >Ich möchte euch in Ehrfurcht begrüßen und willkommen heißen –mein hoher Gebieter<.

Ausgerechnet als ich oben auf der Treppe stand, mich tief verbeugte, und meinen Satz in unterwürfigem Ton laut und deutlich aufsagte, kam ein großer, stabiler Mann die Treppe hinauf. Ich ignorierte ihn und vollendete unbeeindruckt meinen Satz.

Prompt blieb der Mann auf halber Treppe stehen und erwiderte mit einer jovialen Geste: >Oh Holde Maid- wie erfreut mich euer freundlicher Gruß und euer liebenswerter Anblick- seid mir ebenfalls gegrüßt<!

Lautes Gelächter aller anwesenden Menschen in der Halle, ließ fast das Gebäude fast erzittern.

Und ich stand da, wie erstarrt und wurde purpurrot im Gesicht. Aber lachen musste ich dann letztlich auch. Noch abends in der Bar lachten alle Teilnehmerinnen über meinen Auftritt und dessen unerwarteten Erfolg.

Das letzte, wohl wichtigste, Training war der 5-minütige Einzel-Vortrag, bei dem jede Teilnehmerin sich das Thema selbst ausdenken sollte, und nach einer 1-stündigen Vorbereitungszeit dann bei dem Vortrag per Video aufgezeichnet wurde. Das Wichtigste daran war, dass die anderen Teilnehmer als Zuschauer fungierten, die ständig mit irgendwelchen Zwischenrufen störten, wovon sich die Rednerin aber nicht stören lassen durfte, sondern den Störenfried geschickt, auf freundliche Art, zum Schweigen bringen musste.

Für die Vorbereitung durften wir uns den Ort aussuchen, im Seminarraum genauso wie vielleicht in der Halle oder auf dem Zimmer. Ich ging auf mein Zimmer, schrieb mir schnell ein paar Notizen auf Karten, und packte schon mal meine Reisetasche, denn am Nachmittag war das Seminar zu Ende.

Ich hatte mich für einen Verkaufsvortrag für ein neuartiges elektrisches Fitness – und Muskelaufbau-Gerät entschieden, denn mit der Vertriebs-Firma stand ich derzeit gerade in Verhandlung, dafür den Außendienst zu übernehmen. Also war das eine gute Übung für mich, weil ich wusste, dass Kunden auch manchmal Einwände erheben würden.

Mit viel Energie, Selbstsicherheit und in Bewegung bleiben, schaffte ich mit freundlichen Vertröstungen, wie: >Gut dass Sie mich darauf aufmerksam machen, behalten Sie das bitte mal im Gedächtnis, ich komme gerne später noch einmal darauf zurück<, kam ich unangefochten zu meinem Ziel und ohne Verheddern zum Ende des Vortrags.

Die Aufzeichnung zu sehen fanden alle Teilnehmerinnen lustig, nur ich nicht. Denn ich musste selbst bemängeln, dass ich mit meiner Lesebrille ständig im Konflikt war, weil ich die auf- und absetzte und mir öfter mit dem Ende eines Brillenbügels im Ohr kratzte.

Zwar waren die Kolleginnen nicht meiner Meinung, dass ich das Vortragsziel nicht nur erreicht hatte, sondern fanden mich gut und meine kleine >Kratz-Macke< einfach nur lustig. Die meisten hätten mir vertraut und mein Angebot gekauft oder zumindest sich mal beraten lassen, sagten sie. Schön. 

Zum Ende des Seminars, am Sonntagnachmittag, wurde im Speisesaal Kaffee und Kuchen ausgegeben und das Resümee des Seminars besprochen.

Auch der Stiftungs-Geschäftsführer, Herr Döring, war anwesend und überaus erfreut, dass alle Teilnehmerinnen ein positives Feedback gaben. 

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