Читать книгу Tief in seinem Inneren - S. N. Stone - Страница 6

3. Kapitel

Оглавление

Die Nacht im Zimmer der einzigen Pension des Ortes war für Dana unruhig gewesen. Erst hatte sie von aufgedunsenen Gesichtern geträumt, mit wässrigen Augen die klagend auf sie gerichtet gewesen waren. Sie war aufgewacht und hatte geglaubt, den Blick Chris Layes zu spüren. Selbst, als sie wieder in den Schlaf gesunken war, schien er auf ihr zu brennen.

Sie gönnte sich ein schnelles Frühstück, bezahlte und verließ das Haus.

Er stand auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Dana ging zu ihm.

»Guten Morgen. Wie lange warten Sie?«

»Eine ganze Weile.«

Sie sah die Reisetasche zu seinen Füßen. »Sie hätten sich bei mir melden können.«

Er schüttelte den Kopf. »Ich war mir nicht sicher, was ich machen würde.«

»Jetzt sind Sie es?«

»Ja, nehmen Sie mich mit?«

Dana zögerte. Wie sollte sie ihm erklären, dass sie mit seiner schnellen Entscheidung nicht gerechnet hatte?

Wie sollte sie ihm erklären, dass sie noch nicht mit ihren Vorgesetzten gesprochen hatte?

Wie sollte sie ihm erklären, dass ihr Handeln überstürzt war, wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass man ihr gestatten würde, ihn zurate zu ziehen?

»Kommen Sie!«, sagte Dana.

Sie würde ihn erst einmal in dem Gasthof unterbringen, der sich vor kurzem mutig in Hotel umbenannt hatte, in dem auch sie einquartiert waren. Gegebenenfalls würde sie die Kosten tragen. Ob sie bereit war, ihn ohne Erlaubnis in die Ermittlungen einzubinden, wusste sie noch nicht. Sie legte alle Hoffnung in ihre Argumentation, über die sie sich während der Fahrt Gedanken machte.

»Sie sagten, dass Sie damals von Visionen verfolgt wurden. Wie ist es diesmal?«, fragte sie und fuhr auf die Autobahn.

»Ich habe es vermieden, mich damit zu beschäftigen.«

Dana beschleunigte und überholte einen Wagen. Chris Layes Hand krampfte um den Türhaltegriff.

»Ich fahre vorsichtig«, sagte sie, »keine Sorge.«

»Das stelle ich nicht infrage. Ich steige nur sehr ungern in ein Auto, es macht mir Angst.«

»Schon immer oder haben Sie etwas Schlimmes erlebt?«

»Schon lange, ich habe keine Erklärung dafür.«

Dana drosselte das Tempo und er entspannte sich ein wenig.

»Damals war es kaum möglich, nichts von den Morden mitzubekommen.«

»Wir sind bemüht, es von der Öffentlichkeit fernzuhalten.«

»Und trotzdem hat die Presse berichtet.«

»Das lässt sich nicht vermeiden. Wir sorgen für wohldosierte Informationen. Solange es nicht zu Spekulationen durch die Medien führt, kann es schützen. Die Bürger sind gewarnt.«

»Vor jemandem wie ihm, kann man sich nicht schützen«, antwortete er.

Dana nahm kurz den Blick von der Straße und schaute zu Laye. Es wirkte, als wäre er nur noch körperlich anwesend.

»Vor sechs Jahren habe ich hier in der Nähe gewohnt«, sagte Laye.

Sie hatten ihr Ziel erreicht.

»Wir werden Ihnen ein Zimmer besorgen und dann sollten Sie sich ausruhen. Sie sehen furchtbar aus. Ich fahre derweil zur Dienststelle.«

»Mit Verlaub, Dana, das kann nicht dein Ernst sein!« Georgs Miene hatte sich von Satz zu Satz verfinstert. »Durchaus ziehen wir externe Berater hinzu, aber einen Hellseher?!«

»Er ist kein Hellseher!«

»Nenn ihn, wie du willst, aber das ist Unfug! Wir sind hier nicht in einer dieser unsäglichen Krimiserien, das ist das reale Leben. So etwas gibt es nicht. Grothe hat dir einen Bären aufgebunden.«

Der Staatsanwalt räusperte sich. »Na ja«, sagte er, »das ist nicht ganz richtig. Wir haben Christian Laye tatsächlich in Anspruch genommen.«

Georg schaute ihn an. »Sie waren für den Fall zuständig?«

Der Staatsanwalt nickte.

»Aber wie …?«

»Der Druck war enorm, die Presse, die Politiker, die Bürger, Sie verstehen?«

»Diesen Druck haben wir nicht. Keine Rechtfertigung, einen, … einen, Gott verdammt; Hellseher in die Ermittlungen einzubinden.«

»Noch haben wir diesen Druck nicht, aber wie lange bleibt das so, meinst du?«, fragte Dana.

Georg schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht Herr des Verfahrens und wie soll das später vor Gericht Bestand haben?«

»Angenommen Herr Laye würde uns erneut helfen, hätte ich Möglichkeiten«, sagte der Staatsanwalt.

