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Der lange Weg auf den Thron

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Edward IV. wurde am 28. April 1442 in Rouen geboren, als Sohn des reichsten und mächtigsten Adligen Englands. Sein Vater war Richard, der Herzog von York, der seine Abstammung auf König Edward III. (1312–1377) zurückführte und zudem mit allen hochadligen englischen Familien verwandt oder verschwägert war. Kaum weniger vornehm war Edwards Mutter Cecily, sie entstammte der angesehenen Neville-Familie. Sowohl für Richard von York als auch für seinen Sohn sollte diese königliche Abstammung entscheidend werden.

Bis ins 20. Jahrhundert hinein war die Monarchie die bei weitem vorherrschende Regierungsform in Europa; in ihr wurden nicht nur Besitz, sondern auch Herrschaftsrechte durch Erbschaft weitergegeben und erlangt. Die Rechtmäßigkeit königlicher Herrschaft war von der Abstammung des jeweiligen Monarchen abhängig. König Edward III. folgte 1377 sein Enkel Richard II. (1367–1400), er wurde jedoch im Jahr 1399 durch einen Staatsstreich gestürzt; neuer König wurde der Anführer der Rebellen, Heinrich IV. (1367–1413). Heinrich IV. begründete eine neue Dynastie, das Haus Lancaster, und nahm erfolgreich den Krieg mit Frankreich – den „Hundertjährigen Krieg“ – wieder auf. Ihm folgte sein ältester Sohn Heinrich V. (1387– 1422), der noch größere Erfolge in Frankreich erzielte. Auch nach Heinrichs V. frühem Tod blieb die Kontinuität der neuen Dynastie zunächst gewahrt; ihm folgte der gerade neun Monate alte Heinrich VI. (1421–1471), in dessen Namen zunächst ein Regentschaftsrat amtierte. 1431 wurde er gar in Paris zum König von Frankreich gekrönt. Herangewachsen erwies er sich jedoch – je länger er herrschte, desto mehr – als unfähig, die Amtsgeschäfte zu führen. Der persönlich äußerst gutmütige und großzügige Mann war geistesgestört und geriet schließlich völlig in die Abhängigkeit seiner Gemahlin Margarete von Anjou.

Die Legitimität des Hauses Lancaster war nie unumstritten gewesen, jedoch wurden in Anbetracht der energischen und erfolgreichen Regierung Heinrichs IV. und seines Sohnes kaum kritische Stimmen laut. Dies änderte sich unter Heinrich VI. Seit dem Auftreten von Johanna, der Jungfrau von Orléans, wurden nicht nur die englischen Truppen in Frankreich immer weiter zurückgedrängt, auch die innenpolitischen Schwierigkeiten nahmen immer mehr zu. Sie gipfelten in Volksaufständen, die sich gegen die königliche Misswirtschaft, zu hohe Steuern und diverse einflussreiche Höflinge richteten. Richard von York war durch seinen Reichtum wie durch seine Abstammung als Kopf der Opposition prädestiniert. Über seine Mutter konnte er seine Herkunft auf Edwards III. zweiten Bruder, Lionel, den Herzog von Clarence, zurückführen; König Heinrich VI. konnte dagegen nur eine Abstammung vom dritten Bruder Edwards vorweisen.

Während die vornehme Abstammung Richards von York unbestritten ist, sieht es bei seinem Sohn Edward anders aus. Schon zeitgenössische Gegner Edwards haben seine Mutter verdächtigt, sie habe es mit der ehelichen Treue nicht allzu genau genommen und die Rechtmäßigkeit seiner Herrschaft in Zweifel gezogen. Solche Behauptungen fanden allerdings wenig Glauben, da die Absicht, Edward zu diskreditieren, allzu offensichtlich war. Jedoch ist vor wenigen Jahren diese These erneut vertreten worden: Man hat berechnet, dass Edwards Vater – damals als englischer Heerführer im Krieg mit Frankreich engagiert – sich neun Monate vor Edwards Geburt nicht etwa bei seiner Gattin in Rouen, sondern vielmehr auf einem Feldzug befunden hat. Seine Aufenthalte in dieser Zeit sind allerdings keineswegs lückenlos belegt; es besteht zumindest die Möglichkeit, dass er zum fraglichen Zeitpunkt einen kleinen Urlaub genommen hatte und nach Rouen gereist war. Fest steht jedenfalls, dass Richard von York, der es schließlich am besten wissen musste, Edward immer und ohne Vorbehalt als seinen rechtmäßigen Sohn anerkannt hat.

