Читать книгу Wenn Alpträume wahr werden - Sandra Keller - Страница 5

2.

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Um 6:33 Uhr riss Flo mich aus dem Schlaf. Er konnte nicht mehr schlafen und wollte mit mir zusammen spielen.

Ich quälte mich aus dem Bett und merkte, dass ich schlimme Kopfschmerzen hatte. So viel hatte ich nicht getrunken, es war eher die Müdigkeit, die sich bemerkbar machte oder auch die ganzen Informationen von gestern.

Es fiel mir schwer, mich auf Flo zu konzentrieren. Entweder kreisten meine Gedanken wieder um den Abend oder ich kämpfte gegen den Schlaf. Es ging nicht mehr lange gut, das merkte ich recht schnell. Ich bot Flo an, Kinderprogramm zu gucken. Ich hasste "Mr. Babysitter" aber ich konnte nicht mehr. Zum Glück ließ er sich darauf ein. Keine fünf Minuten später fielen mir die Augen zu.

Ich träumte von der Grillfeier, von Jan, von Ben. Er war mir nah, aber das Haus kannte ich nicht. Wir küssten uns und er trug mich zum Bett. Unsere Sachen fielen zu Boden und ich genoss seine Liebkosungen. Bis auf einmal eine sehr wütende Frau ins Zimmer gestürzt kam, Ben eine Ohrfeige verpasste und mich als Flittchen beschimpfte.

Da war es auch schon wieder vorbei mit dem Schlafen. Aber der Kerl hatte es tatsächlich schon geschafft, sich so in meinem Kopf einzupflanzen, dass ich sogar von ihm träumte.

Flo tippte an meine Schulter und rief immer wieder: "Mama, Mama, Mama. Ich hab Hunger." Mir blieb nichts anderes übrig, als in die Küche zu schlendern, ihm ein Brot zu schmieren und mir einen Kaffee zu machen. Vielleicht würde ich dann wacher. Aber es war eine wage Hoffnung.

Irgendwann gegen 10 Uhr stand Sebastian auch endlich auf. Er fragte, wo ich denn solange war, und wieso ich nicht ans Telefon gegangen wäre.

Ich sagte, dass ich das Handy nicht finden konnte und ich dachte, ich hätte es Zuhause vergessen. Aber dass es mir im Auto aus der Tasche gefallen sein musste, denn ich hätte es dort wiedergefunden. Ich konnte ihm kaum sagen, dass ich so vertieft ins Gespräch mit Ben war. Da wäre er an die Decke gegangen.

Ich ging Sebastian den ganzen Tag so gut es ging aus dem Weg. Wie gut, dass immer Wäsche da war und ich mich darum kümmern konnte. Ich hasste Bügeln, aber heute war es genau die richtige Möglichkeit in Gedanken zu schwelgen und doch etwas zu erledigen.

Irgendwie hatte ich ein schlechtes Gewissen. Zumal mir Ben den ganzen Tag im Kopf herumspukte. Mir fiel seine Karte wieder in die Hände und schon stand er vor meinem geistigen Auge vor mir.

Ich erinnerte mich an ihn und seine Wirkung auf mich, an seinen Duft. Wie konnte dieser Mann mich so beeindrucken? Er hatte doch gar nicht viel getan. Ich holte die Karte aus meiner Tasche. Amt für Militärkunde... Was soll das bitte sein? Abteilungsleiter TE... Was zum Geier war die Abteilung TE?

Ich war neugierig und wollte soviel wie möglich wissen. Da Sebastian sich gern zurückzog, wenn ich Hausarbeit machte, um auch ja nicht in Bedrängnis zu kommen, helfen zu müssen, brauchte ich mir keine Sorgen machen, dass er meine Internetrecherche stören würde.

"Das Amt für Militärkunde (AMK) ist eine Dienststelle der Streitkräftebasis der Bundeswehr.

Sie ist truppendienstlich die personalführende Dienststelle für Angehörige der Streitkräfte, die im Bundesnachrichtendienst (BND) eingesetzt sind. Die meisten Soldaten, die zum BND wechseln, werden offiziell zum Amt für Militärkunde versetzt."

okay, okay, okay... war Ben jetzt beim Bundesnachrichtendienst? Die weitere Suche fand die Abteilung TE nur im Zusammenhang mit dem BND.

"Die Abteilung TE ist zum Beispiel für den Internationalen Terrorismus und die Internationale Organisierte Kriminalität zuständig.

