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ZWEI: HANALEI

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Für Ah Sing nahm dieser Tag einen guten Anfang, einen schlechten Verlauf und ein schlimmes Ende.

Der beste Teil des Tages war das Frühstück. Als er im Esszimmer seines mit Schindeln bedeckten Hauses saß, das mit kostspieligen, direkt aus seinem Heimatland importierten Kunstwerken ausgestattet war, konnte er den köstlichen Duft des Reisgerichts riechen, das seine Mui Tsai - seine chinesische Sklavin - zubereitete. Diese Sklavin war von ihren ausgehungerten Eltern, ärmlichen Kleinbauern, an einen Zwischenhändler verkauft worden, der sie als ‚Verwandte’ an Ah Sing verschickt hatte. Die Tatsache, dass sie praktisch eine Sklavin war, war nur dem innersten Familienkreis und den engsten Freunden bekannt, weil zu diesem Zeitpunkt die Sklaverei im Königreich Hawaii gesetzeswidrig war. Die Chinesen nannten das Königreich Hawaii Tang Heung Shan: Land der Sandelholz-Berge.

Min Tuk, die Sklavin, hatte am Abend zuvor ein Huhn zusammen mit etwas Reis, Wasser und einem Pidan, einem ‚Tausendjährigen Ei’, in einem Topf eingelegt.

Selbstverständlich war das Ei nicht wirklich tausend Jahre alt. Das war natürlich nur eine poetische chinesische Bezeichnung. Das Ei war allerdings deutlich älter, als es viele Menschen für möglich hielten. Zur Zubereitung des Pidan hatte Min Tuk ein frisches Entenei mit einer Tonmischung aus roter Erde, die es auf der Insel Kauai im Überfluss gab, sowie Salz, Holzkohle, Kalk und Schwarzem Tee überzogen. Dann hatte sie es zusammen mit mehreren anderen, ähnlich überzogenen Eiern in Reishülsen eingewickelt und das Paket in einen irdenen Topf gelegt, der mit dem schweren Boden der Reisfelder von Hanalei ausgekleidet worden war. Danach hatte sie den irdenen Topf an dem kühlsten und trockensten Ort deponiert, den sie finden konnte. Dort war die Mischung ganze drei Monate lang gestanden. Als die Pidan fertig waren, war das Eigelb grün eingefärbt, das Eiweiß hatte sich in eine schwarze, opalartige Farbe verwandelt. Das Ganze hatte die Konsistenz einer Avocado, der Geschmack erinnerte an einen gehaltreichen, scharfen Käse.

Manchmal reichte sie das Pidan einfach so, aufgeschnitten und mit einer besonderen Soße garniert, deren Zutaten aus Reiswein, Essig, gehacktem Ingwer und Soja bestanden. Manchmal kombinierte sie es mit Schweinefleisch. Heute aber bereitete sie es mit Huhn zu. Das Mahl hatte die ganze Nacht lang auf einer sorgfältig gehüteten Schicht aus Kohle geköchelt. Sie war eben dabei, etwas Salat aufzuschneiden und auf echtem chinesischem Porzellan eine Auswahl an gesalzenem und eingelegtem Gemüse als Beilage anzurichten.

Als ihm das fertige Gericht serviert wurde, war Ah Sing bereits das Wasser im Mund zusammengelaufen. Er tauchte seine Essstäbchen aus Elfenbein mit einem Appetit in die Schüsseln und Schalen, der für einen 85-jährigen Schmied ganz anständig war. Innerhalb weniger Minuten hatte er den größten Teil des Mahls verzehrt und grunzte nun, um Min Tuk in Kenntnis zu setzen, dass er jetzt zum Tempel aufbrach und sie den Rest selbst essen dürfe.

Seine erste Ehefrau lebte bei Verwandten in Honolulu. Nach der Totgeburt seines ersten Sohnes hatte Ah Sing sie fortgeschickt und danach nicht mehr an sie gedacht. Er hatte Min Tuk noch vor der Abreise seiner ersten Frau als Sklavin gekauft und von China herbringen lassen. Ah Sing hatte kein weiteres Interesse an ihr. Seine hawaiianische Geliebte und ihre gemeinsamen fünf Kinder gaben ihm das Maß an häuslicher Zufriedenheit, das er brauchte.

Ah Sing war im Jahr 1788 an Bord des englischen Handelsschiffes Felice unter dem Kapitän John Meares nach Hawaii gekommen. Mit an Bord waren zahlreiche andere europäische und chinesische Handwerker gewesen, die im Pelzhandel des pazifischen Nordwestens gearbeitet hatten. 1788 war das Jahr, in dem Österreich Russland den Krieg erklärte, in dem die Verfassung der Vereinigten Staaten ratifiziert wurde, in dem sich in England Bestrebungen zur Abschaffung des Sklavenhandels regten und in dem Pelzhändler, die in Hawaii anlandeten, Schusswaffen bei den verschiedenen verfeindeten Anführern Hawaiis gegen Lebensmittel eintauschten. Während einer zweiten Reise im Dezember des gleichen Jahres an Bord der Iphegenia beschloss der zwanzigjährige Schmied, nicht mehr in das Eis und den Schnee des damals noch vor der Gründung stehenden British Columbia zurückzukehren und stattdessen zu bleiben, um die sanften Winde und die besseren Geschäftsmöglichkeiten der Sandwich-Inseln zu genießen.