Der Hundertjährige Krieg

Als „Hundertjährigen Krieg“ bezeichnet man eine Kette immer wieder neu aufflammender Kriege zwischen England und Frankreich von 1337–1453. Nachdem das französische Königshaus, die Kapetinger, in direkter Linie ausgestorben war, beanspruchte König Edward III. von England auch den französischen Thron; als Enkel König Philipps IV. von Frankreich in mütterlicher Linie habe er einen höheren Anspruch als sein Rivale, König Philipp VI. von Frankreich. Der Kern des Konflikts lag also in der engen Verwandtschaft zwischen den beiden Königshäusern. Der Krieg verlief über Generationen hinweg äußerst wechselhaft, wurde aber immer auf französischem Territorium geführt; das französische Volk war insofern der Hauptleidtragende in diesem „Familienkrach“.

Krieg im Zeichen der Rose

Wie es sich für einen Mann seiner Stellung schickte, hatte Richard von York eine Reihe hoher Ämter bekleidet und dem König in Frankreich und Irland gedient – insgesamt mit mäßigem Erfolg, was er auf mangelnde Unterstützung durch den König bzw. die Königin zurückführte. Richards Abstammung war allgemein bekannt, die Königin wusste, dass er der gefährlichste Konkurrent für die Thronfolge ihres eigenen Sohns Edward (*1453) war. Sie war daher bestrebt, Richard vom königlichen Rat, dem Zentrum der Macht, fernzuhalten. Doch Richard schwang sich zum Wortführer der Opposition auf; ihn unterstütze ein großer Teil des Adels, insbesondere Richard Neville, der mächtige Graf von Warwick.

Die Familie Neville

Das Haus Neville war eine der großen Familien des englischen Hochadels, sowohl mit dem Haus York als auch mit dem Haus Lancaster vielfach verwandt und verschwägert. Richard Neville (1428–1471), Graf von Warwick, bekannt als der „Königsmacher“, hatte die führende Stellung in der Familie inne. Er war ein Neffe von Cecily Neville, der Gattin Richards von York und somit der Cousin Edwards IV. Richards Seitenwechsel auf die Seite des Hauses York trug entscheidend zu Edwards Sieg bei.

1459 kam der latente Konflikt offen zum Ausbruch, und die „Rosenkriege“ begannen, so benannt nach den Abzeichen der beiden kämpfenden Parteien, der weißen Rose von York und der roten von Lancaster. Im Sommer 1460 waren die Rebellen in der Lage, von Calais aus – dem letzten englischen Brückenkopf auf französischem Boden – nach England überzusetzen und den Kampf aufzunehmen. Südengland und vor allem London standen auf ihrer Seite: Am 2. Juli konnten sie ihren feierlichen Einzug in der Metropole halten, um kurz darauf weiter nach Norden zu ziehen. Am 10. Juli stellten sie das königliche Heer bei Northampton; der junge Edward führte die mittlere der angreifenden Abteilungen und stellte hier erstmals seine militärischen Fähigkeiten unter Beweis. Die Schlacht endete mit einem Sieg der Rebellen, sie konnten den gefangenen Heinrich VI. nach London führen.