Die Abteilung Internationaler Terrorismus und Organisierte Kriminalität (TE) bearbeitet aktuell vor allem den islamistisch geprägten internationalen Terrorismus, sowie ausgewählte Deliktfelder der internationalen organisierten Kriminalität:

den internationalen Rauschgifthandel,illegale Migration,Geldwäsche.

Als einzige Abteilung des Bundesnachrichtendienstes ist die Abteilung TE nach dem Desk-Prinzip organisiert. Auswertung und Beschaffung arbeiten innerhalb derselben Arbeitseinheit direkt zusammen.

Die Abteilung TE hält enge Verbindung zu zahlreichen ausländischen Nachrichtendiensten und Sicherheitsbehörden. Unter dem Gesichtspunkt der Gefahrenabwehr besitzt die enge Kooperation mit inländischen Sicherheitsbehörden jedoch zusätzlich besondere Bedeutung. Die Abteilung TE vertritt den Bundesnachrichtendienst daher auch im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum (GTAZ) und dem Gemeinsamen Internetzentrum (GIZ) in Berlin-Treptow."

Das musste ich erstmal verdauen. Er schien wirklich dort zu arbeiten. Und folglich Jan auch. Das hörte sich alles ziemlich interessant, spannend und nicht wirklich ungefährlich an.

Den ganzen Tag dachte ich nur an die Informationen, die mir das Internet gegeben hatten. Wirklich viel damit anfangen konnte ich immer noch nicht. Die Recherche hatte mehr Fragen aufgeworfen, als beantwortet.

Ich beschloss Jan anzuSMSen, damit er ein wenig Klarheit ins Dunkel bringen konnte. Smalltalk schien mir richtig, um dann irgendwie auf das Thema Arbeit zu kommen.

"Hey Jan, danke nochmal für die Einladung zur Party. Hoffe, du bist nicht allzu ko danach gewesen?!", schrieb ich.

"Immer wieder gerne. Na passt schon. Bist du noch gut nach Hause gekommen? ;)", kam postwendend zurück.

"Aber klar. Ben war ja so nett, mich zu fahren. Lass das blöde Grinsen... war dein Plan oder?"

" *pfeifundunschuldigindieLuftguck* Hust räusper. Ja war vorher schon zu 90% klar", kam als Antwort von Jan.

Ich hatte es mir gedacht. Er tat nie etwas ohne Hintergedanken. Nie. Warum sollte es dieses Mal anders gewesen sein. Ich war schon ein wenig sauer, aber erstens war nichts passiert und zweitens war ich auch wie er es versprochen hatte, gut nach Hause gekommen.

"Arsch... :-)) was hättest du gemacht, wenn ich mich nicht darauf eingelassen hätte?"

"mmhh. Nichts. war sicher, dass es genau laufen wird :D"

Sein Ego war enorm. Eigentlich hätte ihm gerne durchs Handy allein für diesen Kommentar eine verpasst. Aber letztlich hatte er mal wieder Recht gehabt und Ben hatte mich nach Hause gebracht. Ich lächelte bei dem Gedanken daran, dachte an die Fahrt und an Ben.

"ja, ich weiß. Sag mal, woher genau kennst du Ben gleich nochmal, wenn wir schon beim Thema sind...", fragte ich neugierig.

"Von der Arbeit Maus. Hatte ich dir doch gesagt. Er hat mich zu dem Job überredet und seitdem ist er mein Vorgesetzter. Noch dazu inzwischen bester Freund."

"okay... du hast mir nie richtig erzählt, was du überhaupt wirklich machst..?!"

"Das kann ich per Mail auch nicht.", war seine knappe Antwort.

"Wieso nicht?", stellte ich in den Raum.

"Muss ich dir bei Gelegenheit mal face-to-face erklären.", antwortete er.

"Gestern wäre eine gute Gelegenheit gewesen..."

"Da hattest du nicht gefragt ;)".

Wieder wich er mir aus, was mich rasend machte. Was war denn daran so schlimm, mir kurz zu schreiben, wo er arbeitet und was er macht?! Er sollte mir ja keine Staatsgeheimnisse erzählen.

Moment... hatte ich gerade Staatsgeheimnisse gedacht? Vielleicht war es ja genau so etwas und er konnte oder durfte nichts sagen. Diese Unwissenheit machte mich närrisch.