Zehn Jahre lang arbeitete er dann für Kamehameha den Großen und half bei der Herstellung der Schaluppen, die während der Kriege des Königs zur Eroberung der anderen Inseln eingesetzt wurden. Außerdem reparierte Ah Sing Kanonen und Musketen. Er wurde sogar in die Position eines Beraters befördert und war im Gefolge von Kamehameha dabei, als Kapitän George Vancouver im Jahr 1794 die Kealakekua Bay besuchte.

Als sich später abzeichnete, dass Kamehameha nach der gescheiterten Invasion von 1796 keinen weiteren Versuch unternehmen würde, Kauai gewaltsam einzunehmen, wurde Ah Sing mit einer großzügigen Abfindungszahlung aus dem Dienst entlassen. Schließlich verschlug es den chinesischen Schmied nach Kauai, wo er in den Dienst des Königs Kaumuali'i trat und mit Hilfe seines neuen Reichtums und mit seinen neuen Verbindungen verschiedene kleinere Unternehmungen gründete. Eine dieser Unternehmungen war eine Schmiede im Hanalei Valley. Nach 1841, als die Regierung Hawaiis es den Gouverneuren und Anführern erlaubte, Land an Ausländer zu verpachten, konnte Ah Sing langfristige Pachtverträge für einen erheblichen Teil des Tals abschließen. Dann heiratete er, stellte eine Reihe von Lehrlingen ein und konnte in den Jahren danach seine Interessen langsam, aber beständig ausbauen.

An diesem frühen Morgen des Jahres 1853 arbeitete der derzeitige Lehrling von Ah Sing, ein Mann namens Li Yuen, bereits hart in der Schmiede. Er trug lediglich weite Hosen und Stiefel, denn die Hitze der Esse war sehr groß. Die Stiefel sollten seine Füße vor herunterfallender Kohle und heißen Metallstücken schützen, aber sein Oberkörper war aufgrund der vielen Verbrennungen, die er über die Jahre erlitten hatte, von Narben übersät. Der Gedanke, eine Lederschürze zu tragen, wie es die meisten der weißen Schmiede taten, kam ihm nicht in den Sinn. Für ihn war jede Berührung durch das Feuer wie eine Segnung der Götter.

Die Schmiede von Ah Sing war ein mit Schindeln bedecktes Gebäude mit einem hohen Schrägdach, das vollständig aus dem dunklen Hartholz Milo gefertigt war. Sie war ein Stück vom Haupthaus abgesetzt und lag an einem langen, bogenförmigen Zufahrtsweg, der auf die Hauptstraße von Hanalei mündete und zu den Reisfeldern führte. Um die Schmiede herum lagen überall Haufen mit beschädigtem und ausrangiertem Alteisen aus defekten landwirtschaftlichen Geräten und den Überresten abgewrackter Schiffe. Auf einigen der Haufen lag nur Eisen, auf anderen lagen Eisenstücke, die noch immer an Holzresten befestigt waren. Ein spezieller Haufen enthielt Stücke und Reste von Kupfer, Messing und Bronze. All diese Materialien konnten je nach Bedarf in neue Werkstücke verwandelt werden.

In der Schmiede war das zentrale Element der Amboss. Vor seiner Ankunft auf Kauai hatte Ah Sing einen in Europa gefertigten, fast siebzig Kilogramm schweren Amboss von der Familie eines verstorbenen deutschen Schmieds gekauft, der in Lahaina auf Maui für die Ali'i, die Anführer, und die britischen und amerikanischen Handelsschiffe, die dort häufig direkt vor der Küste ankerten, gearbeitet hatte.

Der Amboss verfügte über ein langes, rechteckiges Ende mit einem gehärteten Loch für verschiedene Werkzeuge und einen Absatz direkt vor dem Horn. Er stand auf einem sechzig Zentimeter hohen Eichenblock, der aus dem Kiel eines Schiffes herausgeschnitten worden war, welches das Pech gehabt hatte, an den Riffen beim Makahoa Point gerade außerhalb der Hanalei Bay auf Grund zu laufen. Der Fuß des Amboss war mit dicken, handgeschmiedeten Bolzen an dem Eichenblock befestigt, die zusätzlich umgebogen waren, um sie so fest wie möglich zu fixieren. Um den Fuß selbst war eine schwere Kette gewickelt, die über den Amboss gelegt werden konnte, um die verschiedenen Objekte zu stabilisieren, an denen gerade gearbeitet wurde. Der Amboss war verschrammt und an vielen Stellen abgeschlagen und passte damit gut zu dem fleckigen und abgenutzten Holzblock.

In der Ecke der Schmiede befand sich die Esse, eine Kiste aus hartem Koa-Holz, die mit dem Tonboden der Hügel westlich des Örtchens Kapa'a ausgekleidet war. Die Kiste stand auf einer Schicht aus Lavasteinen. Als Brennstoff wurde Holzkohle aus Lihue verwendet, dem Regierungssitz an der südöstlichen Küste der Insel. Ein großer, lederner Blasebalg, der von Hand betrieben wurde, sorgte für die nötige Luftzufuhr.