Bisher hatte der Aufstand sich öffentlich noch nicht gegen den König, sondern lediglich gegen die Königin und ihre Ratgeber gewandt. Somit schienen die Aufständischen am Ziel ihrer Wünsche. Der gefangene König musste ihren Forderungen nachgeben. Für den 7. Oktober schrieben sie ein Parlament in Winchester aus; hier sollte die öffentliche Versöhnung von König und Rebellen stattfinden. In dieser Situation entsann sich Richard von York seiner Abstammung. Am 10. Oktober erreichte er Winchester, durchquerte die Halle, in welcher das Parlament tagte und legte – vor aller Augen – die Hand auf den leeren Thron und beanspruchte ihn als den seinen. Er hatte wohl auf lautstarke Zustimmung der versammelten Lords gehofft, die jedoch mit verlegenem Schweigen reagierten. Anscheinend hatte er niemanden ins Vertrauen gezogen; sein Coup kam für alle überraschend. Selbst Richard Neville, sein Cousin und engster Verbündeter, zögerte, öffentlich gegen den König aufzutreten.

Es folgten intensive Verhandlungen, die zunächst in einen Kompromiss mündeten. Am 24. Oktober erklärte sich Heinrich VI. bereit, Richard von York als seinen Nachfolger anzuerkennen, verzichtete somit auf die Nachfolge seines eigenen Sohnes, des Prinzen Edward von Lancaster. Wenn Heinrich VI. gehofft haben sollte, den Streit damit zu beenden, so hatte er nicht mit seiner Frau gerechnet. Die war keineswegs bereit, ihre Ansprüche oder die ihres Sohnes preiszugeben, stellte vielmehr in Nordengland ein neues Heer auf. Wollte Richard von York seinen Anspruch durchsetzen, musste er dieser neuen Bedrohung schnellstens begegnen. Er rückte mit hastig gesammelten Truppen nach Norden vor; seinen Sohn Edward entsandte er mit einer kleineren Truppe nach Wales, um die dortigen Anhänger des Königs zu bekämpfen. Am 30. Dezember 1460 traf Richard von York bei Wakefield auf das königliche Heer. Nach kurzer Schlacht besiegt, versuchte er zu fliehen, wurde jedoch eingeholt und erschlagen; sein abgehauener Kopf wie auch der seines zweiten Sohnes Edmund wurden auf dem Stadttor von York öffentlich zur Schau gestellt.

Mit Richards Tod hatten die Aufständischen ihren mächtigsten Anführer verloren, zudem den einzigen, der durch seine vornehme Abkunft ihrem Unternehmen den Anstrich dynastischer Rechtmäßigkeit hatte verleihen können. Nun richteten sich alle Blicke auf Richards Sohn und Erben, auf Edward. Der war gerade 18 Jahre alt. Bisher hatte er ganz im Schatten seines Vaters gestanden, diesen loyal unterstützt; nun musste sich zeigen, ob er selbstständig agieren und die Aufständischen hinter sich vereinigen konnte.

Rivalität unter Brüdern

Wir wissen wenig über Edwards Jugend. Seine Erziehung dürfte dem damals üblichen Muster der Adelserziehung entsprochen haben. Vorbei waren die Zeiten, in denen selbst Könige Analphabeten waren. Edward lernte lesen und schreiben, er beherrschte die französische so gut wie die englische Sprache und verstand Latein. Später ist er als Sammler von Büchern hervorgetreten. Die Bildung des Intellekts trat jedoch hinter der Ausbildung des Körpers zurück. Der Krieg und die Jagd waren die Tätigkeiten, welche ein Adliger beherrschen musste; dementsprechend lernte Edward früh zu reiten und die Waffen zu führen. Dabei kam ihm seine kräftige und hoch gewachsene Statur zugute. Überhaupt stimmen alle Augenzeugen überein, dass er ein stattlicher, gut aussehender und charmanter Mann war, der dem Idealbild eines Königs entsprach.