"Wann hast du denn Zeit zu einem face-to-face Gespräch, wie du es so schön nennst?", wollte ich nicht locker lassen.

"Im Moment ist es schlecht, Süße. Ich muss viel erledigen und dann die Chemo - die Party war der einzige Tag, an dem ich Luft hatte. sorry :*", war seine Antwort.

Ich schrieb nicht zurück. Das war alles andere als zufriedenstellend. Ich würde noch explodieren vor Wut und auch vor Neugierde. Das schien wirklich interessant zu sein, wenn er nicht per Mail oder Telefon darüber sprechen konnte. Bei Google wurde ich auch nicht schlauer. Alles war sehr weit umschrieben, nichts konkretes. Aber ich hatte es nicht anders erwartet.

Ich würde mich wohl gedulden müssen. Oder ich würde Ben anschreiben. Per Mail würde er auch nichts darüber verraten, soviel wusste ich aus dem Gespräch mit Jan. Gerade der Abteilungsleiter würde sich an die Vorschriften halten - davon war ich überzeugt.

Aber er hat sicher auch viel um die Ohren. Er hat schließlich noch Familie. Ich überlegte hin und her ob ich ihn überhaupt anschreiben sollte. Seine Nummer hat er mir bestimmt nicht ohne Hintergedanken gegeben. Vielleicht suchte er auch nur die schnelle Nummer fürs Bett. Er hatte viel zu verlieren. Aber das richtige Alter für die Midlife-crisis hatte er noch nicht. Die 40 hatte er noch nicht geknackt.

"Hi Ben, ich wollte mich nochmal bei dir fürs Fahren bedanken. Lg Sarah". Damit konnte ich nichts falsch machen. Sich bedanken kann nie schaden und je nachdem wie er antwortete, konnte ich sehen, was ich zurückschreibe. Irgendwie hatte ich ein Gefühl dafür, was die Sprache der Männer anging und konnte schon immer gut einschätzen, ob sie es auch so meinten.

Während ich auf seine Antwort wartete und gefühlte jede 2. Sekunde aufs Handy guckte, war mir richtig flau im Magen. Wenn er gar nicht zurückschreibt, würde es mich sicherlich knicken, genauso wenn er nur kurz und abgehackt schreibt... dann hätte er keinen Bock mit mir zu schreiben. Ein wenig bereute ich, dass ich auf Senden gedrückt hatte.

Und was sollte ich machen, wenn er sich treffen möchte? Die Nervosität stieg mit jeder Minute, die ich wartete. Es fühlte sich wie Stunden. Dabei vergingen nur 5 Minuten ehe die erlösende SMS endlich auf meinem Handy erschien.

"Hi Sarah. Schöne Frauen lässt man doch nicht allein nach Hause fahren. Habe ich gerne gemacht. Freut mich, dass du dich meldest! Lieben Gruß Ben"

Aaaaaaahhhh - mein Herz schlug Purzelbäume! Er freute sich, dass ich mich melde!! Wie geil war das denn? Ich konnte nicht anders: ich musste lächeln, nein, eher bis über beide Ohren strahlen. Ich las die SMS 10-20 mal. Hatte ich mich auch ja nicht verlesen oder er sich aus Versehen bei dem Empfänger vertan? Nein, das konnte nicht sein. Es stand ganz klar mein Name in der SMS...

Ich konnte es immer noch nicht so ganz glauben. Er freute sich, dass ich mich gemeldet hatte. Dieser Mann, der scheinbar doch alles hatte, freute sich über eine Nachricht von mir?

Ich brauchte ganze 10 Minuten bis ich wieder einen klaren Gedanken fassen konnte und ich ihm antworten konnte. "Danke... Naja du hast doch sicher besseres zu tun, als mich nachts durch die Gegend zu fahren."

"Bei allem anderen hätte ich nicht so eine angenehme Gesellschaft gehabt. Ich ruf dich in etwa einer halben Stunde an, wenn du nichts dagegen hast!? Bin nicht der große Schreiber. Lg Ben"

Er wollte mich anrufen. Dabei hatte ich doch jetzt schon einen riesigen Kloß im Hals. Wie sollte ich da einen Ton rausbekommen? Wieder fing mein Herz an zu rasen. Ich bevorzugte das SMS-Schreiben. Da konnte ich erst kurz nachdenken, was ich antworten kann und Ben konnte nicht sofort merken, wie ich reagiere. Aber okay, wir hatten bei der Party auch miteinander gesprochen - irgendwie würde ich das schon schaffen. Irgendwie...