An einer Wand stand eine Eichenbank aus den Planken eines anderen Schiffswracks. Oben auf der Bank lagen die Hammer, Meißel, Gesenke, Richtplatten, Keile und all die anderen Werkzeuge, die in der Schmiedekunst zur Anwendung kamen. An einer weiteren Wand hingen ungefähr fünfundzwanzig Zangen in verschiedenen Größen. Der übrige Platz wurde von Materialien und aktuellen Werkstücken eingenommen.

Li Yuen arbeitete angestrengt, aber das Projekt, dem er sich gerade widmete, hatte nicht direkt mit der Schmiedekunst zu tun. In der Zwischenzeit spazierte Ah Sing in die Stadt und dachte über die beunruhigenden Neuigkeiten nach, die er kürzlich aus China über Taiping Tianguo erhalten hatte, also den Taiping-Aufstand. Er hatte bereits zum Tod vieler seiner Angehörigen geführt.

Verglichen mit den Problemen in seinem Heimatland erschien das Hanalei Valley wie ein wahres Paradies auf Erden. Ein vorüberziehender Regenguss ließ am Himmel über der Hanalei Bay einen Regenbogen erstrahlen. Die Überreste tief hängender Wolken drängten sich um die smaragdgrünen Hänge des Namolokama und des Mamalahoa, die sich steil über das Tal erhoben. Sie erinnerten Ah Sing an ein Gemälde aus der Song-Dynastie, Tausend Meilen Flüsse und Berge von Wang Ximeng. Warme Winde sorgten für kräuselnde Bewegung in den Reis- und Taro-Feldern unterhalb der Berge. Im ruhigen, blauen Wasser der Bucht lagen verschiedene Segelboote und Handelsschiffe vor Anker. Als Haupteinreisehafen auf Kauai war Hanalei eine ziemlich betriebsame Stadt. Der Verwaltungsbezirk wies eine vergleichsweise hohe Bevölkerungszahl von fast zweitausend Einwohnern auf.

Zu diesem Zeitpunkt herrschte in China immer noch die Qing-Dynastie der Mandschu, die Zentralchina im 17. Jahrhundert erobert hatten. Sie hatten gleich nach der Konsolidierung ihres Sieges und der Gründung der neuen Dynastie Haartracht und Bekleidung vorgeschrieben, die alle Chinesen tragen mussten. Ein Verstoß gegen diese Vorschriften wurde mit dem Tod geahndet.

So trug Ah Sing sein Haar also zu einem langen Zopf geflochten, auf seinem Kopf saß eine krempenlose Kappe aus schwarzer Seide mit einem Knopf in der Mitte. Ansonsten war er mit einem Changpao, einem langen, weiten, schwarzen Gewand, bekleidet, das ebenfalls aus Seide gefertigt war, das aber mit einem zarten Chrysanthemen-Muster verziert war. Beim Schuhwerk hatte er sich für das Praktische entschieden: er trug ein Paar stabiler Ledersandalen.

Ah Sing nahm den Weg durch das Zentrum der Stadt, wo er mit vielen Einwohnern Grüße austauschte, auch mit Kapitän John Kellett, Postamtsvorsteher, Eintreiber der Zollgebühren und Hafenmeister. Dieser trug trotz der hohen Temperaturen wie immer seine Marineuniform mit hohem Kragen.

„Guten Morgen, Kapitän“, rief Ah Sing und verbeugte sich leicht. Nach all den Jahren des Umgangs mit Briten und Amerikanern war seiner Sprache nur noch ein leichter chinesischer Tonfall anzumerken. Er war mit den Ausdrucksweisen aus beiden Kulturkreisen vertraut.

Kellett nahm seine Mütze ab und wischte sich mit einem roten Taschentuch über die Stirn. Anschließend steckte er das Taschentuch zurück in den Ärmel seiner Jacke. „Auch Ihnen einen guten Morgen, Ah Sing. Kommen Sie wegen einer Lieferung?“

„Nein, Kapitän, ich mache nur einen Spaziergang.“ Dass er zum chinesischen Tempel ging, brauchte er diesem Daibizi gegenüber, der seine große Nase überall hineinsteckte, nicht zu erwähnen.

Während sie noch miteinander plauderten, kam ein junger Hawaiianer mit der Post aus dem Kalalau Valley gelaufen, einem steilen, tiefen Tal an der nordwestlichen Na Pali-Küste der Insel. Das Tal war nur vom Wasser aus oder über einen sehr tückischen, fast achtzehn Kilometer langen Pfad durch mehrere enge Täler und über reißende Ströme hinweg entlang der dreihundert Meter hohen Klippen zugänglich.

Der Bote trug einen Malo, eine Art Lendenschurz aus Kapa. Kapa war ein Stoff, den die Hawaiianer aus der Rinde bestimmter Bäume herstellten. Außerdem trug der Bote ein verschlissenes, verblasstes, rotes Wollhemd, das er vermutlich bei einem Matrosen gegen irgendetwas anderes eingetauscht hatte. Es musste wohl in der Hitze des Tals unbequem sein, aber in jenen Tagen verlieh das Hemd dem jungen Mann ein gewisses Ansehen bei seinen Freunden. Wie gewöhnlich war die Post in Bananenblätter eingewickelt, damit sie nicht vom Regen durchnässt wurde.