Für Edwards Stellung innerhalb der Familie war entscheidend, dass er der älteste überlebende Sohn seiner Eltern war – ein älterer Bruder war schon in jungen Jahren verstorben. Somit war er der voraussichtliche Erbe der Familiengüter und des Titels. Seine vier Schwestern konnten mit einer reichlichen Mitgift rechnen, hier oblag es dem Vater bzw. nach dessen Tod dann Edward selbst, passende Ehemänner für sie zu finden. Schwieriger gestaltete sich das Verhältnis zu seinen Brüdern. Seit der nur ein Jahr jüngere Edmund zusammen mit dem Vater bei Wakefield gefallen war, sah Edwards zweiter Bruder Georg (1449–1478), der Herzog von Clarence, in ihm vor allem den Rivalen. Es gab keine Konspiration gegen seinen Bruder, an der Georg nicht teilgenommen hätte, solange bis schließlich der Ältere die Geduld verlor, ihn aburteilen und hinrichten ließ. Hier mögen die kursierenden Gerüchte von Edwards zweifelhafter Abstammung insofern eine Rolle gespielt haben, als sie Georg eine Rechtfertigung vor seinem eigenen Gewissen boten. Das andere Extrem bietet Edwards jüngster Bruder Richard, der Herzog von Gloucester (1452–1485). Völlig loyal entwickelte er sich zur Hauptstütze seines Bruders, um dann – nach dessen Tod – auf einmal selbst nach der Macht zu greifen. Als König Richard III., als Mörder von Edwards Söhnen, seiner Neffen, der Prinzen im Tower, ist er in die Geschichte eingegangen.

Leben in einem Großhaushalt

Edward war im Haushalt seines Vaters aufgewachsen, und dieser Haushalt verdient nähere Aufmerksamkeit. Zu den heute kaum noch fassbaren Realitäten des mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Lebens gehören die königlichen, adligen und – nicht zu vergessen – bischöflichen Großhaushalte. Man kann ihre Bedeutung am ehesten erahnen, wenn man Schlösser und Residenzen besichtigt. In solchen Gebäuden lebten Hunderte von Menschen, die alle Mitglieder der familia des königlichen oder adligen Hausherrn waren. Man zögert, dieses Wort mit „Familie“ zu übersetzen, weil darin ein emotionales und affektives Moment mitschwingt, das man einem solchen Großhaushalt schwerlich zutraut. Häufiger findet sich in den Quellen die Bezeichnung domus (Haus), die als „Herrscherhaus“ oder „Königshaus“ bis heute fortlebt. Nun war ein solcher Großhaushalt ein sehr differenziertes Gebilde. Es gab zahlreiche hierarchisch angeordnete Ämter und Würden, eine Vielzahl sehr verschiedener Aufgaben mussten erfüllt werden.

Was das Verständnis eines solchen Haushalts erschwert, ist vor allem, dass er zwei Bereiche vereinte, die heute in der Regel getrennt sind, nämlich Arbeits- und Privatleben. Ein Koch, ein Leibwächter, ein Schatzmeister oder sonstiger Bediensteter arbeitete und lebte in einem solchen Haushalt, er war immer im Dienst. Das galt umgekehrt auch und gerade für den Hausherrn selbst. Ein König oder hoher Adliger war ständig von einem entsprechenden Gefolge umgeben. Das unterstrich nicht nur seine Bedeutung und erhöhte sein Ansehen, sondern ermöglichte ihm auch, jederzeit die Dienste, den Rat und die Kompetenz seiner Gefolgsleute in Anspruch zu nehmen. Selbst wenn er schlief, pflegten sich Diener in seinem Schlafzimmer aufzuhalten; seine engsten Vertrauten und Ratgeber waren in der Regel in den benachbarten Zimmern untergebracht.

Dagegen pflegte der König mit seiner Ehefrau, der Königin, keineswegs ständig das Bett zu teilen. Sie bewohnte mit ihrem eigenen Gefolge separate Flügel im königlichen Palast, wenn sie nicht gar getrennt vom König in eigenen Residenzen wohnte. Sie hatte ihren separaten Haushalt, den sie aus ihren eigenen Gütern und Einnahmen finanzierte. Das war auch im Hause York nicht anders. Von Edwards Mutter Cecily wissen wir, dass sie – ähnlich wie ihr Sohn – sogar die Produkte ihrer Güter selbst vermarktet hat.