Ich ging nervös in der Wohnung auf und ab. Ich konnte jetzt nicht ans Aufräumen denken oder ans Waschen. Meine Gedanken kreisten immer wieder nur Ben und darum, dass er mich jeden Moment anrufen würde.

Als mein Handy klingelte, zitterte ich am ganzen Körper und schlecht war mir auch. Ich fühlte mich wie ein Teenager, der das erste Mal in seinem Leben Kontakt mit dem anderen Geschlecht aufnimmt. Wo war das Loch im Boden, in das ich mich verkriechen konnte?!

Ich atmete noch einmal tief durch und ging ran. Ich versuchte so sicher wie nur möglich zu wirken und bekam ein "Hi Ben" zustande. Ich war ihm so dankbar, dass er das Gespräch an sich nahm und sagte: „ich habe mich sehr gefreut, deine Nachricht zu bekommen und ich habe unser Gespräch bei Jan sehr genossen.“

Ich schluckte und wurde rot. Zum Glück konnte er das nicht sehen. Ich erwiderte: „Ich fand es auch schön.“ Er merkte, dass ich verlegen war und schaffte es, mich ein wenig zu beruhigen, indem er zugab, dass er selbst ein wenig nervös sei.

Wir redeten ein wenig über den Abend bei Jan, die Leute dort, die Heimfahrt und was wir an dem Wochenende noch getan hatten. So langsam hatte sich meine Anspannung gelegt und er gab mir ständig das Gefühl, für ihn wichtig zu sein und er hörte mir aufmerksam zu. Ich genoss es regelrecht mit ihm zu reden. Leider musste er weiter arbeiten. Ich hörte ein Telefon bei ihm klingeln. Aber er versprach, sich sehr bald wieder zu melden. Zum Abschied sagte er: "Ich denk an dich!", und schon hatte er aufgelegt.

Ich konnte nichts mehr darauf sagen. Ich war zu sehr überrascht von der Aussage und hatte einen Kloß im Hals und dann war er auch zu schnell aus der Leitung. Die Worte hallten immer und immer wieder in meinem Kopf nach. Ich denk an dich.

Sollte ich ihm jetzt sagen, dass ich auch ständig nur noch an ihn denke? Ich zweifelte, ob ich es tun sollte, oder ob ich es lieber lassen sollte. Aber wenn er doch die Karten schon so offenlegte, warum sollte ich es nicht auch tun? Außerdem war es ja wirklich so.

Ihn anrufen wollte ich nicht. Er musste schließlich arbeiten und war sicherlich am Telefon. Ich hätte es ihm auch nicht sagen können. Also schrieb ich eine SMS: "Ich denk auch an dich!" Es dauerte keine Minute, da kam von ihm ein Zwinkern zurück. Entweder war er doch gar nicht so beschäftigt oder ich war ihm so wichtig, dass er sich die Zeit noch genommen hat.

Ich grinste den ganzen Tag vor mich her, weil ich einfach so glücklich war. Ein so toller Mann zeigte Interesse an mir. Ich bekam ein schlechtes Gewissen Sebastian gegenüber. Irgendwie hinterging ich ihn, aber seit unser Kleiner da war, war die Beziehung echt furchtbar schlecht. Er hatte seine Arbeit im Kopf und wollte Ruhe haben, wenn er zurück kam. Wir hatten uns verloren...

Die Gedanken waren schnell wieder aus dem Kopf. Ich wollte lieber an Ben denken.

Und als sei es Gedankenübertragung klingelte mein Handy. Ben... Jetzt war ich überrascht. Wir hatten doch eben erst telefoniert. "Ben?", fragte ich verwundert beim Annehmen des Gesprächs. "Ja, ich wollte fragen, ob du morgen Abend mit mir Essen gehst? Mein Termin für morgen hat gerade abgesagt und ich dachte, wir könnten uns bei der Gelegenheit ein bisschen besser kennenlernen." Ich stotterte herum. Mit so einer Einladung hatte ich absolut nicht gerechnet. "Ja, sehr gerne.", hörte ich mich selbst sagen.

"Das freut mich wirklich. Ich hole dich um 19 Uhr ab, wenn dir das passt!?"

"Ja, das geht."

"Dann bis morgen Abend. Ich freue mich."

"Ich mich auch."



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