Eia na leka, e Kapena. Hier ist die Post, Kapitän“, schnaufte der Hawaiianer.

Pehea ke ala i ke kapakai? In welchem Zustand ist der Pfad an der Küste?“, fragte Kellett in fließendem Hawaiianisch.

Aia kekahi hehe'e mamamala ma Nualolo Kai. Bei Nualolo Kai gibt es einen kleinen Erdrutsch“, antwortete der Bote.

Nachdem er sich vergewissert hatte, dass der Bote keine Post für ihn von seinen Pächtern an der Na Pali-Küste dabei hatte, verließ Ah Sing den Postamtsvorsteher, damit der sich darum kümmern konnte, dass Arbeiter den Pfad freiräumen würden. Ah Sing setzte seinen Spaziergang fort, grüßte und sprach mit den Menschen, die er traf: mit den Weißen auf Englisch, mit den Chinesen aus dem nördlichen Teil Chinas in dem Dialekt seiner Heimat, Beijing, und mit den Hawaiianern und den anderen Chinesen auf Hawaiianisch.

Auf dem Weg zum Tempel machte er noch einen Abstecher in die Gemischtwarenhandlung, die ihm gehörte und in der die Menschen der ganzen Nordküste Kauais, von den Plantagenarbeitern im Ort Kilauea im Osten bis zu den Fischern aus den isoliert gelegenen Tälern im Westen, einkauften: Werkzeuge, Kattun- und Denim-Stoffe, Kaffee und Tee für die Plantagenarbeiter, eiserne Angelhaken, Nähnadeln, Seile und Schnüre für die Fischer sowie Reis, Mehl, Zucker und Süßigkeiten für alle.

Im Hinterzimmer der Gemischtwarenhandlung standen Spieltische, an denen die chinesischen Plantagenarbeiter den größten Teil ihres Wochenlohns bei Ah Sing verloren. Obwohl es noch früh war, konnte er schon das Klappern der Spielsteine hören, mit denen einige Arbeiter, die heute frei hatten, das alte Spiel Tin Kau spielten. Ah Sing lächelte bei dem Gedanken an all das Geld, das ihm vollkommen ohne eigene Anstrengung zufloss. Er trat zur Tür und beobachtete die Spieler einige Minuten lang.

Gerade spielten vier Personen, die die Spielsteine so schnell ablegten und aufnahmen, dass man mit den Augen kaum folgen konnte.

Das Spiel hatte zwar gewisse Gemeinsamkeiten mit Bridge, aber Fremde schienen nie so richtig dahinterzukommen, wie man es nun genau spielte. Viele dachten, dass es ähnlich dem simplen, westlichen Dominospiel war, weil auch dort Spielsteine mit Punkten darauf verwendet wurden.

Nicht nur, dass sie die Regeln vollkommen verwirrend fanden, sie konnten auch die komplexe Verquickung des erforderlichen Könnens und Glücks nicht verstehen. Außerdem hatten sie mit der Tatsache Schwierigkeiten, dass jeder Spielstein wichtige und grundlegende Aspekte der chinesischen Kultur symbolisierte.

Der alte Mann beobachtete, wie die Spieler ihre Spielsteine in Vorbereitung auf die nächste Runde aufteilten. Zweifellos waren diese des Lesens und Schreibens unkundigen Bauern nur am Gewinnen interessiert und waren sich nicht der Tatsache bewusst, dass sie es mit den mächtigen Kräften des Himmels, der Erde, des Menschen und des Wunsches nach Harmonie zu tun hatten. Er seufzte, drehte sich um und entschied dann, die Belege später zu prüfen.

Sein weiterer Weg führte ihn am Zugang zum Waioli Valley an dem ziemlich großen, weiß-grünen Walmdachhaus der christlichen Missionare Abner und Lucy Wilcox sowie deren Kirche Hui'ia, Vereinigt, vorbei, die sich durch eine grüne Fassadenverkleidung, einen Kirchturm sowie Buntglasfenster auszeichnete. Ah Sing und die Missionare machten miteinander Geschäfte, wenn sie das mussten, aber sonst war ihr Kontakt auf eine kühle Höflichkeit reduziert, hauptsächlich weil Abner und Lucy Wilcox Glücksspiele streng verurteilten.

Schließlich erreichte Ah Sing den kleinen Tempel, den er finanziert hatte. Er bestand nur aus einem einzigen Raum. Es handelte sich um ein einfaches Bauwerk, das aus wunderbar glänzend poliertem Koa-Holz errichtet worden war, das in der Sonne golden schimmerte. Der Schmied grüßte den taoistischen Priester, Pao Yap, auf Mandarin, weil sich das angesichts seiner Position so gehörte.

Zao shang hao, Pao Shifu. Guten Morgen, Priester Pao. Hao bu hao? Wie geht es Ihnen?“ Ah Sing verbeugte sich etwas tiefer als sonst.