Der Dienst in einem solchen Haushalt war begehrt, es mangelte nicht an Bewerbern. Durch den Königs- oder Herrendienst konnte man zu Reichtum und Ansehen gelangen, gerade ambitionierte Männer niederer Herkunft haben so nicht selten ihre Karriere begonnen. Umgekehrt war „Personalpolitik“ die zentrale Aufgabe eines Herrschers: Gelang es ihm, fähige und loyale Diener zu finden, ihre jeweiligen Tätigkeiten zu koordinieren und ihnen die nötigen Kompetenzen einzuräumen, dann hatte er sein Teil getan, dann konnte er sich dem höfischen Leben, dem Vergnügen, der Jagd, den schönen Frauen widmen. Wenn im Folgenden davon die Rede ist, dass „Edward entschied, tat, machte etc.“, dann war häufig aller Wahrscheinlichkeit nach nicht Edward, sondern einer seiner Berater oder Höflinge tätig.

Ein großes Haus mit zahlreichem Personal zu unterhalten, war eine Prestigefrage. Es hat Heinrich VI. sehr geschadet, dass er zuletzt nicht mehr in der Lage war, einen entsprechenden Aufwand zu treiben, dass er aus Geldmangel den Zuschnitt des königlichen Hofes immer mehr beschneiden musste. Aber es ging nicht allein ums Prestige. Die Masse der „Höflinge“ hatte einen anstrengenden und ausgefüllten Arbeitstag; sie waren nötig, um die vielfachen Ansprüche, die an den Hausherrn gestellt wurden, zu erfüllen. Ursprünglich war der königliche Haushalt auch das Zentrum der gesamten Reichsverwaltung gewesen, immer noch wurden hier die politisch relevanten Entscheidungen getroffen.

Zwar war in England der Prozess der allmählichen Herauslösung einzelner „Behörden“ aus dem königlichen Haushalt schon recht weit fortgeschritten, bildeten die Kanzlei und das Schatzamt bereits eigene Institutionen, die sich räumlich und personell vom königlichen Haushalt getrennt hatten. Doch auf der Ebene des Adels sah das noch anders aus: die „Verwaltung“ der Herzogtümer, Grafschaften, Bistümer etc. vollzog sich immer noch weitgehend innerhalb der adligen Haushalte. Ein Weiteres kam hinzu: Der „Reichtum“ eines Adligen (und insbesondere eines Königs) bestand in erster Linie aus Grundbesitz. Diesen pflegte man zu verpachten, die eingehenden Pachtgelder waren die Haupteinnahmequelle. Die Verwaltung des Grundbesitzes wie der Pachtgelder oblag wieder dem Haushalt. Bedenkt man, dass dieser Grundbesitz meist weit gestreut war, die Besitz- und Herrschaftsrechte oft mit denen anderer Grundbesitzer kollidierten, so kann man sich vorstellen, dass dies keine leichte Aufgabe war. Der Grundbesitz des Herzogs von York erstreckte sich allein in England über mehr als 20 Grafschaften (shires); hinzu kamen weitere Besitztümer in Wales und in Irland. Seine jährlichen Einkünfte werden auf 6000 bis 7000 Pfund Sterling geschätzt.

Schließlich hatte ein solcher Haushalt eine militärische Komponente. Die Kerntruppen, die ein König oder hoher Adliger in die Schlacht führte, waren eben seine Hausgenossen, seine persönlichen Gefolgsleute. Das spätmittelalterliche England ist gekennzeichnet durch den „Bastardfeudalismus“; man versteht darunter das Bestreben des Hochadels, seine Einkünfte dazu zu verwenden, sich große, militärisch ausgerüstete Gefolgschaften zuzulegen. Sie trugen die Hauptlast der Kämpfe in den Rosenkriegen. Diese Gefolgsleute hatten also – im wörtlichen Sinne – mit ihrem Herrn zu siegen oder unterzugehen.