»Mit anderen Worten, Sie sprechen sich dafür aus?«

»Sagen wir, ich ziehe es in Erwägung. Es ist korrekt, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis sich die Schlingen um unsere Hälse zusammenziehen. Noch haben wir das, was nach außen dringt, unter Kontrolle. Das kann sich jederzeit ändern. Kommen wir ihnen zuvor und liefern Fortschritte.«

Georg atmete tief ein. »Fortschritte durch seine Hilfe?«

»Ich kann Ihre Skepsis nachvollziehen. Ich denke, Sie sollten ihn kennenlernen.«

»Es wird nichts ändern, Ihr Standpunkt ist deutlich.«

»Trotzdem möchte ich Ihre Zustimmung.«

»Gut«, Georg wandte sich an Dana, »wann kann er hier sein?«

»Er ist schon hier«, antwortete sie.

Tarik und Georg lehnten nebeneinander, mit verschränkten Armen, an einem Schreibtisch. Sie hätten Zwillinge sein können, hätte man es an dem Ausdruck auf ihren Gesichtern bestimmen müssen.

Der Staatsanwalt hatte Christian Laye vorgestellt, ein paar Worte zu der Angelegenheit verloren und sich zurückgezogen.

Nun stand Laye vor der Fotowand und starrte auf die Bilder. Dana gab ihm einen Einblick in den Fall.

Und es geschah nichts. Er hörte ihr zu, aber verdrehte weder die Augen und sprach mit fremder Stimme orakelhafte Sätze, noch sagte er überhaupt etwas.

Beim Verlassen der Dienststelle, griff Tarik ihren Arm und flüsterte: »Du weißt, wie sehr ich dich schätze, also sag mir, was überzeugt dich von diesem Kerl? Hast du erlebt, dass er eine Vision hatte?«

Sie waren stehen geblieben.

»Keine Ahnung, Tarik, es ist ein Gefühl. Ich war skeptisch, als ich zu ihm fuhr. Ich war skeptisch, als er die Tür öffnete und irgendwann, habe ich glauben wollen.«

Was hatte Laye gesagt oder getan, dass sie überzeugt hatte? Nichts! Zumindest nichts, was sie hätte benennen können.

Hatte sie eine Vision miterlebt? Nein!

Vielleicht doch? Was war das während der Fahrt gewesen?

»Nun gut, zumindest scheint er kein aufgedrehter Spinner zu sein, der mit einer Kristallkugel jongliert.«

Dana lächelte bei Tariks Worten; hallo Vorurteile!

»Schaden wird er nicht anrichten, ich behalte ihn im Auge, er ist mir nicht geheuer.«

»Warum findet man ihn nicht, wenn Sie der Meinung sind, er würde sich keine große Mühe machen, seine Taten zu vertuschen?«, fragte Laye, als sie in einem Bistro einen Kaffee tranken.

»Er ist vorsichtig, hinterlässt jedoch Spuren, nur keine, die uns zu ihm führen. Er fühlt sich offenbar durch nichts gestört. Er handelt nach zwei Mustern; drei Leichen hat er inszeniert, an öffentlichen Orten abgelegt, zwei hat er verschwinden lassen, sie wurden zufällig gefunden. Gleiches wollte er wohl auch mit der letzten machen«, antwortete Tarik.

Er empfand es als Schändung allem, was ihm etwas bedeutete. Er sah auf das Meer hinaus und da war nichts mehr. Sie hatten ihm seine Verbindung, seine Erinnerungen geraubt. Sie hatten ihm das Gefühl genommen, sie immer wieder spüren zu können, erneut.

Chris Layes Körper war plötzlich angespannt und ein Zittern durchfuhr ihn. Sein Blick war in die Ferne gerichtet und seine Augen glänzten fiebrig. Sein Atem ging flach.

»Was ist los mit ihm?«, fragte Tarik.

»Keine Ahnung. - Chris?!«

»Sie sind ihm wichtiger, als die anderen«, flüsterte Laye.

»Wer?«

»Er versteckt sie, weil er zu ihnen zurückkehren möchte, um ihnen nahe zu sein.«

»Der Täter? Wem will er nahe sein? Den Toten?«

Die Anspannung wich, seine Atmung normalisierte sich, er schaute sie an. »Ich weiß es nicht.«

Laye war aufgesprungen und hatte das Bistro verlassen, Dana und Tarik waren hinterher. Sie hatte ihn als erstes eingeholt, an der Jacke festgehalten und zum Stoppen gebracht.

»Ich will das nicht, glaube ich«, hatte Laye gesagt.

»Sie haben es an sich herangelassen, werden Sie es wieder los, wenn Sie jetzt verschwinden oder wird es Sie verfolgen?«

Er hatte mit den Schultern gezuckt.

»Sie können was bewirken, Sie können diesen Dämon bekämpfen.«

»Ihren vielleicht, meine nicht.«

»Ich verspreche Ihnen, ich passe auf Sie auf.«

Er hatte aufgelacht. »Das brauchen Sie nicht, das schaffe ich ganz gut alleine.«

»Chris bitte, lassen Sie es uns gemeinsam versuchen.«

Tief in seinem Inneren

Подняться наверх