Hao. Ni hao ma, Ah xiansheng? Gut. Und Ihnen, ehrenwerter Ah?“ Pao Yap verbeugte sich noch etwas tiefer als Ah Sing. Schließlich war dieser sein Mäzen.

Hao. Gut.“ Ah Sing folgte dem Priester in den Tempel.

Pao Yap war ein sehr gebildeter Mann um die Vierzig, der sich um den Tempel, seine Schreine und seine Götter kümmerte, die Gläubigen unterstützte und in seiner Freizeit chinesische Klassiker las.

Seine Kappe und sein Changpao waren aus einfacher, brauner Baumwolle gefertigt, aber er trug seinen Zopf wie Ah Sing. Als der Handelsmann eintrat, versorgte Pao Yap den alten Mann mit Räuchermitteln und zeremoniellem Geld und blieb dann an seiner Seite, als Ah Sing einen Stock aufnahm und damit mehrfach auf eine Trommel schlug, um die Götter zu wecken und böse Geister zu verjagen.

Da sein Hauptinteresse dem Geschäft galt, ging Ah Sing zunächst zum Schrein des Cai Shen, des Gottes des Reichtums. Einem Nicht-Chinesen würde das Bildnis des Cai Shen sicherlich nicht den Eindruck vermitteln, als symbolisiere er Reichtum. Er war in Trauerkleidung gehüllt, weil seine Mutter gestorben war. Der Gott lehnte auf einem Stab aus einem Papierstift und hielt den Kopf in Trauer gesenkt. Den Kopf hoch zu tragen, bedeutete Glück. Eine so fröhliche Haltung war einem guten Sohn nicht angemessen, dessen Mutter gestorben war. Ah Sing verbrannte das Räucherwerk und das Papiergeld und ging dann weiter, um weiteren Göttern in ihren Schreinen seinen Respekt zu zollen: Yuk Wong Dai Dei, König der Götter und Herrscher des Himmels; Guanyin, Göttin des Mitgefühls; How Wong, ursprünglich ein Gott für die Fischer, der sich aber zu einem Gott des Erfolgs für alle Berufe, Handelssparten oder Geschäfte weiterentwickelt hatte. Schließlich, ganz wichtig, war da ein kleiner Schrein, der aus einem weißen Tuch mit kleinen chinesischen Schriftzeichen bestand und der für Jung Sun stand, die sechsunddreißig Götter, die selbst alle Götter symbolisierten. Denn wenn man einen Gott vergaß, konnte das Ärger heraufbeschwören.

Nach diesen Förmlichkeiten gingen Ah Sing und Pao Yap in einen etwas abgelegenen, kleinen Hof und setzten sich an einen Tisch unter einem Mangobaum. Dort trafen sie die erforderlichen Vorbereitungen, damit der Priester Ah Sing seine Zukunft vorhersagen konnte. Sie begannen mit zwei halbmondförmigen, hölzernen Klötzen mit der Bezeichnung Bwa Bwei oder „Mondsteine“. Normalerweise musste man dazu vor einem Schrein knien, aber der Tempel war klein und schließlich war dies Hawaii.

Ah Sing fragte zunächst, ob seine Unternehmungen weiterhin florieren würden. Pao Yap stimmte einen Gesang an und warf dann die hellroten Klötze auf den Tisch. Die Klötze waren auf der einen Seite flach, auf der anderen Seite gerundet. Als sie auf dem Tisch landeten, lag der eine Klotz mit der flachen Seite, der andere mit der runden Seite nach oben. Die Antwort war also ein „Ja“. Ah Sing grunzte vor Genugtuung. Dann fragte der alte Mann, ob er bei guter Gesundheit bleiben würde. Dieses Mal lagen beide Klötze mit der runden Seite nach oben: „Nein“.

Überrascht und verstört, denn das war noch nie vorgekommen, bestand Ah Sing darauf, dass der Priester auch die Chim-Stöcke zu Rate ziehen solle, einen Satz dünner Bambusstäbe, die in einem zylindrischen Behälter aufbewahrt wurden und auf die unterschiedliche Vorhersagen in chinesischer Schrift aufgedruckt waren. Pao Yap stimmte erneut einen Gesang an und schüttelte dann den Behälter leicht auf und ab, bis schließlich ein einzelner Stab heraussprang und auf dem Tisch landete. Pao Yap nahm ihn auf und schlug die Antwort in einem Buch nach. „Das kann nicht stimmen“, murmelte er. „Ich werde einen neuen Versuch starten.“ Als er den Stab in den Behälter zurückstecken wollte, ergriff Ah Sing seine Hand.

„Es bringt Unglück, wenn man ignoriert, was die Götter zu sagen haben“, stellte der alte Mann mit Bestimmtheit fest.

„Manchmal bringt es Unglück, wenn man auf das hört, was einem die Götter sagen wollen“, antwortete der Priester.

„Trotzdem will ich es hören.“

„Nun gut.“ Pao Yap nahm den Stab wieder auf und blätterte erneut in dem Buch. „Sie haben einer Person Geheimnisse anvertraut, derer diese Person nicht würdig ist. Hüten Sie sich vor Verrat durch eine Person, die Sie gut kennen. Heute wird Ihnen Ihr Wunsch nicht erfüllt.“

Aus dem Gesicht von Ah Sing war alles Blut gewichen. Er blieb sehr lange regungslos, so dass Pao Yap dachte, er habe möglicherweise einen Schlaganfall erlitten. Plötzlich aber schüttelte sich der alte Mann, stand auf und ging wortlos aus dem Tempel.