Die „Familie“, in der Edward aufwuchs und die ihn prägte, bestand somit nicht einfach aus seinen Eltern und Geschwistern, sondern auch aus den Mitgliedern des elterlichen Großhaushalts. Schon in seiner Jugend, die er meist in den väterlichen Residenzen in Ludlow und Fotheringhay verbrachte, ist er früh im Gefolge seines Vaters in das politische Leben, aber auch in die Praxis der Güter- und Finanzverwaltung eingeführt worden: teils durch den ständigen Umgang mit seinem Vater, aber auch durch den mit dessen Beratern, Vertrauten und Standesgenossen.

Die Entscheidung

Mit dem plötzlichen Tod seines Vaters erbte Edward nicht nur dessen Besitz und dessen Ansprüche, sondern auch dessen Haushalt; er war nun der Herr des „Hauses“ York. Er umgab sich sofort mit einer ganzen Reihe vertrauter Ratgeber seines Vaters; diese sind überwiegend auch weiterhin in seinen Diensten nachweisbar. Als ihn die Nachricht vom Tod seines Vaters erreichte, befand Edward sich in Gloucester, wo er Truppen gesammelt hatte. Mit diesen brach er unverzüglich auf: Am 2. oder 3. Februar 1461 errang er bei Mortimer Cross in der Nähe von Hereford seinen ersten Sieg über ein Aufgebot königlicher Truppen unter Graf Jasper von Pembroke. Eine seltene Luftspiegelung: drei Sonnen an einem sonst klaren Himmel, deutete Edward geistesgegenwärtig als Vorzeichen seines Sieges; die „goldene Sonne von York“ führte er fortan als eines seiner Lieblingswappen.

Nur wenige Tage später, am 17. Februar, erlitt sein Verbündeter und Verwandter, Graf Richard Neville von Warwick, eine schwere Niederlage gegen königliche Truppen bei St. Albans. Als Edward diese Nachricht erreichte, brach er schleunigst in Richtung London auf, vereinte sich mit Warwick und konnte am 26. Februar einen triumphalen Einzug in der Metropole halten. Am 4. März wurde Edward im Palast von Westminster feierlich zum König proklamiert, die eigentliche Krönung sollte später erfolgen. London wurde nun der Sammelplatz für die Anhänger des Hauses York, zudem unterstützten die Bürger und Kaufleute Edward mit bedeutenden Krediten. Das hier erstmals sichtbar werdende Zusammenwirken Edwards mit der Londoner Bürgerschaft sollte eine Konstante seiner Regierungszeit werden.

Am 13. März brach der neue König mit seinem Heer nach Norden auf; am 29. März, dem Palmsonntag, traf er bei Townton auf die gesammelten Truppen seines Rivalen. Es wurde die größte und blutigste Schlacht des Rosenkriegs; drei Viertel des englischen Adels waren an ihr beteiligt. Während Edward seine Männer persönlich in den Kampf führte, flehte Heinrich VI. mit dem Gebetbuch in der Hand den Himmel um Beistand an. Vergebens. In der Schlacht fiel der größte Teil der Anhängerschaft des Hauses Lancaster. Heinrich VI. gelang zunächst die Flucht; schließlich fiel er Edward in die Hände und wurde im Londoner Tower festgesetzt.

Der Sieg von Townton war entscheidend. Zwar mussten noch verstreute Anhänger des Hauses Lancester bekämpft und ihre Burgen belagert werden, aber die Widerstandskraft der Roten Rose war gebrochen. Lediglich Königin Margarete und ihr Sohn, Prinz Edward, hatten sich erst ins schottische, dann ins französische Exil retten können; sie blieben noch lange der Mittelpunkt des Widerstands gegen das Haus York. Edward kehrte nach London zurück; dort wurde er am 28. Juni 1461, mit 19 Jahren, in feierlicher Zeremonie zum König von England gekrönt. Er saß im Sattel, jetzt musste er zeigen, ob er reiten konnte.

Der königliche Kaufmann

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