Sehr beunruhigt steuerte Ah Sing seine Schmiede an und wunderte sich, warum er bei den Worten von Pao Yap sofort an seinen Lehrling gedacht hatte und was der mit seiner Gesundheit zu tun hatte. Ein quälender Gedanke versuchte, in sein Bewusstsein vorzudringen, aber Ah Sing kämpfte heftig dagegen an. Nein!, beruhigte er sich selbst. Das kann nicht sein! Das kann ganz sicher nicht sein! Der alte Mann war so aus der Fassung geraten, dass er geradewegs an der Gemischtwarenhandlung vorbeilief, ohne an die Belege zu denken. - Eine grobe Abweichung von seinen üblichen Gewohnheiten.

Er ignorierte die grüßenden Menschen unterwegs und erregte so Überraschung und Anstoß. Als sich Ah Sing der Schmiede näherte, blieb er plötzlich stehen, weil sich blanke Kälte um sein Herz legte. Was würde er in der Schmiede vorfinden?

Vor zehn Jahren hatte er seinen dritten Lehrling aufgenommen, nachdem sich die beiden ersten als nutzlos erwiesen hatten. Dieser dritte Lehrling war jedoch erstaunlich gut. Ein junger Mann, der behauptet hatte, aus der Provinz Shanxi im Norden Chinas zu kommen, und der wie ein Han-Chinese aussah und klang.

Es war ungewöhnlich, dass Chinesen aus dem Norden nach Hawaii kamen, um hier zu arbeiten, aber seine Fähigkeiten in der Schmiedekunst und seine Kenntnisse waren zweifellos außergewöhnlich. Vermutlich lag das daran, dass die Provinz Shanxi so große Eisenerzlagerstätten hatte. Der Lehrling Li Yuen kannte sich in der Kunst und in der Wissenschaft der Arbeit mit dem Eisen gut aus und darüber hinaus verfügte er auch über Kenntnisse der alchemistischen Aspekte dieser Praxis. In den vergangenen Jahren hatten sie viele Stunden damit verbracht, über die Unterschiede zwischen Waidan, der äußeren Alchemie, und Neidan, der inneren Alchemie, zu diskutieren. Ihre Streitgespräche darüber, ob sich letztlich die Meditation oder irgendein chemisches Elixier als segensreicher für die Verbesserung der Gesundheit und die Verlängerung des Lebens erweisen würde, waren immer sehr unterhaltsam gewesen. Aber Ah Sing hatte ein Geheimnis. Und falls Li Yuen dieses Geheimnis entdeckt haben sollte …

Erfüllt von einer düsteren Vorahnung zwang sich Ah Sing, die letzten Schritte zu gehen und in die Schmiede einzutreten. Die Gerüche nach Eisen, Holzkohle und Schweiß waren unverändert und vertraut, aber sonst war nichts in Ordnung. Der Amboss und der Eichenblock in der Mitte des Raums waren umgekippt, daneben lagen die Brechstangen und Stützen, die verwendet worden waren. An der Stelle, an der der Amboss mehr als dreißig Jahre lang gestanden hatte, klaffte ein Loch. In dem Loch befand sich eine schwarze, lackierte Kiste mit roten Zeichen darauf. Die Kiste stand offen. Ah Sing unterdrückte einen Schauder und blickte schließlich seinen Lehrling direkt an.

Li Yuen saß auf der Seite des Amboss und hatte den Inhalt der Kiste in seinem Schoß: ein Buch, das in verblasstes, rotes Leder gebunden war, eine Kette mit merkwürdig aussehenden, großen Perlen, die offensichtlich aus Elfenbein gefertigt waren und die Form menschlicher Schädel hatten, sowie eine kleine, halbvolle Glasphiole mit einer silbernen Flüssigkeit. „Guten Tag, Ah Sing“, sagte der jüngere Mann und beleidigte dabei mit Absicht den älteren Mann, indem er die Ehrenbezeichnung „Meister“ unterschlug. Als Ah Sing nicht reagierte, fuhr er fort. „Es bereitet mir großes Vergnügen, Ihnen mitzuteilen, dass mein richtiger Name Batzorig ist. Ich bin ein Burjaten-Mongole und gehöre der Gemeinschaft der Darkhan an.“ Der Lehrling lächelte, als er das betroffene Gesicht von Ah Sing sah. „Die Nachforschungen und die Suche haben lange gedauert, aber meine Geduld wurde belohnt. Ihre Familiengeschichte war ausgesprochen aufschlussreich.“ Er strich über den Umschlag des Chia Pu, des Familienbuchs, das Geschichten über die Errungenschaften der Familie und deren Abenteuer enthielt.

„Die Geschichte darüber, wie Ihr Urgroßvater in den Besitz dieser Gegenstände hier gelangt ist“, er hob die Kette und die Phiole leicht an, „fand ich besonders interessant. Er vergaß jedoch zu erwähnen, dass er sie meiner Gemeinschaft gestohlen und dabei meinen Urgroßvater getötet hat.“ Batzorig wartete auf eine Reaktion von Ah Sing, aber der alte Mann schien zu Stein erstarrt, also fuhr er fort. „Meine Familie praktiziert schon seit Tausenden von Jahren das, was Sie Waidan und Neidan nennen, sie hat das schon getan, bevor die Chinesen überhaupt aufrecht gehen konnten. Sie sind ein Dieb, der Sohn eines Diebes, der Enkel eines Diebes und der Urenkel eines Diebes. Und heute nehme ich für meine Familie die Gegenstände zurück, die uns der Großkhan anvertraut hat und deren rechtmäßigen Beschützer wir sind.“ Batzorig hob die Phiole an. „Dies hier wurde geschändet und muss vernichtet werden, damit die Quelle nicht verunreinigt wird.“

Ah Sing erlangte schließlich die Kraft wieder, um sich bewegen zu können.

„Nein!“, schrie er mit heiserer Stimme und streckte die Hand danach aus. „Nicht! Ich kann dir geben, …“

„Es gibt nichts, das du mir geben könntest, du alter Kauz. Dir bleibt nichts mehr, das du geben könntest.“ Und vor Ah Sings Augen mit ihrem entsetzten Blick öffnete der frühere Lehrling die Phiole und schüttete die dicke, zähe Flüssigkeit auf den Boden. Der Boden nahm die Flüssigkeit so rasch auf, dass noch nicht einmal eine feuchte Stelle zurückblieb.

Ah Sing schrie auf, stolperte nach vorne, griff sich an die Brust und sank auf seine Knie. Batzorig sah ruhig zu, wie der alte Mann nach Luft schnappte, erstickte und mit einem leichten Zucken seitlich zu Boden fiel.

Ohne sich die Mühe zu machen, ihn zu bewegen, legte der jüngere Mann das Buch zurück und schloss die lackierte Kiste. In der nächsten Stunde stellte er den Amboss auf seinen ursprünglichen Platz zurück und streute Sand aus, damit alles aussah wie immer. Danach nahm er die Beutel mit den Goldmünzen, die er draußen vor der Schmiede unter dem Haufen mit dem Kupfer und dem Messing gefunden hatte, an sich. Es waren „Half Eagles“, 5-Dollar-Münzen der amerikanischen Regierung, die in Hawaii als offizielles Zahlungsmittel im Umlauf gewesen waren, bevor es den neuen Silber-Kala gab, den König Kalakaua prägen ließ.

Diese U.S.-Münzen zeigten auf der einen Seite den Kopf der Freiheitsstatue, der von dreizehn Sternen und der Jahreszahl umrandet war, und auf der anderen Seite einen Adler mit gespreizten Flügeln und einem Brustschild, der Pfeile und Olivenzweige in seinen Krallen hielt. Über dem Kopf des Adlers war eine Schriftrolle abgebildet, die die Worte „In God We Trust“ darstellte. Entlang des Randes waren „United States of America“ und der Wert der Münze zu sehen: „FIVE D“. Jede der Münzen enthielt einige Gramm Gold, weshalb die Beutel ziemlich schwer waren. Batzorig deponierte die Münzen und die anderen Dinge, die für ihn von Bedeutung waren, unter dem Bett in seinem Zimmer und rannte dann los, um Hilfe zu holen. Natürlich wusste er, dass jede Hilfe zu spät kommen würde.

Die Beerdigung war eine große Sache. Fast die gesamte Bevölkerung des Bezirks nahm daran teil. An diesem Morgen war ein kurzer Regenschauer auf das Tal niedergegangen. Die Luft war klar und intensiv erfüllt vom Duft der Plumeria- und Gardeniablüten an den Blumenkränzen, den Leis, die von den Hawaiianern als Zeichen ihrer Hochachtung getragen wurden. Die meisten der Weißen und der Vertreter der hawaiianischen Regierung trugen Uniformen oder etwas, das so formell wie eben möglich aussah. Diejenigen, die nichts Entsprechendes hatten, trugen einfach saubere Arbeitskleidung. Die Chinesen sahen natürlich fast identisch aus mit ihren Kappen, Zöpfen und Changpao.

Fast alle Menschen, die für Ah Sing gearbeitet hatten oder mit ihm Geschäfte betrieben hatten, trauerten wirklich, denn er war gerecht und großzügig gewesen. Alle Menschen, die ihm Geld schuldeten, freuten sich heimlich. Einige wenige vermissten ihn als Freund. Anderen wiederum war es egal, dass er nicht mehr lebte, aber sie freuten sich auf die Versteigerung seiner weltlichen Habseligkeiten und Besitztümer und auf das geplante Fest.

Der Tod von Ah Sing war als natürlicher Tod infolge seines hohen Alters eingestuft worden, so dass die Vorbereitungen für eine angemessene Beerdigung bald beginnen konnten. Vor der Einbalsamierung wurde der Leichnam mit warmem, nach Pomeloblättern duftendem Wasser gewaschen. Danach wurde der Leichnam drei Tage und drei Nächte öffentlich aufgebahrt. Freunde und Familienmitglieder hielten die Totenwache. Am Tag der Beerdigung trugen alle Familienmitglieder, also Min Tuk, Batzorig, der noch immer die Rolle des Li Yuen spielte, und die hawaiianische Familie von Ah Sing, einfache weiße Gewänder, einfache Schlappen und am linken Arm einen schwarzen Trauerflor. Ein männlicher Priester und eine weibliche Priesterin sangen abwechselnd über Ereignisse aus dem Leben von Ah Sing.

Während des Trauerzugs zum chinesischen Friedhof an der Old Homestead Road spielte ein chinesisches Orchester. Gleichzeitig wurden fratzenhafte Bilder geschwenkt, um böse Geister abzuschrecken. Auch wurde entlang des Wegs „Geister“-Geld, gedruckte Geldscheine ohne Wert auf Erden, verstreut, um Geistwesen zu bestechen, die sich nicht abschrecken ließen. An der Grabstätte wurden die beste Kleidung von Ah Sing und einige persönliche Gegenstände verbrannt, um sie zu seiner Verwendung in der nächsten Welt dorthin zu transferieren. Anschließend wurde an jede Person brauner chinesischer Zucker ausgegeben, um dem Ereignis die Bitterkeit zu nehmen. Alle anwesenden Personen wurden zu einem Festmahl eingeladen.

Batzorig nahm den Zucker, nahm aber nicht an dem Mahl teil. Seine Taschen waren bereits gepackt. Auf einem Handelsschiff, das schon in der Bucht lag und nach China auslaufen sollte, hatte er eine Koje reserviert. Er organisierte ein Treffen unter vier Augen mit Min Tuk und übergab ihr wortlos einen Beutel mit Gold. Sie nahm den Beutel wortlos entgegen, ohne ihm in die Augen zu blicken, verbeugte sich aber tief, bevor er ging, und lächelte mit großer Genugtuung in sich hinein.

Er traf sich auch mit der hawaiianischen Frau von Ah Sing, die zufällig ebenfalls seine eigene Geliebte war und die mit ihren Kindern unter einem großen Mangobaum wartete. Als niemand sonst in der Nähe war, erklärte er ihr, wo er zwei Beutel mit Gold für sie und ihre Familie vergraben hatte. Er verabschiedete sich mit einem Honi, einem hawaiianischen Kuss, und umarmte alle Kinder, von denen drei seine eigenen waren.

Batzorig nahm sich eine Schubkarre von der Schmiede, um alle seine Habseligkeiten auf den Pier zu bringen, der in die Hanalei Bay hineinragte. Dort ließ er die Schubkarre einfach stehen, nachdem die Matrosen ihm geholfen hatten, seine Sachen in ein Walboot umzuladen, das als Leichter eingesetzt wurde.

An Bord des Schiffes sperrte er seine Habseligkeiten in einen Schrank. Die Kette mit den Elfenbeinperlen hielt er einige Minuten lang in seinen Händen. Sie war wirklich zu kurz und zu eigenartig, um sie tragen zu können, mit ihren neunzehn ziemlich großen Perlen, die in der Form von Schädeln geschnitzt worden waren. Jeder dieser Schädel enthielt Wissen, das nur bestimmte Menschen mit besonderen Fähigkeiten verstehen konnten. All dieses Wissen zusammengenommen machte eines der größten Geheimnisse aus, das je entdeckt worden war.

Batzorig lächelte und legte auch die Perlen in den Schrank. Dann ging er zum Hauptdeck hinauf, um die Fahrt aus der Bucht auf den offenen Ozean hinaus zu beobachten.

Der Kapitän steuerte das Schiff geschickt durch die Riffe vor der Hanalei Bay hindurch. Das Wasser hatte eine tiefblaue Farbe. Von Nordosten schoben sich lange, gleichmäßige Wellen heran, ein konstanter, leichter Wind kam aus der gleichen Richtung. Die Segel nahmen den Wind auf, das Schiff legte sich nach links und steuerte nach Nordwesten, am Makahoa Point, am Lumahai Beach sowie an der Wainiha Bay vorbei und auf den Ha'ena Point zu.

Weiße, bauchige Wolken ruhten auf den Bergrücken oberhalb der smaragdgrünen Täler. Wasserfälle strömten die steilen Hänge hinab und funkelten wie weißes Feuer unter dem azurblauen Himmel. Die süßen Düfte des Landes wichen dem charakteristischen Geruch des Meeres. Der Kapitän und seine Mannschaft stießen gemeinsam einen Seufzer aus, der sowohl das Bedauern ausdrückte, die sorgenfreien Freuden von Hanalei hinter sich zu lassen, als auch die Vorfreude auf die Rückreise.

Batzorig stand allein auf der Seite des Decks, die dem Ozean zugewandt war. Er zog ein Messer aus einer Schärpe unter seinem Changpao heraus, schnitt seinen Zopf ab und warf ihn ins Meer. Er drehte sich nicht ein einziges Mal um, um einen letzten Blick auf Kauai zu werfen. Als das Schiff das wohlduftende Land der Sandelholz-Berge verließ, war sein Blick in die Ferne, auf den Horizont, gerichtet. Seine Gedanken weilten bereits in den kühlen Bergwäldern Sibiriens.

Ein schamanisches Abenteuer in der Mongolei

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